Bücherverbrennung 1933 in Deutschland
Die Bücherverbrennung in Deutschland am 10. Mai 1933 war eine von der Deutschen Studentenschaft geplante und inszenierte Aktion, bei der Studenten, Professoren und Mitglieder nationalsozialistischer Parteiorgane die Werke von ihnen verfemter Autoren (siehe Liste der verbrannten Bücher 1933) ins Feuer warfen. Sie fand unter der Führung des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB) auf dem ehemaligen Berliner Opernplatz (seit 1947 Bebelplatz; benannt nach August Bebel) <ref>gültige Bezeichnung »Bebelplatz«, auf berlin.de</ref> und in 21 weiteren deutschen Universitätsstädten statt.
Die öffentlichen Bücherverbrennungen waren der Höhepunkt der sogenannten „Aktion wider den undeutschen Geist“, mit der kurz nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten, im März 1933, die systematische Verfolgung jüdischer, marxistischer, pazifistischer und anderer oppositioneller oder politisch unliebsamer Schriftsteller begann.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Die „Aktion wider den undeutschen Geist“
- 2 Die verfolgten Autoren
- 3 Zeugnisse
- 4 Protest und Erinnerung
- 5 Siehe auch
- 6 Literatur
- 7 Film
- 8 Weblinks
- 9 Einzelnachweise
Die „Aktion wider den undeutschen Geist“
Bereits während der Weimarer Republik war die Deutsche Studentenschaft (DSt) nationalpolitisch geprägt,<ref>Vgl.Werner Thieme: Deutsches Hochschulrecht. 1956. S. 331 ff.</ref> die Studentenschaften wurden zunehmend von nationalistischen, antisemitischen und republik</b>feindlichen Kräften dominiert, an den deutschen Universitäten herrschte ein deutlich reaktionärer, chauvinistischer und nationalistischer Geist. Seit dem Sommer 1931 wurde die DSt von einem Vertreter des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB) geführt, der bei den AStA-Wahlen 1931 44,4 Prozent der Stimmen erlangt hatte. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 konkurrierten DSt und NSDStB um die Vorherrschaft.<ref>Michael Grüttner: Studenten im Dritten Reich. Paderborn 1995, S. 54 und 250 ff.; siehe auch Stefanie Senger: Studenten als Wegbegleiter der NS-Diktatur</ref> Um die Schlagkraft der Organisation zu erhöhen, wurde drei Monate nach der Machtergreifung und kurz nach der Errichtung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda im März 1933 in der »Reichsleitung der Deutschen Studentenschaft« ein eigenes »Hauptamt für Presse und Propaganda der Deutschen Studentenschaft« eingerichtet.
Anfang April 1933 forderte die Deutsche Studentenschaft ihre Organe auf, sich an einer vierwöchigen „Aktion wider den undeutschen Geist“ zu beteiligen, zu deren maßgeblichen Initiatoren Hans Karl Leistritz, der Leiter des Hauptamts, gehörte. Sie sollte am 12. April beginnen und am 10. Mai mit spektakulären öffentlichen Bücherverbrennungen enden.<ref name="verbrannte-buecher1">Aufruf der deutschen Studentenschaft zur Planung und Durchführung öffentlicher Bücherverbrennungen (PDF; 4,7 MB) verbrannte-buecher.de. Abgerufen am 26. Juni 2011.</ref> Die Aktion erfolgte unter Berufung auf die Bücherverbrennung beim Wartburgfest 1817 und war als „Gesamtaktion gegen den jüdischen Zersetzungsgeist“ angelegt: „Der jüdische Geist, wie er sich in der Welthetze in seiner ganzen Hemmungslosigkeit offenbart, und wie er bereits im deutschen Schrifttum seinen Niederschlag gefunden hat, muss aus diesem ausgemerzt werden.“<ref>Deutsche Kultur-Wacht, 1933, Heft 9.</ref> Für die Hochschulpolitik bedeutete die „Aktion wider den undeutschen Geist“ den Anfang der Eroberung der Universitäten durch die zur „geistigen SA“ deklarierten Studentenschaften.
Als erste Maßnahme wurde der Befehl gegeben, an den Hochschulen „Kampfausschüsse wider den undeutschen Geist“ zu bilden, denen zwei Studenten, ein Professor, ein Vertreter des von Alfred Rosenberg geleiteten „Kampfbundes für Deutsche Kultur“ und ein Schriftsteller angehören sollten. Den Vorsitz hatte der Führer der jeweiligen Studentenschaft inne.
Vorbereitung
Wichtigstes Element des politischen Kampfes der Studenten war die Propagandaarbeit. Am 2. April 1933, einen Tag nach dem Boykott jüdischer Geschäfte, wurde ein detaillierter Ablaufplan entworfen,<ref name="verbrannte-buecher1" /> am 6. April wurden die Einzelstudentenschaften in einem Rundschreiben über die bevorstehende Aktion in Kenntnis gesetzt:
- „Die Deutsche Studentenschaft plant anläßlich der schamlosen Greuelhetze des Judentums im Ausland eine vierwöchige Gesamtaktion gegen den jüdischen Zersetzungsgeist und für volksbewußtes Denken und Fühlen im deutschen Schrifttum. Die Aktion beginnt am 12. April mit dem öffentlichen Anschlag von 12 Thesen, Wider den undeutschen Geist’ und endet am 10. Mai mit öffentlichen Kundgebungen an allen deutschen Hochschulorten. Die Aktion wird — in ständiger Steigerung bis zum 10. Mai — mit allen Mitteln der Propaganda durchgeführt werden, wie: Rundfunk, Presse, Säulenanschlag, Flugblätter und Sonderartikeldienst der DSt-Akademischen Korrespondenz.“ (Akten der Deutschen Studentenschaft im „Archiv der ehemaligen Reichsstudentenführung“ in der Universitätsbibliothek Würzburg)
Die Führung der Deutschen Studentenschaft setzte mit dieser Initiative alles daran, zu beweisen, dass sie bereit und fähig war, die Studenten für den Nationalsozialismus zu mobilisieren. Sie stand dabei in Konkurrenz zum Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund, der nach der Reichstagswahl im März 1933 das ausschließliche Recht zur politischen Erziehung der Studenten beansprucht hatte. Im Zuge der Vorbereitungen kam es daher zu einer Auseinandersetzung zwischen beiden Organisationen und ihren Führern Gerhard Krüger (DSt) und Oskar Stäbel (NSDStB). Noch am Tag vor Beginn der Aktion, am 11. April, befahl Stäbel in einer „Eil-Anordnung“, die Aktion der DSt nicht nur zu unterstützen, sondern „die Führung dabei zu übernehmen“.<ref name="hdbgtext">Bücherverbrennung: Propaganda und Bürokratie. hdbg.de. Archiviert vom Original am 29. Juni 2008. Abgerufen am 26. Juni 2011.</ref>
„12 Thesen wider den undeutschen Geist“
Den Auftakt bildete am 12. April 1933 die Veröffentlichung der „12 Thesen wider den undeutschen Geist“. Statt fundierter Thesen enthält sie nur die Positionen und Ziele der „Aktion“ und prangert jüdische, sozialdemokratische, kommunistische und liberale Ideen sowie ihre Vertreter an. Die „Thesen“ wurden in roter Frakturschrift in deutschen Universitäten plakatiert und von vielen Zeitungen abgedruckt:
- Sprache und Schrifttum wurzeln im Volke. Das deutsche Volk trägt die Verantwortung dafür, daß seine Sprache und sein Schrifttum reiner und unverfälschter Ausdruck seines Volkstums sind.
