Blatobulgium


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Kastell Birrens
Alternativname Blatobulgium/Baltobulgio
Limes Britannien
Abschnitt Strecke 2, Hadrianswall (Außenposten)
Datierung (Belegung) 2. bis 3. Jahrhundert n. Chr.
Einheit a) legio XX ?,
b) legio VI ?,
c) cohors I Nerviorum Germanorum mill equ cR,
d) cohors II Tungrorum mill equ
Größe 1,32 – 2,1 ha
Bauweise Holz und Torfziegel,
quadratische Anlage
mit abgerundeten Ecken
Erhaltungszustand stark erodierte
Teile des Nordwalles und Gräben
noch oberirdisch sichtbar
Ort Birrens
Geographische Lage 55° 3′ 53,7″ N, 3° 13′ 27,9″ W55.064922-3.22442Koordinaten: 55° 3′ 53,7″ N, 3° 13′ 27,9″ W{{#coordinates:55,064922|-3,22442|primary dim=200 globe= name= region=GB-DGY type=landmark
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Vorhergehend Castra Exploratorum (Netherby) östlich
Datei:Kastellplan Blatobulgium.jpg
Schematische Skizze des antoninischen Kastells mit Innenbauten, das Gebäude in der Mitte sind die Principia

Blatobulgium (Birrens oder Birrens Fort, auch Birrenwork Fort) war ein römisches Kastell in Schottland (Caledonia) in der Grafschaft (County) Dumfries-Shire (Council Dumfries and Galloway). In der Nähe wurden auch die Reste von vier, nur temporär genutzten, römischen Marschlagern entdeckt, noch weitere, nur kurzzeitig verwendete Lager gab es in einiger Entfernung.

Lage und Funktion

Das Kastell liegt in den Central Lowlands, nördlich von Bowness-on-Solway, 2,5 Kilometer östlich Ecclefechan auf dem Gebiet der Gemeinde (Parish) Middlebie.<ref>Karte Blatobulgium mit den 4 Marschlagern "Mein Water", "Broadlee" und "Johnstone Hall"</ref> Das Areal wurde nie modern überbaut und ist daher im Gelände noch sehr gut auszumachen. Vom Südwall ist heute nichts mehr sichtbar, nähert man sich der Kastellfläche vom Süden, kann man aber die Überreste der nördlichen Befestigungen des Kastells immer noch leicht erkennen, die sich hinter einer mit Ginsterbüschen bewachsenen Böschung oberhalb des Flussufers entlangziehen.

Nördlich des Hadrianswall angelegt, diente es als Beobachtungsposten sowie zur Überwachung einer Römerstraße, die von Carlisle/Luguvalium aus ins südliche Schottland und in Richtung Osten nach Rutupiae führte. Das Kastell lag dadurch an einer entscheidenden strategischen Position, die es ermöglichte, das Vorfeld am westlichen Ende des Hadrianswalles und damit auch die Küste des Solway Firth zu kontrollieren.

Name

Der antike Name des Kastells, Blatobulgium, bedeutet übersetzt wahrscheinlich „Blumenhügel“ oder auch „Mehlsack“.<ref>Guy da Bedoyere, 1998, S. 126.</ref> Er findet sich im Itinerarium Antonini aus dem 2. Jahrhundert n. Chr., in dem es u.a.heißt:

„:...an der Route von den Verschanzungen bis zum Hafen von Rutupiae, 481 milia passum...“,

d. h. 481 römische Meilen vom Hadrianswall bis nach Richborough am Ärmelkanal, im heutigen County of Kent. Laut Itinerarium befand sich Blatobulgio rund zwölf römische Meilen von Castra Exploratorum (Netherby, Cumbria) entfernt, ebenfalls ein Stützpunkt der noch in den Lowlands lag.

