Bücherverbrennung
Eine Bücherverbrennung ist die demonstrative Zerstörung von Büchern oder anderen Schriften durch Feuer. Es handelt sich dabei um die bekannteste Form der Bücherzerstörung. Die meist öffentlich durchgeführten Verbrennungen erfolgten wegen moralischer, politischer oder religiöser Einwände gegen den Inhalt der Schrift und kamen sowohl als staatlich inszenierte oder geduldete Maßnahme als auch als Mittel öffentlichen Protestes gegen staatliche Gewalt vor. Missliebige Bücher wurden u. a. als blasphemisch, häretisch, ketzerisch, unmoralisch, obszön, aufrührerisch und hochverräterisch sowohl symbolisch als auch tatsächlich verbrannt.
Bekannt sind die Bücherverbrennungen der römisch-katholischen Kirche, die seit dem 4. Jahrhundert stattfanden und ihren Höhepunkt in der Inquisition erreichten. Im 20. Jahrhundert sind es die Bücherverbrennungen 1933 im nationalsozialistischen Deutschland, bei denen im Zuge einer Aktion wider den undeutschen Geist der Deutschen Studentenschaft zehntausende Bücher in ritualisierten Demonstrationen öffentlich verbrannt wurden.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
„Bücherhinrichtungen“ sind ein die Entwicklung der Menschheit begleitendes Phänomen, das sich durch die gesamte erfahrbare Geschichte zieht. Erste Buchexekutionen sind bereits aus der Antike bekannt, prägten aber vor allem die Epoche des 17. und 18. Jahrhunderts, die Blütezeit der Bücherhinrichtungen in Europa. Ungenau ist die Terminologie „Bücherverbrennung“, die sich im deutschsprachigen Raum weitestgehend unabhängig etabliert hat, denn sie spiegelt nur einen kleinen Teil des weitläufigen Spektrums der Hinrichtung unliebsamen Gedankengutes (Katja Lehman). Im öffentlichen Bewusstsein hat sich der Begriff „Bücherverbrennung“ festgesetzt, da Bücherhinrichtungen (tatsächlich und vornehmlich) durch das Feuer vollzogen wurden.
Bereits Kaiser Diokletian ließ in Konstantinopel die Schriften der Christen verbrennen. (Siehe dazu Märtyrer der heiligen Bücher und Diokletianische Christenverfolgung.) Im Mittelalter bezeichnet Autodafé die Verbrennung ketzerischer Bücher als Vollstreckung eines Urteils der Inquisition. In der Neuzeit bedienten sich französische Revolutionäre und britische Truppen in Nordamerika dieses extremen Mittels ihrer Politik und brannten Teile der Bibliothèque Nationale bzw. die Library of Congress nieder. Die Gründe blieben über Jahrhunderte die gleichen: Die Aussagen der Bücher seien politisch untragbar, falsch, gefährlich, verleumderisch, obszön oder verderblich. Die Versuche, unerwünschte Bücher zu verbieten, gipfelten dabei oft in publikumswirksam inszenierten öffentlichen Bücherverbrennungen. Das Zeremoniell passte sich den jeweiligen Gepflogenheiten an. Während bis zum Ende des 18. Jahrhunderts noch die Kirchenglocken läuteten und ein Scharfrichter die Strafe vollstreckte, indem er das Buch auf einen Scheiterhaufen warf, geht man heute gewöhnlich leiser vor und entzieht sich - bedingt durch die negative Assoziationskraft zur Bücherverbrennung 1933 - oft der Aufmerksamkeit der Medien. In moderner Zeit werden neben Büchern auch andere missliebige Publikationsformen wie Tonbänder, Schallplatten, CDs oder Videobänder verbrannt.
Frühzeit und Mittelalter
- Der chinesische Kaiser Qin Shihuangdi griff im Zuge der Reichseinigung zu rigorosen Maßnahmen. So wurde die Vielfalt widerstreitender philosophischer Schulen abgeschafft und verboten. Lediglich die staatstragende Philosophie wurde gebilligt. 213 v. Chr. wurden die Bücher aller anderen Schulen verbrannt.
- Das Neue Testament schildert eine Bücherverbrennung, mit der bestimmte Kirchen und Christengruppen bis zur Gegenwart immer wieder ihr Vorgehen gegen abweichende Meinungsdarstellungen verglichen und begründet haben: „Viele aber, die Zauberei getrieben hatten, brachten ihre und [2]</ref>
Bücherverbrennung in der Literatur und im Film
- In der Novelle „Der Frankfurter Bücherbrand“ (Amsterdam 1933) schildert Heinrich Eduard Jacob, wie der 14-jährige Goethe eine Bücherverbrennung erlebte. Es handelt sich um die Paraphrase einer biografischen Einzelheit aus Goethes Dichtung und Wahrheit.