- Es klafft heute ein Widerspruch zwischen Schrifttum und deutschem Volkstum. Dieser Zustand ist eine Schmach.
- Reinheit von Sprache und Schrifttum liegt an Dir! Dein Volk hat Dir die Sprache zur treuen Bewahrung übergeben.
- Unser gefährlichster Widersacher ist der Jude und der, der ihm hörig ist.
- Der Jude kann nur jüdisch denken. Schreibt er deutsch, dann lügt er. Der Deutsche, der deutsch schreibt, aber undeutsch denkt, ist ein Verräter. Der Student, der undeutsch spricht und schreibt, ist außerdem gedankenlos und wird seiner Aufgabe untreu.
- Wir wollen die Lüge ausmerzen, wir wollen den Verrat brandmarken, wir wollen für den Studenten nicht Stätten der Gedankenlosigkeit, sondern der Zucht und der politischen Erziehung.
- Wir wollen den Juden als Fremdling achten und wir wollen das Volkstum ernst nehmen. Wir fordern deshalb von der Zensur: Jüdische Werke erscheinen in hebräischer Sprache. Erscheinen sie in deutsch, sind sie als Übersetzung zu kennzeichnen. Schärfstes Einschreiten gegen den Mißbrauch der deutschen Schrift. Deutsche Schrift steht nur Deutschen zur Verfügung. Der undeutsche Geist wird aus öffentlichen Büchereien ausgemerzt.
- Wir fordern vom deutschen Studenten Wille und Fähigkeit zur selbständigen Erkenntnis und Entscheidung.
- Wir fordern vom deutschen Studenten den Willen und die Fähigkeit zur Reinerhaltung der deutschen Sprache.
- Wir fordern vom deutschen Studenten den Willen und die Fähigkeit zur Überwindung des jüdischen Intellektualismus und der damit verbundenen liberalen Verfallserscheinungen im deutschen Geistesleben.
- Wir fordern die Auslese von Studenten und Professoren nach der Sicherheit des Denkens im deutschen Geiste.
- Wir fordern die deutsche Hochschule als Hort des deutschen Volkstums und als Kampfstätte aus der Kraft des deutschen Geistes.
Die örtlichen „Kampfausschüsse“ waren als Speerspitze der Studentenschaft gegen den „jüdischen Intellektualismus“ gedacht. Leiter des reichsweiten Kampfausschusses wider den undeutschen Geist war Paul Karl Schmidt, der in der Nachkriegszeit unter dem Pseudonym Paul Carell bekannt werden sollte. Er zeichnete für das Plakat und die 12 Thesen <ref>online. Vollständiger Text der 12 Thesen auch in Wikisource</ref> verantwortlich und empfahl sich damit für seine spätere antijüdische Kriegspropaganda als Pressechef im Auswärtigen Amt. Nach 1945 wurde er Journalist und erfolgreicher Sachbuchautor.
Artikeldienst
Parallel zur Plakataktion wurde ein so genannter „Artikeldienst“ mit unterstützenden Statements national eingestellter Kulturschaffender und Intellektueller organisiert, durch den die Öffentlichkeit auf die Aktion eingestimmt werden sollte. 66 Schriftsteller, deren „Einstellung zum deutschen Schrifttum“ der Studentenschaft bekannt war, wurden gebeten, einen Aufsatz zur Verfügung zu stellen, der über den Artikeldienst der DSt in der Presse verbreitet werden sollte, darunter Werner Bergengruen, Richard Billinger, Paul Ernst, Max Halbe, Karl Jaspers und Julius Streicher. Der Erfolg dieser Aktion war sehr dürftig. Der größte Teil der Angeschriebenen reagierte überhaupt nicht, nicht einmal Alfred Rosenberg, der in einem eigenen Schreiben um ein Einleitungswort zu der Aktion gebeten worden war. Etliche Schriftsteller wiesen auf die zu kurze Vorlaufzeit hin und boten bereits Veröffentlichtes zum Nachdruck an, wie der in München lebende Erwin Guido Kolbenheyer.<ref name="hdbgtext" /> Veröffentlicht konnten letztlich aber nur vier Beiträge werden, nämlich von Herbert Böhme, Will Vesper, Alfred Baeumler und Kurt Herwarth Ball (s. u. „Zeitungsberichte“).
Professorenboykott
Am 19. April erfolgte ein Aufruf der DSt-Führung, als weitere Aktion den Kampf „gegen den für unsere deutsche Hochschule untauglichen Hochschullehrer“ aufzunehmen. Die Losung lautete: „Der Staat ist erobert. Die Hochschule noch nicht! Die geistige SA rückt ein. Die Fahne hoch!“ Die Studenten wurden aufgerufen, Hochschullehrer, die nach dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 aus ihren Ämtern auszuscheiden hatten, mit eidesstattlichen Erklärungen und belastenden Quellen wie Zitaten aus Vorlesungen oder Literaturverweisen zu melden. Dazu gehörten neben Juden, Angehörigen kommunistischer Organisationen oder des Reichsbanners nach der Interpretation der DSt-Führung auch Personen, die „nationale Führer, die Bewegung der nationalen Erhebung oder das Frontsoldatentum beschimpft haben“, sowie Professoren, deren „wissenschaftliche Methode ihrer liberalen bzw. insbesondere ihrer pazifistischen Einstellung“ entsprach. Auch Hochschullehrer mit „politisch einwandfreier Haltung“ sollten der DSt-Führung gemeldet werden, sofern sie „eine mehr als nur mittelmäßige Begabung“ aufwiesen. Fast alle Universitäten beteiligten sich an dieser Aktion und Lehrkörper, Dekane und Rektoren unterstützten sie. Es kam zu organisierten Übergriffen gegen jüdische Dozenten, Mitarbeiter der Verwaltung und Mitstudenten, Vorlesungen wurden gestört und boykottiert, jüdische Professoren am Betreten ihrer Arbeitsstätte gehindert.