Eventuell steht auch der heutige Ortsname Birrens mit dem Kastell oder einer keltischen Hügelfestung (sog. Hill fort) im ursächlichen Zusammenhang. Dieser Name kommt in verschiedenen Varianten (Birren, Burran, Burrance, Burian) in dieser Region recht häufig vor und bezeichnet meist befestigte Siedlungen, 14 davon alleine in Dumfries-Shire. Der Ursprung des Wortes selbst könnte sich aus dem irischen boirean, ausgesprochen als „burran“, ableiten, das „großer Felsen“ oder auch „steiniger, felsiger Platz“ bedeutet.<ref>Christinson, 1896.</ref> Wahrscheinlicher ist jedoch, dass es vom angelsächsischen Wort byrgene oder byrigen für „Grabstätte, -monument“ oder auch „Grabhügel“ (Tumulus) herrührt.

Forschungsgeschichte

Das Kastell ist heute zum größten Teil erforscht. Einzelne Inschriftenfunde sind schon seit dem 18. Jahrhundert bekannt. Der erste Bericht über das Kastell stammt von seinem Entdecker Alexander Gordon. Er beschreibt die Anlage darin als rechteckig, befestigt durch vier Gräben und Erdwälle. Ein Teil sei aber vom Fluss (Water of Mein-and Haughill Burn) weggerissen worden. Weiters fand er ausgehöhlte langrechteckige Steinblöcke vor, die wohl einst Bestandteile einer Abflussrinne für die Ableitung von Regen- oder Grundwasser waren. Die Reste eines Gewölbes waren an der Südseite des Areals erkennbar, wahrscheinlich der Keller eines größeren Gebäudes. Gordon fand auch einen Stein mit einer, allerdings stark verwitterten, Inschrift vor. Die ersten systematischen Ausgrabungen wurde von der Society of Antiquaries of Scotland, im Sommer und Herbst 1895 durchgeführt.<ref>D. Christison, 1896, S. 81–204.</ref> Weitere Kampagnen fanden in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts statt.<ref>Eric Birley, 1938, S. 275–347.</ref> Die bislang umfangreichsten Untersuchungen wurden in den Jahren 1960 bis 1967 initiiert.<ref>A. Robertson, 1975a.</ref>

Während der Ausgrabungen in Birrens kamen u. a. Bestandteile einer Ballista zutage, die vermutlich in die Mitte des 2. Jahrhunderts zu datieren sind. Man nimmt an, dass die Garnison auch an diesen Waffen ausgebildet wurde, wahrscheinlich in einem Kastell bei Burnswark, das unmittelbar in der Nähe lag und als Ausbildungslager diente. Weiters wurde eine große Anzahl an reich dekorierter südgallischer Keramik geborgen, die ausnahmslos in die antoninische Periode datiert werden konnte, Keramik aus flavischer Zeit konnte hingegen nicht nachgewiesen werden.

Kastell

Das frühe, ca. 1,32 ha große, Kastell könnte schon unter Gnaeus Iulius Agricola im späten 1. Jahrhundert gegründet worden sein, wahrscheinlich im Zuge seiner Feldzüge in Schottland. Zur Zeit Hadrians (117–138 n. Chr.) vergrößerte man es auf ca. 1,65 ha, nach einer undatierten Inschrift zu schließen möglicherweise von Soldaten der Legio XX.<ref>RIB 2114: Legio XX vict(rix) „Die 20. = die / salute P(ubli) Campa[ni] / Italici praef(ecti) coh(ortis) I[I] / Tun(grorum) Celer libertus / v(otum) s(olvit) l(ibens) l(aetus) m(erito).</ref> und Flavia Baetica, Ehefrau des Bassus, ein Zenturio der cohors II Tungorum, dessen Grabstein von seinem Sohn Afutianus, der im Kastell lebte, gesetzt wurde. Eine Frau namens Magunna (dem Namen nach vermutlich eine Einheimische) stiftete einen Altar für Iupiter Dolichenus.<ref>RIB 2099: [I(ovi) O(ptimo) M(aximo)] / Dol[iche]/no sacr(um) / Magun/na v(otum) s(olvit).</ref> Vermutlich lebte sie im Lagerdorf. Weiters ist ein Mann namens Cistumucus bekannt, der ursprünglich aus Locus Maponi stammte, ca. 16 km westlich von Birrens entfernt, das heutige Lochmaben. Dort stand ein Tempel für den Gott Maponus (Cistumuci lo(co) Maboni); allerdings ist nicht ganz geklärt, ob die Erwähnung des Maponus lediglich die Herkunft des Stifters angeben, oder die Gottheit als Begünstigten nennen soll.<ref>AE 1968, 254. A. S Robertson 1964; 1965; 1966; 1967; R P Wright 1968</ref> Cistumucus war vielleicht ein einheimischer Händler. Die hier sicherlich auch vorhandenen Gräberfelder wurden bis dato noch nicht lokalisiert.

Tempelbezirk

Ein Plan aus dem Jahre 1793<ref>Roy, 1793, Pl. XXIV.</ref> zeigt eine etwas höher gelegene Einfriedung (Annexe) westlich des Kastells. 1939 durchgeführte Bodenuntersuchungen brachten insgesamt zwei, von Doppelgräben umgebene Areale zum Vorschein.<ref>Crawford 1949, S. 285–6; 1946, St. Joseph 1951, S. 57–8.</ref> Wahrscheinlich durchlief dieser Komplex – ähnlich wie beim Kastell – mehrere Bauphasen. Während der Ausgrabungen von 1962 bis 1967 konnten an der Ostseite des Kastells keinerlei Befestigungen entdeckt werden.<ref>A. Robertson 1975a, S. 78–80.</ref> Eines der vier rund um Birrens nachgewiesenen Marschlager lag zwar etwas weiter nördlich der Anlage, scheint mit dem Annexe aber in keinerlei Zusammenhang stehen. Beide dürften zeitgleich mit dem Lager entstanden sein. Im 19. Jahrhundert wurden auch Fundamente eines Steingebäudes im südlichen Teil der Anlage beobachtet.<ref>Lukis 1887, S. 392.</ref> Die ersten drei Inschriftensteine wurden 1731 gefunden.<ref>RIB 2091, 2102, 2103.</ref> Eine dieser Inschriften befand sich auf einem Altar, der von einem gewissen Amandus, einem Architekten, der Brigantia, der Schutzgöttin des nordbritannischen Stammes der Briganten, gewidmet worden war.<ref>RIB 2091: Brigantiae s(acrum) Amandus / arc(h)itectus ex imperio imp(eratum) [f(ecit)].</ref> Die anderen beiden waren Basen von Statuen des Gottes Mercurius.<ref>RIB 2102: Deo Mercu/rio Iul(ius) Cres/cens sigill(um) / colli<e=I>g{n}(io) cult(orum) / eius d(e) s(uo) d(edit) / v(otum) s(olvit) l(ibens) m(erito). RIB 2103: Num(ini) Aug(usti) / deo Merc(urio) / sign(um) posu/erunt cu[l]/[t]ores col/lig{n}i(!) eius/dem dei cur(ante) / Ing(enuo) Rufo / v(otum) s(olverunt) l(ibentes) m(erito).</ref> Fragmente einer etwas größeren Statue konnten ebenfalls entdeckt werden.<ref>Gough’s edit Camden, III, 1789, S. 323, Pl. XXIII.3 und IV, 1806, S. 61, Pl. 14.</ref> Die Figurengruppe stand offensichtlich in einem Tempelbau,<ref>Lukis 1887, S. 395.</ref> der ca. 36 × 12 englische Fuß maß.<ref>Clerk, Dissertatio 1750, S. 5–6.</ref> Ein weiterer, von Soldaten der cohors II Tungrorum gestifteter, 1810 aufgefundener Altar war der Göttin Minerva geweiht.<ref>RIB 2104: Deae / Minervae / coh(ors) II Tun/grorum / mil(liaria) eq(uitata) c(oram?) l(audata?) / cui praeest C(aius) Silv(ius) / Auspex praef(ectus). Foto eines Abklatsches.</ref>. Drei weitere Altäre wurden zwei Jahre später entdeckt. Sie waren den Gottheiten Ricagambeda<ref>CIL 8, 1072 ; RIB 2107: Deae Ricagam/bedae pagus / Vella(v)us milit(ans) / coh(orte) II Tung(rorum) / v(otum) s(olvit) l(ibens) m(erito).</ref>, Mars sowie dem Siegerglück des Kaisers<ref name="rib2100">RIB 2100 (Weihealtar): Marti et Victo/riae Aug(usti) c(ives) Rae/ti milit(antes) in coh(orte) / II Tungr(orum) cui / praeest Silvius / Auspex praef(ectus) / v(otum) s(olverunt) l(ibentes) m(erito) „Für Mars und den siegreichen Augustus, die rätischen Stammesangehörigen, die in der II. Kohorte der Tungrier unter dem Kommando des Präfekten Silvius Auspex dienen, haben bereitwillig und verdientermaßen ihr Gelübde erfüllt“.</ref> und „allen Göttern und Göttinnen“<ref>RIB 2109: Dib(us!) de/ab(us)q(ue) / omnib(us) / Frument/ius mil(es) coh(ortis) II / Tungr(orum).</ref> gewidmet. Andere Weihealtäre, wahrscheinlich ebenfalls aus diesem Annexe, waren Harimella<ref>CIL 7, 1065 ; RIB 2096: Deae / Harimel/lae sac(rum) Ga/midiahus / arc(h)it(ectus) v(otum) s(olvit) l(ibens) l(aetus) m(erito).</ref> und Viradecthis<ref>CIL 7, 1073 ; RIB 2108: Deae Viradec/thi pa[g]us Con/drustis milit(ans) / in coh(orte) II Tun/gror(um) sub Silvi/o Auspice praef(ecto).</ref> geweiht. Es handelt sich bei diesem Gelände mit ziemlicher Sicherheit um den Tempelbezirk des Kastells.

Denkmalschutz und Fundverbleib

Die Fundstelle steht unter dem Schutz der Royal Commission on the Ancient and Historical Monuments of Scotland und wird vom Solway Heritage Archaeologist betreut. Der Lagerbereich ist ein Bodendenkmal. Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden sind genehmigungspflichtig, Zufallsfunde sind an die o.a. Denkmalbehörde zu melden. Statuen und Inschriftensteine – wie z.B. der Grabstein des Afutianus – sind im Dumfries-Museum zu besichtigen, andere Funde werden im National Museum of Antiquities of Scotland ausgestellt.

Literatur

  • Eric Birley: The excavations in Birrens, 1936-37. In: PSAS 72, 1938, S. 275–347.
  • B. Y. D. Christison: An account of the excavations at Birrens. In: PSAS 30, 1896, S. 81–204.
  • Osbert Crawford: The Topography of Roman Scotland North of the Antonine Wall. Cambridge 1949.
  • Robin George Collingwood, R. P. Wright: The Roman Inscriptions of Britain. Oxford 1965 (= RIB).
  • Guy de la Bedoyere: Hadrians Wall, History and Guide. Tempus 1998, ISBN 0-7524-1407-0, S. 125–126.
  • Nic Fields: Hadrian's Wall AD 122 - 410. Osprey, Fortress.2, Oxford 2003, ISBN 1-84176-430-2, S. 44.
  • B. R. Hartley: The Roman Occupation of Scotland. In: Britannia. III, 1972, S. 1–55.
  • Michael Rathmann, Wahrnehmung und Erfassung geographischer Räume in der Antike. Zabern, 2007, ISBN 978-3-8053-3749-6, S. 186.
  • A. und R. Ritchie: Scotland - An Oxford Archaeological Guide. 1998.
  • Anne S. Robertson: Birrens (Blatobulgium). Dumfriesshire and Galloway Natural History and Antiquarian Society, 1975, ISBN 0-9504521-0-6.
  • Anne S. Robertson: The Roman in North Britain, the coin evidence. Edinburgh 1975.
  • Chris Scarre: Chronicle of the Roman Emperors. Thames & Hudson, London, 1995.
  • J. K. St. Joseph: Air reconnaissance of Northern Britain. 1951, In: Journal of Roman Studies 41, S. 52 ff.
  • Albert L. F. Rivet, Colin Smith: The Place-Names of Roman Britain. London 1979, S. 268–269.

Weblinks

Anmerkungen

<references />