Baden-Württemberg-Klasse
Fregatte F222 Baden-Württemberg in Hamburg | ||||||||||||||
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Die Baden-Württemberg-Klasse, marineintern auch Fregatte 125 oder kurz F125 genannt, ist eine neue Fregatten-Klasse der Deutschen Marine. Die vier Überwasserkampfschiffe werden die ehemals acht Schiffe der Bremen-Klasse (F122) ersetzen. Außerdem stellt die Baden-Württemberg-Klasse mit einem neuen Konzept erweiterte Fähigkeiten zur Verfügung. So wird sie wesentlich länger im Einsatzgebiet bleiben können sowie mit einem größeren Geschütz und den eingeschifften Spezialkräften auch Unterstützung für landseitige Kampf- oder Stabilisierungseinsätze ermöglichen.
Inhaltsverzeichnis
Beschaffung
Für die Entwicklung und zum Bau der Fregatten haben sich die Werften ThyssenKrupp Marine Systems und Lürssen zur Arbeitsgemeinschaft Fregatte 125 (ARGE F125) zusammengeschlossen. Am 28. Juli 2005 wurde von ARGE F125 dem Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) das Bauangebot für vier Fregatten übergeben.<ref name="rkm-f125" /> Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages genehmigte am 20. Juni 2007 trotz Kritik durch den Bundesrechnungshof den Bau von vier Schiffen im Umfang von 2,6 Milliarden Euro.<ref name="BITS">Andreas Flocken: Subventionspolitik durch die Bundeswehr? Marine bekommt F 125 Fregatten für mehr als zwei Milliarden Euro. Berlin Information-center for Transatlantic Security, 30. Juni 2007, abgerufen am 30. Januar 2015. </ref> Am 26. Juni 2007 unterzeichneten das BWB und die ARGE F125 den Bauvertrag für vier Fregatten der Klasse F125. Baubeginn für das Typschiff war am 9. Mai 2011 und am 2. November wurde es auf Kiel gelegt.<ref name="KiellegungBaWue">Fregatte Baden-Württemberg - Kiellegung für einen Meilenstein. Presse- und Informationszentrum Marine, 3. November 2011, abgerufen am 19. Dezember 2011. </ref> Lürssen ist mit 20 Prozent beteiligt und zeichnet für den Bau der Bugsektionen verantwortlich, Blohm + Voss für die übrigen Sektionen, die Endmontage und -ausrüstung sowie die Durchführung der Seeversuche.
Am 12. Dezember 2013 wurde die Baden-Württemberg, das erste Schiff der Baureihe, im Hamburger Hafen getauft. Taufpatin war Gerlinde Kretschmann, die Ehefrau Winfried Kretschmanns, des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg. Die Indienststellung des Schiffes ist für 2017 vorgesehen.<ref name="TaufeBaWue">Marine-Fregatte in Hamburg getauft. 12. Dezember 2013, abgerufen am 13. Januar 2013. </ref> Am 16. April 2015 wurde die Nordrhein-Westfalen von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft getauft; die Übergabe dieses Schiffes ist für 2018 geplant.<ref>Zweite Fregatte der Klasse 125 in Hamburg getauft. In: Pressemitteilungen. ThyssenKrupp Marine Systems, 15. April 2014, abgerufen am 17. April 2015. </ref> Ursprünglich sollten die Fregatten ab 2014 in Dienst gestellt werden, dieser Termin musste aber mehrfach verschoben werden.
Auslegung und Anforderungen
Zu den Hauptaufgaben der F125 zählen die Seeraumüberwachung in Stabilisierungsoperationen und die Unterstützung des Einsatzes von Spezialkräften von See her, sowie der Beschuss von Landzielen (taktische Feuerunterstützung). Zum Aufgabenspektrum gehören somit Einsätze in der Bündnisverteidigung und Krisenprävention sowie humanitäre Rettungsmissionen, Terrorismusbekämpfung und die Abwehr asymmetrischer Bedrohungen wie unter anderem Piraten.<ref name="Karr_2012">Karr: Das Bauvorhaben Fregatte Klasse 125. In: Hansa. Nr. 5/2012, S. 24–27.</ref>
Wesentliche Anforderung ist die Intensivnutzbarkeit. Das bedeutet lange Wartungsintervalle, um bis zu zwei Jahre andauernde Operationen mit einer durchschnittlichen Einsatzdauer von 5000 Seebetriebsstunden pro Jahr durchführen zu können, ohne den Heimathafen anzulaufen. Dies entspricht nahezu einer Verdopplung der Einsatzzeit und Vervierfachung der Wartungsintervalle gegenüber den Forderungen an bisherige Fregattenklassen. Außerdem soll ein Intervall von 60 Monaten für die Hauptinstandsetzungen erreicht werden. Die Fregatten sollen überdies unter extremen Klimabedingungen operieren können.<ref name="rkm-f125">Fregatte Klasse 125. RK Marine Kiel, 27. Dezember 2007, abgerufen am 30. Januar 2015 (PDF; 89 kB). </ref> Aufgrund erweiterter Anforderungen der Bundeswehr in Bezug auf Festig- und Steifigkeit sowie mehr Raum zur Unterbringung der Bordhubschrauber verschiebt sich der Zulauf gemäß dem Änderungsvertrag von 2009 in die Jahre 2016 bis 2018.
Im Vergleich zu den bisherigen Fregatten der Deutschen Marine soll die Besatzungsstärke drastisch reduziert werden. So werden nur 120 statt bisher 200 bis 250 Besatzungsmitglieder dauerhaft an Bord sein. Da die erhöhte Verweildauer im Einsatzgebiet von einer Besatzung alleine nicht zu tragen ist, wird es faktisch eine zweite Besatzung geben.<ref name="DM-F125">Marion Starke: Neuer Typ am Start. In: Y-Magazin 05/2014. Bundeswehr, 15. Mai 2014, abgerufen am 30. Januar 2015. </ref> Es ist geplant, acht Besatzungen durch Ausbildungsabschnitte und Einsatzzeiträume durchrotieren zu lassen, so dass im Rhythmus von vier Monaten die Besatzung im Einsatzgebiet gewechselt wird. Der Crewwechsel erfolgt nahtlos vor Ort. Die angestrebte Verminderung der Besatzungsstärke erfordert eine umfangreichere Automatisierung und eine technische Auslegung der Anlagen, die Betrieb und Wartung mit wenig Personal gewährleistet. Unterbringungskapazitäten für bis zu 50 Personen von Spezial- oder spezialisierten Kräften inklusive Ausrüstung (unter anderem 10m-Einsatzboot mit 40 kn) sind vorgesehen, die bei bisherigen Schiffstypen der Deutschen Marine fehlen.
Technik und Systeme
Antrieb
Für den Antrieb ist ein CODLAG-System mit einer Gesamtleistung von 29,4 Megawatt (MW) vorgesehen. Bei Marschgeschwindigkeit erfolgt der Antrieb dieselelektrisch mit zwei Elektromotoren von je 4,7 MW Leistung, für die Höchstgeschwindigkeit kann eine Gasturbine mit 20 MW über das Mittelgetriebe zugeschaltet werden. Zur Stromerzeugung sind vier Dieselgeneratoren mit einer Leistung von je 2,9 MW eingebaut. Als Manövrierhilfe ist im Bug ein Bugstrahlruder mit 1,0 MW Leistung vorgesehen.
Aufbau
Für die Überlebensfähigkeit des Schiffes wurde die F125 nach dem Zwei-Insel-Prinzip konstruiert, das heißt alle einsatzwichtigen Systeme sind auf die beiden Inselaufbauten verteilt bzw. redundant vorhanden.<ref name="Karr_2012" /> Die Aufbauten tragen auf der Außenseite auch die Flächen des Phased Array Radars.
Ebenso wie bei den anderen Fregatten der deutschen Marine dienen die Bordhubschrauber der U-Boot-Jagd und der Aufklärung und Bekämpfung von Seezielen, die außerhalb der Waffenreichweite der Fregatte liegen.
Für den Transport von Spezialkräften sowie für allgemeine Kontrollaufgaben sind vier Beiboote vorgesehen.
Systeme
Für das Führungs- und Waffeneinsatzsystem wird die Atlas Elektronik verantwortlich sein, die Schiffe mit dem taktischen Datenlink-System ausrüsten sowie die Aufgabe des Gesamtsystem-Entwurfs aller Effektoren und Sensoren und deren Integration übernehmen.<ref name="atlas-elektronik">Atlas-Elektronik zur F125 (Memento vom 17. Januar 2013 im Webarchiv archive.is), 8. September 2009.</ref> Das Hochleistungsradar wird von Airbus Defence and Space geliefert.<ref name="Cassidian">bdli.de: CASSIDIAN liefert neuartiges Hochleistungsradar für F125-Fregatten, abgerufen am 29. Januar 2011.</ref>
Technische Daten
- Einsatzsystem mit den Sensoren:
- AESA-Multifunktionsradar TRS-4D von Cassidian<ref>Cassidian: Neues Marineradar TRS-4D von Cassidian beweist Leistungsfähigkeit, abgerufen am 17. Februar 2013.</ref>
- Navigationsradar von Raytheon Anschütz<ref name="Anschütz F125">Integriertes Brücken- und Navigationssystem für Fregatte F 125 unter Vertrag. Raytheon Anschütz, 26. August 2008, archiviert vom Original am 7. April 2014, abgerufen am 30. Januar 2015 (PDF). </ref>
- Cassidian MSSR 2000I & LTR 400 Freund-Feind-Erkennung Mode 5/S
- MSP 600-125 Elektro-optische Tracker von Rheinmetall Defence
- SIMONE (Ship Infrared Monitoring Observation and Navigation Equipment)-360°-Überwachungssystem von Diehl Defence
- Elektronische Aufklärung RESM/CESM KORA 18 von GEDIS
- Taktischer Datenlink: Link 11, Link 16 und Link 22
- mobiles Taucherdetektionssonar (MTDS) Cerberus Mod2 von Atlas Elektronik
- und Effektoren:
- 8 × Schiff-Schiff-Flugkörper RGM-84 Harpoon
- 2 × RAM (Rolling Airframe Missile) je 21 Zellen in richtbaren Werfern
- 1 × 127/64 Lightweight Marinegeschütz (Oto Melara), 30 km Reichweite mit normaler Munition, später über 100 km mit reichweitengesteigerter Munition (beispielsweise mit gelenkter Vulcano-Munition)
- 2 × 27-mm-Marineleichtgeschütz (MLG 27) der Firma Rheinmetall
- 5 × 12,7-mm-RCHMG (Remote Controlled Heavy Machine Gun, Oto Melara „Hitrole NT“)
- 2 × 12,7-mm-sMG (körpergesteuert)
- 4 × Täuschkörperwurfanlage MASS (Multi Ammunition Softkill System)
- 2 × Suchscheinwerfer
- 2 × Bordhubschrauber Sea Lynx<ref>Die Marine braucht den Sea Lion, eingesehen am 22. November 2015</ref>
- 4 × 33-ft-(10m)-Einsatzboote mit über 40 kn
- Besatzung: bis zu 190 Personen, inkl. 50 Plätze Spezialkräfte, inkl. 20 Plätze für fliegendes Personal der Bordhubschrauber (BHS)
Einheiten, Geschwader und Standorte
Die Schiffe werden einem Geschwader der Einsatzflottille 2 unterstellt und im Marinestützpunkt Wilhelmshaven stationiert.
Kennung | Name<ref name="Schiffsnamen">Neue Fregatte der Marine mit traditionsreichem Namen. Presse- und Informationszentrum Marine, 20. Dezember 2011, abgerufen am 16. Januar 2012 (Pressemitteilung). </ref> | Rufzeichen | Werft | Kiellegung | Stapellauf<ref name="Becker2011">Tim Becker: Class F125 Frigate – First Interim Result. In: European Security and Defence. Nr. 1/2011, Mittler Report Verlag, S. 60–63 (online bei docstoc).</ref> | Auslieferung<ref name="Becker2011" /> | Indienststellung | |
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F222 | Baden-Württemberg | ThyssenKrupp Marine Systems | 2. November 2011<ref name="KiellegungBaWue" /> | 31. März 2014<ref name="NV_111">newsletter-verteidigung.de: NV Ausgabe 01/2014, abgerufen am 25. Juli 2014.</ref> | voraussichtlich 30. November 2016 | |||
F223 | Nordrhein-Westfalen | Lürssen | 24. Oktober 2012<ref name="KiellegungNRW">Kiellegung der zweiten Fregatte Klasse 125 in Lemwerder. MarineForum, 20. Dezember 2012, abgerufen am 17. Februar 2013. </ref> | 9. April 2015<ref>Presse- und Informationszentrum Marine: Zweites Schiff der neuen Fregattenklasse 125 getauft. In: Marine – über uns. Bundeswehr, 16. April 2015, abgerufen am 17. April 2015. </ref> | voraussichtlich Sommer 2018<ref>Helmut Michelis: Hannelore Kraft tauft die neue Fregatte „Nordrhein-Westfalen“. Artikel vom 16. April 2015 im Portal rp-online.de, abgerufen am 16. Mai 2015</ref> | voraussichtlich 30. September 2018 | voraussichtlich 18. August 2019 [veraltet] || |
Siehe auch
Literatur
- Rudolf Braun: Klasse 125 – Die neue Fregatte für Stabilisierungsaufgaben. In: Hansa. Nr. 2/2008, Hamburg 2008, ISSN 0017-7504, S. 31–34.
- André René Averhoff, Andreas Grudda, Karl-Heinrich Riemke: Neue Fregattenklasse für Stabilisierungsaufgaben. In: Schiff & Hafen. Nr. 9/2009, Seehafen-Verlag, Hamburg 2009, ISSN 0938-1643, S. 44–49.
- Tim Becker: Class F125 Frigate – First Interim Result. In: European Security and Defence. Nr. 1/2011, Mittler-Report-Verlag, S. 60-63 (online als PDF).
- Hans Karr: Das Bauvorhaben Fregatte Klasse 125. In: Hansa. Nr. 5/2012, Hamburg 2012, ISSN 0017-7504, S. 24–27.
Weblinks
- Fregatte „Baden-Württemberg“-Klasse (125) – www.marine.de
- defenseindustrydaily.com: Germany’s F125 Special Forces and Stabilization Frigates (englisch)
- Konzeption und Einsatzspektrum (Memento vom 28. September 2007 im Internet Archive) (PDF; 203 kB) MarineForum 7/8-2004
- Informationen zur Vulcano-Munition (Memento vom 21. Juli 2012 im Internet Archive) (PDF) MarineForum 5-2007
Fußnoten
<references />