Yanomami
Das Volk der Yanomami, Yanomama oder Yanomamö (besonders in der angelsächsischen Literatur)<ref>Weitere Schreibvarianten sind: Yanoama, Yanomani, Ianomami</ref> lebt im venezolanisch-brasilianischen Grenzgebiet an der 1500 Meter hohen Serra Parima, zwischen den Flüssen Orinoco und Amazonas. Die rund 35.000 Yanomami bilden die größte indigene Volksgruppe im Amazonas-Gebiet.<ref>Ca. 19.400 leben in den brasilianischen Bundesstaaten Roraima und Amazonas (DSEI Yanomami - Sesai 2011) sowie ca. 16.000 in den venezolanischen Bundesstaaten Bolivar und Amazonas (2009)</ref> Seit dem Eindringen von Weißen in den 1970er Jahren sind ihre dortigen Lebensgrundlagen gefährdet. Kulturell zählen die Yanomami zu den Orinoko-Parima-Kulturen.
Die heute allgemein durch Anthropologen verwendete Volksbezeichnung als Yanomami geht zurück auf das Wort yanõmami, welches in der Wendung yanõmami thëpë oder yanomae thëpë, ‘Menschen’ oder ‘menschliche Wesen’ bedeutet. Dieser Ausdruck steht für die Yanomami im Gegensatz zu den yaro oder yaropë (‘Tiere’, ‘Wild’) und yai oder yai thëpë, also den nicht-menschlichen Wesen (‘unsichtbare oder namenlose Wesen/Dinge’), aber auch zu napë oder napëpë (‘Feind’, ‘Fremder’, ‘Weißer’).<ref>Instituto Socioambiental - The name Yanomami</ref> Viele der teilweise heute noch weit verbreiteten Ansichten über die Lebens- und Verhaltensweisen der Yanomami beruhen auf Berichten von Expeditionen unter der Führung der Anthropologen Napoleon Chagnon und Jacques Lizot, deren Methoden inzwischen von anderen Wissenschaftlern und Menschenrechtlern als hochgradig fragwürdig angesehen werden.<ref>Die Yanomami - Missbrauch im Urwald (Zusammenfassung), abgerufen am 15. November 2013</ref><ref>Die Yanomami - Missbrauch im Urwald (OT: Secrets of the Tribe, José Padilha, 2010), abgerufen am 15. November 2013</ref>
Inhaltsverzeichnis
Lebensraum
Ursprüngliches Stammesgebiet
Laut der mündlichen Überlieferung der Yanomami sowie den ersten schriftlichen Dokumenten, in denen sie erwähnt werden, befand sich ihr einstiges Stammland in der Serra Parima (in Venezuela: Sierra Parima), der Wasserscheide zwischen dem Alto Orinoco (auch Paraguá) und den rechten Nebenflüssen des Rio Branco (port. für ‘Weißer Fluss’), einem linken Zufluss des Rio Negro (port. und span. für ‘Schwarzer Fluss’). Dies ist immer noch das am dichtesten besiedelte Gebiet innerhalb ihres Territoriums. Wahrscheinlich begann die Wanderung der Yanomami-Gruppen von der Serra Parima in das umliegende Tiefland in der ersten Hälfte des 19. Jh., nachdem die Kolonialmächte Spanien und Portugal in die Region des Alto Orinoco, des Rio Negro und Rio Branco in der zweiten Hälfte des 18. Jh. vorgedrungen waren. Das heutige Stammesgebiet der Yanomami hat seinen Ursprung in dieser Wanderungsbewegung.