Die öffentliche Hetzjagd ging soweit, dass an den Universitäten Königsberg, Rostock, Erlangen, Münster und Dresden zwei Meter hohe „Schandpfähle“ errichtet wurden, an denen die Namen angefeindeter Professoren und einzelne literarische Schriften angeschlagen wurden:
- „Wir werden an allen Hochschulen einen Schandpfahl errichten. Einen klobigen Baumstamm, etwas über mannshoch, auf Hochschulgebiet. An den Schandpfahl werden wir die Erzeugnisse derer nageln, die nicht unseres Geistes sind. Und wir werden diesen Schandpfahl für alle Zeiten stehen lassen. Solange wir ihn brauchen. Heute für die Schriftsteller, morgen für die Professoren. Im Ganzen immer bereit für die, die es nicht begreifen wollen oder nie begreifen können. Der Schandpfahl soll etwa am 3. Mai in den Hochschulen zur Aufstellung gelangen.“<ref> Zitiert in H.-W. Strätz, Die Studentische „Aktion wider den undeutschen Geist“ im Frühjahr 1933, S. 356–357, in Institut für Zeitgeschichte, Vierteljahrshefte zur Zeitgeschichte, Jahrgang 16 (1968), Heft 4. http://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1968_4_2_straetz.pdf Abgerufen am 13. Mai 2013 </ref>
Die Studentenschaft der Universität Rostock berichtete, dass am 5. Mai eine große Feier „mit Errichtung des Schandpfahls“ stattgefunden habe, an den „8 der übelsten literarischen Werke mit haltbaren Vierzöllern geschlagen wurden: Magnus Hirschfeld, Tucholsky, Stephan Zweig, Lion Feuchtwanger, Wikki (Digitalisat).</ref> wurde zunächst aus ungeklärten Gründen abgesagt, jedoch ein Ersatztermin für eine kleinere, „symbolische“ Verbrennung mit Jugendverbänden und Schülern im Universitätsstadion zunächst für den 21. Juni benannt; nachdem auch dieser wegen schlechter Witterung kurzfristig abgesagt werden musste, dann für die örtliche NS-Sonnwendfeier am 24. Juni gemeinsam mit der Freiburger Studentenschaft. Dabei hielt der Philosoph Martin Heidegger, damals gerade neuer Rektor der Freiburger Universität, eine Ansprache:
„... Flamme künde uns, leuchte uns, zeige uns den Weg, von dem es kein Zurück mehr gibt! Flammen zündet, Herzen brennt!“<ref>Badische Zeitung, 21. August 2013, Heiko Wegmann: badische-zeitung.de: Auch in Freiburg wurden von den Nazis Bücher verbrannt (21. August 2013)</ref>
Die letzte studentische Bücherverbrennung erfolgte am 21. Juni in Darmstadt, während die erste bereits am 8. Mai in Gießen stattgefunden hatte. Für die Universitäten Stuttgart und Tübingen sowie für Singen<ref>10. Mai 1933 – Bücherverbrennung (PDF; 72 kB) bundestag.de. Abgerufen am 26. Juni 2011.</ref> untersagte der Kommissar für die württembergischen Studentenschaften, Gerhard Schumann, die Teilnahme an der Aktion und hielt an seinem Verbot trotz der Proteste, die von einzelnen Studentenschaften in Berlin vorgebracht wurden, fest. Die Danziger Studentenschaft teilte mit, dass wegen der politischen Lage der Stadt, die unter der Verwaltung des Völkerbundes stand, eine öffentliche Durchführung der Aktion nicht möglich sei.
In München kam es zu zwei Bücherverbrennungen, eine durch die Hitler-Jugend am 6. Mai 1933, da die Führung der HJ ihre Gliederungen beauftragt hatte, „in sämtlichen Orten (…) eine Verbrennung aller marxistischer, pazifistischer Schriften und Bücher“ durchzuführen, und eine durch die deutsche Studentenschaft am 10. Mai 1933, bei der 50.000 Schaulustige auf dem Königsplatz teilnahmen. Sämtliche bayerischen Rundfunksender berichteten darüber.<ref name="hdbgtext" />
Die Bücherverbrennungen selbst wurden von der Deutschen Studentenschaft (dem Dachverband der Allgemeinen Studentenausschüsse – AStA), und dem NSDStB durchgeführt und geschahen mit Duldung der Behörden, wurden von Polizei und Feuerwehr sogar begleitet und betreut. Zahlreiche Professoren nahmen an den Bücherverbrennungen teil und traten in Talaren vor die Scheiterhaufen, um Feuerreden zu halten, etwa der Philosoph Alfred Baeumler in Berlin, der Germanist Hans Naumann in Bonn und die Germanisten Friedrich Neumann und Gerhard Fricke in Göttingen. In Dresden hielt Will Vesper die Festrede. In Greifswald war die Bücherverbrennung in die mehrwöchige Aktion für den deutschen Geist der dortigen NSDStB-Gruppe eingebunden. Unter der fachlichen Leitung von Wolfgang Stammler und Hans Wilhelm Hagen stellten Greifswalder Promotionsstudenten im Rahmen dieser Aktion in den pommerschen Zeitungen „deutsche“ Literatur der zu verbrennenden „undeutschen“ Literatur gegenüber. In Frankfurt waren etwa 15.000 Leute auf dem Römer versammelt, viele von ihnen Studenten in SA-Uniform, aber auch Lehrer und Professoren in Talaren und Baretten auf den Köpfen. Die Bücher wurden auf einem Ochsenkarren zum Scheiterhaufen geführt, eine Mistgabel steckte in der Mitte, um ihn als Mistwagen kenntlich zu machen. Die dortige Feuerrede hielt der Studentenpfarrer Otto Fricke.<ref>Die Bücherverbrennung am 10. Mai 1933, Institut für Stadtgeschichte, Stadt Frankfurt am Main</ref> An einigen Orten verbrannten die Studenten außer Büchern auch Fahnen, so wurde in Hamburg die Gaufahne des Roten Frontkämpferverbandes in die Flammen geworfen, in Mannheim und Königsberg die schwarz-rot-goldene Fahne der Weimarer Republik.
