Wortstamm


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Der Begriff Wortstamm oder kurz Stamm bezeichnet in der linguistischen Morphologie einen Bestandteil eines Wortes, der als Ausgangsbasis für morphologische Operationen wie Wortbildung oder Flexion dienen kann. Es handelt sich demnach um ein potenziell unvollständiges Gebilde, das als Gegenstück zu einem Affix auftreten kann. Ein Stamm kann selbst zusammengesetzt sein, also bereits Produkt einer Wortbildungsregel sein, oder er kann eine elementare, unzerlegbare Einheit sein, d. h. eine Wurzel.

Beispiele

Beispiel: {trink} ist eine Wurzel, die in folgender Weise weitergebildet werden kann:

  • als verbaler Stamm in einem flektierten Verb wie trink-e / trink-st etc.
  • als verbaler Stamm für die Ableitung eines Substantivs wie Trink-er
  • als verbaler Stamm in einem zusammengesetzten Substantiv wie Trink-brunnen

Das Wortbildungsprodukt Trinkbrunnen kann wiederum Stamm sein für die flektierte Form Trinkbrunnen-s (Genitiv) oder für weitere Komposition wie Trinkbrunnenreinigung.

Definition und Begriffsvarianten

Stamm und Basis

Der Begriff Stamm als Ausgangspunkt zur Bildung von flektierten Wortformen wird in der Regel als ein Element definiert, das selbst unflektiert ist.<ref>DUDEN. Die Grammatik, 8. Auflage 2009, S. 652.</ref> Typischerweise geschieht das Hinzufügen einer Flexion zu einem Stamm dann durch Affixe, jedoch gibt es auch Prozesse, die ins Innere seiner Gestalt eingreifen können.

Im Gegensatz zu Stamm wird der Begriff Basis in einem allgemeineren Sinn verwendet, um jede Art von Element zu bezeichnen, das als Gegenstück zu einem Affix dient, also z. B. auch eine bereits flektierte Form, an die ein weiteres Flexionsaffix angefügt wird. Hier wäre im engeren Sinn nicht von einem Wortstamm die Rede, denn eine bereits flektierte Form kann nicht als Ausgangspunkt für Wortbildungsprozesse dienen. Andererseits ist der Begriff der Basis insofern eingeschränkter als er nur bei Affigierung eine Rolle spielt, wogegen Stämme auch in der Komposition verwendet werden.

Stamm und Wurzel

Hauptartikel: Wurzel (Linguistik)

Wurzel ist normalerweise eine Bezeichnung für ein Element das nicht zerlegbar ist und als Stamm benutzt werden kann, also ein Spezialfall eines Stammes. In manchen Theorien wird die Annahme gemacht, dass eine Wurzel kein Merkmal für eine bestimmte Wortart (Kategoriemerkmal) tragen muss, sondern dies erst im Lauf der morphologischen oder syntaktischen Weiterverarbeitung erhält. Diese Annahme findet sich in der traditionellen Indogermanistik ebenso wie in modernen Theorien wie der Distributed Morphology.<ref>Siehe für letzteres: David Embick & Rolf Noyer: Distributed Morphology In: Gillian Ramchand & Charles Reiss (eds.), The Oxford Handbook of Linguistic Interfaces. Oxford University Press, 2007. S. 289-324. Siehe insbesondere S. 295.</ref> Bei zusammengesetzten Stämmen ist die Wortstruktur jedoch in der Regel mit Kategoriemerkmalen aufzuschlüsseln; siehe hierzu das Beispiel unter Kopf (Grammatik)#Komposition.

Daneben gibt es auch Konzeptionen, wonach Wurzel eine tiefere Ebene und Stamm eine komplexere Ebene der Zusammensetzung bezeichnet (so dass auch Wurzeln zusammengesetzt sein können, aber immer noch von Stämmen unterschieden werden).<ref>Wiese (1996), S. 129f.</ref> In anderen Arbeiten wird die Bezeichnung Stamm vereinzelt auch so benutzt, dass ihre Bedeutung mit elementaren Einheiten, also Wurzeln, gleichgesetzt wird, und komplexe Stämme dann als "Stammgruppe" bezeichnet werden.<ref>Eisenberg (1998).</ref>

Stammveränderung und morphologische Regeln

Wenn ein Stamm bei einer weiteren Ableitung in sich Veränderungen zeigt, im Deutschen zum Beispiel der Vokalwechsel bei Ablaut und Umlaut, gibt es verschiedene Möglichkeiten der Analyse.

Wird angenommen, dass zum Beispiel ein Plural durch zwei Operationen namens Affigierung und Vokalwechsel markiert wird, so ist der Stamm der flektierten Wortform Träume (Nominativ Plural) dieselbe Form wie für den Singular, nämlichTraum; die Form Träum- entsteht dann erst durch eine morphologische Regel, die bei der Pluralbildung in die Gestalt des Stamms global eingreift.

Will man solche Regeln nicht annehmen, sondern Wortformen nur aus einer Aneinanderkettung von Elementen (d. h. Morphen) erklären, so muss man in diesem Fall zwei Varianten des Stamms im Lexikon ansetzen, nämlich [1]Traum- und [2]Träum-. Morphologische Regeln würden dann vorschreiben, welche der beiden Stammvarianten jeweils gewählt werden muss; so hätte z. B. die Regel der Pluralbildung auf -e dann die Form: Stamm2__-e (d. h. „-e verlangt Stamm2“). In diesem Fall gibt es also Allomorphie von Stämmen (nicht nur von Affixen).

Siehe auch

Literatur

  • Laurie Bauer: Introducing Linguistic Morphology. 2nd edition. Edinburgh University Press, Edinburgh 2003, ISBN 0-7486-1705-1.
  • Hadumod Bußmann (Hrsg.): Lexikon der Sprachwissenschaft. 3. aktualisierte und erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 2002, ISBN 3-520-45203-0.
  • Peter Eisenberg: Grundriss der Deutschen Grammatik. Band 1: Das Wort. 3. durchgesehene Auflage. Metzler, Stuttgart u. a. 2006, ISBN 3-476-02160-2
  • Helmut Glück (Hrsg): Metzler-Lexikon Sprache. Unter Mitarbeit von Friederike Schmöe. 3. neubearbeitete Auflage. Metzler, Stuttgart u. a. 2005, ISBN 3-476-02056-8
  • Joachim Mugdan: Morphological Units. In: R. E. Asher (Hrsg.): The Encyclopedia of Language and Linguistics. Band 5: Maa to Oxf. Pergamon Press, Oxford u. a. 1994, ISBN 0-08-035943-4, S. 2543–2553.
  • Richard Wiese: The phonology of German. Oxford University Press, 1996. (Kap. 5: Aspects of lexical phonology and morphology)

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Wortstamm – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

<references />eo:Radiko#Lingvo