Soshana


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Soshana Afroyim in ihrem Atelier in Paris (1956)

Soshana Afroyim (* 1. September 1927 in Wien; † 9. Dezember 2015 ebenda;<ref>Malerin Soshana 89-jährig gestorben</ref> Geburtsname Susanne Schüller, Künstlername ab 1948 Soshana) war eine österreichische Malerin. Ihre Schaffenszeit fällt in die klassische Moderne. Im Zuge ihrer Reisen porträtierte sie Persönlichkeiten und entwickelte ihre Kunst in verschiedene Richtungen. Während Soshanas Frühwerk geprägt ist von klassischen, naturalistischen Darstellungen in Form von Landschaften und Porträts, ist für ihr späteres Werk die Abstraktion, inspiriert von der chinesischen Kalligraphie, von Bedeutung.

Leben

Kindheit

Soshana wurde 1927 in Wien unter dem Namen Susanne Schüller als erstes von zwei Kindern in eine gutbürgerliche jüdische Familie geboren. Ihr Bruder Maximilian Schüller folgte zwei Jahre später. Vater Fritz Schüller besaß eine Manschettenknopffabrik, Mutter Margarethe Schüller war Bildhauerin.

Soshana besuchte zunächst die Rudolf-Steiner-Schule, danach die alternative Schwarzwaldschule.

Bereits im Kindesalter begann Soshana zu malen und zu zeichnen. Die Mutter unterstützte ihre Kreativität und sammelte akribisch alle Werke ihrer Tochter.<ref>Afnan Al-Jaderi: Die Geschichte eines Lebens, in: Soshana. Leben und Werk, Springer 2010, S. 25</ref>

Flucht

Die Kindheit Soshanas nahm mit dem Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland im März 1938 ein abruptes Ende. Die junge Familie musste ihr gesamtes Hab und Gut hinterlassen und verließ die Heimat. Mutter und Kinder flohen zunächst in die Schweiz, dann nach Paris und 1939 schließlich für zwei Jahre nach England. Hier besuchte Soshana das Northwood College und 1940 die Chelsea Polytechnic School in London, wo sie Mal- und Zeichenkurse nahm und eine Ausbildung in der Modezeichnung erhielt.

Soshana, die den Einmarsch von Hitlers Truppen vom Fenster aus beobachtete und in London Zeugin des Luftkrieges wurde, verarbeitete in Frankreich als Zwölfjährige ihre Eindrücke, zum Beispiel in einer Zeichnung, die sie mit „Hitler als Cloun“ betitelte und 1940 in London, wo sie eine Bilderserie vom Luftkrieg anfertigte.<ref>Afnan Al-Jaderi: Die Geschichte eines Lebens, in: Soshana. Leben und Werk, Springer 2010, S. 26</ref>

Emigration nach Amerika

Soshanas Vater war von Paris nach Spanien über Tanger nach New York geflohen. 1941 gelang es ihm, ein Affidavit für seine Familie zu bekommen, und so gelang es Soshana, ihrer Mutter und ihrem Bruder, mit der S.S. Madura, dem letzten Passagierschiff, das im Zweiten Weltkrieg über den Atlantik fuhr, in die USA überzusetzen.

In New York besuchte Soshana die Washington Irving High School und begann unter der Anleitung des Künstlers Beys Afroyim (1893–1984),<ref>Webseite Soshana, soshana.net, abgerufen am 3. November 2012</ref> zunächst in einer Gruppe und später im Einzelunterricht, zu malen. Soshanas Eltern waren derweil mit der Neuorganisation ihres Lebens und dem Wiederaufbau eines halbwegs normalen Alltags beschäftigt. Dem Vater Fritz Schüller gelang es jedoch nicht, geschäftlich Fuß zu fassen, weshalb die Mutter Margarethe die Familie durch einen kleinen Laden, in dem sie Selbstgestricktes verkaufte, über Wasser hielt.

Soshana fand bei ihrem Lehrer Afroyim die Aufmerksamkeit und Geborgenheit, die ihr zuhause fehlten, und es entwickelte sich eine besondere Freundschaft und in weiterer Folge eine Liebesbeziehung.<ref>Afnan Al-Jaderi: Die Geschichte eines Lebens, in: Soshana. Leben und Werk, Springer 2010, S. 26</ref>

Reisen durch Amerika

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Beys Afroyim und Sohn Amos (1947)

Im Alter von 17 Jahren reiste Soshana mit Beys Afroyim gegen den Willen ihrer Eltern durch ganz Amerika. Um sich den Lebensunterhalt zu finanzieren, malte das Paar auf seinen Reisen Porträts von Schriftstellern, Musikern, Staatsmännern und Wissenschaftlern wie Thomas Mann, Arnold Schönberg, Lion Feuchtwanger, Franz Werfel, Otto Klemperer, Bruno Walter, Theodore Dreiser und Hanns Eisler.

Als im Mai 1945 die UNO in San Francisco gegründet wurde, porträtierte das Künstlerpaar Delegierte, wie z. B. Wassili Wassiljewitsch Kusnezow, den stellvertretenden Vorsitzenden des Staatlichen Plankomitees der UdSSR.

Im selben Jahr heiratete Soshana den wesentlich älteren Beys Afroyim in Chicago, und 1946 wurde aus dieser Ehe ein Sohn, Amos, das einzige Kind Soshanas, in New York geboren.<ref>Afnan Al-Jaderi: Die Geschichte eines Lebens, in: Soshana. Leben und Werk, Springer 2010, S. 26/27</ref>

Aufenthalt in Kuba und die erste große Ausstellung

Beys Afroyim war aktives Mitglied der Kommunistischen Partei Amerikas. Aufgrund der Verfolgung von Kommunisten während der McCarthy-Ära beschloss das Ehepaar, die USA zu verlassen, und verbrachte neun Monate in Kuba. Dort hatte Soshana 1948 im Circulo de Bellas Artes in Havanna ihre erste große Ausstellung, hier übernahm sie auch erstmals den Kosenamen Soshana (hebräisch für Lilie), den Beys ihr gegeben hatte, als Künstlernamen.

Soshana und Beys kehrten in die USA zurück, doch wurde es dort bald zu gefährlich für die beiden, weshalb sie 1949 die Vereinigten Staaten verließen und sich nach Europa zu wandten, wo sie nach Aufenthalten in Holland, Österreich, England, Polen und der Tschechoslowakei letztendlich in Israel landeten.<ref>Afnan Al-Jaderi: Die Geschichte eines Lebens, in: Soshana. Leben und Werk, Springer 2010, S. 27</ref>

Die schwierige finanzielle Lage der Familie und der feste Wille Soshanas und Beys, sich der Kunst zu widmen, strapazierten das Eheleben und führten schließlich im Jahre 1950 offiziell zur Scheidung. Soshana behielt zeit ihres Lebens den Nachnamen ihres Ex-Mannes, Afroyim. 1951 kehrte sie mit ihrem Sohn nach Wien zurück.

Wien – Paris

Kunststudium in Wien

Um sich nun voll und ganz der Kunst widmen zu können, überließ Soshana ihr fünfjähriges Kind der Obhut ihres Vaters Fritz, der schon 1947 nach Wien zurückgekehrt war und dem Jungen sein stabileres Leben bieten konnte.<ref>„Damit kehrte Ruhe in mein Leben ein: ein fixer Wohnort, keine Hotelzimmer, keine Bahnhöfe, kein ewiges Wegfahren und Verreisen.“ Amos Schueller: Soshana – Die Tochter Meines Großvaters, in: Soshana. Life and Work. Springer 2010, S. 254</ref> 1951 begann sie ein Kunststudium an der Hochschule für Angewandte Kunst und wechselte 1952 an die Akademie der Bildenden Künste, wo sie unter der Anleitung von Sergius Pauser, Albert Paris Gütersloh und Herbert Boeckl malte. Der akademische Kunstbegriff entsprach jedoch nicht ihren Vorstellungen, weshalb sie sich 1952 dazu entschloss, ihr Studium abzubrechen und nach Paris zu ziehen.<ref>Afnan Al-Jaderi: Die Geschichte eines Lebens, in: Soshana. Leben und Werk, Springer 2010, S. 27</ref>

Paris

In den 1950er Jahren war die französische Hauptstadt ein „Mekka der Kunst“, die „Metropole der damaligen Avantgarde, ein Schmelztiegel an neuen Einflüssen“ und „revolutionären Ideen“.<ref>Martina Gabriel: Soshana – Leben und Werk, in: Soshana, Amos Schueller Wien 2005, S. 7</ref> Soshana bezog zunächst das ehemalige Atelier des französischen Künstlers André Derain, danach ein Atelier in der Impasse Ronsin, direkt neben dem Bildhauer Brâncuși, der sie liebte „wie ein Vater seine Tochter“.<ref>Aus Soshanas unveröffentlichten Manuskripten, archiviert in der Österreichischen Nationalbibliothek</ref> Später arbeitete Soshana in einem Atelier in der Rue de la Grand-Chaumiere, das früher den Malern Alfons Mucha und Paul Gauguin gehört hatte – ein kaltes feuchtes Loch mit bröckelnden Wänden: „ Yet when you see what happens to the artists in N.Y. today – as N.Y. became the Art Center of the world – only 1 of 2000 artists can make living from his work. From that only 4 or 5 women artists are known. […] Today its really like the end of art. nothing new comes out anymore. Myself and many other artists have so many paintings that they cant sell and not even exhibit and dont know what to do with their work.(...)In Paris in 1952, when I first arrived, there was a different spirit still in the Art World. The artists believed in what they did and the galleries were looking for new talents and there was a hope of success and fame. […] This period that I lived through in Paris from 1952 till 1972 is gone. […] The American and German collectors no longer came to Paris to buy art and N.Y. became the art center instead.” (Aus Soshanas unveröffentlichten Manuskripten, archiviert in der Österreichischen Nationalbibliothek)</ref> 1985 kehrte sie in ihre Heimatstadt Wien zurück.

