Arbëresh
Die Arbëresh sind eine alteingesessene albanische Minderheit in Süditalien und auf Sizilien. Sie kamen ursprünglich im 15. Jahrhundert aus dem Gebiet der heutigen Staaten Albanien und Griechenland. Noch heute sprechen sie einen konservativen Unterdialekt des Toskischen.
Inhaltsverzeichnis
Namen und Bedeutung
Die Arbëresh nennen sich selber in ihrem albanischen Dialekt Arbëreshët (Mehrzahl bestimmt) bzw. Arbëreshë (Mehrzahl unbestimmt). Die Einzelperson wird Arbëresh/-i (männlich) bzw. Arbëreshe/Arbëreshja (weiblich) genannt. Die von ihnen gesprochene Sprache wird Arbëresh genannt. Auf Italienisch werden sie als Arbereschi ([-ɛski]) bezeichnet. „Arbëresh“ ist ein archaischer Begriff aus dem Albanischen, der „Albaner“ bedeutet.
Siedlungsgebiete
Dörfer der Arbëresh gibt es überall in Süditalien und auf Sizilien verstreut (die Ortsnamen sind nur auf Italienisch aufgeführt), wobei nicht mehr in allen Dörfern Albanisch gesprochen wird. Nachfolgend alle Ortschaften von der nördlichsten zur südlichsten italienischen Region:<ref name="unesco"/><ref>La Lingua Arbëreshe. In: Comune di Civita. Abgerufen am 11. April 2015 (italiano). </ref>
- Abruzzen: Villa Badessa (nördlichste Siedlung der Arbëresh)
- Molise: Campomarino, Montecilfone, Portocannone, Ururi, Santa Croce di Magliano
- Apulien: Casalvecchio di Puglia, Chieuti, San Marzano di San Giuseppe, San Paolo di Civitate, Casalnuovo Monterotaro, Monteparano, San Giorgio Ionico, Faggiano, Roccaforzata, Monteiasi, Carosino, Montemesola
- Kampanien: Greci
- Basilikata: Barile, Ginestra, Maschito, San Costantino Albanese, San Paolo Albanese und Rionero in Vulture
- Kalabrien (nur nördliches Kalabrien, etwa 30 Siedlungen): Acquaformosa, Andali, Caraffa di Catanzaro, Carfizzi, Castroregio, Cerzeto, Civita, Falconara Albanese, Firmo, Frascineto, Lungro, Marcedusa, Pallagorio, Plataci, San Basile, San Benedetto Ullano, Santa Caterina Albanese, San Cosmo Albanese, San Demetrio Corone, San Giorgio Albanese, San Martino di Finita, San Nicola dell’Alto, Santa Sofia d’Epiro, Spezzano Albanese, Vaccarizzo Albanese, Maida
- Sizilien: Biancavilla, Contessa Entellina, Mezzojuso, Piana degli Albanesi,Santa Cristina Gela und Sant’Angelo Muxaro
Sprache
Das Arbëresh ist ein Subdialekt des Toskischen, eines der zwei Dialekte des Albanischen. Es unterscheidet sich von der heutigen Hochsprache wesentlich. Wegen seiner immer kleiner werdenden Anzahl an Sprechern gehört das Arbëresh zu den bedrohten Sprachen.
Laut einer Schätzung von 2002 sprechen etwa 80.000 Menschen diese Sprache.<ref name="unesco">Sprachenatlas der UNESCO. In: Unesco.org. Abgerufen am 31. Mai 2012 (english). </ref> Andere Schätzungen gehen von 100.000 (1987) und 260.000 (1976) aus.<ref>Albanian, Arbëreshë: a language of Italy. In: Ethnologue.com. Abgerufen am 31. Mai 2012 (english). </ref>
Geschichte
Mit dem Eindringen des Osmanischen Reichs im 14. Jahrhundert in Albanien flüchteten viele der damals christlichen Albaner nach Dalmatien, in südgriechische Gebiete oder eben nach Italien. Die lokalen Feudalherren boten den Flüchtlingen in dünn besiedelten Gegenden Land an und gewährten ihnen das Bürgerrecht. Das Königreich Neapel und das Königreich Sizilien, das unter der Krone von Aragon stand, waren hierbei im engeren Sinne die Aufnahmeländer der Arbëresh.