Nach dem „Anschluss“ Österreichs im März 1938 gab es am 30. April 1938 auch eine studentische Bücherverbrennung auf dem Residenzplatz in Salzburg, veranstaltet von dem NS-Lehrerbund unter der Patronanz von Karl Springenschmid, dem „Goebbels von Salzburg“. Dieser Verbrennung fielen 1 200 Bücher klerikaler und jüdischer Autoren zum Opfer, darunter auch die Werke des Wahlsalzburgers Stefan Zweig<ref>Heinz Dopsch, Robert Hoffmann: Salzburg – Geschichte einer Stadt. Anton Pustet, Salzburg 2008, S. 564.</ref> und die Max Reinhardt-Monographie von Siegfried Jacobsohn, bei deren Verbrennung gerufen wurde: „Möge das Feuer auch Schimpf und Schand verzehren, die unserer deutschen Stadt von diesem Geschmeiß geschah. Frei und deutsch sei die Stadt Mozarts!“<ref>Johannes Hofinger: Die Akte Leopoldskron. Verlag Anton Pustet, Salzburg/München 2005.</ref>
Nicht-studentische Aktionen
Nicht-studentische Bücherverbrennungen hatte es bereits im Zuge des NS-Terrors nach der Reichstagswahl im März 1933 in mehreren Städten durch SA und SS gegeben, so in Dresden (8. März), Braunschweig (9. März), Würzburg (10. März), Heidelberg (12. März), Kaiserslautern (26. März), Münster (31. März), Wuppertal (1. April), Leipzig (1. April und 2. Mai), Düsseldorf (11. April) und Coburg (7. Mai), wo vielfach die Zentren der verbliebenen Opposition wie Partei-, Gewerkschafts- und sozialdemokratische Verlagshäuser gestürmt und geplündert, aber auch schon Werke einzelner Autoren wie „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque verbrannt wurden. Bei der Erstürmung des sozialdemokratischen Volksfreundhauses in Braunschweig gab es bereits einen Toten. Von diesen Bücherverbrennungen ging ein entscheidender Impuls für die nachfolgende studentische „Aktion wider den undeutschen Geist“ aus.
Weitere „nachahmende“, d. h. nicht-studentische Bücherverbrennungen gab es nach dem 10. Mai 1933 u. a. am 13. Mai in Neustrelitz, am 14. Mai in Neustadt an der Weinstraße, am 22. Mai in Offenbach am Main und in Potsdam, am 30. Mai wieder in Hamburg (durchgeführt von Hitler-Jugend und BDM), am 31. Mai in Neubrandenburg, am 17. Juni in Heidelberg, Karlsruhe, Offenburg und Pforzheim, am 21. Juni in Essen, Darmstadt und Weimar und am 23. Juni in Mainz. Die letzte Aktion dieser Art fand am 26. August in Jena statt. In Magdeburg wurden vom 21. bis 24. August 65 Tonnen Bibeln und andere Druckschriften der Zeugen Jehovas verbrannt, jedoch ohne Zusammenhang zu den studentischen Aktionen.<ref>Sybil Milton: Zeugen Jehovas. Vergessene Opfer?. In: Zeugen Jehovas – Vergessene Opfer des Nationalsozialismus? (= Schriftenreihe des österreichischen Widerstandes zur Geschichte der NS-Gewaltverbrechen. Nr. 3). Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Wien 1998, ISBN 3-901142-38-X, S. 24 (PDF-Datei; 1 MB, abgerufen am 16. Dezember 2013).</Ref> Eine genaue Anzahl lässt sich wegen der zahlreichen kleineren Nachahme-Aktionen nicht geben, doch sind für das Jahr 1933 landesweit über einhundert Bücherverbrennungen dokumentiert.<ref>verbrannte-buecher.de: Orte</ref>
Im März 1938 organisierte die NSDAP, Landesgruppe Mexiko, in Mexiko-Stadt ein „Fest für den vollzogenen Anschluss“ Österreichs, dem auch eine kleine Bücherverbrennung folgte. Im gleichen Jahr wurden in vielen Städten und Dörfern, z. B. in den fränkischen Ortschaften Hagenbach, Karlstadt und Steinach Bücher jüdischer Gemeinden verbrannt. 1941 wurden noch im Elsass im Rahmen einer „Entwelschungsaktion“ mehrere Bücherverbrennungen durchgeführt.<ref>Vergleiche Werner Treß in Wider den undeutschen Geist. Berlin 2005 und Wolfram Kastner, mit Ergänzungen</ref>
Orte von Bücherverbrennungen
Nicht-studentische Bücherverbrennungen vor dem 10. Mai 1933
- Berlin: 15. März
- Braunschweig: 9. März, vor dem sozialdemokratischen Volksfreundhaus
- Coburg: 7. Mai, Schloßplatz (am „Ehrentag der deutschen Jugend“)
- Dresden: 7. März, Neue Meißner Straße (Volksbuchhandlung)
- 8. März, Wettiner Platz
- Düsseldorf: 11. April, Planetarium (heute Tonhalle)
- Heidelberg: 12. März, vor dem Gewerkschaftshaus
- Kaiserslautern: 26. März, Schillerplatz
- Leipzig: 1. April
- 2. Mai, Volkshaus und etwas später am kleinen Meßplatz
- München: 6. Mai, durch die Hitlerjugend im Rahmen eines „Tages der bayerischen Jugend“
- Münster: 31. März 1933
- Rosenheim: 7. Mai, Max-Josefs-Platz (durch Hitlerjugend, BDM und Jungvolk)
- Schleswig: 23. April, Stadtfeld
- Speyer: 6. Mai, auf dem Alten Markt gegenüber dem Rathaus (Aktion im Rahmen eines „Tages der bayerischen Jugend“)
- Würzburg: 10. März
- Wuppertal: 1. April, Rathausvorplatz in Barmen und am Brausenwerth in Elberfeld (durch Schüler, begleitet von ihren Lehrern)
Bücherverbrennungen im Rahmen oder in Nachahmung der „Aktion wider den undeutschen Geist“ (AwuG), 1933
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Die verfolgten Autoren
Siehe: Liste der verbrannten Bücher 1933 und Liste verbotener Autoren während der Zeit des Nationalsozialismus
Zu den indizierten Autoren gehörten u. a. Walter Benjamin, Ernst Bloch, Bertolt Brecht, Max Brod, Otto Dix, Alfred Döblin, Albert Einstein, Lion Feuchtwanger, Marieluise Fleißer, Leonhard Frank, Sigmund Freud, Salomo Friedlaender, Iwan Goll, George Grosz, Jaroslav Hašek, Heinrich Heine, Ödön von Horvath, Heinrich Eduard Jacob, Franz Kafka, Georg Kaiser, Erich Kästner, Alfred Kerr, Egon Erwin Kisch, Siegfried Kracauer, Karl Kraus, Theodor Lessing, Alexander Lernet-Holenia, Karl Liebknecht, Georg Lukács, Rosa Luxemburg, Heinrich Mann, Klaus Mann, Ludwig Marcuse, Karl Marx, Robert Musil, Carl von Ossietzky, Erwin Piscator, Alfred Polgar, Erich Maria Remarque, Ludwig Renn, Joachim Ringelnatz, Joseph Roth, Nelly Sachs, Felix Salten, Anna Seghers, Arthur Schnitzler, Carl Sternheim, Bertha von Suttner, Ernst Toller, Kurt Tucholsky, Jakob Wassermann, Franz Werfel, Grete Weiskopf, Arnold Zweig und Stefan Zweig.