- Der 1953 veröffentlichte dystopische Roman Ray Bradburys Fahrenheit 451 beschreibt warnend eine Gesellschaft, die die Bücherverbrennung institutionalisiert hat und in der Feuerwehrleute ausgeschickt werden, sie zu verbrennen. Die Temperatur Fahrenheit 451 (451 °F) entspricht 232 Grad Celsius, dem Hitzegrad, bei dem Bücherpapier Feuer fängt und verbrennt. Berühmt wurde eine Verfilmung mit Oskar Werner und Julie Christie von François Truffaut.
- „A book is a loaded gun in the house next door. Burn it. Take the shot from the weapon. Breach men's mind. Who knows who might be the target of the well-read man. Me?“ (Fahrenheit 451)
- In George Orwells Roman „1984“ werden nicht regime-konforme Werke eingeäschert und die Verbrennung „aller Bücher vor 1960“ propagiert.
- In „Soll man de Sade verbrennen?“ („Faut-il brûler Sade?“, veröffentlicht in Les Temps modernes, Dezember 1951 und Januar 1952), griff Simone de Beauvoir den Begriff der Bücherverbrennung polemisch für eine Literaturkritik zu Marquis de Sade auf.
- In Heinrich Heines Tragödie „Almansor“ (1821) wird von der Verbrennung des Koran während der Eroberung des spanischen Granada 1499/1500 durch christliche Ritter unter dem inquisitorischen Kardinal Mateo Ximenes de Cisneros berichtet. (siehe oben)
- In Don Quijote von Miguel de Cervantes verbrennen der Pfarrer und der Barbier Nikolas einen großen Teil der Bücher Don Quixotes, da ihn diese um seinen Realitätssinn gebracht haben. Als zusätzliche Maßnahme wird das Bücherzimmer zugemauert.
- Im zweiten Teil des Dramas „Tamburlaine“ von Christopher Marlowe (1587) verbrennt der Protagonist Tamburlaine nach der Eroberung der Türkei, Kleinasiens und Ägyptens ein Exemplar des Koran, um seine Unabhängigkeit zu bekunden.
- In einer Schlüsselszene des NS-Propagandafilms „Der alte und der junge König“ (1935) wirft König Friedrich Wilhelm I von Preußen die französischen Bücher seines Sohnes Kronprinz Friedrich (der spätere Friedrich II.) gemeinsam mit seiner Flöte ins Feuer, was als notwendiger und positiver Akt im Zuge der Erziehung des Prinzen dargestellt wird, um ihn zu einem „guten Herrscher“ zu machen.
- In dem Film Indiana Jones und der letzte Kreuzzug wohnen Indiana Jones (Harrison Ford) und sein Vater, Henry Jones (Sean Connery), einer Bücherverbrennung der Nazis bei. Henry Jones wendet sich angeekelt und erschrocken ab und sagt „Anstatt die Bücher zu verbrennen, sollten Sie sie lieber lesen“.
- In dem 2013 verfilmten Roman „Die Bücherdiebin“ von Markus Zusak findet zu Ehren des Führers zu seinem Geburtstag eine Parade statt, die mit einer Bücherverbrennung feierlich endet. Die „Bücherdiebin“ Liesl Memminger wird dort von Franz Deutscher aufgefordert, ein Buch zu verbrennen. Hier wird ihr zum ersten Mal klar, dass der Führer und das Nazi-Regime gegen Juden und Kommunisten vorgehen, der Grund, weshalb sie von Ihrer „kommunistischen“ Mutter zu ihrer neuen Familie in Sicherheit gebracht wurde.
Literatur
- Dietmar Damwerth: verbrannt - verfolgt - vertrieben, Schriftstellerinnen und Schriftsteller im Gebiet des heutigen NRW zur NS-Zeit. Eine Dokumentation zum 70. Jahrestag der Bücherverbrennung. 2003, ISBN 3-937183-11-6.
- Hermann Haarmann, Walter Huder & Klaus Siebenhaar (Hg.): „Das war ein Vorspiel nur...“ - Bücherverbrennung Deutschland 1933: Voraussetzungen und Folgen. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung der Akademie der Künste (Berlin) Medusa Verlagsgesellschaft, Berlin/Wien 1983, ISBN 3-88602-076-2.
- Sue Curry Jansen: Censorship. The Knot That Binds Power and Knowledge. Oxford University Press, Oxford/New York 1991.