Diese territoriale Expansion der Yanomami war möglich, da sie zwischen Anfang des 19. und 20. Jh. ein enormes Bevölkerungswachstum erlebten. Eine Reihe von Anthropologen glauben, dass dieses Bevölkerungswachstum auf Grund von wirtschaftlichen Veränderungen durch den Erwerb von neuen Kulturpflanzen sowie von Werkzeugen aus Metall durch Austausch oder Kriegsführung mit benachbarten indigenen Gruppen (Kariben im Norden und Osten: Ye’kuana, Purukoto, Sapara, Pauxiana; Arawak im Süden und Westen: Bahuana, Mandahuaca (Mandawaka), Yabaâna (Yabaána, Yabahana), Baniwa (Baniva, Baniua, Curipaco, Walimanai), Kuripako (Curipaco, Curripaco, Coripaco), Kuriobana, Manao, Baré (Hanera)) oder Arutani-Sapé (Awake (Arutani) – Kaliana/Kariana (Sapé)), Marakana oder Máku von Roraima<ref>Goethe Institut - Die Yanomami in Brasilien</ref> ausgelöst wurde. Diese benachbarten indigenen Gruppen, die wiederum direkte Handelsbeziehungen zu den Grenzsiedlungen unterhielten. Durch den Kontakt zur dortigen weißen Bevölkerung jedoch erkrankten viele dieser Stämme während des 19. Jh. an ihnen vorher nicht bekannten Krankheiten (Malaria, Tuberkulose, Masern, Influenza, Keuchhusten) so dass durch immer wieder auftretende Epidemien viele Stämme ausstarben oder stark dezimiert wurden. Daher waren verschiedene Stammesgruppen der Kariben und Arawak bald nicht mehr in der Lage, sich erfolgreich den Überfällen der in ihr Gebiet vordringenden Yanomami zu widersetzen, so dass diese bald deren Gebiet besetzten und sodann als ihr eigenes Stammesgebiet betrachteten.<ref>Instituto Socioambiental - The ancient Yanomami</ref>
Bedeutung des Urihi (Wald-Land) für die Yanomami
Das Yanomami-Wort urihi bezeichnet sowohl den Wald als auch dessen Boden, es bedeutet auch Territorium oder Land: ipa urihi - ‘mein (Stammes-)Land’ kann sowohl den Ort der Geburt als auch das Stammesgebiet bezeichnen, dem der Sprecher angehört. Yanomae thëpë urihipë - ‘der Wald der Menschen’ ist daher der Wald, den der Gott Omama den Yanomami (d. h. den Menschen) zum Leben für alle folgenden Generationen gegeben hat - oder einfach ‘Yanomami-Land’. Urihi kann auch als Name für die gesamte Welt stehen; urihi a pree - ‘das große Wald-Land’ bezeichnet hingegen die kosmologische Geographie der Yanomami.
Urihi (‘Wald-Land’) ist zwar die Quelle von Ressourcen für die Yanomami, jedoch nicht einfach oberflächlich dem Willen der Menschen unterworfen. Es ist vielmehr eine lebendige Einheit, bestehend aus urihinari (‘wesenhaften Bild’), wixia (‘Atem’) sowie hauptsächlich në rope (‘immaterielle Fruchtbarkeit’). So betrachten sie Yanomae thëpë urihipë nicht als Sache oder gar Eigentum, über das man verfügen kann, wie und wann man will - sondern als eine Art Lebewesen mit eigenem Willen, dem sich der Wille des Menschen nicht aufdrängen darf.<ref>Instituto Socioambiental - Urihi, the forest-land</ref>
Heutige Reservate und Schutzgebiete