Wien

Mit Wien als Lebensmittelpunkt ging Soshana ihrer Reiseleidenschaft so lange nach, bis es ihr gesundheitlicher Zustand ab 2005 nicht mehr zuließ. Sie lebte in einem Pflegeheim, wo sie nach wie vor täglich malte. Ihr Sohn Amos hat sich 2005 ihrer Werke angenommen und organisiert international Ausstellungen und andere Projekte.

Ihr ganzes Leben schrieb Soshana Tagebücher, filmte ihre Reisen, interviewte Künstler und andere Persönlichkeiten aus dem Kunstumfeld und begann schriftliche Aufzeichnungen über ihr Leben und die Entwicklung der internationalen Kunstszene zu verfassen. Zwei autobiografische Buchprojekte wurden in Angriff genommen, jedoch nie fertiggestellt.<ref>1981 der autobiografische Roman The Girl who said No to Picasso in Kooperation mit Lucy Freeman; 1983 die Autobiografie unter dem Arbeitstitel Hand to Mouth – A Self Portrait in Color in Kooperation mit Toby Falk.</ref> Diese Sammlungen von Videotapes, Tonbandaufnahmen und Manuskripten sowie Soshanas gesamter Vorlass wurde 2008 ins Archiv der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen und sind somit der Öffentlichkeit zugänglich.

Darüber hinaus erschien im Herbst 2010 die erste Monografie zum Leben und Werk der Künstlerin mit dem Titel Soshana. Leben und Werk im Springer-Verlag.

Im September 2011 wurden sieben Soshana-Werke aus einer Wiener Privatsammlung gestohlen.<ref>10. Oktober 2011 - http://www.vienna.at/kunstraub-18-werke-aus-wiener-privatsammlung-gestohlen/3048745</ref>

Werk

Frühe Arbeiten

Soshanas Frühwerk verbindet Positionen des Amerikanischen Realismus mit jugendlich unbekümmertem Fauvismus.<ref>Matthias Boeckl: Die Farben des Lebens – Vorgeschichte und Kontext von Soshanas Frühwerk in der US-Moderne. In: Soshana. Leben und Werk. Springer 2010, S. 21.</ref>

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Otto Klemperer, Dirigent, Öl auf Leinwand, 1945
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Outside Havana, Öl auf Leinwand, 1947
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Artists in Paris, Öl auf Leinwand, 1955
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Kyoto, Tusche auf Papier, 1957

Ab dem Alter von vierzehn Jahren besuchte Soshana eine New Yorker Kunstschule und wurde dort in ihrem Stil nachhaltig geprägt. Bis zu ihren frühen abstrakten Bildern, die ab ihrem Umzug 1952 nach Paris entstanden, malte sie einen farbintensiven, archaisierenden Realismus. Soshanas plakativer Realismus jener Jahre ist im Kontext der politisch engagierten Kunst um 1945 zu sehen, einer Übergangsphase zwischen den Realismen der 1930er Jahre und der abstrakten Malerei der 1950er Jahre.<ref>Matthias Boeckl: Die Farben des Lebens – Vorgeschichte und Kontext von Soshanas Frühwerk in der US-Moderne, in: Soshana. Leben und Werk, Springer 2010, S.11</ref> Schon in London hatten die Erfahrungen der Bombardements die angehende Künstlerin zur Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt bewegt. Ihr New Yorker Kunstlehrer und späterer Ehemann Beys Afroyim, der engagierter Kommunist war, führte sie noch näher an den sozialen Realismus heran.<ref>Matthias Boeckl: Die Farben des Lebens – Vorgeschichte und Kontext von Soshanas Frühwerk in der US-Moderne, in: Soshana. Leben und Werk, Springer 2010, S.12</ref> Afroyim und Soshana verkehrten intensiv in einem politisch aktivistischen New Yorker Künstlermilieu, das sich vorwiegend aus europäischen Immigranten zusammensetzte.<ref>Matthias Boeckl, Die Farben des Lebens – Vorgeschichte und Kontext von Soshanas Frühwerk in der US-Moderne, in: Soshana. Leben und Werk, Springer 2010, S. 17. </ref>

Auf ihren Reisen mit Beys Afroyim durch die USA, und später Kuba, Israel und Europa, malte Soshana Straßenszenen (z. B. Old Street in NY City, 1943, oder Street in L.A., 1945), Arbeiter in den Fabriken (z. B. die Serie My Sweatshop in New York, 1944), Menschen, die sie auf ihrem Weg traf (z. B. Two Black Youths, 1944, oder Young Man with a Straw, 1945) und vermehrt auch Landschaften. Zudem fertigte sie viele Auftragsporträts von Künstlern und Politikern (z. B. Franz Werfel auf seinem Totenbett, 1945, oder Otto Klemperer, 1945). Diese Porträts reflektieren auch das kritisch-intellektuelle Umfeld, in dem Soshana und ihr späterer Ehemann Beys Afroyim verkehrten.<ref>Birgit Prunner: Soshana. Das Malerische Oeuvre der 1950er und 1960er Jahre im Licht der internationalen Avantgarde, Diplomarbeit 2011, S. 24/25</ref> Alle Dargestellten blicken in diesen frontalen oder dreiviertel Porträts betont melancholisch. Aus der Perspektive des plakativen Sozialrealismus interpretierte Soshana die Psychologie europäischer Emigranten in Los Angeles und europäischer Gesandter des Gründungskongresses der Vereinten Nationen in San Francisco.<ref>Matthias Boeckl: Die Farben des Lebens – Vorgeschichte und Kontext von Soshanas Frühwerk in der US-Moderne, in: Soshana. Leben und Werk, Springer 2010, S. 21.</ref>

Soshanas Milieustudien von Arbeitern in Fabriken weisen inhaltliche Affinitäten zu Werken bekannter Regionalisten und Sozialrealisten wie Thomas Hart Benton, Grant Wood, der Soyer Brothers oder der mexikanischen Muralisten José Clemente Orozco und Diego Rivera auf.<ref>Birgit Prunner: Soshana. Das Malerische Oeuvre der 1950er und 1960er Jahre im Licht der internationalen Avantgarde (PDF; 15,0 MB), Diplomarbeit 2011, S. 26.</ref>

Bis 1948 blieb Soshana dem farbintensiven und expressiven Sozialrealismus treu. Figuren werden in diesen Bildern mit wenigen breiten Pinselstrichen grob und ohne jedes Detail modelliert, die Straßen und Landschaftsszenen sind stets aus einem leicht erhöhten Blickpunkt dargestellt, weder Häuser noch Figuren werfen Schatten, der satte Auftrag der Grundfarben verströmt eine fast heitere Stimmung, was als Nachklang des Fauvismus gedeutet werden kann.<ref>Matthias Boeckl: Die Farben des Lebens – Vorgeschichte und Kontext von Soshanas Frühwerk in der US-Moderne, in: Soshana. Leben und Werk, Springer 2010, S. 20.</ref> Soshanas Bilder von österreichischen Alpenlandschaften, die nach ihrer Rückkehr nach Österreich 1951 entstanden, zeigen die ersten Schritte ins Informel.<ref>Matthias Boeckl: Die Farben des Lebens – Vorgeschichte und Kontext von Soshanas Frühwerk in der US-Moderne. In: Soshana. Leben und Werk. Springer 2010, S. 22.</ref>

Paris, Asien und das Informel

Mit ihrem Umzug 1952 nach Paris wurde Soshana Teil der sogenannten Nouvelle École de Paris, eine Vertreterin der Pariser Schule.<ref>Birgit Prunner: Soshana. Das Malerische Oeuvre der 1950er und 1960er Jahre im Licht der internationalen Avantgarde, Diplomarbeit 2011, S. 29, 30.</ref>

Beeinflusst durch die Kontakte zu anderen Künstlern aus der ganzen Welt wandte sich Soshana nach und nach vom expressiven Realismus hin zum Informel. Schritt für Schritt eliminierte sie den Gegenstand vollständig aus ihren Bildern und schloss damit an den internationalen Kunstjargon der Zeit nach 1945 an.<ref>Birgit Prunner: Soshana. Das Malerische Oeuvre der 1950er und 1960er Jahre im Licht der internationalen Avantgarde, Diplomarbeit 2011, S. 36.</ref> Die Malerei ihrer Pariser Zeit wird oft mit den Begriffen des Abstrakten Expressionismus sowie des Lyrischen Informel in Verbindung gebracht. Ihre Werke werden mit denen von Jackson Pollock, Georges Mathieu und Hans Hartung verglichen.<ref>Birgit Prunner: Soshana. Das Malerische Oeuvre der 1950er und 1960er Jahre im Licht der internationalen Avantgarde, Diplomarbeit 2011, S. 36–39.</ref>