Nicht nur deutschsprachige Autoren standen auf den Listen, sondern auch die Namen der französischen Autoren André Gide, Romain Rolland, Henri Barbusse, der amerikanischen Autoren Ernest Hemingway, Upton Sinclair, Jack London, John Dos Passos und vieler sowjetischer Autoren, darunter Maxim Gorki, Isaak Babel, Vladimir Iljic Lenin, Leo Trotzki, Wladimir Majakowski, Ilja Ehrenburg.
Die Verfolgung dieser Autoren, deren mündliche oder schriftliche Äußerungen den Anschauungen des Nationalsozialismus widersprachen und die sich der von ihnen geforderten „geistigen Wehrhaftmachung“ widersetzten, begann nicht erst mit den Bücherverbrennungen, sondern sie fand lediglich ihren Höhepunkt darin. Viele Schriftsteller, aber auch andere Künstler und auch Wissenschaftler erhielten in der Folge Arbeits- und Publikationsverbot, verschwanden aus den Bibliotheken und aus dem Schulunterricht und wurden auch physisch vernichtet. Sie starben im KZ, an den Folgen der Haftbedingungen oder wurden hingerichtet (wie Carl von Ossietzky und Erich Mühsam, Gertrud Kolmar und Jakob van Hoddis, Paul Kornfeld, Arno Nadel und Georg Hermann, Theodor Wolff, Adam Kuckhoff, Rudolf Hilferding), wurden ausgebürgert (wie Ernst Toller und Kurt Tucholsky), zur Flucht ins Exil gezwungen (wie Walter Mehring und Arnold Zweig) oder in die innere Emigration gedrängt, von der Erich Kästner schrieb: „Man ist ein lebender Leichnam.“ Viele verzweifelten und nahmen sich in der Emigration das Leben, so Walter Hasenclever, Ernst Weiss, Carl Einstein, Walter Benjamin, Ernst Toller, Stefan Zweig.
Für Schriftsteller, die ins Konzept der Nationalsozialisten passten, bedeutete das Verbot ihrer Kollegen die Übernahme der „frei geräumten“ Plätze. „Da kommen sie nun aus allen Löchern gekrochen, die kleinen Provinznutten der Literatur“, schrieb Kurt Tucholsky 1933, „nun endlich, endlich ist die jüdische Konkurrenz weg – jetzt aber! Auf Leichenhügeln sollte ein Dichterfrühling grünen. […] Göbbels lud zum Tee – die Schriftsteller hatten zu wählen: Geist oder Macht, Charakter oder Konjunktur, tapfere Isolierung oder feige Gleichschaltung. Sie haben gewählt. Die Männer sind ins Exil, die Kreaturen zum Tee gegangen.“
In der Folge wurde der 10. Mai als „Tag des verbrannten Buches“ jährlich zu einem Treffpunkt vieler Autoren im Exil, vor allem in Paris, aber auch in London, Mexiko-Stadt, Moskau, New York und Prag. Der zehnte Jahrestag der Bücherverbrennung am 10. Mai 1943 fand besonders in den USA großes Echo. Eine Ausstellung verbotener und verbrannter Büchern wurde im Dezember 1942 in der New York Public Library eröffnet, zahlreiche weitere Veranstaltungen, Aufführungen, Vorträge und Lesungen verschafften der von den Nationalsozialisten verbotenen Literatur eine große Öffentlichkeit. Thomas Mann bemerkte in einer Rede über den Sender BBC, dass die zehnte Wiederkehr jenes 10. Mai zu „wahrhaft rührenden“ und die deutschen Flüchtlinge „tief beschämenden Kundgebungen geführt“ habe.
Peter Suhrkamp sprach 1947 auf dem Opernplatz in Berlin: „Die Flammen, die zuerst über den Bücherhaufen prasselten, verschlangen später im Feuersturm unsere Städte, menschliche Behausungen, die Menschen selbst. Nicht der Tag der Bücherverbrennung allein muß im Gedächtnis behalten werden, sondern diese Kette: von dem Lustfeuer an diesem Platz über die Synagogenbrände zu den Feuern vom Himmel auf die Städte.“
In der DDR wurde der 10. Mai als Tag des freien Buches begangen.
Gedenkstätten
Auf dem Berliner Bebelplatz neben der Staatsoper erinnert heute eine ins Pflaster eingelassene Glasplatte an die Bücherverbrennung von 1933. Sie gibt den Blick auf das aus leeren Bücherregalen bestehende Mahnmal „Bibliothek“ des israelischen Künstlers Micha Ullman frei. An die Bücherverbrennung erinnern zwei in den Boden eingelassene Bronzetafeln, in die der allerdings nicht wörtlich zitierte Satz aus Heinrich Heines „Almansor“ (s. o.) eingraviert ist.