In Venezuela leben die verschiedenen Yanomami-Gruppen im Biosphärenreservat Alto Orinoco-Casiquiare entlang des Brazo Casiquiare in den Bundesstaaten Bolivar sowie Amazonas auf einer Fläche von über 82.000 km². Im Nordwesten Brasiliens umfasst das Territorium weitere 96.650 km² in den Bundesstaaten Roraima und Amazonas, das im November 1991 amtlich bestätigt und endgültig durch ein Dekret des Präsidenten im Mai 1992 als Terra Indígena Yanomami (‘Territorium der indigenen Yanomami’) anerkannt. Dieses Territorium, fast doppelt so groß wie die Schweiz, umfasst eine große Vielfalt von Naturlandschaften, dichte tropische Regenwälder im Tiefland sowie tropische Urwälder und Savannen des Hochlands. Darüber hinaus wird es von den Wissenschaftlern als vorrangige Region für den Schutz der Artenvielfalt des brasilianischen Amazoniens betrachtet. Zusammen bildet dieses Gebiet den weltweit größten indigenen Lebensraum im tropischen Regenwald.<ref>Venezuelas Nationalgarde gegen Goldschürfer. In: amerika21. 7. Juli 2010, abgerufen am 8. Juli 2010. Jan Ullrich: </ref>
Unkontaktierte Yanomami
Einige Yanomami haben berichtet, dass sie unkontaktierte Yanomami in ihrem Gebiet gesehen haben.<ref>Ethnologen gehen von 46 nicht kontaktierten indigenen Völkern in Brasilien aus. 12 bis 13 dieser Völker sind sicher nachgewiesen, für die Existenz der übrigen gibt es eindeutige Indizien wie verlassene Felder und Häuser, Funde von Pfeilen und anderen Objekten.</ref> Die kontaktierten Yanomami nennen sie Moxateteu. Es wird angenommen, dass die Moxateteu in einem Gebiet leben, in dem in großem Umfang illegal Gold geschürft wird. Kontakt mit den Goldgräbern (garimpeiros) könnte für die Moxateteu sehr gefährlich sein und gewaltsame Konflikte könnten folgen. Die Goldgräber stellen auch ein Gesundheitsrisiko dar, da sie Krankheiten wie Malaria einschleppen können, gegen die die Moxateteu keine Abwehrkräfte aufgebaut haben.<ref>Die Yanomami</ref> Es soll zwei Gruppen der Moxateteu geben, und zwar eine, die entlang des Oberlaufs des Rio Marauiá, eines linken Nebenflusses des Rio Negro im Reservat lebt, sowie eine zweite zwischen Rio Demini, einem linken Nebenfluss des Rio Negro, und dem Rio Catrimani, einem rechten Nebenfluss des Rio Branco, die zwar außerhalb des Reservats, aber im Rio Branco Nationalpark lebt.
Dialekt- und Stammesgruppen der Yanomami
Dialektgruppen der Yanomami
Die Yanomami sprechen mehrere Varianten und Dialekte der Yanomam-Sprachen, die sich oftmals so voneinander unterscheiden, dass sich Yanomami benachbarter Dörfer nicht immer gegenseitig verstehen können. Die Yanomami-Gruppen haben zudem keinen Sammelbegriff für alle Yanomam-Sprecher - jeder einzelne Stamm oder jede Gruppe sowie Dorfgemeinschaft (oftmals bildet diese schon den Stamm) haben für sich jeweils eine autonome Bezeichnung. Heute unterscheidet man vier große Dialekt- und Stammesgruppen innerhalb der Yanomami:
- Yanam oder Ninam (sprechen Yanam, aka Niman, Yanam-Ninam, ca. 570 Sprecher, manche Gruppen in Venezuela sprechen zudem Pemón der benachbarten Pemón sowie Spanisch)
- Sanema (sprechen Sanumá, aka Tsanuma, Sanima, ca. 6410 Sprecher, manche Gruppen in Venezuela sprechen zudem Maquiritari , Seite 79</ref> Außerdem ist das Tragen von Ohrschmuck üblich.