Kultur und Religion
Die Arbëresh bewahrten auch in ihren neuen Siedlungsgebieten ihre albanischen Bräuche und ihre byzantinische Liturgie. Noch heute tragen sie bei feierlichen Anlässen ihre traditionellen Trachten. Besonders die Gürtelschnallen der Frauen sind wegen ihrer von Hand aufwändig gefertigten Metallschmiedearbeiten bemerkenswert und zeigen meist den heiligen Georg, den Schutzpatron der Arbëresh.
Während die Kirchengemeinden der Arbëresh zunächst den römisch-katholischen Ortsbischöfen unterstanden, wurden im 20. Jahrhundert zwei italo-albanische Bistümer gegründet, die Eparchie Lungro in Süditalien sowie die Eparchie Piana degli Albanesi auf Sizilien.
Bekannte Arbëresh
- Gian Girolamo Albani (1504–1591), Kardinal
- Giorgio Basta (1550–1607), habsburgisch-kaiserlicher Generalfeldmarschall
- Lekë Matrënga (italienisch Luca Matranga; 1567–1619), orthodoxer Geistlicher und Autor
- Papst Clemens XI. (bürgerlich Giovanni Francesco Albani; 1649–1721), Papst von 1700 bis 1721
- Annibale Albani (1682–1751), Kardinal und Bischof
- Alessandro Albani (1692–1779), Kardinal
- Giovanni Francesco Albani (1720–1803), Kardinal
- Giuseppe Albani (1750–1834), Kardinal
- Girolamo de Rada (albanisch Jeronim de Rada; 1814–1903), Schriftsteller
- Francesco Crispi (1819–1901), Revolutionär, Staatsmann und ehemaliger Ministerpräsident von Italien
- Giuseppe Schirò (albanisch Zef Skiroi; 1865–1927), Dichter, Sprachforscher und Universitätsprofessor
- Joseph Ardizzone (italienisch Giuseppe Ernesto Ardizzone; 1884–1931), amerikanischer Mafioso
- Tito Schipa (bürgerlich Raffaele Attilio Amedeo Schipa; 1889–1965), Tenor und Komponist
- Antonio Gramsci (1891–1937), Schriftsteller, Journalist, Politiker und marxistischer Philosoph
- Ernesto Sabato (1911–2011), Schriftsteller, Wissenschaftler und Maler
- Regis Philbin (* 1931), US-amerikanischer TV-Moderator
- Ercole Lupinacci (* 1933), ehemaliger Bischof von Lungro
- Sotìr Ferrara (* 1937), Bischof von Piana degli Albanesi
- Joseph J. DioGuardi (* 1940), republikanischer Politiker und ehemaliger Abgeordneter im Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten
- Francesco Micieli (* 1956), Schweizer Schriftsteller
- Kara DioGuardi (* 1970), US-amerikanische Musikerin
- Raoul Bova (* 1971), Filmschauspieler und Fotomodell
Literatur
- Heidrun Kellner: Die albanische Minderheit in Sizilien: eine ethnosoziologische Untersuchung der Siculo-Albaner, dargestellt anhand historischer und volkskundlicher Quellen sowie eigener Beobachtung in Piana degli Albanesi; Albanische Forschungen, 10; Wiesbaden 1972.
- Giovanni Armillotta: The Arbëreshët. The Christian Albanian emigration to Italy; in: L’Osservatore Romano, Jg. 141, Nr. 139 (20. Juni 2001).
Weblinks
- Internetseite der albanischen Minderheit in Süditalien
- Jemi - Das Portal für Arbëreshë
- Linkkatalog zum Thema Arbëreshë bei DMOZ
Einzelnachweise
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