Doppelschlacht bei Wjasma und Brjansk
Frontlinie an der Ostfront (1941)
Datum | 30. September bis 30. Oktober 1941 |
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Ort | Wjasma und Brjansk, Sowjetunion nahe Moskau |
Ausgang | Deutscher Sieg |
Folgen | Verlangsamung des deutschen Vormarsches |
Konfliktparteien | |
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Deutsches Reich (NS-Zeit) Deutsches Reich | Sowjetunion Sowjetunion |
Befehlshaber | |
Deutsches Reich (NS-Zeit) Fedor von Bock Deutsches Reich (NS-Zeit) Günther von Kluge Deutsches Reich (NS-Zeit) Hermann Hoth Deutsches Reich (NS-Zeit) Erich Hoepner Deutsches Reich (NS-Zeit) Adolf Strauß Deutsches Reich (NS-Zeit) Georg-Hans Reinhardt |
Sowjetunion Iwan Stepanowitsch Konew Sowjetunion Semjon Michailowitsch Budjonny Sowjetunion Georgi Konstantinowitsch Schukow Sowjetunion Michail Fjodorowitsch Lukin |
Truppenstärke | |
46 Infanterie-Divisionen 1 Kavallerie-Division 14 Panzer-Divisionen 8 motorisierte Infanterie-Divisionen 6 Sicherheits-Divisionen 1 SS-Kavallerie-Brigade Insgesamt: 1.929.406 Soldaten*<ref name="reinhardt">Klaus Reinhardt: Die Wende vor Moskau – Das Scheitern der Strategie Hitlers im Winter 1941/42, Stuttgart 1972, S. 57.</ref> |
84 Schützendivisionen 1 Schützenbrigade 9 Kavalleriedivisionen 3 motorisierte Divisionen 13 Panzerbrigaden Insgesamt: 1.250.000 Soldaten<ref name="Krivoseev"/> |
Verluste | |
unbekannt | 67 Schützendivisionen 6 Kavalleriedivisionen 7 Panzerdivisionen 1.242 Panzer 5.412 Geschütze 663.000 Gefangene<ref name="Tippelskirch">Kurt von Tippelskirch: Geschichte des Zweiten Weltkrieges, Bonn 1956, S. 206.</ref> |
1941: Białystok-Minsk – Dubno-Luzk-Riwne – Smolensk – Uman – Kiew – Odessa – Leningrader Blockade – Wjasma-Brjansk – Rostow – Moskau
1942: Rschew – Charkow – Unternehmen Blau – Unternehmen Braunschweig – Unternehmen Edelweiß – Stalingrad – Operation Mars
1943: Woronesch-Charkow – Operation Iskra – Nordkaukasus – Charkow – Unternehmen Zitadelle – Smolensk – Dnepr
1944: Dnepr-Karpaten-Operation – Leningrad-Nowgorod – Krim – Wyborg–Petrosawodsk – Weißrussland – Lwiw-Sandomierz – Iaşi–Chişinău – Belgrad – Petsamo-Kirkenes – Baltikum – Karpaten – Budapest
1945: Weichsel-Oder – Ostpreußen – Westkarpaten – Niederschlesien – Ostpommern – Plattensee – Oberschlesien – Wien – Oder – Berlin – Prag
Die Doppelschlacht von Wjasma und Brjansk war eine militärische Auseinandersetzung während des Zweiten Weltkriegs an der deutsch-sowjetischen Front. Sie begann unter dem Decknamen Unternehmen Taifun am 30. September 1941 mit dem Angriff der deutschen Heeresgruppe Mitte gegen die sowjetische West-, Reserve- und Brjansker Front. Ziel der deutschen Offensive war die Zerschlagung der Verbände der Roten Armee vor Moskau und anschließend die Eroberung der Stadt selbst. Trotz anfänglicher Erfolge der Wehrmacht, die bei Wjasma und Brjansk große Teile der sowjetischen Verteidiger einkesseln und aufreiben konnte, lief sich der Vorstoß bis zum 30. Oktober 1941 im herbstlichen Schlamm und dem sich verstärkenden sowjetischen Widerstand fest. Erst nach mehr als zwei Wochen konnte sie mit dem Einsetzen von Frostwetter erneut zur Offensive übergehen und damit die Schlacht um Moskau eröffnen.
Inhaltsverzeichnis
Hintergrund
Seit dem Beginn des Angriffs auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 hatten die drei deutschen Heeresgruppen die Verteidigung der Roten Armee durchbrochen und in mehreren Kesselschlachten zahlreiche sowjetische Verbände aufgerieben. Die Heeresgruppe Mitte war in die allgemeine Richtung Moskau angesetzt. Sie hatte die Kesselschlachten von Minsk und Smolensk für sich entschieden, erhielt jedoch am 30. Juli 1941 den Befehl, den Vormarsch vorläufig einzustellen.
In den Tagen zuvor war es in der deutschen Führung zu einer Krise hinsichtlich der Frage gekommen, wie die weiteren Operationen gestaltet werden sollten. Hitler war der Ansicht, dass der Eroberung Moskaus kein Vorrang zukam. Seiner Meinung nach waren zunächst die wirtschaftlich bedeutenden Gebiete der Ukraine zu besetzen und Leningrad zu erobern. Darum sollte die Heeresgruppe Mitte ihre Panzerstreitkräfte an die benachbarten Heeresgruppen Nord und Süd abgeben, in deren Operationsbereich diese Ziele lagen. Für den Vorstoß auf Moskau wären dann jedoch nur noch die geschwächten Infanterie-Armeen verblieben, die dieser Aufgabe angesichts andauernder sowjetischer Gegenangriffe nicht gewachsen waren. Die militärische Führung im Oberkommando des Heeres (OKH) betrachtete diese Entscheidung als falsch und versuchte Hitler davon abzubringen. Der Chef des Generalstabs des Heeres Generaloberst Franz Halder verwies auf die Gefahr, dass bei einem Verzicht des Vorgehens auf Moskau der Gegner Zeit gewinne und eine spätere deutsche Offensive bei Einbruch des Winters zum Stehen bringen könne, womit das militärische Ziel des Unternehmens Barbarossa nicht erreicht würde. Dennoch setzte Hitler am 28. Juli seine Vorstellungen durch, indem er die 2. Armee und die Panzergruppe 2 nach Süden in die Ukraine abdrehen ließ, wo diese an der Schlacht um Kiew teilnahmen. Die Panzergruppe 3 wurde in den Norden verlegt, um sich an der Eroberung von Leningrad zu beteiligen.<ref>Ernst Klink: Die Operationsführung, S. 486–502.</ref>
Erst nach einiger „Überzeugungsarbeit“ konnten sich das OKH und der Wehrmachtführungsstab Mitte August durchsetzen. Hitler legte in der Weisung Nr. 34 am 12. August fest, dass das „Staats-, Rüstungs- und Verkehrszentrum“ Moskau noch vor Einbruch des Winters besetzt werden soll. Allerdings hatten die Ziele Leningrad und Ukraine nach wie vor Vorrang, so dass zunächst die Kämpfe dort abgeschlossen werden sollten, bevor eine Offensive auf Moskau vorbereitet werden konnte.<ref>Ernst Klink: Die Operationsführung, S. 503–507.</ref> Die Kämpfe in der Ukraine und vor Leningrad zogen sich allerdings bis September hin. Schon vor ihrem endgültigen Abschluss erteilte Hitler jedoch am 6. September 1941 die Weisung Nr. 35, welche die Grundlage der zukünftigen Offensive darstellte:<ref>Abgedruckt in: Walther Hubatsch (Hrsg.): Hitlers Weisungen für die Kriegführung 1939–1945, München 1965, S. 174–177.</ref>
„Adolf Hitler“
Als Ziel des Unternehmens legte die Weisung fest „den im Raum ostwärts Smolensk befindlichen Gegner in doppelter, in allgemeiner Richtung Wjasma angesetzter Umfassung entstandenen Einbruchs sind keine Kräfte vorhanden. Das ist sehr schlimm.“
Die einzigen Geländegewinne konnten noch im Bereich der Brjansker Front erzielt werden, und dies nur, weil deren rechte Flanke durch die deutschen Erfolge gegen die Westfront nicht mehr gedeckt war. Um die fast 60 km breite Lücke zu schließen, befahl die Stawka deshalb am 24. Oktober, die Armeen der Brjansker Front in die Linie Dubna-Plawsk-Werchowje-Liwny-Kastornoje zurückzunehmen. Dieser Rückzug begann am 26. Oktober und war vier Tage später weitgehend abgeschlossen.<ref>P.N. Pospelow (Hrsg.): Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion, Bd. 2, Berlin (Ost) 1963, S. 300.</ref> Als die 2. Panzerarmee die Verfolgung aufnahm und ab dem 29. Oktober versuchte, die Stadt Tula einzunehmen, traf sie dort auf starken sowjetischen Widerstand der 50. Armee. Daraus entwickelten sich noch einige Kämpfe, vor allem in der Flanke der Panzerarmee, die noch bis zum 7. November andauerten, aber ergebnislos verliefen.<ref>Heinz Guderian: Erinnerungen eines Soldaten, Heidelberg 1951, S. 220–223.</ref>
Angesichts der aussichtslosen Lage gab Gfm. von Bock am 1. November 1941 den Befehl, „dass vorläufig im großen nicht weiter vorgegangen wird, dass aber alles für den Angriff vorbereitet wird und Versorgungsschwierigkeiten so schnell als möglich behoben werden, damit bei Einsetzen guter Witterung (Frost) sofort angetreten werden kann.“<ref>Zit. nach: Klaus Reinhardt: Die Wende vor Moskau – Das Scheitern der Strategie Hitlers im Winter 1941/42, Stuttgart 1972, S. 86.</ref> Damit hatte das deutsche „Unternehmen Taifun“ praktisch ein Ende gefunden.
Folgen der Schlacht
Obwohl sowohl Hitler und der Wehrmachtführungsstab als auch der Generalstab des OKH nach den ersten Erfolgen im „Unternehmen Taifun“ in eine optimistische Stimmung verfielen und bereits Pläne für weitere Operationen mit weitgesteckten Zielen über Moskau hinaus entwarfen, hatte sich die Offensive Ende Oktober 1941 festgelaufen.<ref group="A">So sollten die Panzergruppen 3 und 4 bis Wologda vorstoßen und die 2. Panzerarmee Gorki erreichen. Während die 2. Armee auf Woronesch abgedreht werden sollte, blieb für die Eroberung Moskaus allein die 4. Armee. Die weitesten dieser Ziele lagen bis zu 600 km von der Ausgangsstellung entfernt. Zu diesen Plänen und den Meinungsverschiedenheiten darüber siehe: Klaus Reinhardt: Die Wende vor Moskau – Das Scheitern der Strategie Hitlers im Winter 1941/42, Stuttgart 1972, S. 82–86.</ref> Auch hatte Hitler schon am 12. Oktober Befehle zur Behandlung Moskaus erlassen, das eingeschlossen und dann beschossen werden sollte und dessen Kapitulation, auch wenn angeboten, nicht angenommen werden durfte.<ref>Ernst Klink: Die Operationsführung, S. 578.</ref> Stattdessen war der deutsche Vormarsch etwa 80 km vor der sowjetischen Hauptstadt zum Stehen gekommen. Es war weder gelungen, das primäre Ziel, die Vernichtung der Masse der gegnerischen Streitkräfte, noch das sekundäre Ziel der Einnahme Moskaus zu erreichen.
Tatsächlich hatte die Rote Armee große Verluste erlitten. Da genaue sowjetische Angaben fehlen, ist man auf die Angaben des deutschen Wehrmachtberichtes angewiesen, der nach Abschluss der Kämpfe um die Kessel die Vernichtung von 67 sowjetischen Schützen-, 6 Kavallerie- und 7 Panzerdivisionen mit 1.242 Panzern und 5.412 Geschützen sowie die Gefangennahme von 663.000 Rotarmisten meldete.<ref name="Tippelskirch"/> Angesichts der Tatsache, dass nach sowjetischen Angaben zum Schutz Moskaus Mitte Oktober weniger als 100.000 Soldaten zur Verfügung gestanden hätten, erscheint die deutsche Meldung nicht völlig unwahrscheinlich.
In Moskau selbst führten die Ereignisse zu einer Krise. Am 13. Oktober erklärte der Vorsitzende des Moskauer Stadtkomitees, A.S. Schtscherbakow, öffentlich, dass die Hauptstadt bedroht sei. Im Zuge dessen wurden Tausende Moskauer zum Ausbau der Verteidigungsanlagen um die Stadt herangezogen und 25 Arbeiter-Bataillone aus 12.000 Freiwilligen aufgestellt, die diese Stellungen ab dem 17. Oktober besetzten.<ref>P.N. Pospelow (Hrsg.): Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion, Bd. 2, Berlin (Ost) 1963, S. 292.</ref> Dennoch entschloss sich Stalin am 16. Oktober zur Evakuierung der Stadt, sodass die meisten Organisationen der Regierung, der Partei und des Militärs anfingen nach Kuibyschew überzusiedeln. Auch Industriebetriebe wurden evakuiert. Daraufhin brach in der Hauptstadt eine Panik aus, die auch dadurch nicht gebremst wurde, dass Stalin sich entschloss, in Moskau zu bleiben. Viele Einwohner flüchteten und es kam zu Plünderungen der rar gewordenen Lebensmittel. Deshalb musste am 19. Oktober der Belagerungszustand erklärt und das Kriegsrecht verhängt werden.<ref>A.M. Samsonow: Die große Schlacht vor Moskau, Berlin (Ost) 1959, S. 70f; Klaus Reinhardt: Die Wende vor Moskau – Das Scheitern der Strategie Hitlers im Winter 1941/42, Stuttgart 1972, S. 87.</ref>
In den ersten beiden November-Wochen, die von einem weitgehenden Stillstand der Operationen gekennzeichnet waren, füllten beide Seiten ihre geschwächten Verbände auf. Keiner Seite gelang es dabei, ihre vorangegangenen Verluste völlig zu ersetzen. Während sich eine Reihe von deutschen Frontkommandeuren dafür aussprach, nunmehr zur Verteidigung überzugehen und eine günstige Stellung für die Wintermonate zu wählen, war man im OKH der Ansicht, dass es nur noch eines letzten „Kraftaktes“ bedürfe, um das Ziel des Feldzuges gegen die Sowjetunion doch noch zu erreichen. Nach dem Eintritt der Frostperiode, in der die Wege besser befahrbar wurden, traf man während einer Besprechung der höchsten militärischen Befehlshaber in Orscha am 13. November die Entscheidung, den Angriff zu erneuern. Am 17. November 1941 begann daraufhin mit der neuerlichen deutschen Offensive die Schlacht um Moskau. Auch in diesem Anlauf sollte der Wehrmacht kein durchschlagender Erfolg gelingen. Am 5. Dezember ging die Rote Armee mit ihren Reserven zur Gegenoffensive über und konnte bis zum Frühjahr 1942 große Teile des im Herbst verlorenen Geländes zurückgewinnen.
Bewertung und Rezeption
Gemessen an der Höhe der Verluste, waren die Kesselschlachten bei Wjasma und Brjansk eine der größten militärischen Niederlagen der Sowjetunion während des Zweiten Weltkrieges. Sie wird in der russischen Historiographie fast immer mit zur „Schlacht um Moskau“ (Битва за Москву) gerechnet, die schließlich mit einem sowjetischen Erfolg endete. Dabei wurde gelegentlich versucht, die Ursachen für diesen ersten Rückschlag zu finden. Neben der Betonung der zahlenmäßigen Überlegenheit der Wehrmachtverbände wiesen einige Kommandeure wie zum Beispiel I.S. Konew oder K.K. Rokossowski in ihren Memoiren darauf hin, dass es seitens des Oberkommandos in Moskau zu schweren Versäumnissen gekommen war.<ref name="Soldatenpflicht" /> Marschall Wassilewski kritisierte vor allem die verworrene Befehlsstruktur:<ref>A.M. Wassilewski: Sache des ganzen Lebens, Berlin (Ost) 1977, S. 135.</ref>
„Der Misserfolg bei Wjasma ist nicht nur aus der gegnerischen Überlegenheit und dem Mangel an Reserven zu erklären, sondern auch daraus, dass der Generalstab und das Hauptquartier die Hauptstoßrichtung des Gegners falsch bestimmt und demzufolge auch die Verteidigung falsch aufgebaut hatte. […] Der operative Aufbau war für die Truppenführung und das Zusammenwirken der Fronten denkbar ungünstig.“
In der offiziellen sowjetischen Darstellung des Krieges wurde darauf nicht eingegangen und behauptet, dass die Stawka oder das Staatliche Verteidigungskomitee zu spät von den deutschen Plänen erfahren und deshalb nichts mehr hätte unternehmen können.<ref name="GVK 1" /> Dennoch hielt der Historiker Joachim Hoffmann 1983 zusammenfassend fest: „Die Fehler und Unterlassungen der sowjetischen Führung sind auf jeden Fall ein wesentlicher Grund dafür, warum die Heeresgruppe Mitte die Verteidigung an den entscheidenden Punkten relativ rasch zu durchbrechen vermochte.“<ref name="Hoffmann 1" />
In den ersten sowjetischen Publikationen nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Einkesselung und Vernichtung eines großen Teiles der Roten Armee teilweise überhaupt nicht erwähnt.<ref>Zum Beispiel: P.D. Korkodinow: Die Zerschlagung der deutsch-faschistischen Truppen bei Moskau, in: P. A. Schilin (Hrsg.): Die wichtigsten Operationen des Großen Vaterländischen Krieges, 1941–1945. Berlin (Ost) 1958, S. 131–146.</ref> Später hingegen erfuhr vor allem der Widerstand der sowjetischen Verbände im Kessel von Wjasma eine Heroisierung. Sowohl in der offiziellen Darstellung, als auch in den Memoiren Schukows oder Wassilewskis fand man die Aussage, dass das Opfer der fünf eingekesselten Armeen notwendig für die Rettung der Hauptstadt gewesen sei.<ref>P.N. Pospelow (Hrsg.): Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion, Bd.2, Berlin (Ost) 1963, S. 301; G.K. Schukow: Gedanken und Erinnerungen, Stuttgart 1969, S. 323.</ref> Dass die oberste deutsche Militärführung tatsächlich einen Großteil der vorhandenen Kräfte (Teile der Pz.Gr. 3 und der 9. Armee) nach Norden gegen Kalinin lenkte, anstatt mit diesen auf das genauso weit entfernte Moskau vorzustoßen, blieb unerwähnt. Auch die spätere sowjetische Geschichtsschreibung betonte, dass durch den Widerstand der eingeschlossenen Truppen schließlich deutsche Divisionen für etwa zwei Wochen gebunden und damit vom Durchbruch auf Moskau abgehalten worden wären:<ref>A.M. Samsonow: Die Schlacht vor Moskau, in: Eberhard Jäckel (Hrsg.): Kriegswende Dezember 1941, Koblenz 1984, S. 188 f.</ref>
„Doch die Kampfhandlungen der eingekreisten Truppen machten den Einsatz von 28 Divisionen des Gegners erforderlich, wodurch Zeit für die Organisation der Verteidigung auf der Linie Moschaisk gewonnen wurde. Die Kämpfe bei Wjasma banden die Hauptkräfte der Panzergruppen und Armeen von Bocks in jener kritischen Zeit, als dessen einzelne Korps und Divisionen in die bei Moskau entstandenen Breschen vorstießen und als der Aggressor für eine kurze Zeit keine geschlossene Verteidigung vor sich hatte.“
Auf deutscher Seite kam es bei der Behandlung der Operationen zu zahlreichen „Ungenauigkeiten“. So behaupteten einige Kommandeure, wie zum Beispiel Heinz Guderian, fälschlicherweise, dass die eingekreiste 50. Armee bereits am 17. Oktober kapituliert habe und der Kessel bei Brjansk bis zum 20. Oktober ausgeräumt worden sei. Von dem erfolgreichen Ausbruch der 3., 13. und 50. Armee der Brjansker Front war überhaupt keine Rede.<ref>Heinz Guderian: Erinnerungen eines Soldaten, Heidelberg 1951, S. 218.</ref> In anderen Darstellungen wurde die Kapitulation des Kessels von Wjasma auf den 13. Oktober datiert.<ref name="Tippelskirch" /> Die neuere Forschung hat versucht, diese Fehler zu korrigieren,<ref>Klaus Reinhardt: Die Wende vor Moskau – Das Scheitern der Strategie Hitlers im Winter 1941/42, Stuttgart 1972, S. 65, Fn. 118.</ref> aber dennoch finden sich in zahlreichen Publikationen die übernommenen falschen Daten.<ref>Zum Beispiel: Janusz Piekalkiewicz: Schlacht um Moskau, Augsburg 1998.</ref>
In der Memoirenliteratur der Nachkriegsjahre rief vor allem die Entscheidung Hitlers und des OKH, die Panzergruppe 3 und große Teile der 9. Armee auf Kalinin abzudrehen, große Kritik hervor. So schrieb zum Beispiel Walter Chales de Beaulieu, ehemals Generalstabschef der Panzergruppe 4, nach dem Krieg:<ref>W. Chales de Beaulieu: Generaloberst Erich Hoepner, Neckargemünd 1969, S. 201 f.</ref>
„Das XXXXI. Korps dieser Panzergruppe war mit seinen schnellen Divisionen am Wjasma-Einschließungsring nicht beteiligt, stand ab dem 8.10. für weiteres Vorgehen nach Osten, auf Moskau, nördlich der Autobahn bequem zur Verfügung, hätte, verstärkt durch die SS-Division „Reich“, an diesem besonders geeignetem Operationsstrang – Entfernung Wjasma, Moskau nur 200 km! – weiter vorstoßen können und zum damaligen Zeitpunkt kaum unüberwindlichen Widerstand angetroffen. Bedenkt man, dass dieses Korps – nach Norden angesetzt – am 13. Oktober bereits Kalinin erreichte, das auch nur 200 km von Wjasma entfernt liegt, wohin jedoch wesentlich ungünstigere Wege führen, so kann man sich berechtigte Aussichten auch für einen Erfolg vor Moskau ausmalen.“
Zudem ist in der deutschen Geschichtsschreibung oft die These zu finden, dass der ungewöhnlich frühe und überaus kalte Witterungsumschwung die deutschen Truppen überrascht hätte und nur dieser Umstand zu einem Scheitern der Operation geführt habe. Tatsächlich glaubte die deutsche Führung die Rasputiza, mit der sie für Mitte Oktober rechnete, ignorieren zu können, da die Operationen dann abgeschlossen sein sollten. Fachleute von der meteorologischen Abteilung wurden nicht in die Planungen einbezogen. Tatsächlich blieben die Niederschläge des Oktobers unter den Durchschnittswerten, sodass der Herbst 1941 als verhältnismäßig trocken bezeichnet werden muss. Zudem setzte der Frost sogar früher ein als sonst, was die Schlammperiode noch einmal verkürzte. Angesichts der Tatsache, dass die Schlammperiode 1941 also kürzer und trockener war als gewöhnlich, kann die These vom überraschenden Witterungsumschwung nur als ein Versuch „die Schuld des eigenen Versagens einer höheren Gewalt zuzuschreiben“ gesehen werden.<ref>Klaus Reinhardt: Die Wende vor Moskau – Das Scheitern der Strategie Hitlers im Winter 1941/42, Stuttgart 1972, S. 78f und. Fn.211; Zitat, S. 78.</ref>
Anmerkungen
<references group="A" />
Literatur
Quellen
- W. Chales de Beaulieu: Generaloberst Erich Hoepner, Scharnhorst Buchkameradschaft, Neckargemünd 1969.
- Heinz Guderian: Erinnerungen eines Soldaten, Kurt Vowinckel Verlag, Heidelberg 1951.
- A.I. Jeremenko: Tage der Bewährung, Deutscher Militärverlag, Berlin (Ost) 1961.
- G.K. Schukow: Gedanken und Erinnerungen, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1969.
- Anton Detlev von Plato: Die Geschichte der 5. Panzerdivision 1938 bis 1945, Regensburg 1978.
Sekundärliteratur
- John Erickson: The Road to Stalingrad, Cassell Publ., London 2003. ISBN 978-0-3043-6541-8.
- David M. Glantz, Jonathan House: When Titans clashed – How the Red Army stopped Hitler, Kansas University Press, Kansas 1995. ISBN 978-0-7006-0899-7.
- Joachim Hoffmann: Die Kriegführung aus der Sicht der Sowjetunion, in: Horst Boog, Jürgen Förster, Joachim Hoffmann, Ernst Klink, Rolf-Dieter Müller, Gerd R. Ueberschär: Der Angriff auf die Sowjetunion. (= Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hrsg.): Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Band 4). 2. Auflage. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1987, ISBN 3-421-06098-3, S. 713–809 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- A. B. Исаев' Котлы 41-го. – История ВОВ, которую мы не знали, Яуза Эксмо, Москва 2005. ISBN 5-699-12899-9 (Online-Version)
- Ernst Klink: Die Operationsführung, in: Horst Boog, Jürgen Förster, Joachim Hoffmann, Ernst Klink, Rolf-Dieter Müller, Gerd R. Ueberschär: Der Angriff auf die Sowjetunion. (= Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hrsg.): Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Band 4). 2. Auflage. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1987, ISBN 3-421-06098-3, S. 451–712 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Д. 3. Муриев: Вяземская операция, in: Советская военная энциклопедия, Bd.2, Москва 1978 (Online-Version)
- P. N. Pospelow (Hrsg.): Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion, Bd.2, Deutscher Militärverlag, Berlin (Ost) 1963.
- Klaus Reinhardt: Die Wende vor Moskau – Das Scheitern der Strategie Hitlers im Winter 1941/42, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1972 (= Beiträge zur Militär- und Kriegsgeschichte, Bd.13). ISBN 3-421-01606-2.
- A. M. Samsonow: Die große Schlacht vor Moskau, Verlag des Ministeriums für Nationale Verteidigung, Berlin (Ost) 1959.
- David Stahel: Operation Typhoon: Hitler's March on Moscow, October 1941. Cambridge University Press, Cambridge 2013. ISBN 978-1-10-703512-6.
Einzelnachweise
<references />