Das Pijiguao-Fest
Die Yanomami verbrennen ihre Toten und stampfen die im Scheiterhaufen zurückgebliebenen Knochen zu einem Aschepulver, das sie in kleinen Behältern aufbewahren. Mehrfach im Jahr wird dieses Pulver anlässlich der Pijiguao-Palmfruchtfeste hervorgeholt, in einer Zeremonie in Bananensuppe verrührt und von den engsten Angehörigen verspeist. Mit dieser Form des so genannten „Endokannibalismus“ (die „eigenen“ Angehörigen werden verzehrt) nehmen die Hinterbliebenen die positiven Seelenanteile in sich auf. Um eine Rückkehr der übel wollenden Totengeister zu verhindern, werden alle Gegenstände, die dem Toten gehörten, zerstört; sein Name wird nicht mehr erwähnt.<ref name="Pressemappe20">Pressemappe „Orinoko-Parima“ (2000, Seite 20)</ref>
Geschlechterrollen
Die Gleichheit der Geschlechter besteht bei den Yanomami in einem Nebeneinander von verschiedenen, voneinander getrennten Bereichen. Die Verwandtschaftsstruktur ist bilinear, was sich u. a. in der Weitergabe des noreshi, ausdrückt. Die Yanomami glauben, dass jede Person einen externen Seelenanteil besitzt, der von einer bestimmten Tierart (noreshi) repräsentiert wird. Dabei werden Frauen und Männern ganz bestimmte noreshi zugeordnet und deren Weitergabe erfolgt in absoluter Symmetrie vom Vater auf den Sohn und von der Mutter auf die Tochter.<ref>Gabriele Herzog-Schröder: Okoyoma - Die Krebsjägerinnen. Vom Leben der Yanomamï-Frauen in Südvenezuela Lit Verlag, Berlin/Münster/Wien/Zürich/London, 2000, S. 72 ff.</ref>
Weibliche Initiation:
Die erste Menstruation eines Mädchens wird bei den Yanomami mit einem mehrwöchigen Übergangsritus gefeiert. Das Mädchen legt all seinen Schmuck ab und begibt sich innerhalb der mütterlichen Wohnabteilung in einen rasch errichteten Verschlag; durch einen dichten Blättervorhang wird es vom Dorfleben abgeschottet. Das Mädchen ist in all seinen Lebensäußerungen sehr verhalten, da es nach der Überzeugung der Yanomami in dieser besonderen Zeit anfällig für alle möglichen Gefährdungen ist und auch die Gemeinschaft in Not bringen kann. Es spricht kaum, es weint nicht, es muss fasten und kann Flüssigkeiten nur durch ein Röhrchen trinken, um selbst gesund zu bleiben. Es hält sich versteckt, um keine Naturkatastrophen wie Sturm oder Überflutung auszulösen. Das junge Mädchen hat nur mit seiner Mutter, seinen Schwestern und Freundinnen Kontakt. Nach zwei bis vier Wochen wird der Vorhang abgenommen, die Initiandin wird gewaschen und rot eingefärbt. Einige Tage später begibt sie sich mit ihren Freundinnen und weiblichen Verwandten auf eine rituelle Krebsjagd. Dann wird sie zeremoniell bemalt und reich geschmückt und kehrt in ihrer neuen Rolle, als heiratsfähige Frau, ins Dorf zurück. Dieses Reiferitual wird individuell für jedes Mädchen gefeiert; für Yanomami-Jungen gibt es keine Entsprechung zu diesem Übergangsritus.<ref name="Pressemappe17">Pressemappe „Orinoko-Parima“ (2000), Seite 17</ref>
Krieg
Datei:Alto orinoco5.jpgDie Kinder werden schon früh zu einer gewissen Härte im Ertragen von physischem Schmerz erzogen.Die Yanomami haben, ebenso wie die Himba (Südwestafrika), Batak (Indonesien) und Eipo (Neuguinea), eine ausgesprochen kriegerische Kultur. Die Kinder werden schon früh zu einer gewissen Härte im Ertragen von physischem Schmerz sowie zur Bereitschaft erzogen, erfahrene Aggressionen auf gleiche Weise zu vergelten. Kriegerische Fertigkeiten werden im Spiel erprobt. Weinen wird als wehleidig angesehen, und ihm wird gelegentlich auch mit körperlicher Züchtigung begegnet.<ref>Irenäus Eibl-Eibesfeldt: Die Biologie des menschlichen Verhaltens. Grundriss der Humanethologie, Piper, München, 1984, S. 503–505</ref> Es existieren Berichte von Überfällen auf andere Stämme, bei denen auch Frauen und Kinder getötet wurden.<ref>H. Valero in E. Biocca: Yanoma - The Narrative of a White Girl Kidnapped by Amazonian Indians, New York, 1970; zitiert nach Irenäus Eibl-Eibesfeldt: Die Biologie des menschlichen Verhaltens - Grundriss der Humanethologie, S. 520 f.</ref> Dabei wurden und werden häufig erbitterte tribale Kriege mit hohen Mortalitätsraten geführt.<ref>Jürg Helbling: Koevolution und die Sozialwissenschaften. In: Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich, 147/3, 2002, S. 115–124; (Online).</ref>
Die ersten Europäer (Portugiesen, Spanier und Franzosen), die Südamerika besiedelten, fanden verschiedene Indianerstämme vor, die untereinander rivalisierten und gelegentlich Kriege (oder zumindest Raubzüge) führten. Es ergaben sich von vornherein Koalitionen zwischen den Angehörigen verschiedener europäischer Nationalitäten und den unterschiedlichen Indianergruppen.<ref>Staden (1557)</ref>
Inwieweit die Gewaltbereitschaft der Amazonas-Indianer eher übertrieben oder untertrieben dargestellt wird, ist immer noch Gegenstand der Diskussion. Bei Berichten über Missionierungen gab es gelegentlich tendenziöse Darstellungen des kriegerischen Zustandes davor und danach. Andererseits lebt der Mythos des 'Edlen Wilden' fort. Eine Umfangreiche Darstellung zur Frage, wie kriegerisch Jäger-und-Sammler sein können, verfasste 1996 Lawrence Keeley: "War before Civilisation".
Es gibt bisher keine allgemeingültige Schlussfolgerung aus der ethnologischen Forschung hinsichtlich der Amazonaskriege. Nach zwei Jahrzehnten relativen Friedens kommt erneut Krieg und Gewalt auf (entsprechend einer Feldstudie im Jahr 1993). Es gibt jedoch mehr Gewalt gegen die „Fremden“, was für ein verstärktes Gruppengefühl der Indianer sprechen mag. Ihre Opposition gegen die Ölgesellschaften, die Regierung und andere Indianergruppen scheint sie zusammenzuschweißen. Insgesamt gesehen ist die Gesellschaft der Indianer in den letzten Jahrzehnten jedoch erheblich friedlicher geworden. Heute verzichten die Menschen oftmals auf Blutrache und Vergeltung, die sich früher über Generationen erstrecken konnte.<ref>Robarchek (1998), S. 173</ref>
Die Menschenrechtsorganisation Survival International kritisierte die Behauptung, die Yanomami seien besonders kriegerisch, "als Mythos des brutalen Wilden".<ref>‘Brutale Wilde’: Debatte um Gewalt bei indigenen Völkern geht weiter. Abgerufen am 15. April 2013.</ref> Die Kritik richtete sich vor allem gegen Wissenschaftler wie Napoleon Chagnon, auf die ein Großteil der Beschreibung der Yanomami als "kriegerisch" zurückgeht. Zahlreiche Anthropologen und angesehene Yanomami-Vertreter wie Davi Yanomami Kopenawa schlossen sich der Kritik von Survival an, dass die Yanomami nicht gewaltbereiter seien als andere menschliche Gesellschaften.<ref>‘Das kriegerische Volk? Der Mythos des “brutalen Wilden”. Abgerufen am 15. April 2013.</ref>
Bedrohung des Lebensraumes
Datei:ShabanoYanomami.jpg„Shabono“, das traditionelle RundhausIn den frühen 1970er Jahren ließ die damalige brasilianische Militärregierung eine Bundesstraße, die „Perimetral Norte“, durch das Yanomami-Territorium bauen, was für die Stammesangehörigen einen verheerenden Einschnitt in ihr Leben bedeutete. Bauarbeiter und Siedler schleppten Krankheiten ein, gegen welche die Yanomami nicht immun waren, so dass es zu zahlreichen Todesfällen kam und zwei Dörfer ausgelöscht wurden. Anfang der 1980er Jahre wurden unter anderem Gold, Uran und andere Bodenschätze gefunden. Diese Funde lösten einen Raubbau an der Natur der Yanomami aus, welcher ihren Lebensraum bedrohlich einschränkte.<ref>Und der Kaiman lachte. Zur Bedeutung des Feuers bei den Yanomami in Nordamazonien (Gabriele Herzog-Schröder) (PDF; 215 kB)</ref> Ende der 1980er Jahre schätzte die brasilianische Bischofskonferenz die Zahl der Goldschürfer, die in das Gebiet der Yanomami eingedrungen waren, auf 65.000. Die Goldschürfer schleppten viele Krankheiten ein, zerstörten viele Dörfer und erschossen die Indigenen, so dass in nur sieben Jahren 20 % der Yanomami starben.<ref name="Eindringlinge">Yanomami. In: Survival International. Abgerufen am 12. April 2010. </ref><ref>Die Yanomami in Brasilien und Venezuela. In: Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). Abgerufen am 19. Februar 2010. Theodor Rathgeber: </ref><ref>Venezuela: Yanomami-Indianer berichten von Massaker. In: DRadio Wissen. Abgerufen am 30. August 2012. </ref> Besonders bekannt ist das Massaker von 1993 im Dorf Haximu. Illegale Goldgräber töteten 16 Menschen mit Schusswaffen und Macheten. Damals wurden fünf von 22 Goldgräbern verurteilt, doch teilweise halten sich dieselben noch immer im gleichen Gebiet auf. Obwohl die brasilianische Regierung versucht, gegen die illegalen Goldgräber vorzugehen, zerstören sie weiter den Wald und verschmutzen die Flüsse mit Quecksilber.<ref>Venezuela: Yanomami-Indianer berichten von Massaker. In: DRadio Wissen. Abgerufen am 30. August 2012. </ref><ref>Pressemeldung 20 Jahre nach Yanomami-Massaker Abgerufen am 15. August 2013</ref>