In einigen deutschen Städten erinnern Texttafeln an die Bücherverbrennung: In Göttingen gibt es eine Gedenktafel am Albanikirchhof (seinerzeit Adolf-Hitler-Platz) mit dem Zitat Heines (s. o.). Am Frankfurter Römerberg, zwischen Alter Nikolaikirche und Gerechtigkeitsbrunnen, erinnert eine Bronzetafel an die Bücherverbrennung. In Hamburg-Eimsbüttel gibt es ein Mahnmal zur Erinnerung an die Bücherverbrennung in Hoheluft am Isebekkanal, Kaiser-Friedrich-Ufer/Ecke Heymannstraße. In Landau gibt es eine Gedenktafel auf dem Rathausplatz. In Essen steht eine Gedenktafel auf dem Gerlingplatz. In Düsseldorf wurde eine Gedenktafel 1993 an der Tonhalle angebracht. Weitere Tafeln gibt es in Bremen, Erlangen, Halle (Saale) und Köln.
In München gibt es bis dato kein Mahnmal zur Bücherverbrennung am Königsplatz. Der Künstler Wolfram Kastner hat zum Gedenken wiederholt einen schwarzen Kreis in den Rasen des Königsplatzes gebrannt, wo die Verbrennungen stattfanden. Er setzte sich auch dafür ein, Überreste verbrannter Werke im geplanten NS-Dokumentationszentrum am Königsplatz unterzubringen. Kastner führte auch in anderen Städten unter dem Titel „Die Spur der Bücher“ Aktionen zur Erinnerung an die Bücherverbrennungen durch, darunter Salzburg, Frankfurt, Kassel und Heidelberg.<ref>Wolfram P. Kastner die Spur der Buecher</ref>
In Salzburg stand für das späte Gedenken an die einzige Bücherverbrennung auf österreichischem Boden im Vorfeld der Neugestaltung des Residenzplatzes 2007 ein Mahnmal zur Diskussion. Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ) fand jedoch eine Gedenktafel für ausreichend. Man einigte sich auf ein Mahnmal, das als Kompromiss ein ebenes, in die Platten gesetztes Mahnmal „unter Beiziehung von Historikern“ sein und im Rahmen des bereits ausgeschriebenen Architektenwettbewerbs vergeben werden sollte. Das Siegerprojekt der Architekten Rieder und Knittel sah ein bewegliches Mahnmal zur Bücherverbrennung vor, das sich in der Nacht zu einer programmier- und bespielbaren Lichtskulptur verwandeln sollte. Das Projekt wurde nicht realisiert, das Mahnmal steht noch immer aus und wurde 2009 in einer Initiative der Bürgerliste eingefordert.<ref>Mahnmal zur Erinnerung an die Bücherverbrennung am Residenzplatz gefordert!. buergerliste.at. 21. September 2009. Abgerufen am 26. Juni 2011.</ref> Zum 75. Jahrestag organisierte 2013 die Initiative „Freies Wort“ ein umfangreiches Gedenkprogramm.<ref>Salzburg gedenkt der Bücherverbrennung 1938, Der Standard 30. April 2013</ref>
In Wien gestaltete die englische Künstlerin Rachel Whiteread im Jahre 2000 das Holocaust-Mahnmal auf dem Judenplatz. Es ist kein explizites Mahnmal für die Bücherverbrennung, stellt jedoch eine versteinerte Bibliothek dar, deren invertierte Bücher nach außen zeigen.
Archive
In Prag wurde 1933 zu einer Sammlung der verbrannten Bücher für eine Ausstellung aufgerufen, die später zerstört wurde.
Deutsche Freiheitsbibliothek
Zum ersten Jahrestag der Bücherverbrennung gründete der Schriftsteller Alfred Kantorowicz mit seinen Freunden vom Schutzverband Deutscher Schriftsteller in Paris SDS am 10. Mai 1934 eine „Bibliothek der verbrannten Bücher“ (Deutsche Freiheitsbibliothek), die von Alfred Kerr und Egon Erwin Kisch eröffnet wurde. Was in Deutschland verboten und verbrannt war, wurde aus der ganzen Welt von Emigranten nach Paris zusammengetragen. Bereits am 10. Mai 1934 zählte die Freiheitsbibliothek über 11.000 Bände. Die Deutsche Freiheitsbibliothek wurde nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Paris zerstört, so dass es bis heute keine vollständige Bibliothek der verbrannten Bücher gibt.<ref>s. Claus-Dieter Krohn, Patrik von zur Mühlen, Gerhard Paul, Lutz Winckler (Hrsg.): Handbuch der deutschsprachigen Emigration 1933–1945. Wissenschaftliche Buchgesellschaft und Primus, Darmstadt 1998, ISBN 3-89678-086-7; Walter A. Berendsohn: Die humanistische Front Bd 1: Einführung in die deutsche Emigranten-Literatur. Zürich 1946.</ref>
Nach dem Krieg gaben Kantorowicz und Drews im Gedenken an diese Bibliothek die Anthologie „Verboten und verbrannt“ heraus, bei der es im Vorwort hieß : „Das war kein ‚spontaner Akt’ einer unvernünftigen Menge gewesen, sondern eine wohlüberlegte und sorgfältig organisierte Veranstaltung nationalsozialistischer Staatsraison. Wie die Reichstagsbrandstiftung am 28. Februar 1933 das Fanal des Terrors gegen alle Antifaschisten, der Judenboykott vom 1. April 1933 der Auftakt der Pogrome, die Auflösung und Ausraubung der Gewerkschaften am 2. Mai 1933 die Proklamierung der sozialen Unterdrückung gewesen waren, so waren die Autodafés vom 10. Mai der sichtbare Beginn der amtlich verfügten und mit terroristischen Mitteln durchgeführten Entgeistigung und Barbarisierung Deutschlands.<ref>s.Alfred Kantorowicz, Richard Drews: „Verboten und verbrannt“ – Deutsche Literatur 12 Jahre unterdrückt. Ullstein /Kindler, Berlin/ München, 1947.</ref> “
Sammlung Salzmann
Der Gräfelfinger Finanzkaufmann Georg P. Salzmann baute seit 1945, systematisch seit 1976, eine Privatbibliothek der 1933 durch die Bücherverbrennung vernichteten Titel auf. Der Sammler strebte an, die Bücher einem öffentlichen Träger zu übergeben, der sie als Präsenzbibliothek allgemein verfügbar machen könne. Langwierige Bemühungen verschiedener Städte scheiterten an der Finanzierung, bis schließlich im Jahre 2009 der Freistaat Bayern den gesamten Bestand für die Universitätsbibliothek Augsburg erwarb.<ref>Ausführliche Seite im Aufbau begriffen, 22. Feb. 2013</ref> Die Bearbeitung ist noch nicht abgeschlossen, doch sind die Bücher zum größten Teil erschlossen und frei zugänglich aufgestellt. Der Gesamtbestand wird auf 12.000 Bände von 120 verfolgten Autoren geschätzt, neben sehr vielen Erstdrucken überwiegend Neuauflagen, insgesamt etwa 8.000 verschiedene Ausgaben. Die Universitätsbibliothek Augsburg bemüht sich, Lücken zu schließen, um den Werkbestand der von Salzmann in größerem Umfang gesammelten Autoren zu komplettieren.
Verboten und verbrannt/Exil
Der S. Fischer Verlag gab in den 1980er Jahren eine Buchreihe Verboten und verbrannt / Exil (ausgehend von der 1981 begründeten „Bibliothek der verbrannten Bücher“ des KonkretLiteraturVerlags) heraus, in der er mindestens 25 Titel ungekürzt publizierte, die zwischen 1933 und 1945 außerhalb NS-Deutschlands gedruckt worden waren. 1993 stellte der Verlag die Reihe ein. Ausstellungen mit betroffenen Büchern verwendeten häufig den von Kantorowicz 1947 popularisierten Doppelbegriff "Verboten und verbrannt" <ref>siehe auch: Aufbau, Jg. 13, 26. Dezember 1947, Nr. 52 Seite 15, die Deutsche Nationalbibliothek verfügt über den Artikel</ref> entweder als Titel, oder als Teil des Titels, z. B. in Heilbronn 1983.
Bibliothek Verbrannter Bücher
Bereits 2006 wurde anlässlich des 73. Jahrestags als Pilotprojekt das Werk von Hugo Preuß „Staat, Recht und Freiheit“ neu aufgelegt. Der deutsch-jüdische Staatsrechtler Hugo Preuß (1860–1925) war einer der wichtigsten Vordenker der Weimarer Reichsverfassung von 1919. Sein Buch erschien 1926 posthum mit einem Vorwort des späteren Bundespräsidenten Theodor Heuss und wurde am 10. Mai 1933 öffentlich verbrannt.
Das Moses Mendelssohn Zentrum in Potsdam hat zusammen mit dem Georg Olms Verlag zum 75. Jahrestag der Bücherverbrennungen am 10. Mai 2008 die ersten 10 Bände einer „Bibliothek Verbrannter Bücher“ herausgebracht. In der Kassette sind Werke von Salomo Friedlaender, André Gide, Theodor Heuss, Franz Kafka, Erich Kästner, Gina Kaus, Jack London, Walther Rathenau, Anna Seghers und Kurt Tucholsky enthalten. In dieser Nachdruck-Edition mit Nachworten zur Neuauflage sollen bis zu 120 Bände vorgelegt werden. Die Kassette wird dank zahlreicher Förderer an bis zu 4000 zum Abitur führende Schulen verschenkt.<ref>verbrannte-buecher.de: Bibliothek</ref>
Siehe auch
Literatur
- Jan-Pieter Barbian: Literaturpolitik im Dritten Reich: Institutionen, Kompetenzen, Betätigungsfelder. dtv, München 1995, ISBN 3-423-04668-6.
- Dietmar Damwerth: Schriftstellerinnen und Schriftsteller zur NS-Zeit: Eine Dokumentation zum 70. Jahrestag der Bücherverbrennung. Damwerth, Langeoog / Münster 2003, ISBN 3-937183-11-6.
- Thomas Friedrich (Hrsg.): Das Vorspiel. Die Bücherverbrennung am 10. Mai 1933. LitPol, Berlin 1983, ISBN 3-88279-034-2.
- Jeanpaul Goergen: „Eine lange Reihe von Tonfilmwagen und Aufnahmeapparaten.“ Wochenschauen und Lokalaufnahmen von den Bücherverbrennungen 1933. In: Filmblatt, 15. Jahrgang, Nr. 44 Winter 2010/2011, ISSN 1433-2051, S. 5–21.
- Hermann Haarmann, Walter Huder, Klaus Siebenhaar (Hrsg.): „Das war ein Vorspiel nur…“ – Bücherverbrennung Deutschland 1933: Voraussetzungen und Folgen. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung der Akademie der Künste (Berlin) 1983. Medusa, Berlin / Wien 1983, ISBN 3-88602-076-2.
- Rainer Hoffschildt: Die Bücherverbrennung am 10. Mai 1933, in: Olivia. Die bisher geheime Geschichte des Tabus Homosexualität und der Verfolgung der Homosexuellen in Hannover. Verein zur Erforschung der Geschichte der Homosexuellen in Niedersachsen, Selbstverlag, Hannover 1992, ISBN 3-9802909-0-5, S. 87ff.
- Alfred Kantorowicz, Richard Drews: „Verboten und verbrannt“ – Deutsche Literatur 12 Jahre unterdrückt. Ullstein / Kindler, Berlin / München 1947; NA: Kindler, München 1983, ISBN 3-463-00860-2.
- Wolfram Kastner (Hrsg.): Wie Gras über die Geschichte wächst. Erinnerungszeichen zu den Bücherverbrennungen. Mit einem Essay von Gert Heidenreich. A1, München 1996, ISBN 3-927743-28-3.
- Erich Kästner: Über das Verbrennen von Büchern. Atrium, Hamburg 2013, ISBN 978-3855353897.
- Christian Graf von Krockow: Scheiterhaufen: Größe und Elend des deutschen Geistes. Severin und Siedler, Berlin 1983, ISBN 3-88680-042-3.
- Thomas Lischeid: Symbolische Politik. Das Ereignis der NS-Bücherverbrennung 1933 im Kontext seiner Diskursgeschichte. Synchron, Wissenschaftsverlag der Autoren, Heidelberg 2001, ISBN 3-935025-05-X.
- Hermann Rafetseder: Bücherverbrennungen: die öffentliche Hinchtung von Schriften im historischen Wandel (= Kulturstudien, Band 12, Bibliothek des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e.V. Frankfurt am Main), Böhlau, Wien / Graz / Köln 1988, ISBN 3-205-08858-1 (Dissertation Universität Wien 1988, 360 Seiten).
- Hans Sarkowicz, Alf Mentzer: Literatur in Nazi-Deutschland. Ein biographisches Lexikon. Erweiterte Neuauflage. Europa Verlag, Hamburg 2002, ISBN 3-203-82030-7.
- Gerhard Sauder: Die Bücherverbrennung. Zum 10. Mai 1933. Hanser, München / Wien 1983.
- Carola Schelle (Hrsg.): Stichtag der Barbarei. Anmerkungen zur Bücherverbrennung 1933. Postskriptum, Hannover 1983, ISBN 3-922382-16-9.
- Klaus Schöffling: Dort wo man Bücher verbrennt. Stimmen der Betroffenen (= Suhrkamp Taschenbuch, Band 905) Suhrkamp, Frankfurt am Main 1983, ISBN 3-518-37405-2.
- Julius H. Schoeps, Werner Treß (Hrsg.): Orte der Bücherverbrennungen in Deutschland 1933. Olms, Hildesheim 2008 ISBN 978-3-487-13660-8 <ref>Rezension</ref>
- Julius H. Schoeps, Simone Barck, Gerhard Bauer, Gert Mattenklott, Helmut Peitsch, Silvia Schlenstedt, Clemens Zintzen u.a. Hgg.: Bibliothek verbrannter Bücher. Eine Auswahl der von den Nationalsozialisten verfemten und verbotenen Literatur. Erste 10 Bände. Moses-Mendelssohn-Zentrum für europäisch-jüdische Studien. Olms, Hildesheim 2008. ISBN 3487136082
- Jürgen Serke: Die verbrannten Dichter. Lebensgeschichten und Dokumente. Beltz & Gelberg, Weinheim / Basel 1992, ISBN 3-407-80899-2.
- Dietrich Strothmann: Nationalsozialistische Literaturpolitik. Ein Beitrag zur Publizistik im 3. Reich (= Abhandlungen zur Kunst-, Musik- und Literaturwissenschaft, Band 13, Bibliothek des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e.V. Frankfurt am Main), Bouvier, Bonn 1960, DNB 454938004; 4. Auflage, Bonn 1984, ISBN 3-416-00190-7.
- Werner Treß (Hrsg.): Verbrannte Bücher 1933. Mit Feuer gegen die Freiheit des Geistes. Eine Anthologie. Schriftenreihe, 1003. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2009 ISBN 978-3-8389-0003-2<ref>57 Originalbeiträge aus verbrannten Bücher, Kurzbiographien der Autoren</ref>
- Werner Treß: Wider den undeutschen Geist. Bücherverbrennung 1933. Parthas, Berlin 2003, ISBN 3-932529-55-3.
- Theodor Verweyen: Bücherverbrennungen. Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2000, ISBN 3-8253-1082-5.
- Ulrich Walberer (Hrsg.): 10. Mai 1933 – Bücherverbrennung in Deutschland und die Folgen. Fischer TB, Frankfurt am Main 1983, ISBN 3-596-24245-2.
- Volker Weidermann: Das Buch der verbrannten Bücher. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2008, ISBN 978-3-462-03962-7.
- Friedemann Berger (Hrsg.): In jenen Tagen … Schriftsteller zwischen Reichstagsbrand und Bücherverbrennung. Vorwort Jürgen Kuczynski. Gustav Kiepenheuer, Leipzig 1983 (DNB 830890351).
Film
- Der Tag, an dem die Bücher brannten. Dokumentation, Deutschland 2003, 45 Min., Buch: Henning Burk, Hess.Rundfunk/3sat
- Spur des Feuers. Dokumentation, Deutschland, 2008, 52 Min., Buch und Regie: Henry Köhler, Produktion: RossPointFilm, Pinguin Film, MDR, Erstausstrahlung: 29. Oktober 2008, Inhaltsangabe von arte
Weblinks
Auflistung
- Liste der von den Nationalsozialisten verbotenen Schriften: berlin.de: Verbannte Bücher (auf Basis der „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“, Stand 31. Dezember 1938. Leipzig, 1938. Wissenschaftliche Redaktion Dr. Wolfgang Both, Berlin. Verantwortlich: BerlinOnline Stadtportal GmbH & Co. KG D-10178 Berlin, 3. Januar 2014)
- United States Holocaust Memorial Museum: ushmm.org: 1933 Book Burnings (3. Januar 2014)
Berichte
- Deutsches Historisches Museum: dhm.de: Rundfunkreportage über die Bücherverbrennung auf dem Berliner Opernplatz
- Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung, Margrid Bircken, Helmut Peitsch (Hg.): politische-bildung-brandenburg.de: BRENNENDE BÜCHER. Erinnerungen an den 10. Mai 1933 (459 kB, 3. Januar 2014)
- media.libri.de: Ein Abend im Mai – und wie es dazu kam Weidermann 2008 (50 kB, 3. Januar 2014)
- Gode Japs: Verfeuert, verfemt, vergessen – Vor 75 Jahren: Die Bücherverbrennung an deutschen Universitäten, Deutschlandfunk – „Hintergrund“ vom 10. Mai 2008
Dokumentationen
- Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien: Zur Geschichte der Bücherverbrennung
- United States Holocaust Memorial Museum: Fotos (3. Januar 2014: Link verwaist)
- Onlineatlas zu den Orten der nationalsozialistischen Bücherverbrennungen 1933: verbrannte-orte.de (Beta, 3. Januar 2014)
- Ausstellung 2008, Göttingen: euchzumtrotz.de: Und Euch zum Trotz
Sonstige
- Haus der Bayerischen Geschichte: hdbg.de: Die Bücherverbrennung 1933 (3. Januar 2014)
- Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien: Linkliste
- Birgit Ebbert: buecherverbrennung.de
- Jörg Hauptmann, Vortrag: slub-dresden.de: Bücherverbrennung in Dresden und ihre Rezeption nach 1945 (PDF-Datei; 2 MB)
- Petra Öllingers virtuelle Wohnung: petra-oellinger.at: Bücherverbrennung - Exilliteratur
- Literaturquiz Januar bis Dezember 2013: literaturblog-duftender-doppelpunkt.at
- Bücherlesung: Unter http://www.buecherlesung.de/2014/haupt_14.htm finden Sie alle Informationen über die Aktion „Bücher aus Feuer“ mit den Terminen der bundesweiten Lesungen aus damals verbrannten Büchern sowie Texte, eine Liste der gemeinfreien Autoren, Autorenaufstellung mit weiterführenden Links und viele weitere Informationen rund um die Bücherverbrennung von 1933.
Einzelnachweise
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