Ab der zweiten Hälfte der 1950er Jahre weist Soshanas Malerei zunehmend einen kalligrafischen Duktus auf. In Paris hatte sie viele japanische und chinesische Bekanntschaften (z. B. Tobashi, Walasse Ting) und machte ihre ersten Versuche mit der Kalligrafie.<ref>Birgit Prunner: Soshana. Das Malerische Oeuvre der 1950er und 1960er Jahre im Licht der internationalen Avantgarde, Diplomarbeit 2011, S. 52–54.</ref> Wie viele andere Künstler des Informel war Soshana fasziniert von der asiatischen kalligrafischen Ästhetik und der Philosophie dahinter.

Den ausschlaggebenden Impuls, sich intensiv mit traditioneller fernöstlicher Kunst zu beschäftigen, erhielt sie während ihrer Asienreise 1957. Sie experimentierte mit Papier und Tusche und wandte die Technik bald auch auf ihre Ölbilder an.<ref>“My Trip to China in 1957 left a lasting influence on my work (...) I was taught the traditional Chinese painting technique on rice paper by an artist in Hangchow. When I returned to Paris I tried applying oils with a palette knife on canvas in a similar way and I continue to use this technique”. Soshana in: Soshana, United Artists Ltd.,Tel Aviv 1973, S. 146.</ref>

Trotz aller Hinwendung zur abstrakten Kunst ab 1952 löste sich Soshana im Laufe ihres Lebens nie gänzlich vom Gegenstand. Immer wieder verwob sie Figuren in ihre Bilder.<ref>Birgit Prunner: Soshana. Das Malerische Oeuvre der 1950er und 1960er Jahre im Licht der internationalen Avantgarde, Diplomarbeit 2011, S. 47.</ref>

Mexiko und der Abstrakte Surrealismus

In Soshanas Werken sind immer wieder surrealistische Tendenzen zu finden; unendliche Perspektiven, ortlose Weiten, in denen rätselhafte Gestalten, Masken und Köpfe im Raum zu schweben scheinen. Die vermehrte Verwendung dieser surrealistischen Bildsprache fällt zeitgleich mit Soshanas erstmaliger Reise nach Mexiko 1960. Mexiko hatte aufgrund seiner geografischen Lage und seiner politischen antifaschistischen Position eine große Anziehungskraft auf Künstler und Intellektuelle aus Europa.<ref>Birgit Prunner: Soshana. Das Malerische Oeuvre der 1950er und 1960er Jahre im Licht der internationalen Avantgarde, Diplomarbeit 2011, S. 81.</ref>

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Alone in Mexico, Öl auf Leinwand, 1969

Auch Soshana ist ein „Kind der Sprache der Malerei Mexikos“, eine „Pintora Filomexicana“.<ref>Christian Kloyber: Mexiko – Soshanas Inspiration, in: Soshana. Leben und Werk, Springer 2010, S. 223.</ref> Die Malerin war von dem Land zeit ihres Lebens magisch angezogen. Die Werke, die dort entstanden oder eine Erinnerung an das Land zum Motiv haben, weisen einen starken Eigencharakter auf.<ref>Afnan Al-Jaderi: Die Geschichte eines Lebens, in: Soshana. Leben und Werk, Springer 2010, S. 38.</ref>

Dafür entwickelte sie eine Technik weiter, auf die sie zufällig in ihrem Pariser Atelier gestoßen war, als es durch das Dach auf ein noch feuchtes Bild geregnet hatte. Mit Terpentin imitierte Soshana die Strukturen des tropfenden Wassers – was entstand, waren rauschhafte, psychodelische, exotische Emotionslandschaften. Drip Paintings mit umgekehrten Vorzeichen,<ref>Martina Pippal: Soshana und die österreichische Moderne – Versuch einer Positionierung, in: Soshana. Leben und Werk, Springer 2010, S. 55.</ref> die an die Struktur von Flüssigkristallen erinnern. Sie selber beschreibt: “Some biochemists say that my paintings resemble what you see, when you look into a microscope.”<ref>Soshana, How to make use of and control results obtained by accident, archiviert in der Österreichischen Nationalbibliothek, S. 6.</ref>

Einsamkeit und Schmerz

Ein Motiv zieht sich durch das gesamte Werk Soshanas und hat ihr den Ruf als „Prophetin des Unheils“, „Malerin der Beklemmung und Einsamkeit, des Leidens und Wahnsinns, des Schmerzes und des Todes“ oder „Kassandra der Leinwand“ (The Mainichi 1957) eingebracht: Eine einsame Figur, eine Silhouette oder ein Kopf zwischen schweren dunklen Balken oder umgeben von wildem, bedrohlichen Strichgestrüpp, oftmals in einer Tunnelperspektive.