In Deutschland wurden die Yanomami bekannter durch Rüdiger Nehberg und Christina Haverkamp, die sich Anfang der 1980er Jahre aufmachten, um mit ihnen im Regenwald zu leben. Nach ihrer Rückkehr veröffentlichte Nehberg mehrere Bücher und machte gemeinsam mit Haverkamp die Öffentlichkeit auf die Missstände und die Ausbeutung ihres Lebensraumes aufmerksam. Weiterhin trugen Forschungen und entsprechende Berichte bzw. Radio-Interviews der Ethnologin Gabriele Herzog-Schröder dazu bei.
1992 wurde das angestammte Land der Yanomami als „Yanomami Park“ abgegrenzt, wodurch sich die Situation der Yanomami erheblich verbesserte, auch wenn sie immer noch gegen die Bedrohung ihres Lebensraums kämpfen müssen. Echte Besitzrechte über ihr Land werden ihnen aber bis heute von der brasilianischen Regierung verweigert, obwohl diese damit die von ihr unterzeichnete internationale Konvention (ILO 169) verletzt.<ref name="Eindringlinge" />
Ausstellung
- 2011: Folkwang-Museum, Essen. Lothar Baumgarten. Abend der Zeit - Señores Naturales Yanonmami. Sammlung Baumgarten/Sugai
Literatur
- Napoleon A. Chagnon: Yanomamo – the fierce people. Holt, Rinehart and Winston, New York 1968, ISBN 0-03-071070-7.
- Napoleon A. Chagnon: Noble Savages: My Life Among Two Dangerous Tribes – the Yanomamö and the Anthropologists. Simon & Schuster, New York, NY 2013, ISBN 978-0-684-85510-3. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Irenäus Eibl-Eibesfeldt, Marie-Claude Mattei-Müller und Gabriele Herzog-Schröder: Ethnologie – Yanomami. Humanethologische Begleitpublikation (Sonderband 10). IWF, Göttingen 2001, ISBN 3-88222-080-5
- Brian Ferguson: Yanomami Warfare. A Political History. School of American Research Press, Santa Fe 1995 (Sammelartikel über die Literatur der Amazonas Kriege, Versuch der Erklärung von Krieg im Amazonasgebiet)
- Roland Garve: Unter Amazonas-Indianern. Herbig, München 2002, ISBN 3-7766-2303-9
- Jörg Helbig, Oswald Iten und Jacques Schiltknecht: Yanomami. Indianer Brasiliens im Kampf ums Überleben. Pinguin, Innsbruck 1989
- Gabriele Herzog-Schröder: Okoyõma – Die Krebsjägerinnen. Yanomamï-Frauen in Südvenezuela. LIT, Münster 2000, ISBN 3-8258-5082-X
- Hartmut-Emanuel Kayser: Die Rechte der indigenen Völker Brasiliens – historische Entwicklung und gegenwärtiger Stand. Shaker (Schriften der Deutsch-Brasilianischen Juristenvereinigung 32), Aachen 2005, ISBN 3-8322-3991-X
- Heinz Kindlimann: Geboren in der Steinzeit – Gestorben in der Gegenwart. Reisen ins Land der Yanomami-Indianer. Orell Füssli, Zürich 2006, ISBN 3-280-06081-8
- Franz Knobloch: Die Aharaibu-Indianer in Nordwest-Brasilien. Dokumente zur Kultur der Aharaibu (Yanomami) im brasilianisch-venezolanischen Grenzgebiet. Anthropos-Institut, St.Augustin bei Bonn 1967, ISBN 3-88345-270-X
- Jacques Lizot: Im Kreis der Feuer. Aus dem Leben der Yanomami-Indianer. Syndikat, Frankfurt am Main 1982
- Rüdiger Nehberg: Die Yanomami-Indianer. Piper (sp 3922), München 2003, ISBN 3-492-23922-6.
