Adelsrecht
Das deutsche Adelsrecht ist ein nicht kodifiziertes historisches Recht, das die Zugehörigkeit zum – von Adelsverbänden so genannten – „historischen Adel“ regelt und das auf die Grundsätze des Salischen Rechts zurückgeht. Bis 1919 war das Adelsrecht öffentliches Recht zur Regelung der Zugehörigkeit zum Stand des Adels in den Bundesländern des Deutschen Kaiserreiches (und vergleichbar auch in Österreich-Ungarn). In ähnlicher Weise gilt es bis heute in den europäischen Monarchien.
Inhaltsverzeichnis
Bedeutung
Die heutige Bedeutung des deutschen Adelsrechts ergibt sich daraus, dass in Deutschland nach dem Ende der Monarchie im Jahre 1918 die Weimarer Verfassung von 1919 in Art. 109 bestimmte:
„Öffentlich-rechtliche Vorrechte oder Nachteile der Geburt und des Standes sind aufzuheben und dürfen nicht mehr verliehen werden. Adelsbezeichnungen gelten nur als Teil des Namens und dürfen nicht mehr verliehen werden.<ref>Die Verfassung des Deutschen Reiches („Weimarer Reichsverfassung“) vom 11. August 1919, abgerufen im Portal verfassungen.de am 4. Mai 2014</ref>“
und dass Recht aus der Zeit vor dem Zusammentritt des Bundestages (als einfaches Bundesrecht) fortgilt, soweit es dem Grundgesetz nicht widerspricht (Art. 123 GG).
Damit wurden die Adelsprädikate und Adelstitel zu reinen Bestandteilen des Namens einer Person; diese können folglich (im Gegensatz zu früher) auch durch außereheliche Geburt oder Adoption sowie durch Namensänderung eingeheirateter Männer solchen Personen zufallen, die nach dem historischen Adelsrecht zur Namensführung nicht berechtigt waren. Um festzustellen, wer zum „historischen Adel“ zählt, das heißt, wer als Angehöriger einer vor 1919 adeligen Familie nach den Grundsätzen des Adelsrechts als „adlig“ gelten kann, gründete die Deutsche Adelsgenossenschaft 1923 eine Abteilung zur Prüfung, ob ein Adelsname in historisch richtiger Weise geführt wurde, und zur Abwehr des immer stärker aufkommenden sogenannten „Scheinadels“.
Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm diese Aufgaben der beim Deutschen Adelsarchiv in Marburg/Lahn beheimatete Deutsche Adelsrechtsausschuß (ARA). Nach dessen ständiger Spruchpraxis gehört zum „historischen Adel“ der Personenkreis, der den Kriterien des bis 1919 geltenden Adelsrechts genügt und daher dem deutschen Adel oder dem österreichischen Adel angehören würde. Der ARA behält es sich vor, in seltenen, streng geprüften und besonders begründeten Einzelfällen, Einzelpersonen und Familien, die nach dem überkommenen Adelsrecht dem historischen Adels nicht angehören, die „adelsrechtliche Nichtbeanstandung der Führung ihres adeligen Namens“ zu erteilen. Hierdurch werden die Betroffenen dem historischen Adel gleichgestellt.
In seiner eigenen Darstellung beschreibt der Adelsrechtsausschuss seine Aufgaben mit Blick auf das Adelsrecht wie folgt:
„“
Rechtliche Unverbindlichkeit
Beim Adelsrecht und seiner Auslegung durch den Adelsrechtsausschuss in Deutschland handelt es sich heute nicht mehr um staatliches Recht, sondern um Grundsätze, die von einer privatrechtlichen Vereinigung selbst gesetzt werden. Entscheidungen des Adelsrechtsausschusses sind damit für Nichtmitglieder unverbindlich und begründen keine Ansprüche oder Privilegien, die von staatlichen Behörden oder Gerichten zu beachten wären. Die Entscheidungen des Adelsrechtsausschusses sind für den Personenstand des Betroffenen weder in Hinblick auf etwaige Adelstitel (diese gibt es in Deutschland nicht mehr, frühere Adelstitel bestehen nur noch als Bestandteile des bürgerlichen Namens fort) noch namensrechtlich (das deutsche Namensrecht weist dem Adelsrechtsausschuss keine Kompetenzen zu) von Bedeutung. Der Begriff „Adelsrecht“ ist somit zumindest missverständlich.
Kriterien des Adelsrechtsausschusses für die Zugehörigkeit zum „historischen Adel“
Die Zugehörigkeit zum Adel wird ausschließlich im ehelichen Mannesstamm weitergegeben, also durch eheliche Abstammung von einem adeligen Vater. Sie wird außerdem durch Heirat einer bürgerlichen Frau mit einem adeligen Mann erworben, wenn die Ehefrau dessen adeligen Namen annimmt. Vor- bzw. außerehelich Geborene werden durch eine nachfolgende Ehe der nachgewiesenen natürlichen Eltern legitimiert (sogenannte Legitimatio per matrimonium subsequens) und der Adel geht somit auf sie in gleicher Weise über wie bei von vornherein ehelichen Kindern. Eine adelige Dame verliert jedoch durch die Heirat mit einem nichtadeligen Mann die Zugehörigkeit zum Adel, soweit nicht das anerkannte Adelsrecht einer deutschen Adelslandschaft etwas anderes bestimmt. Durch Scheidung und Wiederannahme des Geburtsnamens lebt die Adelszugehörigkeit nicht wieder auf, wohl jedoch durch eine nachfolgende adelige Eheschließung.
Der Erwerb eines adeligen Namens durch die Gestaltungsmöglichkeiten des heutigen Namensrechts, etwa bei nichtehelicher Geburt, durch Rechtsakte wie Adoption, Einbenennung oder Ehelichkeitserklärung sowie die seit 1976 geltenden Regelungen zur Bestimmung des Ehenamens (und die dadurch mögliche Weitergabe an dritte Ehepartner, Kinder, Adoptivkinder) werden vom Adelsrechtsausschuss nicht anerkannt, da sie im Widerspruch zum historischen Adelsrecht stehen. Dies wird zum Beispiel dadurch deutlich gemacht, dass in den regelmäßig publizierten Bandreihen des Genealogischen Handbuchs des Adels<ref name="Gotha"/> sowie im Deutschen Adelsblatt die vormaligen Adelsprädikate häufig abgekürzt werden (etwa Frhr. für Freiherr oder v. für von), während sie beim „Scheinadel“ in Breitdruck ausgeschrieben werden. Letzterer wurde im Genealogischen Handbuch des Adels lange Zeit „unter dem Strich“ geführt, also am Ende des Artikels über die jeweilige Adelsfamilie unter einer Rubrik „Namensträger, die dem historischen Adel nicht angehören“. Inzwischen wird der Scheinadel dort jedoch weggelassen, da die „Titelflut“ ständig anschwillt.
In Österreich wurden nach dem Ende der Monarchie 1919 alle Adelstitel, auch als Namensbestandteile, abgeschafft. Beim österreichischen Adel zählt daher allein das Wissen, welche Familien und welche der dazugehörenden Namensträger ihm angehör(t)en. Die historischen österreichischen Adelsgeschlechter, ihre Stammreihen und aktuellen Angehörigen, die nach Maßgabe des Adelsrechts dem historischen Adel angehören, werden im Genealogischen Handbuch des Adels<ref name="Gotha"/> ebenfalls dargestellt.
Literatur
- Joseph von Berswordt: Ius illustrium Germaniae familiarum, quod centum assertionibus absolutum (= Das deutsche Adelsrecht). Dissertation, Universität Bonn 1777 (Präses: Joseph Lomberg).
- Harald von Kalm: Das preußische Heroldsamt (1855–1920). Adelsbehörde und Adelsrecht in der preußischen Verfassungsentwicklung (Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte; Bd. 5). Duncker & Humblot, Berlin 1994, ISBN 3-428-07965-5 (zugl. Dissertation, Universität Bonn 1993).
- Sigismund von Elverfeldt-Ulm: Adelsrecht. Entstehung, Struktur, Bedeutung in der Moderne des historischen Adels und seiner Nachkommen (Aus dem Deutschen Adelsarchiv, Neue Folge; Band 1). Starke Verlag, Limburg/Lahn 2001, ISBN 3-7980-0601-6.
- Otto Krabs: Von Erlaucht bis Spektabilis. Kleines Lexikon der Titel und Anreden. 3. Aufl. Beck, München 2010, ISBN 978-3-406-61124-7 (EA München 2004).
- Reinhard Binder-Krieglstein: Österreichisches Adelsrecht 1868-1918/19. Von der Ausgestaltung des Adelsrechts der cisleithanischen Reichshälfte bis zum Adelsaufgebungsgesetz der Republik unter besonderer Berücksichtigung des adeligen Namensrechts (Rechtshistorische Reihe; Bd. 216). Peter Lang Verlag, Frankfurt/M. 2000, ISBN 3-631-34833-9 (zugl. Dissertation, Universität Wien 1998).
- Gabriel N. Toggenburg: Die „falsche Fürstin“. Zum grenzüberschreitenden Verkehr von Adelstiteln vor dem Hintergrund der Unionsbürgerschaft. In: European Law Reporter, Bd. 3 (2011), S. 74–81, ISSN 1028-9690.
Einzelnachweise
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