Politische Werke

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6 Millionen Juden, Mischtechnik auf Papier, 1988

Schon als Kind kreuzten politische Ereignisse Soshanas Biografie. Sie verarbeitete diese mit den Augen eines Kindes, beispielsweise in zwei Zeichnungen, die Hitler als Cloun darstellen oder eine Landschaftszeichnung mit Schweizer Flagge, die auf dem Fluchtweg der Familie über die Schweiz entstand. Kalter Krieg, atomare Bedrohung, Terrorismus – all diese Themen tauchen immer wieder in Soshanas Œuvre auf. Aber vor allem in ihrem späteren Schaffen nahm Soshana immer wieder Bezug auf politische Ereignisse. Als sie 1985 nach Wien zurückkam, arbeitete sie das Thema Naziherrschaft und Holocaust bildnerisch auf. 1987/88 entstand zur Zeit des Wahlkampfes von Kurt Waldheim ein Bilderzyklus, in dem Soshana nationalsozialistische Propagandatexte collagenartig in Gouachemalerei einbaut.<ref>Martina Gabriel: Soshana – Leben und Werk, in: Soshana, Amos Schueller Wien 2005, S. 24.</ref> Ebenso zu den Jugoslawienkriegen, den Anschlägen auf das World Trade Center 2001 oder den Irakkriegen entstanden Serien.<ref>Beispiele finden sich auf der Homepage www.soshana.net unter dem Menüpunkt „Bilder“ in der Kategorie „Political“.</ref>

Spätwerk

Ab den späten 1980er Jahren verdichtete Soshana ihr Werk. Deutlich erkennbar sind dabei Reminiszenzen an vorhandene Werkserien.<ref>Ulli Sturm: Soshana – Eine Kosmopolitin, in: Soshana, Amos Schueller Wien 2005, S. 32</ref>

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Watermelone, Öl auf Leinwand, 2010

Soshanas Spätwerk ab dem Jahr 2000 hebt sich deutlich von ihren restlichen Bildern ab. Klarer und ruhiger strukturiert sind die Flächen, einfacher die Formen, unvermischter die Farben. Fast schon kindlich naiv wirken die Motive, die Gemälde sind kleine Bilderrätsel voller Ironie und Phantasie.<ref>Beispiele finden sich auf der Homepage www.soshana.net, unter demMenüpunkt „Bilder“, in der Kategorie „Recent Works“</ref>

Werke (Auswahl)

Eine Übersicht über Soshanas Schaffensperioden findet sich auf ihrer Homepage.<ref>Siehe Weblink über Soshanas Leben und Werk</ref>

  • 1944: Workers in a N.Y. Sweatshop, Öl auf Leinwand, 40,5 x 48 cm
  • 1955: Artists in Paris, Öl auf Leinwand, 73 x 100 cm
  • 1957: Maroque Marrakesch, Öl auf Leinwand, 60 x 55 cm
  • 1963: Chinese Tiger, Öl auf Leinwand, 96 x 162 cm
  • 1972: Terrorist in Munich, Öl auf Leinwand, 115 x 72 cm
  • 1981: Rainbow, Öl auf Leinwand, 101 x 76 cm
  • 1988: Concentration Camp, Acryl auf Leinwand, 116 x 74 cm
  • 1990: Memories of Mexico, Öl auf Leinwand, 80 x 115 cm
  • 1992: Chorramshar- Irak, Öl auf Leinwand, 75,5 x 115 cm
  • 2004: Movement V., Acryl auf Leinwand, 40 x 60 cm
  • 2007: Life, Öl auf Leinwand, 60 x 40 cm