- Mona Körte, Cornelia Ortlieb (Hrsg.): Verbergen - Überschreiben - Zerreißen. Formen der Bücherzerstörung in Literatur, Kunst und Religion. Schmidt Erich Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-503-09811-8.
- Christian Graf von Krockow: Scheiterhaufen. Größe und Elend des deutschen Geistes. 2. Aufl.; Berlin 1983, ISBN 3-88680-042-3.
- Hermann Rafetseder: Bücherverbrennungen: Die öffentliche Hinrichtung von Schriften im historischen Wandel. Böhlau Verlag, Wien 1988, ISBN 3-205-08858-1.
- Carola Schelle (Hrsg.): Stichtag der Barbarei. Anmerkungen zur Bücherverbrennung 1933. Hannover 1983, ISBN 3-922382-16-9.
- Jürgen Serke: Die verbrannten Dichter. Weinheim 2002, ISBN 3-407-80899-2.
- Armin Strohmeyr: Verlorene Generation. Atrium-Verlag, Zürich 2008, ISBN 978-3-85535-721-5.
- Werner Treß: „Wider den undeutschen Geist!” Bücherverbrennung 1933. Berlin 2008 (2. Aufl.), ISBN 3-932529-55-3.
- Theodor Verweyen: Bücherverbrennungen. Heidelberg 2000, ISBN 3-8253-1082-5.
- Ulrich Walberer (Hrsg.): Zehnter Mai 1933. Bücherverbrennung in Deutschland und die Folgen. Frankfurt 1983, ISBN 3-596-24245-2.
- Hans-Albert Walter: Deutsche Exilliteratur 1933–1950. Bd. 1: Bedrohung und Verfolgung bis 1933. Darmstadt [u. a.] 1972.
- Volker Weidermann: Das Buch der verbrannten Bücher. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2008, ISBN 978-3-462-03962-7.
- Thomas Werner: Den Irrtum liquidieren. Bücherverbrennungen im Mittelalter. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007, ISBN 978-3-525-35880-1.
- Fernando Báez: Historia universal de la destrucción de los libros. Verlag: Destino Ediciones, Februar 2004, ISBN 978-84-233-3596-1 (es).
Siehe auch
- Autodafé
- Index librorum prohibitorum
- Zensur (Informationskontrolle)
- Meinungsfreiheit
- Pressefreiheit
- Bücherverluste in der Spätantike
Weblinks
Commons Commons: Bücherverbrennung – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienWiktionary Wiktionary: Bücherverbrennung – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen- Eintrag BücherVernichten im BücherWiki
- http://www.buecherverbrennung33.de/
- http://www.shoa.de/buecherverbrennungen.html
- http://buecherverbrennung.de/
- http://www.lettern.de/spbrennt.htm
- http://www.verbrannte-buecher.de/
- Dokumentation der Bücherverbrennung 1933 in der Universitätsstadt Göttingen
- Liste der auszusondernden Literatur (Stand 1. April 1946) - Hrsg. 'Deutsche Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone' (SBZ)
- Bibliografie (6 Seiten) zur Bücherverbrennung am 10. Mai 1933
- Bundesweite Aktion „ Bücher aus dem Feuer“ (Deutschlandweite Termine von Lesungen und Veranstaltungen zum 81. Jahrestag der Bücherverbrennung 1933 mit Texten aus verbrannten Büchern und weiterführenden Links zu den Autoren) In: Bücherlesung.de, 7. Mai 2014.
Einzelnachweise
<references> <ref name="Schoe238">Matthias Schöberl: Vom pfälzischen Teilstaat zum bayerischen Staatenteil. Landesherrliche Durchdringungs- und Religionspolitik kurpfälzischer und kurbayerischer Herrschaft in der Oberen Pfalz von 1595 bis 1648. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät III der Universität Regensburg. Regensburg 2006, S. 238, DNB 980424429 (PDF-Dokument; 6,04 MB, abgerufen am 23. Januar 2013). </ref> <ref name="Schoe245">Schöberl: Vom pfälzischen Teilstaat zum bayerischen Staatenteil. Regensburg 2006, S. 245. </ref> <ref name="Pascal284">A. A. R.: Censure et condamnation des Lettres Provinciales. In: Les Provinciales, ou Lettres de Louis de Montalte. Tome Premier. Firmin Didot, Paris 1819, S. 284 f. (Digitalisat, abgerufen am 26. August 2013). </ref> <ref name="Pascal283">A. A. R.: Censure et condamnation. Paris 1819, S. 283. </ref> <ref name="Pascal288">A. A. R.: Censure et condamnation. Paris 1819, S. 288 ff.. </ref> <ref name="Pascal281">A. A. R.: Censure et condamnation. Paris 1819, S. 281 f.. </ref> </references>