Putsch


aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Coup d’Etat)
Wechseln zu: Navigation, Suche
25px Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Für weitere Bedeutungen siehe Putsch (Begriffsklärung).

Ein Putsch (auch Staatsstreich oder französisch Coup d’État [ˌkudeˈta] genannt) ist eine oft überraschende, meist gewaltsame Aktion von Angehörigen des Militärs oder paramilitärischer Organisationen und/oder einer Gruppe von Politikern mit dem Ziel, die Regierung zu stürzen und die Macht im Staat zu übernehmen.<ref>Vgl. Duden online: Putsch, Staatsstreich , Coup d’État (siehe jeweils Bedeutungsübersicht und Synonyme).</ref> Putschisten sind jene Menschen, die einen Putsch ausführen;<ref>Duden online: Putschist</ref> häufig sind es hohe Militäroffiziere oder Führer paramilitärischer Organisationen.

Häufig folgt auf einen Putsch eine Militärdiktatur oder die Herrschaft eines autoritären Regimes. Es kommen aber auch andere „Putsche“ vor, z. B. in der Schweiz der sogenannte Züriputsch im Jahre 1839, der den Liberalismus im Kanton Zürich vorübergehend (bis 1845) ausschaltete.

Das Wort Putsch wird oft nur für einen gelungenen Putsch benutzt, ein fehlgeschlagener Putsch wird meist Putschversuch oder Revolte genannt. Ein gescheiterter Putschversuch endet häufig mit einem Schauprozess und der Anklage wegen Hochverrats.<ref>Ein Beispiel ist der Prozess von Verona im Januar 1944, in dem Benito Mussolini fünf „abtrünnige“ Mitglieder des Großen Faschistischen Rats (darunter seinen Schwiegersohn Galeazzo Ciano) zum Tode verurteilen und erschießen ließ. Der Putsch (die „Verschwörung der Abtrünnigen“) war zunächst erfolgreich gewesen: Mussolini war am 24./25. Juli 1943 von dem Großrat mit einer Mehrheit von 19:8 Stimmen abgesetzt worden. Er wurde aber von den Deutschen befreit und wieder in die Herrschaft eingesetzt.</ref> Die Bezeichnung Umsturz wird sowohl für Revolutionen wie für erfolgreiche Putsche verwendet.<ref>Vgl. Duden online: Umsturz: Als Synonyme werden auch Putsch und Staatsstreich sowie Coup d'État genannt.</ref>

Das Wort Putsch ist negativ konnotiert:<ref>So sprachen die Nationalsozialisten von Notwehr gegen einen angeblich drohenden „Putsch“, nachdem sie die SA durch staatlich organisierten Morde Ende Juni/Anfang Juli 1934 ausgeschaltet hatten (siehe Röhm-Putsch).</ref> Als Putsch werden meist Ereignisse bezeichnet, die der Sprecher als nicht wünschenswert ansieht. Putschisten verwenden daher in der Regel andere Bezeichnungen für ihre Handlungen.

Begriffsherkunft

Ursprünglich stammt der Begriff aus der Schweiz, wo das schweizerdeutsche Dialektwort Putsch eigentlich ‚Stoß‘, ‚Zusammenstoß‘ bedeutet. Schon im 16. Jahrhundert wurde es auch im übertragenen Sinn militärisch für einen plötzlichen Vorstoß, den Aufprall gegen ein Hindernis oder die Initiative zu einem Unternehmen verwendet und erhielt dann auch die speziellere Bedeutung ‚Volksauflauf‘, ‚Revolte‘.

Im 19. Jahrhundert wurde die Bezeichnung Putsch für verschiedene Umstürze und Unruhen wie den Freiämter Putsch (1830), den Neuenburger Putsch (1856) oder den Tessiner Putsch (1890) gebraucht.<ref>Zum Sprachlichen siehe Schweizerisches Idiotikon Band IV, Spalte 1936 ff., Artikel Putsch VII, daselbst auch dessen Zusammensetzungen und Ableitungen.</ref> Besonders im Gefolge des erfolgreichen Putschs der reaktionären Kräfte in Zürich 1839 (Züriputsch) verbreitete sich das Wort durch die Zeitungsberichte im deutschen, französischen (le putsch) und englischen (the putsch) Sprachraum.

Putsch und Staatsstreich

Darüber, ob und inwiefern sich die Begriffe Putsch und Staatsstreich unterscheiden, besteht keine Einigung. Oft wird der Unterschied darin gesehen, dass bei einem Putsch der gewaltsame Sturz der Regierung von außen versucht wird (etwa vom Militär), während an einem Staatsstreich ein oder mehrere Mitglieder der aktuellen Regierung beteiligt sind. Der Begriff Staatsstreich orientiert sich dabei am Staatsstreich des 18. Brumaire VIII, d. h. der Machtübernahme Napoleons in Frankreich 1799.

  • Duden gibt bei Putsch als Bedeutung an: „von einer kleineren Gruppe [von Militärs] durchgeführter Umsturz[versuch] zur Übernahme der Staatsgewalt“.<ref>Duden online: Putsch (der Zusatz „von Militärs“ in eckigen Klammern besagt, dass sich der Begriff in erster Linie auf Akteure aus dem Militär bezieht).</ref> Bei Staatsstreich lautet die Bedeutungsangabe dagegen: „gewaltsamer Umsturz durch etablierte Träger hoher staatlicher Funktionen“.<ref>Duden online: Staatsstreich </ref> Coup d’État wird als (weitgehend) gleichbedeutend mit Staatsstreich behandelt.<ref>Duden online: Coup d’État</ref>
  • Auch das Politiklexikon sieht den Unterschied darin, dass die Akteure eines Staatsstreiches bereits an der Macht beteiligt seien. Als Antonym zu Staatsstreich nennt es Putsch.<ref>Klaus Schubert und Martina Klein, Das Politiklexikon, 4. Aufl. Dietz, Bonn 2006 (online, Zugriff am 2. Juni 2010)</ref>
  • Nach Walter Theimers Lexikon der Politik wird ein Staatsstreich „insbesondere vom Militär oder Teilen davon“ durchgeführt. Der Unterschied bestehe darin, dass die Putschisten „subalterne Offiziersgruppen“ oder andere eher machtlose Gruppen seien; Voraussetzung für die Durchführung eines Staatsstreichs sei dagegen eine hohe Machtstellung der Akteure, die – wie bei der Absetzung Mussolinis durch König Viktor Emanuel III. 1943 – sogar Staatsoberhäupter sein könnten. Das Antonym von Staatsstreich sei Revolution.<ref>Walter Theimer, Lexikon der Politik. Politische Begriffe, Namen, Systeme, Gedanken und Probleme aller Länder, 6. Auflage, Francke Verlag, Bern 1961, S. 673 f.</ref>
  • Das Wörterbuch zur Geschichte definiert Putsch als Sonderform des Staatsstreichs: Er sei ein „Staatsstreich von unten durch eine kleinere Gruppe“.<ref>Erich Bayer (Hrsg.), Wörterbuch zur Geschichte. Begriffe und Fachausdrücke, 4. Aufl. Kröner, Stuttgart 1980, S. 429</ref>

Andere Autoren behandeln die Begriffe als mehr oder weniger gleichbedeutend:

  • Der Kriminologe Wolf Middendorf sieht keinen wesentlichen Bedeutungsunterschied, allenfalls gehörten Putschisten oft niedrigeren militärischen Rängen an.<ref>Wolf Middendorf, 20. Juli und Kapp-Putsch in der Sicht der Kriminologie, in: Hans-Dieter Schwind, Günter Blau, Ulrich Berz et al. (Hrsg.), Festschrift für Günter Blau zum 70. Geburtstag am 18. Dezember 1985, DeGruyter, Berlin und New York 1985, S. 257</ref>
  • Das Wortschatzlexikon der Universität Leipzig bezeichnet beide Begriffe als synonym.<ref>Wortschatzlexikon der Universität Leipzig s.v. Putsch, Zugriff am 2. Juni 2010</ref>
  • Auch der Osteuropahistoriker Manfred Hildermeier benutzt beide Begriffe synonym, wenn er etwa die Moskauer Ereignisse vom August 1991 mal als „gescheiterten Putsch“, mal als „versuchten Staatsstreich“ bezeichnet.<ref>Manfred Hildermeier, Die Sowjetunion 1917–1991, Oldenbourg, München 2007, S. 1 und 226</ref>
  • Das Englische und das Französische machen keinen Unterschied zwischen Putsch und Staatsstreich, beides heißt jeweils coup d’état.

Militärputsch

Armeen haben häufig Traditionen, die älter sind als die Nationalstaaten, deren Existenz zu sichern ihre Aufgabe ist. Die Klassenzusammensetzung des Offizierskorps kann dabei eine Rolle spielen, die Größe der Armee, eine Tradition von vorangegangenen Militärputschen, Niederlagen in Kriegen oder nationale Krisen, deren Bewältigung einer zivilen Regierung nicht zugetraut wird. Das kann dazu führen, dass zivile Regierungen entweder von Militärs in Putschen direkt beseitigt, oder aber vom Militär ihren inneren Feinden ausgeliefert werden.

Häufiger als der direkte Putsch mit dem Sturz der Regierung ist die legalisierte Auflehnung, bei der das Militär seine umfangreichen Machtbefugnisse nutzt, um direkten Einfluss auf politische Regierungsentscheidungen zu nehmen. In der Türkei, Thailand und in Chile hatte sich das Militär nach Militärputschen auch für die Zeit nach der Rückgabe der Macht an die Zivilisten derartige Einflussmöglichkeiten gesichert. Parlamentssitze und andere institutionalisierte Einflussmöglichkeiten sichern dem Militär einen Einfluss an der politischen Macht, ohne dass eine direkte Gewaltandrohung ausgesprochen werden muss.

Putsche in der Geschichte

Obwohl das Wort Putsch international erst seit dem „Züriputsch“ in Gebrauch ist, können Staatsstreiche in davorliegenden Zeiten ebenso bezeichnet werden. Im Folgenden eine Auswahl von Ereignissen, die als Putsche bezeichnet werden:

Jahr Land Ereignis
1799 Frankreich Staatsstreich des 18. Brumaire VIIINapoléon Bonaparte übernimmt die Macht.
1839 Schweiz Züriputsch
1852 Frankreich Staatsstreich Louis Napoleons (Zweites Kaiserreich)
1920 Weimarer Republik Kapp-Putsch (Putschversuch)
1923 Weimarer Republik Hitler-Ludendorff-Putsch (Putschversuch)
1926 Polen Maiputsch
1936 Spanien Das Pronunciamiento rechtsgerichteter Militärs führt zum Spanischen Bürgerkrieg.
1941 Jugoslawien Dušan Simović stürzt die jugoslawische Regierung, weil diese den Beitritt zum Dreimächtepakt unterzeichnet hatte. Als Reaktion darauf beginnt am 6. April 1941 der deutsche Balkanfeldzug (Jugoslawischer Staatsstreich 1941).
1944 Deutsches Reich Putschversuch, siehe Attentat vom 20. Juli 1944
1953 Iran Mohammad Mossadegh wird gestürzt, siehe Operation Ajax.
1964 Brasilien zur Verhinderung der Bodenreform durch Präsident João Goulart, Militärdiktatur bis 1985
1967 Griechenland Beginn der griechischen Militärdiktatur (→ Obristenregime) bis 1974
1973 Chile Putsch Augusto Pinochets gegen Salvador Allende, siehe Geschichte Chiles sowie Putsch in Chile 1973
1980 Türkei Putsch durch General Kenan Evren
1991 Sowjetunion Augustputsch, Putschversuch einiger Politiker und Militärs, die russische Bevölkerung verteidigt erfolgreich Boris Jelzins Regierung, unterstützt von der Mehrheit des Militärs.

Siehe auch

Literatur

  • David Hebditch, Ken Connor: Wie man einen Militärputsch inszeniert. Von der Planung bis zur Ausführung. Ares-Verlag, Graz 2006, ISBN 3-902475-23-4.
  • Edward Luttwak: Wie inszeniert man einen Staatsstreich oder: Der Coup d'Etat. Rowohlt, Reinbek 1969.
  • François Mitterrand: Le Coup d'État permanent (dt. Der permanente Staatsstreich). 1964.
  • Joachim Fest: Staatsstreich. Der lange Weg zum 20. Juli. 4. Aufl. (August 1998), ISBN 978-3-88680-539-6.
  • Bruce W. Farcau: The Coup. Tactics in the Seizure of Power. Praeger, Westport 1994, ISBN 0-275947-83-1, S. 2.

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Putsch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons Commons: Coup d’Etat – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise und Fußnoten

<references />