Rezeption

Soshana innerhalb der Österreichischen Moderne

Soshana schuf den Großteil ihres Oeuvres in den USA, Israel, Frankreich, Mexiko, Südamerika, Indien, Japan, China, Afrika usw. Die Wahrnehmung im Kontext der österreichischen Kunst des 20. Jahrhunderts ist ihr deshalb weitgehend versagt geblieben. Die ausländische Presse sah sie paradoxerweise aber sehr wohl als österreichische Malerin. Heute wird sie oft als Kosmopolitin bezeichnet, als Globetrotterin, deren Werk durch Erfahrungen auf allen Kontinenten geprägt wurde.<ref>Peter Baum: Existenzieller Befund: Die Wiener Malerin Soshana, in: Soshana. Leben und Werk, Springer 2010, S. 140; Ulli Sturm: Soshana – Eine Kosmopolitin, in: Soshana, Amos Schueller Wien 2005, S. 31/32</ref>

„Soshanas Arbeiten wirken wie ein Reisetagebuch, das Seite für Seite ihre Reisen und die dort gesammelten Eindrücke und visuellen Erfahrungen widerspiegelt und sich dabei eines wechselnden Stils, der von mehr oder weniger abstraktem Impressionismus zu tachistischer Kalligrafie reicht, bedient.“ (Pierre Restany 1969, Kunsthistoriker, Philosoph, Kunstkritiker und Kurator)

Soshanas Position als Frau im Kunstgeschehen

„Eine Frau, die Kunst macht, lebt in einer Prüfungssituation und die Prüfung kann von jedem oder jeder abgenommen werden. Weil jeder und jede ‚weiß‘, was eine Frau ist, deshalb kann jeder und jede sich das Recht herausnehmen, die Beurteilung der Kunst von einer Frau darauf zu reduzieren, wie sie als Frau ist.“<ref>Marlene Streeruwitz: Soshana heißt Rose. Oder Lilie, in: Soshana. Leben und Werk, Springer 2010, S. 8</ref>

Eine Kunstkarriere war für eine Frau zu Soshanas Zeit keineswegs selbstverständlich. Das Ziel, von der Kunstproduktion zu leben, schien damals fast unerreichbar, weshalb viele angehende Künstlerinnen zusätzlich eine praktische Berufsausbildung absolvierten, meist im Umfeld des Kunstbetriebs.<ref>Matthias Boeckl, Die Farben des Lebens – Vorgeschichte und Kontext von Soshanas Frühwerk in der US-Moderne, Soshana. Leben und Werk, Springer 2010, S. 18.</ref> Soshana wählte einen unabhängigen, selbstbestimmten und emanzipierten Weg, in einer Epoche, in der die rechtliche Gleichstellung mit dem Mann, dieselbe Möglichkeit, jeden Beruf ergreifen zu können, schlicht unvorstellbar war.<ref>Martina Gabriel: Soshana – Leben und Werk, in: Soshana, Amos Schueller Wien 2005, S. 7</ref>

In einem Brief an die Co-Autorin ihrer Autobiografie ist sie sich ihrer Rolle als Pionierin bewusst: “This is why I want to write this book, to say what a struggle I went through to be a woman and an artist and be maybe like 100 years ahead of the times we actually live in.”<ref>Brief an Toby Falk, 9. Februar 1983, archiviert in der Österreichischen Nationalbibliothek</ref>

Wie schwierig es war, sich als Frau auf dem Kunstmarkt zu behaupten, beweist die Tatsache, dass selbst eine revolutionäre Künstlergruppe, wie CoBrA, sie aus sexistischen Gründen ablehnte oder der Galerist ihres Künstlerkollegen Pinot Gallizio nicht wollte, dass sie auf den gemeinsamen Werken mitunterschrieb. Die Ablehnung aufgrund ihres Geschlechts widerfuhr ihr oft. Im Manuskript ihrer Autobiografie erzählt sie: “The owner of the Galerie de France told me in no uncertain terms, that they did not like to take woman artists on contract, it was considered too risky. A woman could get married, have children and abandon her career. Twenty years of publicity and a long-term financial investment in a female artist would be ruined over-night. Since this did not apply in my case, I felt the discrimination against women all the more.”<ref>Aus Soshanas unveröffentlichtem Manuskript für ihre Autobiografie, Soshana/Falk 1983</ref>

Die Rolle einer Frau in der Kunst war, nach damals weit verbreiteter Meinung, die einer Muse, die den Künstler zu inspirieren hatte, nicht die einer Malerin, die selbst den Pinsel in die Hand nahm.

Soshana aber verstand es, sich ein eigenständiges unverwechselbares Image als Künstlerin zu kreieren und ein erfolgreiches Selbstmanagement zu betreiben. Mittels spannungsgeladener Geschichten versuchte sie einen regelrechten Mythos um sich selbst zu schaffen. Vor allem um ihre Begegnung mit Picasso machte sie einen Kult, speziell um jenen Tag, als sie ihn in seiner Villa in Vallauris besuchte, um von ihm porträtiert zu werden, und Picassos Einladung, bei ihm zu bleiben, ablehnte. Der geplante Titel eines nie fertiggestellten Romans The Girl who said No to Picasso veranschaulicht den Versuch, mittels eines großen Namens die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.<ref>Birgit Prunner: Soshana. Das Malerische Oeuvre der 1950er und 1960er Jahre im Licht der internationalen Avantgarde, Diplomarbeit 2011, S. 75, 80.</ref>

Trotzdem war sie oft hin und her gerissen, zwischen Erleichterung und Stolz, „Nein“ gesagt zu haben, und dem Bedauern, nicht doch den damals sichereren Weg an der Seite eines Mannes beschritten zu haben.<ref>Aus Soshanas unveröffentlichten Tagebüchern und Manuskripten, archiviert in der Österreichischen Nationalbibliothek.</ref>

Auszeichnungen

Ausstellungen (Auswahl)

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Rainbow, Öl auf Leinwand 1981. Motiv der Sonderbriefmarke Soshana aus der Serie Moderne Kunst in Österreich 2008
  • 1948: Circulo de Bellas Artes, Havanna
  • 1957: Imperial Palace, Peking
  • 1960: Museo de Arte, Sao Paolo
  • 1961: Soshana, Musée Picasso, Antibes
  • 1966: National Museum of Modern Art, Mexico City
  • 1973: Old Jaffa Gallery, Israel
  • 1976: Modern Art Centre, Zürich
  • 1982: Horizon Gallery, New York
  • 1997: Soshana-Retrospective, Palais Pálffy, Wien
  • 1998: Lentos Museum, Linz, Österreich
  • 1999: Musée Matisse, Le Cateau-Cambrésis, Frankreich
  • 2006: Buch-Präsentation, Jüdisches Museum, Wien
  • 2007: Siddhartha Art Gallery, Kathmandu, Nepal; Agora Gallery, New York; Givatayim Theater, Israel
  • 2008: Khalil Sakakini Cultural Center, Ramallah, Westbank; City Council of Lima, Pancho Fierro Art Gallery, Peru
  • 2009: Yeshiva University Museum, New York; National Bank von Serbien, Belgrad; UCLA Hillel Museum, Los Angeles
  • 2012: Lilly’s Art, Wien; Ausstellung anlässlich Soshanas 85. Geburtages
  • 2013: Galerie des National Museum Bahrain
  • 2013: Galizisch-Jüdisches Museum Krakau, Polen

Literatur

  • Martina Gabriel, Amos Schueller (Hrsg.): Soshana. Ein Überblick über Soshana's Schaffen mit Texten von Peter Baum, Max Bollag, Walter Koschatzky, uvm., Wien 2005
  • Karin Jilek: Die Künstlerin Soshana „A broken childhood“. In: Fetz/Fingernagel/Leibnitz/Petschar/Pfunder (Hrsg.): Nacht über Österreich. Der Anschluss 1938 – Flucht und Vertreibung. Publikation anlässlich der gleichnamigen Ausstellung im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek vom 7. März bis 28. April 2013, Residenz Verlag, St. Pölten 2013, ISBN 978-3-7017-3299-9
  • Birgit Prunner: Soshana. Das Malerische Oeuvre der 1950er und 1960er Jahre im Licht der internationalen Avantgarde, Diplomarbeit Kunstgeschichte, Universität Wien 2011
  • Amos Schueller, Angelica Bäumer (Hrsg.): Soshana. Leben und Werk. Umfassende Monografie mit Texten von Matthias Boeckl, Afnan Al-Jaderi, Christian Kircher, Marlene Streeruwitz, Martina Pippal, Christian Kloyber uvm., Springer, Wien, New York 2010, ISBN 978-3-7091-0274-9
  • Amos Schueller (Hrsg.): Soshana. Gemälde und Zeichnungen 1945–1997, Ausstellungskatalog zur Retrospektive im Palais Pallfy, Wien 1997
  • United Artists Ltd. (Hrsg.): Soshana, Umfangreicher Bildband mit Texten von Jean Cassou, Michel Georges-Michel, Waldemar George, Pierre Restany, Tel Aviv 1973

Film

Überall alleine. Die Malerin Soshana. Der 45-minütige Dokumentarfilm wurde von Werner Müller produziert und im Dezember 2013 auf 3Sat ausgestrahlt. Er basiert auf Soshanas Leben, die Dreharbeiten fanden in Wien, Paris, Mexico und New York statt.<ref>Informationen zum Film</ref>

Einzelnachweise

<references />

Weblinks

Commons Commons: Soshana – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien