Robin George Collingwood


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Robin George Collingwood

Robin George Collingwood (* 22. Februar 1889 in Gillhead, Cartmel Fell, County Lancashire; † 9. Januar 1943 in Coniston, County Lancashire) war ein britischer Philosoph, zudem als Historiker und Archäologe auch ein Kenner des römischen Britanniens.

Leben

Robin G. Collingwood wurde bis zum Alter von 13 Jahren im Elternhaus erzogen und unterrichtet. Seine Mutter, Edith Mary Collingwood (1857–1928), war eine bekannte Malerin und Musikerin. Sie vermittelte ihrem Sohn die Liebe zur Kunst sowie zur Musik von Chopin und Ludwig van Beethoven. Sein Vater, William Gershom Collingwood (1854–1932), brachte ihm Latein und Griechisch bei.

Als er acht Jahre alt war, stieß Collingwood auf Thomas Kingsmill Abbotts Übersetzung von Kants Werk Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (A Theory of Ethics) und fand so zur Philosophie. Seinen Vater, der ein bedeutender Schriftsteller, Archäologe und Antiquar war, begleitete er bei archäologischen Forschungen und entwickelte auf diese Weise bald ein Gespür für die praktisch-technische Seite der Geschichtswissenschaft. Schon früh bildeten sich so zwei Hauptinteressen im Leben des jungen Mannes: Alte Geschichte und Philosophie.

In seinen Jugendjahren schien ihm das Wissen, das in der Rugby School vermittelt wurde, als ungenügend. Er zog sich oft zurück und widmete seine Zeit dem Lesen alter Klassiker in der Bibliothek. Außerdem lernte er, Geige zu spielen und entdeckte Johann Sebastian Bach. Viele seiner Lehrer empfanden ihn bald als Rebell gegen das gesamte Lehrsystem. Tatsächlich erinnert er ihn gewisser Hinsicht an Max Demian in Hermann Hesses Demian.

Im Alter von 24 Jahren übernahm Collingwood die Leitung von Ausgrabungen, nachdem er zuvor Assistent seines Vaters gewesen war. Diese Tätigkeit beschreibt er in seiner Autobiografie als eine der Hauptfreuden seines Lebens. Im selben Jahr 1913 übersetzte er Benedetto Croces Werk The Philosophy of Giambattista Vico. Sowohl Giambattista Vico als auch Croce hatten entscheidenden Einfluss auf Collingwoods Denken. Letzterer erläuterte ihm das hegelianische System näher. Dieses besagt, dass jede Form von Wissen mit einer spezifischen Art von begrifflicher Aktivität bzw. einer Idee verknüpft sei.

In den 1930ern und 40ern waren die beiden Hauptströmungen des philosophischen Denkens in England der metaphysische „Realismus“ (John Cook Wilson und seine Schüler Prichard & Joseph) auf der einen Seite und die „Analytische Philosophie“ (Gilbert Ryle & Alfred Jules Ayer) auf der anderen. Collingwood vertritt in seiner Autobiographie die Ansicht, dass die „Realisten“, insbesondere John C. Wilson Ansichten kritisierte, die er Francis Herbert Bradley zuschrieb, die aber gar nicht Bradleys Ansichten waren. Die Kritik, die zunehmend einen selbstzersetzenden Charakter annahm, sollte die Schule des sogenannten „Idealismus“ (Thomas Hill Green und seine Schüler J.A. Smith, Francis Herbert Bradley, H.H. Joachim und Robert Lewis Nettleship) in Misskredit bringen.

Seine Werke entstanden zwischen 1916 (Religion and Philosophy) und 1942 (New Leviathan) und beschreiben den Weg seiner geistigen Entwicklung. Sein philosophischer Werdegang begann mit der vehementen Abwehr der Analytischen Philosophie in den politischen Wirren des Ersten Weltkrieges. Ab 1936 verfasste er zunehmend polemische Schriften, die eine gesellschaftspolitische Unterstützung liberaler Kräfte darstellen sollten. Collingwood ging einen Weg, der von Überarbeitung und Krankheit sowie dem Kampf gegen Irrationalismus geprägt war. Zeit seines Lebens schrieb er gegen den Mainstream der britischen Philosophie. Sein größtes Anliegen war – mit der Philosophie „als Waffe“ – eine Einheit von Theorie und Praxis zu schaffen. Dies sollte im Sinne einer gegenseitigen Durchdringung von Denken und Handeln durch ein rapprochement von Philosophie und Geschichte geschehen. Eine wesentliche Rolle spielte in dieser Hinsicht die Metaphysik.

Als Vorgänger von Gilbert Ryle war Collingwood von 1935 bis 1941 Professor für Metaphysik in Oxford. Aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes zog er 1942 in den Lake District in das Haus, das ihm von der Familie hinterlassen worden war. Schwerkrank während der letzten Monate seines Lebens starb er am 9. Januar 1943 in Coniston.

Die Philosophie der Geschichte

Collingwood hielt Benedetto Croces Geschichtsphilosophie für die ideale Verkörperung eines uns angemessenen Bildes der Geschichte. Auch Karl Marx hatte schon in seinen Thesen über Feuerbach festgestellt, dass sich Denken selbst nur als geschichtliche Praxis verstehen kann. Ebenso hatte er den Mangel des bisherigen Materialismus darin gesehen, dass sie das Leben des Menschen nicht „als menschliche sinnliche Tätigkeit“ auffasste.

Geschichtliches Wissen verleiht sowohl persönliche als auch soziale Identität, da es uns zeigt, wie Individuen und Gesellschaften geworden sind, was sie heute sind. Ein angemessenes Verständnis der Geschichte als der „Wissenschaft der menschlichen Angelegenheiten“ (Denken, S. 133) ist somit eine Bedingung für das Verstehen des Menschen vom Menschen. Um eine Situation klar erkennen zu können, müssen wir historisch-hermeneutisch denken, d. h. auf einer geschichtlichen Ebene, die auf die Lösung der im Moment gegebenen Situation bezogen ist. Lebensregeln hingegen führen zu einer gewissen Blindheit gegenüber den Realitäten der aktuellen Situation. So sind Geschichte und Gegenwart immer schon auf engste Weise miteinander verbunden, denn Geschichte ist die „Schule der moralischen und politischen Weisheit“, indem sie den Blick für die Situation schärft, in der es zu handeln gilt. Geschichte vermittelt keine Regeln, sondern Einsicht. Die „wissenschaftliche“ Methode der Naturwissenschaft (Beobachtung/Experiment, Urteil, Induktionsverfahren etc.) ist eine Tradition des frühen 17. Jahrhunderts.

Als Grundlage für die Zukunft sieht Robin G. Collingwood, was für etwa 1600 bis 1900 die Naturwissenschaften waren, die Philosophie der Geschichte an.

Der Historiker hat die Aufgabe, menschliche Aktivitäten und nicht bloß Ereignisse zu finden. Er interpretiert Beweise durch Inferenzschluss und erzeugt so eine Sequenz von Handlungen, die in der Vergangenheit stattgefunden haben. Es handelt sich also um eine Rekonstruktion der Vergangenheit durch Vorstellungskraft und Interpolation. Diese Rekonstruktion muss konsistent mit Beweisvorlagen (Dokumente, Fundstücke &c.) und kohärent im Sinne einer verständlichen und plausiblen Erzählung sein.

Der Historiker will aber auch herausfinden, warum etwas passiert ist. Dazu muss er die Intention oder den Beweggrund, das Motiv der handelnden Akteure in der Vergangenheit nochmals durchdenken. Dies geschieht durch Reenactment. Beim Durchdenken eines Gedankens eines anderen entstehen zwei Gedanken, einer von, sagen wir, Napoleon, und einer des Historikers. Die Vergangenheit lebt in der Gegenwart des Geschichtsforschers nicht als momentane Erfahrung (experience), sondern als Selbsterkenntnis (self-knowledge). Ein permanentes Problem P ist in Wirklichkeit eine Reihe vorübergehender Probleme p1, p2, p3… Der Schluss erfolgt von der Lösung auf die bestimmte Frage, die sich Nelson bei Trafalgar oder Leibniz bei einem bestimmten philosophischen Dilemma seiner Zeit stellte. Durch diese Herangehensweise wird die von Collingwood kritisierte „Schere-und-Kleister“-Methode verhindert. Stattdessen wird im Sinne einer Bacon'schen Wissenschaft die Frage gestellt: Was will ich als Historiker wissen?

An die Beantwortung dieser Frage, die eine umfassende wissenschaftliche Bildung voraussetzt, schließt sich die Praxis der archäologischen Untersuchung an, der zuletzt die Formulierung einer Theorie folgt. Dabei hielt sich Collingwood an folgende Überlegungen, die er auch seinen Studenten in Oxford näherbringen wollte:

  1. Geschichte ist immer die Geschichte des Gedachten.
  2. Historische Erkenntnis ist der Nachvollzug (das nachvollziehende Wiederdenken) eines in der Vergangenheit gedachten Gedankens, der in einem Kontext gegenwärtiger Gedanken eingekapselt ist, die ihn, als im Widerspruch zu ihm stehend, in einen ganz anderen Bereich verweisen.

Philosophische Positionen

  • Die Trennung von Geschichte und Philosophie, die Unterteilung in Tatsache und Theorie, die Unterscheidung von Partikulärem und Universellem ist dogmatisch und willkürlich. Sie entspricht keineswegs der Wirklichkeit, wie sie war und ist.
  • Die gewöhnliche Einteilung der Menschen, ihre Unterscheidung in Denkende und Handelnde, ist ein „Überbleibsel aus dem Mittelalter ; ISBN 978-94-007-4312-0 [eBook]

Bibliographien

  • Ruth A. Burchnall: Catalogue of the Papers of Robin George Collingwood (1889–1943). Oxford 1994 (Dep Collingwood 1–28; Bodleian Library, Oxford).
  • Christopher Dreisbach: R. G. Collingwood. A bibliographical checklist. Bowling Green State University, Bowling Green OH 1993, ISBN 0-912632-93-3.
  • Donald S. Taylor: R. G. Collingwood. A Bibliography. The complete Manuscripts and Publications, selected secondary Writings, with selective Annotation (= Garland Reference Library of the Humanities. Garland Bibliographies of modern Critics and critical Schools. Bd. 11 = Garland Reference Library of the Humanities. Bd. 810). Garland, New York NY u. a. 1988, ISBN 0-8240-7797-0.

Sonstige Literatur

  • Harald Walach: "Psychologie - Wissenschaftstheorie, philosophische Grundlagen und Geschichte" Kohlhammer 2013

Weblinks

Commons Commons: Robin George Collingwood – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien