Cryogenium
Äonothem/ Äon |
Ärathem/ Ära |
System/ Periode |
≈ Alter (mya) |
---|---|---|---|
höher/jünger | höher/jünger | höher/jünger | jünger |
Protero- zoikum | |||
Neoprotero- zoikum |
Ediacarium | 635–541 | |
Cryogenium | 850–635 | ||
Tonium | 1.000–850 | ||
Mesoprotero- zoikum |
Stenium | 1.200–1.000 | |
Ectasium | 1.400–1.200 | ||
Calymmium | 1.600–1.400 | ||
Paläoprotero- zoikum |
Statherium | 1.800–1.600 | |
Orosirium | 2.050–1.800 | ||
Rhyacium | 2.300–2.050 | ||
Siderium | 2.500–2.300 | ||
tiefer/älter | tiefer/älter | älter |
Das Cryogenium ist die zweite Periode des Neoproterozoikums. Ihr Beginn ist chronometrisch mit 850 Millionen Jahren BP festgesetzt, ihr Ende bei 635 Millionen Jahren BP. Mit einer Dauer von 215 Millionen Jahren war das Cryogenium deutlich länger als das Erdmittelalter (Siehe jedoch Neudefinition). In der Evolution der Organismen spielte es wahrscheinlich eine bedeutende, jedoch bislang weitgehend unverstandene Rolle.
Das Cryogenium folgt dem Tonium und wird vom Ediacarium abgelöst, in dem es zu einer großen Entfaltung mehrzelliger Lebewesen kam.
Inhaltsverzeichnis
Namensgebung
Der Name Cryogenium ist vom Altgriechischen κρύος (kryos) mit der Bedeutung kalt bzw. Eis und γένεσις (genesis) mit der Bedeutung Geburt, Entstehung abgeleitet. Der Name spielt auf die damalige annähernd globale Vereisung der Erde an.
Neudefinition des Cryogeniums
Im Zuge der Ausdehnung des GSSP-Prinzips auf das Präkambrium soll die bisherige, chronometrisch definierte Untergrenze bei 850 Millionen Jahre BP revidiert werden. Ins Auge gefasst wird jetzt (Stand 2015) das Einsetzen der ersten glazigenen Ablagerungen der Sturtischen Eiszeit bei 720 Millionen Jahren BP.<ref>Knoll, A. H.: Learning to tell Neoproterozoic time. In: Precambrian Research. 100, 2000, S. 3-20.</ref> Dies bedeutet somit eine Reduzierung der Periode um 130 Millionen Jahre (und gleichzeitig eine Verlängerung des vorangegangenen Toniums um denselben Betrag). Die Obergrenze des Cryogeniums zum darüber folgenden Ediacarium wird bereits durch einen GSSP definiert, der bei 635 Millionen Jahre über den letzten glazigenen Ablagerungen der Marinoischen Eiszeit zu liegen kommt.<ref>Knoll, A. H. u. a.: The Ediacaran Period: A new addition to the geologic time scale. In: Lethaia. 39, 2006, S. 13-30.</ref> Dieser GSSP für den Beginn des Ediacariums wird übrigens erstmals anhand geochemischer und paläoklimatologischer Parameter und nicht biostratigraphisch festgelegt.
Das neu definierte Cryogenium dauert somit nur noch 85 Millionen Jahre.
Ereignisse während des Cryogeniums
In die Periode des Cryogeniums fallen die Sturtische (720 bis 658 Millionen Jahre BP) und Marinoische Eiszeit (655 bis 635 Millionen Jahre BP) mit annähernd globaler Vereisung (siehe „Schneeball Erde“). Allerdings ist das Ausmaß der Vereisung durch neuere Forschungsergebnisse etwas relativiert worden und die kritischen Stimmen mehren sich.<ref>Emmanuelle Arnaud: Giant cross-beds in the Neoproterozoic Port Askaig Formation, Scotland: implications for snowball Earth. In: Sedimentary Geology, 165(1-2), Amsterdam 2004, S. 155–174, ISSN 0037-0738, DOI:10.1016/j.sedgeo.2003.11.015</ref> Am Äquator bestanden wohl doch eisfreie Gebiete. Viele neuere Modelle gehen heute eher von einer „Slushball Earth“ (aus dem Englischen übersetzt mit Schneematscherdball) aus.<ref>Małgorzata Moczydłowska: The Ediacaran microbiota and the survival of Snowball Earth conditions. In: Precambrian Research, 167(1-2): Amsterdam 2008, S. 1–15, ISSN 0301-9268, DOI:10.1016/j.precamres.2008.06.008</ref>
Die sich anschließende Gaskiers-Eiszeit (584 bis 582 Millionen jahre BP) gehört bereits zum Ediacarium. Möglicherweise war der Sturtischen Eiszeit noch eine Vereisung vorausgegangen, die so genannte Kaigas-Eiszeit um 750 Millionen Jahren BP, die aber nicht so deutlich dokumentiert ist.<ref>Macdonald, F. A. u. a.: Calibrating the Cryogenian. In: Science. 327, 2010, S. 1241-1243, doi:10.1126/science.1183325.</ref>
Noch vor Beginn des Cryogeniums begann der Superkontinent Rodinia um 750 Millionen Jahren BP auseinanderzubrechen und der umgebende Ozean Moravia schloss sich allmählich. Als Neuformation sollte während des Ediacariums der Superkontinent Pannotia mit dem Ozean Panthalassa hervorgehen. Die Ursachen der weltumspannenden Vereisungen dürften wahrscheinlich in diesem Auseinanderbrechen Rodinias begründet sein, da die Kontinentfragmente gen Äquator drifteten und sich dort ansammelten. Der Riftvorgang hatte gleichzeitig zu einem Herausheben der Kontinentbruchstücke geführt. Beide Effekte zusammengenommen hatten letztlich die Albedo und gleichzeitig die Erosionsrate erhöht und somit über eine Erniedrigung der Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre die weltweite Abkühlung in Gang gesetzt. Die beginnende Abkühlung reduzierte ihrerseits wiederum die biologische Aktivität.<ref>Van Kranendonk, M. J.: Chapter 16. A chronostratigraphic division of the Precambrian: Possibilities and Challenges. In: The Geologic Time Scale 2012. Elsevier B. V., 2012, doi:10.1016/B978-0-444-59425-9.00016-0.</ref>
Bereits ab 850 bis 800 Millionen Jahre BP war die Erde nach einer fast 1000 Millionen Jahre dauernden Ruhepause während des Rodiniums in einen zweiten Zyklus großer Umweltinstabilität eingetreten. Die beiden, für das Cryogenium charakteristischen Vereisungen waren von starken, positiven und negativen Exkursionen der δ13C-Werte begleitet.<ref>Kirschvink, J. L. u. a.: Paleoproterozoic snowball Earth: Extreme climatic and geochemical global change and its biological consequences. In: Proceedings of the National Academy of Sciences, USA. 97, 2000, S. 1400-1405.</ref> Zu Anfang dieses Intervalls (um 850 Millionen Jahren BP) hatten die Stromatolithen eine enorme Ausbreitung und Diversifizierung erfahren, erlebten aber gegen 800 Millionen Jahren BP einen drastischen Artenrückgang.<ref>Grotzinger, J. P. und Knoll, A. H.: Stromatolites in Precambrian carbonates: evolutionary milestones or environmental dipsticks?. In: Annual Reviews of Earth and Planetary Sciences. 27, 1999, S. 313-358.</ref> Nach fast 1000 Millionen Jahre währender Abwesenheit kehrten die Bändererze erneut wieder und in ihrem Gefolge Phosphorite und Manganerze. Während des Cryogeniums wurden auch weltweit Schwarzschiefer abgelagert .<ref>Condie, K. C. u. a.: Precambrian superplumes and supercontinents: a record in black shales, carbon isotopes and paleoclimates?. In: Precambrian Research. 106, 2001, S. 239-260.</ref> Der Sulfatgehalt des Meerwassers nahm einen niedrigen Wert ein.<ref>Hurtgen, M. T. u. a.: The sulfur isotopic composition of Neoproterozoic seawater sulfate: implications for a snowball earth?. In: Earth and Planetary Science Letters. 203, 2002, S. 413-429.</ref>
Bei den glazigenen Ablagerungen des Cryogeniums handelt es sich vorwiegend um Diamiktite oder proximale, proglaziale Sedimente, die in passiven Riftgräben während des Auseinanderbrechens von Rodinia abgesetzt wurden. Sie finden sich auf vielen der damaligen Paläo- und Mikrokontinente, wie beispielsweise westliches Nordamerika, China, Australien, Westafrika, Südamerika und Oman. In der Schichtenabfolge zeichnen sich die glazigenen Sedimente durch ihr abruptes Einsetzen, aber genauso auch durch ihr jähes Verschwinden aus. Gewöhnlich werden sie von so genannten Hutkarbonaten (Englisch cap carbonates) abgeschlossen, die ungewöhnliche sedimentologische, geochemische und Isotopenverhältnisse an den Tag legen. Die Hutkarbonate (meist Kalke, aber auch Dolomite) entstanden unter steigendem Meeresspiegel nach Beendigung der Vereisungen.<ref>James, N. P. u. a.: Later Neoproterozoic cap carbonates: Mackenzie Mountains, northwestern Canada: precipitation and global glacial meltdown. In: Canadian Journal of Earth Sciences. 38, 2001, S. 1229-1262.</ref>
Biologische Entwicklung
Während des Cryogeniums erscheinen erstmals Arcellinida, (gehäusetragende Amöben) im Fossilbericht. Auch Schwämme bzw. Schwammartige treten ab 760 Millionen Jahren BP in Namibia auf und somit die ersten tierischen Lebensformen.<ref>Brain, C. K. u. a.: The first animals : ca. 760-million-year-old sponge-like fossils from Namibia. In: S. Afr. J. Sci.. 108(8), 2012, S. 1-8, doi:10.4102/sajs.v108i1/2.658.</ref> Laut Porter und Knoll (2000) sollen sich neben den Arcelliniden auch Rotalgen, Grünalgen, Stramenopile, Ciliaten und Dinoflagellaten während des Cryogeniums entwickelt haben.<ref>Porter, S.A. und Knoll, A.H.: Testate amoeba in the Neoproterozoic Era: evidence from vase-shaped microfossils in the Chuar Group, Grand Canyon. In: Paleobiology. 26 (3), 2000, S. 360–385, doi:10.1666/0094-8373(2000)026<0360:TAITNE>2.0.CO;2.</ref> Demospongiae sind ab 650 Millionen Jahren nachgewiesen.
Schlüsselmikrofossilien des Cryogeniums:
- Cerebrosphaera buickii
- Leiosphaeridia crassa
- Bonniea dacruchares
- Acaciella australica
- Baicalia burra
- Irridinitus ? – eine so genannte Twitya-Scheibe (engl. Twitya disc) der Twitya-Formation in Kanada
- Sphaerocongregus
Stratigraphie
Bedeutende Sedimentbecken und geologische Formationen
- Vindhyan Supergroup im Norden Indiens – 1700 bis 600 Millionen Jahre BP
- Otavi Group in Namibia - 760 bis 650 Millionen Jahre BP
- Abenab Subgroup - 720 bis 635 Millionen Jahre BP
- Chuos-Formation (entspricht der Sturtischen Eiszeit) - um 720 Millionen Jahre BP
- Ugab Subgroup – 746 bis 720 Millionen Jahre BP
- Ombombo Subgroup – 760 bis 746 Millionen Jahre BP
- Abenab Subgroup - 720 bis 635 Millionen Jahre BP
- Atur Group des Rguibat-Schildes in Mauretanien - 890 bis 775 Millionen Jahre BP
- Pahrump Group im Death Valley – 1200 bis zirka 550 Millionen Jahre BP
- Grand Canyon Supergroup in Arizona – 1250 bis 700/650 Millionen Jahre BP
- Chuar Group – 770 bis 742 Millionen Jahre BP
- Windermere Supergroup in den Mackenzie Mountains und in Südwestkanada – 762 bis 728 Millionen Jahre BP
- Eleonore Bay Supergroup im Osten Grönlands - 950 bis 610 Millionen Jahre BP
- Polarisbreen Group auf Spitzbergen – 700/650 bis 575 Millionen Jahre BP
- Akademikerbreen Group auf Spitzbergen - 800 bis zirka 700/650 Millionen Jahre BP
- Dalradian Supergroup in Schottland – 806 bis 480 Millionen Jahre BP
- Argyll Group - 645 bis 595 Millionen Jahre BP
- Appin Group - 659 bis 645 Millionen Jahre BP
- Grampian Group - 806 bis zirka 700 Millionen Jahre BP
Literatur
- James G. Ogg: Status on Divisions of the International Geologic Time Scale. In: Lethaia. 37, 2004, S. 183–199. doi:10.1080/00241160410006492.
- Kenneth A. Plumb: New Precambrian time scale. In: Episodes, 14(2):, Beijing 1991, S. 134–140, ISSN 0705-3797.
Weblinks
Einzelnachweise
<references />