Kirchliche Begräbnisfeier
Die kirchliche Begräbnisfeier (auch: Exsequien; von lat. exsequi „hinausgeleiten, aussegnen“, häufig auch: Exequien) ist die liturgische Feier der Verabschiedung und Bestattung eines römisch-katholischen Christen. Die kirchliche Begräbnisfeier gehört zu den Sakramentalien.
In der Begräbnisfeier wird der Glaube an die Auferstehung der Toten und die fortdauernde Gemeinschaft (lat. communio) der lebenden und verstorbenen Christgläubigen bekannt und gefeiert. Kernelemente der Feier sind: Verkündigung des Wortes Gottes, Verabschiedung des Verstorbenen und Fürbitte für ihn bei Gott, die Feier der heiligen Messe (Requiem) und der letzte Gruß an den Verstorbenen.<ref>Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1684–1690: Die Feier des Begräbnisses.</ref>
Waren die Exsequien vor der Liturgiereform deutlich vom Gedanken der Trauer geprägt, so bestimmte die Konstitution Sacrosanctum Concilium des Zweiten Vatikanischen Konzils, dass „der Ritus der Exsequien […] deutlicher den österlichen Sinn des christlichen Todes ausdrücken und besser den Voraussetzungen und Überlieferungen der einzelnen Gebiete entsprechen soll.“<ref>Sacrosanctum Concilium, Kapitel III, Nr. 81.</ref>
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Das frühe Christentum lehnte sich beim Begräbnis der Toten zunächst an die Gepflogenheiten der jüdischen und heidnischen Umgebung an. Statt einer Leichenverbrennung wurde die Erdbestattung nach dem Vorbild Jesu praktiziert und verteidigt. An die Stelle einer exzessiven Totenklage traten Psalmengesang, Lesung und Gebet. Die Sorge um Sterbende und Tote galt als Liebespflicht der Angehörigen und der ganzen christlichen Gemeinde.<ref>Reiner Kaczynski: Sterbe- und Begräbnisliturgie. In: Bruno Kleinheyer, Emmanuel von Severus, Reiner Kaczynski: Sakramentliche Feiern II. Pustet, Regensburg 1984, ISBN 3-7917-0940-2 (Gottesdienst der Kirche, Handbuch der Liturgiewissenschaft, Teil 8), S. 193-232, hier S. 206ff.</ref>
Eine zusammenhängende Sterbe- und Begräbnisliturgie ist erst aus dem 7./8. Jahrhundert überliefert und wurde in klösterlichen Gemeinschaften gefeiert. Es handelte sich um einen einzigen durchgehenden Gottesdienst, der mit der Spendung der Sterbekommunion begann und mit der Bestattung und der Schließung des Grabes endete. Elemente des Rituals waren die Sterbegebete, durchgehender Gesang von Psalmen und Responsorien, aus dem sich das Totenoffizium entwickelte, die Eucharistiefeier und die Prozession zum Begräbnisort mit der Beisetzung.<ref>Reiner Kaczynski: Sterbe- und Begräbnisliturgie. In: Bruno Kleinheyer, Emmanuel von Severus, Reiner Kaczynski: Sakramentliche Feiern II. Pustet, Regensburg 1984, ISBN 3-7917-0940-2 (Gottesdienst der Kirche, Handbuch der Liturgiewissenschaft, Teil 8), S. 193-232, hier S. 209, unter Verweis auf: Hieronymus Frank: Der älteste erhaltene römische Ordo defunctorum. In: Archiv für Liturgiewissenschaft VII, 1962, S. 360-415.</ref>
Bis zum 17. Jahrhundert (Rituale Romanum von 1614) teilte sich dieser zusammenhängende Gottesdienst in mehrere Feiern auf. Sterbeliturgie und Bestattung waren voneinander getrennt, das Herrichten des Leichnams und die Überbrückung der Zeit bis zur Beisetzung waren nicht mehr in einen gemeinsamen Gottesdienst eingebettet, sondern waren Sache privater Sorge und Gestaltung. Die Begräbnisfeier hatte jetzt die unmittelbar aufeinanderfolgenden Teile Abholen des Leichnams im Sterbehaus mit Prozession zur Kirche, Messfeier und Absolution, Prozession zum Friedhof und Bestattung. Mit der Entfaltung der Lehre vom Fegefeuer hatte sich der österliche Charakter der Liturgie zu einer stärkeren Betonung der Sühne angesichts des Gerichtes Gottes gewandelt. Schwarze Gewänder wurden in der Liturgie üblich. Am Ende des Requiems wurde am Sarg ein Bußritus mit Absolution vollzogen; war der Sarg nicht in der Kirche, geschah dies an einem Scheinsarg, der Tumba. Diese Liturgie blieb bis zur Reform durch das Zweite Vatikanische Konzil in Geltung.<ref>Reiner Kaczynski: Sterbe- und Begräbnisliturgie. In: Bruno Kleinheyer, Emmanuel von Severus, Reiner Kaczynski: Sakramentliche Feiern II. Pustet, Regensburg 1984, ISBN 3-7917-0940-2 (Gottesdienst der Kirche, Handbuch der Liturgiewissenschaft, Teil 8), S. 193-232, hier S. 213-218.</ref>
Formen der Begräbnisfeier
Das Begräbnis kann, je nach den örtlichen Umständen, als Feier mit drei Stationen (Grundform), zwei Stationen oder einer Station begangen werden. Drei Stationen ergeben sich, wenn in unmittelbarer zeitlicher Verbindung mit der Beisetzung auch eine heilige Messe oder eine Wort-Gottes-Feier in der Kirche stattfindet. Wo es möglich ist, soll der Leichnam in die Kirche gebracht und die heilige Messe in dessen Gegenwart gefeiert werden. Immer soll die brennende Osterkerze als Symbol des auferstandenen Christus bei der heiligen Messe an hervorgehobenem Platz stehen, gegebenenfalls beim Sarg. Die Tumba als „Scheinsarg“ in der Kirche ist seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil abgeschafft.
Die kirchliche Begräbnisfeier wird im Allgemeinen von einem Priester oder Diakon geleitet, sie kann aber auch von Gottesdienstbeauftragten geleitet werden. Die liturgische Farbe ist schwarz und kann seit der Liturgiereform durch violett ersetzt werden. Die Kasel oder Dalmatik wird nur zum Requiem getragen, beim Wortgottesdienst und zur Prozession zum Grab trägt der Geistliche den Rauchmantel.
Das Begräbnis eines Kindes hat im Ablauf dieselben Strukturen, jedoch immer eigene Texte für die Lesungen und Gebete.<ref>Die kirchliche Begräbnisfeier in den katholischen Bistümern des deutschen Sprachgebietes. Benno Verlag, Lizenzausgabe, 2. Auflage, Leipzig 1988, S. 15.</ref>
Begräbnis mit drei Stationen
- Die Feier beginnt am Ausgangspunkt (Trauerhaus, Friedhofs- oder Kirchenportal, Trauerhalle) mit einem Eröffnungsteil, Psalmgebet, Kyrie-Ruf und Oration, und es schließt sich eine Prozession zur Kirche an.
- In der Kirche folgt die heilige Messe oder die Wort-Gottes-Feier mit dem üblichen Ablauf, jedoch ohne Einleitung und Bußakt, beginnend mit den Lesungen. Wenn sich die Beisetzung unmittelbar anschließt, entfällt die Entlassung.
- Die dritte Station ist die Beisetzung am Grab.
Die Reihenfolge der Stationen kann auch wechseln: Die heilige Messe oder die Wort-Gottes-Feier können als erste Station oder nach der Beisetzung als dritte Station stattfinden. Auch die Reihenfolge Kirche – Trauerhalle (Friedhofskapelle) mit Verabschiedung – Beisetzung am Grab ist möglich.
Die drei Stationen werden durch einen gemeinsamen Weg (Prozession) verbunden. Dies kann in Stille stattfinden, es können auch Psalmen oder der Rosenkranz gebetet werden oder es werden Antiphonen oder Lieder gesungen. Mancherorts erklingt auch Instrumentalmusik.<ref>Die kirchliche Begräbnisfeier in den katholischen Bistümern des deutschen Sprachgebietes. Benno Verlag, Lizenzausgabe, 2. Auflage, Leipzig 1988, S. 14–18.</ref> Seit dem 8. Jahrhundert ist die Antiphon In paradisum als Element der Sterbeliturgie bekannt, seit dem 17. Jahrhundert als Gesang beim Begräbnis: „Zum Paradies mögen Engel dich geleiten.“<ref>Hans Joachim Ignatzi: In paradisum. In: Walter Kasper (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche (LThK). 3. Auflage. Band 5, Herder, Freiburg im Breisgau 1996, Sp. 442f.</ref> Zum Einsenken des Sarges verliest der Zelebrant die Herrenworte "Ich bin die Auferstehung und das Leben" (Joh 11,25 EU). Die Fürbitten schließen eine Bitte speziell für den ein, der aus den Reihen der Trauergäste als nächstes versterben wird.
Vielerorts wird während des Begräbnisses die Totenglocke geläutet und die Beisetzung mit einem Gruß an die Gottesmutter abgeschlossen. Bei Beerdigungen von Klerikern und Personen des geweihten Lebens wird am Ende die marianische Antiphon Salve Regina gesungen.
Begräbnis mit weniger Stationen
Findet kein Gottesdienst in der Kirche statt – weil etwa die Entfernung zum Friedhof zu groß ist –, wird als erste Station ein Wortgottesdienst am Sarg in der Friedhofskapelle oder Trauerhalle gehalten. Eine Prozession führt zum Grab, wo sich als zweiter Teil die Beisetzung anschließt. Beim Begräbnis mit einer Station versammelt sich die Trauergemeinde am Grab, auf dem Friedhof oder im Krematorium. Der Gottesdienst besteht aus einer Eröffnung, der Verkündigung des Wortes Gottes, fürbittendem Gebet und der Verabschiedung. Diese Form wird auch angewandt, wenn keine Beisetzung stattfindet, sondern Sarg oder Urne später oder an anderem Ort beigesetzt werden.
In beiden Fällen wird vielerorts des Verstorbenen in einer heiligen Messe in zeitlichem Abstand zu Verabschiedung und Beisetzung gedacht, etwa am Abend des Tages der Beisetzung oder am folgenden Tag oder auch zwar unmittelbar vor der Beisetzung, aber ohne Prozession.
Begleitende Gottesdienste
Mancherorts ist es Brauch, vor der Überführung des Leichnams zur Aufbahrung die „Verabschiedung“ (regional auch „Aussegnung“ genannt) im Sterbehaus als kurzen Gebetsgottesdienst zu gestalten.<ref>Gebet im Trauerhaus, in: Die kirchliche Begräbnisfeier in den katholischen Bistümern des deutschen Sprachgebietes. Benno Verlag, Lizenzausgabe, 2. Auflage, Leipzig 1988, S. 24.</ref> Ebenfalls ist es regional üblich, den Tod durch ein Totengeläut mitzuteilen. Die Totenwache und das Totenoffizium werden nur noch in einigen Gegenden und im geweihten Leben gepflegt. Neben dem Sarg kann eine Kerze brennen und ein Gefäß mit Weihwasser bereitstehen, damit Beter den Leichnam damit besprengen können.<ref>Die Feier der Krankensakramente. Die Krankensalbung und die Ordnung der Krankenpastoral in den katholischen Bistümern des deutschen Sprachgebietes. Zweite Auflage. Benziger u. a., Solothurn – Düsseldorf u. a. 1994, ISBN 3-545-50631-2, S. 140.</ref> In ländlichen Regionen ist auch der Sterberosenkranz üblich, ein gemeinschaftliches Beten des Rosenkranzes an einem oder mehreren Abenden vor dem Tag der Beisetzung. In der Regel wird bis zur Beisetzung und am Sonntag nach der Beisetzung in den Gemeindegottesdiensten und im Stundengebet des Verstorbenen gedacht.<ref>Die kirchliche Begräbnisfeier in den katholischen Bistümern des deutschen Sprachgebietes. Benno Verlag, Lizenzausgabe, 2. Auflage, Leipzig 1988, S. 12–19.</ref> Etwa 40 Tage nach dem Begräbnis wird mancherorts das Sechswochenamt gefeiert.
Siehe auch: Informationen zu Gebeten und Gottesdiensten zur Sterbebegleitung sind unter Sterbekommunion und kirchliche Sterbegebete zu finden.
Literatur
Authentische liturgische Ausgaben
- Ordo Exsequiarum. Editio typica (1969).
- Die kirchliche Begräbnisfeier in den Bistümern des deutschen Sprachgebietes. Zweite authentische Ausgabe auf der Grundlage der Editio typica 1969. Freiburg: Herder 2009 ISBN 978-3-451-32205-1.
- Ordo Exsequiarum Romani Pontificis. Libreria Editrice Vaticana 2005, ISBN 88-209-6942-4.
- Rituale Romanum. Libreria Editrice Vaticana 2004, ISBN 88-209-7436-3.
Sekundärliteratur
- Ferdinand Probst: Die Exequien. Laupp, Tübingen 1856, online.
- Reiner Kaczynski: Sterbe- und Begräbnisliturgie. In: Bruno Kleinheyer, Emmanuel von Severus, Reiner Kaczynski: Sakramentliche Feiern II. Pustet, Regensburg 1984, ISBN 3-7917-0940-2 (Gottesdienst der Kirche, Handbuch der Liturgiewissenschaft, Teil 8), S. 193-232.
- Heinzgerd Brakmann: Leb wohl! – Sei Gott befohlen! Zu Sinn und Gestalt der Begräbnisfeier. In: Weizenkorn. S 1, 1985, ZDB-ID 1056589-9, S. 68–71.
- Klemens Richter (Hrsg.), Monika Ausel (Mitverf.): Der Umgang mit den Toten. Tod und Bestattung in der christlichen Gemeinde. Herder Verlag, Freiburg-Basel-Wien 1990, ISBN 3-451-02123-4 (Quaestiones disputatae, 123).
- Cécile Trefford: L’Église carolingienne et la mort. Christianisme, rites funéraires et pratiques commémoratives. Presses universitaires de Lyon – Centre interuniversitaire d’histoire et d’archéologie médiévales, Lyon 1996 (Collection d’histoire et d’archéologie médiévales, 3, ISSN 1255-2380).
- Bonnie Effros: Caring for Body and Soul. Burial and Afterlife in the Merovingian World. Pennsylvania State University Press, University Park PA 2002, ISBN 0-271-02196-9.
- Antigone Samellas: Death in the Eastern Mediterranean (50–600 A.D.). The Christianization of the East: an Interpretation. Mohr Siebeck, Tübingen 2002, ISBN 3-16-147668-9 (Studien und Texte zu Antike und Christentum, 12).
- Ulrich Volp: Tod und Ritual in den christlichen Gemeinden der Antike. Brill, Leiden u. a. 2002, ISBN 90-04-12671-6 (Vigiliae Christianae, Supplements 65; zugleich: Bonn, Univ., Diss., 2000/2001).
- Éric Rebillard: Religion et sépulture. L'Église, les vivants et les morts dans l'Antiquité tardive. Éditions de l'École des Hautes Études en Sciences Sociales, Paris 2003, ISBN 2-7132-1792-X (Civilisations et Sociétés, 115).
- Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.): Tote begraben und Trauernde trösten. Bestattungskultur im Wandel aus katholischer Sicht. Bonn 2005, DNB 976297477 (Die deutschen Bischöfe, 81).
- Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.): Die kirchliche Begräbnisfeier. Pastorale Einführung. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 2009 (Deutsche Bischofskonferenz. Arbeitshilfen, 232).
- Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.): „Der Herr vollende an Dir, was er in der Taufe begonnen hat.“ Katholische Bestattungskultur angesichts neuer Herausforderungen. Bonn 2011, DNB 1018426701 (Die deutschen Bischöfe, 97).
Weblinks
- Bestattungsriten bei newadvent.org
- Elisabeth Th. Hilscher-Fritz: Exequien. In: Oesterreichisches Musiklexikon. Online-Ausgabe, Wien 2002 ff., ISBN 3-7001-3077-5; Druckausgabe: Band 1, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2002, ISBN 3-7001-3043-0.
Einzelnachweise
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