Rinder
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Afrikanischer Büffel (Syncerus caffer)
Afrikanischer Büffel (Syncerus caffer) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Bovini | ||||||||||||
Gray, 1821 |
Die Rinder (Bovini) sind eine Gattungsgruppe der Hornträger (Bovidae). Es sind große und stämmige Tiere, von denen einige Arten als Nutztiere eine wichtige Rolle spielen, allen voran das Hausrind. Einige Rinderarten werden auch „Büffel“ genannt, dies ist eine willkürliche Bezeichnung, die keine systematische Relevanz hat.
Inhaltsverzeichnis
Merkmale
Rinder erreichen eine Kopfrumpflänge von 1,60 m bis 3,50 m, wozu noch ein bis zu 1,00 m langer Schwanz kommt. Die Schulterhöhe variiert von 0,70 m bis 2,00 m, das Gewicht von 150 kg bis über 1000 kg (spanische "Kampfstiere" um 500 kg). Diese Tiere weisen einen stämmigen Rumpf mit kräftigen Gliedmaßen auf. Das Fell ist meist in Grau-, Braun- oder Schwarztönen gefärbt, die Länge und Beschaffenheit variiert je nach Lebensraum. Beide Geschlechter tragen Hörner, die der Weibchen sind jedoch kleiner und dünner. Die Hörner sind im Gegensatz zu denen vieler anderen Hornträger glatt. Wie alle Wiederkäuer haben sie einen mehrkammerigen Magen, der ihnen die Verwertung von schwer verdaulicher Pflanzennahrung ermöglicht.
Verbreitung und Lebensweise
Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet der Rinder umfasste Nordamerika, Eurasien und Afrika. Sie bewohnen eine Reihe von Lebensräumen, bevorzugen jedoch vorwiegend offene Waldgebiete und Grasländer. Sie leben meist in Herden unterschiedlicher Sozialstruktur zusammen und sind Pflanzenfresser.
Rinder und Menschen
Mindestens fünf Rinderarten, Auerochse, Banteng, Gaur, Yak und Wasserbüffel wurden domestiziert; insbesondere das Hausrind und der Wasserbüffel haben dadurch eine weltweite Verbreitung erlangt und kommen in verwilderten Populationen auch in Regionen vor, in denen ursprünglich keine Rinder beheimatet waren. Im Gegensatz dazu sind die meisten wildlebenden Arten in ihrem Bestand bedroht. Der Auerochse ist im 17. Jahrhundert ausgestorben, der Kouprey wohl in den 1980er Jahren. Der Tamarau wird von der IUCN als vom Aussterben bedroht gelistet, viele andere Arten als gefährdet.
Systematik
Stammesgeschichtlich sind die Rinder eine recht junge Gruppe. Erst im Pliozän sind die frühesten Rinder fossil belegt. Sie verbreiteten sich mutmaßlich von Asien aus über Europa, Nordamerika und Afrika. Vor allem im Pleistozän waren sie artenreich vertreten.
Klassische Taxonomie
Im hier verwendeten engeren Sinn umfassen die Rinder vier Gattungen mit insgesamt zwölf Arten.
- Tribus Bovini Gray, 1821 (Rinder)
- Gattung Eigentliche Rinder (Bos Linnaeus, 1758)
- † Auerochse (Bos primigenius Bojanus, 1827); aus dieser Art wurde das Hausrind (B. taurus taurus) und der Zebu (B. tausrus indicus) domestiziert
- Gaur (Bos gaurus C. H. Smith, 1827); aus dieser Art wurde der Gayal (Bos frontalis) domestiziert
- Banteng (Bos javanicus d'Alton, 1823); aus dieser Art wurde das Balirind domestiziert
- Yak (Bos mutus Przewalski, 1883); aus dieser Art wurde die Haustierform Bos grunniens domestiziert
- Kouprey (Bos sauveli Urbain, 1937)
- Gattung Bisons (Bison C. H. Smith, 1827)
- Amerikanischer Bison (Bison bison Linnaeus, 1758; auch Bos bison)
- Wisent (Bison bonasus Linnaeus, 1758; auch Bos bonasus)
- Gattung Asiatische Büffel (Bubalus C. H. Smith, 1827)
- Wasserbüffel oder Arni (Bubalus arnee Kerr, 1792); aus dieser Art wurde die Haustierform Bubalus bubalis domestiziert
- Flachland-Anoa oder Anoa (Bubalus depressicornis C. H. Smith, 1827)
- Tamarau oder Mindoro-Büffel (Bubalus mindorensis Heude, 1888)
- Berg-Anoa (Bubalus quarlesi Ouwens, 1910); die Art ist nicht allgemein anerkannt und wird in der Regel zusammen mit dem Flachland-Anoa geführt
- Gattung Syncerus Hodgson, 1847
- Sudan-Büffel (Syncerus brachyceros Gray, 1837)
- Kaffernbüffel (Syncerus caffer Sparrman, 1779)
- Virunga-Büffel (Syncerus matthewsi Lydekker, 1904)
- Rotbüffel (Syncerus nanus Boddaert, 1785)
- Gattung Pseudoryx Dung, Giao, Chinh, Tuoc, Arctander & MacKinnon, 1993
- Saola oder Vietnamesisches Waldrind (Pseudoryx nghetinhensis Dung, Giao, Chinh, Tuoc, Arctander & MacKinnon, 1993)
Die Abgrenzung ist dabei umstritten. So wird die Vierhornantilope manchmal ebenfalls zu den Rindern gestellt, teilweise gilt Bison als identisch mit Bos. In die nähere Verwandtschaft der Bovini gehören die Boselaphini und die Tragelaphini. Alle drei Triben bilden zusammen die Unterfamilie der Bovinae innerhalb der Hornträger.
Kladistische Taxonomie
Zu einem sehr anderen Ergebnis kommen Alexandre Hassanin und Anne Ropiquet <ref>Alexandre Hassanin und Anne Ropiquet: „Molecular phylogeny of the tribe Bovini (Bovidae, Bovinae) and the taxonomic status of the Kouprey, Bos sauveli Urbain 1937.“ In: Molecular Phylogenetics and Evolution, Band 33, Nr. 3, Dezember 2004, Seiten 896–907</ref> mit ihrer stark auf phylogenetischen Untersuchungen mitochondrialer DNA basierenden, 2004 vorgestellten Systematik (Bubalus mindorensis und Bubalus quarlesi sind in dieser Systematik nicht erfasst).
Diese Systematik zeichnet ein völlig anders Bild der Verwandtschaftsverhältnisse der Gattungen Bos und Bison als die obige. Zu beachten ist dabei jedoch, dass eine Untersuchung mitochondrialer DNA nur matrileneare Verwandtschaftsverhältnisse beschreibt und damit nur einen kleinen Ausschnitt der möglichen Verwandtschaftsverhältnisse. Untersuchungen der (ebenfalls nur einen kleinen Ausschnitt der möglichen Verwandtschaftsverhältnisse beschreibenden) paternal vererbten Y-Chromosomen stützen dagegen die oben dargestellt klassische Systematik.<ref>Verkaar, E.L.; Nijman, I.J.; Beeke, M.; Hanekamp, E.; Lenstra, J.A.: „Maternal and paternal lineages in cross-breeding bovine species. Has wisent a hybrid origin?“ In: Molecular Biology and Evolution. 2004 Jul;21(7):1165-70.</ref> Ein Erklärungsansatz für diese widersprechenden Ergebnisse matrilinearer und patrilinear Phylogenetik ist, dass der neuzeitliche Wisent durch eine ingressive Verdrängungseinkreuzung männlicher Bisone (z.B. Steppenwisent Bison priscus) in eine Population von Bos-Kühen entstanden ist,<ref name="Verkaar">Verkaar, Nijman, Beeke, Hanekamp & Lenstra: Maternal and Paternal Lineages in Cross-breeding bovine species. Has Wisent a Hybrid Origin?. 2004. – Der Text lag nicht vor; die Aussagen stützen sich ausschließlich auf die Zitierung dieses Textes in den Artikeln ‚Steppenwisent‘ und ‚Wisent‘</ref> Dies würde bedeuten, dass (a) prähistorische Bison-Bullen sich mit prähistorischen Bos-Kühen gepaart haben, so dass nur Bison-Y-Chromosomen und Bos-Mitochondrien weitergegeben wurden, und (b) dass die daraus hervorgegangenen Hybridpopulationen über genügend viele Generationen von Nachkommen hinweg ausschließlich von Bison-Bullen gedeckt wurden, um den Phänotyp dieser Hybridpopulationen wieder ununterscheidbar vom Bison-Phänotyp zu machen.
Das Verwandtschaftsverhältnis kann durch folgenden Stammbaum verdeutlicht werden:<ref name="Bibi 2013">Fayasal Bibi: A multi-calibrated mitochondrial phylogeny of extant Bovidae (Artiodactyla, Ruminantia) and the importance of the fossil record to systematics. BMC Evolutionary Biology 13, 2013, S. 166</ref>
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Fußnoten
<references />
Literatur
- Colin Groves und Peter Grubb: Ungulate Taxonomy. Johns Hopkins University Press, 2011, S. 1–317 (S. S. 108–280)
- Colin P. Groves und David M. Leslie Jr.: Family Bovidae (Hollwow-horned Ruminants). In: Don E. Wilson, Russell A. Mittermeier (Hrsg.): Handbook of the Mammals of the World. Volume 2: Hooved Mammals. Lynx Edicions, Barcelona 2011, ISBN 978-84-96553-77-4, S. 444–779
- Don Ellis Wilson, DeeAnn M. Reeder: Mammal Species of the World. A taxonomic and geographic reference. Johns Hopkins University Press, Baltimore, Md. 2005, ISBN 0-8018-8221-4 (2 Bde.)