- Mark Andrew Ritchie: Der Geist des Regenwaldes. Die Lebensgeschichte eines Yanomamö-Schamanen. Johannis, 2008, ISBN 978-3-501-01586-5.
- C. Robarchek: Waorani: The Contexts of Violence and War, Harcourt Brace College Publishers, 1998, ISBN 0-15-503797-8 (Ethnologische Studie über Gewalt und Krieg bei den Yanomami)
- Hans Staden: Warhafftige Historia unnd Beschreibung einer Landschafft der wilden, naketen, grimmigen Menschenfresser Leuthen, in der newen Welt America gelegen. Faksimile-Druck der Ausgabe Frankfurt 1557. Thiele & Schwarz, Kassel 1978
- Brasilien. Die wahrhaftige Historie der wilden, nackten, grimmigen Menschenfresser-Leute. Hrsg. u. eingel. von Gustav Faber. Aus d. Frühneuhochdt. übertr. von Ulrich Schlemmer. Greno, Nördlingen 1988.
- Otto Zerries: Waika. Die kulturgeschichtliche Stellung der Waika-Indianer des Oberen Orinoco im Rahmen der Völkerkunde Südamerikas. (= Ergebnisse der Frobenius-Expedition 1954/55 nach Südost-Venezuela. Band 1). Renner, München 1964.
- Otto Zerries, Meinhard Schuster: Mahekodotedi. Monographie eines Dorfes der Waika-Indianer (Yanoama) am oberen Orinoco (Venezuela). (= Ergebnisse der Frobenius-Expedition 1954/55 nach Südost-Venezuela. Band 2). Renner, München 1974, ISBN 3-87673-034-1
- Gabriele Herzog-Schröder: La menstruación, el cangrejo, el novio y el homicidio. Consideraciones sobre el concepto de la persona y las relaciones familiares a la luz de dos rituales de los Yanomami del Alto Orinoco (Venezuela). In: Hanna Heinrich und Harald Grauer (Hrsg.): Wege im Garten der Ethnologie. Academia Verlag, Sankt Augustin 2013, S. 159–173, ISBN 978-3-89665-632-2
Filme
- Napoleon Chagnon, Timothy Asch: A man called Bee, Dokumentation 1974
- José Padilha: Secrets of the Tribe, Dokumentation, 2010
- Die Yanomami - Missbrauch im Urwald, R: José Padilha (O: Secrets of the Tribe, GB/BR 2010)<ref>Zweitausendeins Filmlexikon: Die Yanomami - Missbrauch im Urwald, abgerufen am 15. November 2013</ref> - ausgestrahlt auf arte am 21. September 2011 um 0:00 Uhr. Film mit kritischer Auseinandersetzung der Auswirkungen von Anthropologen auf diesen Stamm.
Weblinks
Commons Commons: Yanomami – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Povos Indígenas no Brasil:Yanomami (portugiesisch), (englisch) Instituto Socioambiental (ISA)
- Literatur über die Yanomami im Katalog des Ibero-Amerikanisches Institut in Berlin
- brasilien.de ReiseService 1999-2007 Eichstetten
- Lichtschimmer im Universum der Yanomami Reportage von Oswald Iten aus dem Jahr 2000
- Aktuelle Meldungen über die Yanomami, Informationen über ihre Lebensweise und Fotos von der Organisation Survival International
Einzelnachweise
<references />