Schlacht um Berlin


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Schlacht um Berlin
Datum 16. April bis 2. Mai 1945
Ort Berlin, Balkon des Hotels Adlon
Ausgang Besetzung Berlins durch die Rote Armee
Konfliktparteien
Sowjetunion 1923Sowjetunion Sowjetunion
PolenPolen Polen
Deutsches Reich NSDeutsches Reich (NS-Zeit) Deutsches Reich
Befehlshaber
Georgi Schukow
Iwan Konew
Nikolai Bersarin
Gotthard Heinrici
Helmuth Weidling
Wilhelm Mohnke
Truppenstärke
2,5 Millionen Soldaten
6250 Panzer
7500 Flugzeuge
800.000 Soldaten
800 Panzer
>100 Flugzeuge
Verluste
offiziell 352.475 (78.291 Tote, 274.184 Verwundete), plus 8.892 Polen (2.825 Tote, 6.067 Verwundete)<ref>G. F. Krivosheev: Soviet Casualties and Combat Losses in the Twentieth Century. 2007, S. 219 f.</ref>, 2.156 Panzer, 1.220–2.000 Geschütze, 527–900 Flugzeuge<ref>hrono.ru. Abgerufen am 28. Januar 2014. (russisch).</ref><ref name="wwii-soldat.narod.ru">http://wwii-soldat.narod.ru/OPER/ARTICLES/039-berlin.htm (russisch).</ref> geschätzt 92.000 tote Soldaten (inkl. Kessel von Halbe und Seelow)<ref name="rdm10/1-673">R.-D. Müller u. a. (Hrsg.): Das deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Band 10/1, 2008, S. 673.</ref>
mind. 200.000 verwundete Soldaten
479.298 Gefangene<ref name="wwii-soldat.narod.ru" />
zehntausende Zivilisten

Die Schlacht um Berlin war die letzte bedeutende Schlacht des Zweiten Weltkrieges in Europa. Sie dauerte vom 16. April bis zum 2. Mai 1945 und hatte die Besetzung Berlins, der Hauptstadt des Deutschen Reiches, durch die Rote Armee der Sowjetunion unter Beteiligung einiger polnischer Einheiten zur Folge. Die Kämpfe forderten Schätzungen zufolge über 170.000 Gefallene und 500.000 verwundete Soldaten sowie den Tod mehrerer zehntausend Zivilisten.

Nach der bereits weitgehend erfolgten Befreiung der vom nationalsozialistischen Deutschland besetzten Gebiete Europas bedeutete das Ende der Schlacht, das mit dem Selbstmord der politisch verantwortlichen Regierungsschicht des NS-Regimes einherging – in Berlin selbst dem Suizid von Adolf Hitler und Joseph Goebbels – für das Deutsche Reich die endgültige militärische Niederlage.

Knapp eine Woche nach der Einnahme Berlins trat am 8. Mai 1945 die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht mit der Unterschrift von Generaloberst Alfred Jodl, der vom Nachfolger Hitlers als Reichspräsident, Großadmiral Karl Dönitz, zu deren Unterzeichnung autorisiert worden war, in Kraft. Damit wurde der Zweite Weltkrieg in Europa nach fast sechs Jahren beendet. Deutschland verlor seine staatliche Souveränität und wurde in vier Besatzungszonen aufgeteilt.

Ausgangslage

Nach den Niederlagen in der Schlacht von Stalingrad (Winter 1942/1943) und am Kursker Bogen (Sommer 1943) befand sich die Wehrmacht an der Ostfront in der Defensive. Im Süden und Westen waren mit der Landung der westlichen Alliierten auf Sizilien am 10. Juli 1943 (→ Operation Husky) und der Invasion in der Normandie am 6. Juni 1944 (D-Day) zwei neue Fronten entstanden. Zeitgleich zur Invasion in der Normandie erlitt die Wehrmacht im Osten dann ihre größte und entscheidende Niederlage durch die Zerschlagung der Heeresgruppe Mitte. Die katastrophalen Verluste dieser Schlacht nahmen der Wehrmacht ihre operative Handlungsfähigkeit an der Ostfront ab Sommer 1944, so dass fortan nur noch punktueller und hinhaltender Widerstand möglich war.

Faktisch stand die Kriegsniederlage des Deutschen Reichs, das 1939 den Zweiten Weltkrieg als Eroberungskrieg zuerst gegen Polen, dann gegen die Benelux-Staaten, Frankreich und zahlreiche andere europäische Länder begonnen hatte, daher schon lange vor dem Beginn der Schlacht um Berlin fest. Bereits im Oktober 1944 hatten Landstreitkräfte der Westalliierten die linksrheinischen deutschen Gebiete um Aachen eingenommen. Nach dem Scheitern der Ardennenoffensive im Januar 1945 und des Unternehmens Nordwind (31. Dezember 1944 bis 25. Januar 1945 im Elsass und in Lothringen) war die Wehrmacht auch im Westen nicht mehr zu offensiven Aktionen in der Lage. Kraftstoffmangel, Nachschubmangel, Personalmangel, Hunger und der harte Winter 1944/45 machten den Truppen immer mehr zu schaffen. Die Westalliierten (vor allem Briten, US-Amerikaner, Kanadier) waren bis April 1945 in ihren Landoffensiven an die Elbe vorgedrungen. Die im Ruhrkessel (Ruhrgebiet) eingekesselten Truppen kapitulierten Mitte April 1945.

Auch ein wichtiger Teil der Alpen- und Donau-Reichsgaue (Österreich) und Groß-Wien war bis Mitte April 1945 in die Hand der Anti-Hitler-Koalition gefallen.

Für Hitler und andere führende Nazis kam eine Kapitulation nicht in Frage; sie trieben u. a. mit Haltebefehlen („Kampf bis zum letzten Mann“), Durchhalteparolen (siehe auch NS-Propaganda, Endsieg) sowie Gewalt- und Terrormaßnahmen gegen Deserteure und Zivilisten (siehe Endphaseverbrechen) die Deutschen an, die aussichtslosen Kämpfe fortzusetzen. Noch im letzten Kriegsjahr starben Millionen Soldaten und Zivilisten.

Im Osten war die Rote Armee bis Mitte Februar 1945 in mehreren Offensiven bis zur Oder vorgerückt (mit Ausnahme eines Küstenstreifens zwischen Preußisch Stargard und Danzig, sowie der Provinzhauptstadt Breslau, vgl. Schlacht um Breslau) und besetzte auch die westlich der Oder gelegenen Teile Schlesiens (mit Ausnahme der Grafschaft Glatz). Aus dieser Ausgangslage bereitete sie die Eroberung Berlins vor. Parallel dazu beschlossen die Staatschefs der drei großen alliierten Mächte, Winston Churchill (Großbritannien), Franklin D. Roosevelt (USA) und Josef Stalin (Sowjetunion), auf der Konferenz von Jalta (4. bis 11. Februar 1945) unter anderem die Art der anschließenden Besetzung Deutschlands in Form seiner Aufteilung in vier Besatzungszonen. Jeder der Großen Drei versuchte dabei, für sich machtpolitisch günstige Ausgangspositionen für die Gestaltung der Nachkriegsordnung zu erlangen.

Sowjetischer Angriffsplan

Am 1. April 1945 hatte Stalin die beiden wichtigsten Obersten Befehlshaber nach Moskau befohlen: die Marschälle Schukow und Konew. Truppen der 1. Belorussischen Front Schukows hatten den Kampf um Küstrin gewonnen und einen 44 Kilometer breiten und bis zu 20 Kilometer tiefen Brückenkopf auf dem westlichen Oderufer gebildet. Von hier aus sollte der Hauptstoß auf Berlin erfolgen. Die Flügel von Schukows Front sollten Berlin im Norden und Süden umfassen.

Die 1. Ukrainische Front Konews, die ab Guben nach Süden anschloss, sollte dort die verteidigende deutsche 9. Armee nach dem Durchbruch im Rücken umfassen. Stalin gab seinen Befehlshabern zwei Tage Zeit, um einen Angriffsplan auf Berlin auszuarbeiten. Der Hauptstoß von Küstrin geradewegs auf die Reichshauptstadt zu, bevorzugte Schukow – Konew sollte den Direktangriff und die Umfassung der Stadt nur durch seinen Vorstoß nach Südwesten abschirmen. Stalin gestand Konew jedoch zu, im Falle eines raschen Vorgehens auch von Süden nach Berlin eindringen zu können.

„(Stalin) zog eine Trennungslinie zwischen Schukows und Konjews Heeresgruppen. Die Linie begann östlich der Oder, kreuzte den Fluß und verlief geradeaus weiter. Bei Lübben an der Spree, knapp 60 km südöstlich von Berlin, brach er plötzlich ab. ‚Wer als erster bis dahin vordringt, der soll Berlin erobern‘, erklärte er.“

Gosztony (Hrsg.): Der Kampf um Berlin in Augenzeugenberichten. 1985, S. 119 f.
Am 3. April 1945 wurde der Angriffstermin für den 16. April 1945 beschlossen. Einige Tage später gingen detaillierte Weisungen des Oberkommandos Stawka an Schukow, Konew und Marschall Rokossowski. „Insgesamt waren die drei russischen Fronten 1 593 800 Mann stark.“<ref>Cornelius Ryan: Der letzte Kampf. 1. deutsche Ausgabe, Droemersche Verlagsanstalt, München/Zürich 1966, zitiert nach Fackelverlag, Olten – Stuttgart – Salzburg 1969, Originalausgabe: The last battle. Simon and Schuster Inc., New York, S. 156.</ref>

Schlacht an der Oder

Die Rote Armee bereitete einen Zangenangriff vor, um Berlin einzukesseln. Zur Einnahme der Stadt konzentrierte die Stawka etwa 2,5 Millionen Soldaten (inklusive nichtkämpfender Einheiten), 6.250 Panzer und Selbstfahrlafetten, 7.500 Flugzeuge und 41.600 Artilleriegeschütze.<ref>Tony Le Tissier: Kampf um Berlin. Bechtermünz Verlag, 1997, S. 212, im Detail 15.654 Feldgeschütze, 15.181 Minenwerfer, 3.255 Katjuschas, 4.520 Panzerabwehrkanonen und 3.411 Fliegerabwehrkanonen.</ref>

Am nördlichen Oder-Abschnitt zwischen der Ostseeküste über Schwedt bis Oderberg stand die 2. Weißrussische Front unter Marschall Konstantin Rokossowski. Sie stand an einem schwer überbrückbarem Flussabschnitt und sollte erst später, nach dem erfolgten Durchbruch der südlicheren Heeresgruppen über die Oder angreifen.

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Banner der 1. Weißrussischen Front

Im westlichen Oderbrückenkopf von Küstrin bis nach Guben war die 1. Weißrussische Front unter Georgi Schukow konzentriert, sie sollte den direkten Vormarsch auf Berlin erzwingen. Im südlichen Abschnitt entlang der Neiße bereitete die 1. Ukrainische Front unter Iwan Konew ihren Durchbruch zwischen Forst und Muskau in Richtung auf Cottbus und Spremberg vor.

Der Roten Armee gegenüber standen schwer angeschlagene Einheiten der deutschen Heeresgruppe Weichsel unter Generaloberst Gotthard Heinrici, zusammengesetzt aus der 3. Panzerarmee und der 9. Armee. Im Süden wurde auch die 4. Panzerarmee der Heeresgruppe Mitte vom sowjetischen Angriff erfasst.<ref>Tony Le Tissier: Der Kampf um Berlin 1945. Bechtermünz Verlag, Augsburg 1997, S. 50 f.</ref> Den deutschen Heerestruppen waren starke Anteile an Waffen-SS und Allgemeiner SS unterstellt, zudem als „letztes Aufgebot Deutschlands“ auch Volkssturm-Einheiten, bestehend aus militärisch unerfahrenen und schlecht vorbereiteten Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 16 Jahren sowie Männern bis 60 Jahren. Diese – bezogen auf Erfahrung und Motivation – äußerst uneinheitlichen Streitkräfte umfassten insgesamt rund eine Million Mann. Sie hatten aber nur etwa 800 Panzer, mussten faktisch ohne Luftunterstützung kämpfen (ihre Gegner hatten die Luftherrschaft) und waren aufgrund der schlechten Versorgung mit Treibstoff und Munition in ihrer Wirkungskraft und Flexibilität zusätzlich eingeschränkt.

Am 16. April eröffnete die Rote Armee ihre Offensive mit dem stärksten Artilleriefeuer des Krieges; statistisch kam entlang der Oderfront auf fünf Meter ein Geschütz. Dieser Beschuss war jedoch weitgehend wirkungslos, da der deutsche Befehlshaber Gotthard Heinrici die vorderen Stellungen im Bereich des Hauptangriffs Schukows auf die Seelower Höhen zurück genommen hatte (Hardenberg-Stellung).

Noch am ersten Tag hatte Schukow, durch die Schwierigkeiten seiner Infanterie im Oderbruch ungeduldig geworden, den Einsatz seiner beiden noch östlich der Oder stehenden Panzerarmeen im mittleren Abschnitt befohlen und durch die folgende Vermischung der Truppen eine noch größere Verwirrung bewirkt: „Als es den vereinigten Kräften aller Waffengattungen nicht gelang, Schukows unrealistischen Zeitplan einzuhalten, verstärkten die heftigen Panzerangriffe noch die Folgen der grundsätzlichen Fehleinschätzung.“<ref>Nach Chuikov. The End of the Third Reich, S. 147 ff. in: Tony Le Tissier: Der Kampf um Berlin 1945, Ullstein Verlag, Frankfurt/Main – Berlin 1991, S. 61. ISBN 3-550-07801-3.</ref> Erst am 19. April 1945 gelang der 1. Weißrussischen Front nach großen Verlusten die Einnahme der Seelower Höhen.

Die Deutschen waren damit auf die äußeren Verteidigungslinien Berlins zurückgedrängt und ihre Reserven waren verbraucht.

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Banner der 1. Ukrainischen Front

Der 1. Ukrainischen Front unter Marschall Konew gelang hingegen im Süden der rasche Durchbruch durch die deutsche Verteidigungslinie an der Lausitzer Neiße südlich Cottbus bei Spremberg. Mit einem gewagten Panzerangriff im Rücken der 9. Armee erreichte die 3. Garde-Panzerarmee des Generalobersten Rybalko Lübben und Konew erhielt am 17. April die Erlaubnis von Stalin, Berlin von Süden her anzugreifen. Stalin selbst teilte dies dann Schukow mit.<ref>Cornelius Ryan: Der letzte Kampf, 1. Deutsche Ausgabe: Droemersche Verlagsanstalt, München/Zürich 1966. Nach der Ausgabe Fackelverlag, Olten – Stuttgart – Salzburg 1969, S. 245.</ref>

Änderung der Angriffsplanung

Am 21. April 1945 überschritt die zu Schukows Truppen zählende erste sowjetische Einheit (5. Stoßarmee) die Stadtgrenze im Nordosten Berlins bei Marzahn. Inzwischen war in der gesamten Stadt bereits die Licht-, Gas- und Wasserversorgung ausgefallen. In der Stadt zerfetzten mittags Artilleriegranaten viele der überraschten Menschen.<ref>Dokumentiert im Beitrag Hermannplatz.</ref>

Berlin, das zuerst nur in die Zange genommen werden sollte, wurde mit Konews Erfolg dadurch von allen Seiten angegriffen. Ziel war der Spreebogen mit den zentralen Regierungsgebäuden. Stalin ordnete bald darauf auch die Trennungslinie zwischen den beiden sowjetischen Fronten:

„Von diesem Tag an, dem 23. April, so lautete der Befehl (Nr. 11074), verlaufe die Grenze zwischen der 1. Weißrusssichen Front und der 1. Ukrainischen Front von Lübben über Teupitz, Mittenwalde, Mariendorf zum Anhalter Bahnhof. Konjew war zutiefst enttäuscht: Stalin hatte Schukow den Siegespreis zugesprochen. Die Grenzlinie, die gerade durch die Stadt verlief, zwang Konjew mit seinen Truppen etwa 140 Meter westlich des Reichstages anzuhalten, auf dem die sowjetische Fahne aufgepflanzt werden sollte.“

Cornelius Ryan: Der letzte Kampf, S. 281.

Äußerer Verteidigungsring

Der „Äußere Verteidigungsring“ war keine lückenlose Linie, sondern meist nur stützpunktartig an Brücken und wichtigen Straßenkreuzungen besetzt. Die Abwehr war nicht koordiniert, da weder die Befehlsgebung in der Stadt geregelt, noch die vorhandenen Einheiten planmäßig verteilt waren. Neben lokalen Kommandeuren betätigte sich zwischenzeitlich Joseph Goebbels als Organisator.

20. April 1945

Im Nordosten fielen im Vorfeld Berlins Bernau und nachts Altlandsberg, die 5. Stoßarmee gewann Strausberg und die 3. Stoßarmee schoss (zum Geburtstag Hitlers) mit Großkalibern in die Stadt.<ref>„Die von den sowjetischen Truppen am 20. April erzielten Geländegewinne waren ausreichend, um weitreichende Artillerie des 79. Korps der 3. Stoßarmee und des 1. Bataillons der 30. Garde-Artilleriebrigade der 47. Armee zum Einsatz gegen den Stadtrand von Berlin zu bringen. Die ersten Salven auf das Stadtgebiet waren mehr eine herausfordernde Geste als eine taktische Maßnahme. Sowjetische Eisenbahnpioniere wurden eingesetzt, in Schlesien erbeutete schwere deutsche Belagerungsartillerie (Granaten von einer halben Tonne) von Küstrin per Bahn in das Vorfeld Berlins zu führen, um sie gegen die Stadt einzusetzen.“ (T. Le Tissier, S. 82, zitiert: Schukow, Erinnerungen und Gedanken, S. 595, 597).</ref>

Ähnlich begründet „flogen anglo-amerikanische Bomber Salut, einen sogenannten 1000-Bomber-Angriff gegen Berlin, der zwei Stunden dauerte. Die Angriffshöhe dieser Verbände war so gewählt, daß ein Eingreifen der deutschen Flak unmöglich wurde. und um Berlin (auch) von Süden her anzugreifen.“<ref>T. Le Tessier, S. 116.</ref>

Konkurrenz Schukow – Konew

„Man war weit hinter dem Zeitplan zurück, Stalin drängte, und Schukow muß über die Fortschritte Konjews besorgt gewesen sein.“<ref>T. Le Tessier, S. 117.</ref>

Die 3. Garde-Panzerarmee Konews gruppierte an diesem Tag um und schloss „zu den Vorausabteilungen südlich des äußeren Verteidigungsringes zwischen Stahnsdorf und Lichtenrade auf.“ Hier nun überschätzte Konew die Kräfte der Verteidigung hinter dem Teltowkanal erheblich.<ref>Nach Konews Schätzung standen ihm 15 000 Soldaten gegenüber, gegen die er 3000 Geschütze aufbot. (T. Le Tessier, 117 f. und Anm. 13, S. 275.)</ref>

Die Hauptaufgabe von Konews Front bestand jedoch nach wie vor im Vorstoß geradewegs südlich Berlins. So erreichten seine Truppen Potsdam, Beelitz, Lehnin und bewegten sich in Richtung Torgau an der Elbe. Dazu kam der Vormarsch in Richtung Bautzen und Dresden.

24. April 1945

Das 12. Garde-Panzerkorps besetzt den Bereich Jungfernheide (heute Flugplatz Tegel) bis zum Hohenzollernkanal – nachts erleidet es jedoch schwere Verluste im Industriekomplex Siemensstadt. Das 79. Korps wird durch den Widerstand um die Strafanstalt Plötzensee und am Westhafen aufgehalten.<ref>T. Le Tessier, S. 122.</ref>

„Das 12. Gardekorps begann in den Arbeiterbezirk Wedding einzusickern.“ Am Bahnhof Wedding, einer Schlüsselstellung im Inneren Verteidigungsring gelingt der Durchbruch erst nach dem Einsatz schwerer Artillerie. Der Humboldthain mit dem Flakbunker wird umgangen und abgeriegelt, die Besatzung kämpft bis zum Ende.<ref>T. Le Tessier, S. 123.</ref>

Wenig Widerstand trifft das 7. Korps in Prenzlauer Berg an, der Innere Verteidigungsring wird in Richtung Alexanderplatz durchbrochen. Die 5. Stoßarmee (26. Gardekorps, 32. Korps) dringt entlang der Frankfurter Allee vor – stärkerer Widerstand erfolgt im Wirkungsbereich des Flakturmes Friedrichshain. Das 9. Korps der 5. Stoßarmee überschritt in den frühen Morgenstunden des 24. Aprils die Spree in Höhe des Treptower Parks. 16 000 Mann werden von der Dnjepr-Flottille übergesetzt. Dagegen formiert sich Widerstand durch die SS-Freiwilligen-Division ‚Nordland‘.<ref>T. Le Tessier, S. 124.</ref>

„Die 301. Schützendivision nahm das Kraftwerk Rummelsburg in Besitz – unzerstört und betriebsbereit.“<ref>T. Le Tessier, S. 125.</ref>

Aus der südlichen Umfassung Berlins durch Konew beginnt am 24. April, frühmorgens nach 55-minütigem Artilleriebeschuss der Angriff über den Teltowkanal, der trotz der Unterlegenheit ihrer Kräfte (in Lankwitz) ”nach Anfangserfolgen von der deutschen Verteidigung unter schweren sowjetischen Verlusten und unter Aufgabe des russischen Brückenkopfs zurückgeschlagen (wird).“ Im Zentrum sind Konews Truppen beim Übergang erfolgreicher und am Abend ist der Südteil Zehlendorfs unter Kontrolle.<ref>T. Le Tessier, S. 126 f.</ref> Die Verteidiger ziehen sich auf die Wannseeinsel zurück.

Im Süden Berlins erreicht die Rote Armee die östlichen Vororte Potsdams sowie die Linie Brandenburg – Wittenberg.<ref>T. Le Tessier, S. 127.</ref>

Schlacht um Berlin

25. April 1945

Der 2. Weißrussischen Front gelingt südlich Stettin der Durchbruch gegen die die 3. Panzerarmee. „Heinrici gab Manteuffel augenblicklich die gewünschte Rückzugserlaubnis und befahl ausdrücklich die ‚Festung Stettin‘ zu räumen.“ Danach informierte er das OKW, das „achtundvierzig Stunden (benötigte), bis ein empörter Keitel bei ihm anrief.“<ref>T. le Tissier, S. 131.</ref>

In Berlin beginnt der von Hitler zum Stadtkommandanten bestimmte General Weidling mit der Reorganisation der Verteidigung.

Marschall Nowikow, der Befehlshaber der sowjetischen Luftflotte, setzte

„eine großangelegte Luftoperation gegen Berlin unter dem Namen ‚Operation Salut‘ in Szene. Ein erster Schlag wurde von Bombern der 18. Luftarmee geführt; ihm folgten den ganzen Tag pausenlose Luftangriffe der 16. Luftarmee. Alles in allem waren 1368 Maschinen im Einsatz – einschließlich 569 Sturzkampfbombern (PE-2), die auf besonders festgelegte Ziele eingesetzt wurden.“

Nowikow: Die Rolle der Luftwaffe, S. 94.

Ebenfalls am 25. April trafen die Russen und die Amerikaner an der Elbe bei Torgau zusammen.<ref>C. Ryan, S. 297.</ref>

Einschließung Berlins

Die südliche Umfassung durch das 6. (mech.) Gardekorps der 4. Gardearmee Konews schloss auch Potsdam ein. Auf diesem Weg traf es am 25. April 1945 westlich der Reichshauptstadt bei Ketzin auf die über die Havel herankommende 47. Armee Schukows. Damit war der Ring um Berlin endgültig geschlossen. Bis zuletzt blieb jedoch die westliche, durch Seen und Wälder unübersichtliche Seite Berlins lückenhaft besetzt.

Vor der Innenstadt

Norden: Um Siemensstadt wurde vom 25. bis zum 28. April gekämpft. Das 79. Korps gewann die Strafanstalt Plötzensee und wurde am Westhafenkanal festgehalten. Das 12. Gardekorps nahm in Moabit die unzerstörte Fennbrücke im Handstreich. Der Flakturm Humboldthain behinderte im Nordosten den Vormarsch. Harten Widerstand gab es auch nördlich der Invalidenstraße, das 7. Korps erreichte den Alexanderplatz.

Osten: Die 5. Stoßarmee kam in Friedrichshain nur langsam voran. Die Eroberung des Schlesischen Bahnhofs (heute Ostbahnhof) bezeichnete Schukow später als eine der „schwierigsten Aufgaben.“

Süden: Die 8. Gardearmee und die 1. Garde-Panzerarmee drangen über den Teltowkanal nach Tempelhof und westlich des Tempelhofer Damms vor. Im Südosten sickerten sowjetische Truppen in Neukölln ein. Die 3. Garde-Panzerarmee des Generalobersten Rybalko kämpfte in den südwestlichen Vororten am S-Bahnring und stieß über den Botanischen Garten nach Schmargendorf, Nikolassee und Dahlem zum Grunewald vor. Ein Keil drang über Steglitz nach Schöneberg.

Konew begann eine Truppen-Konzentration mit der Absicht eines Vorstoßes zum Potsdamer Platz.

Im Westen brach die Besatzung Spandaus in der Nacht vom 25. auf den 26. April zur Stadtmitte hin aus.<ref>T. Le Tissier, S. 132–139.</ref>

26. April 1945

Südwesten: Die 12. Armee des Generalobersten Wenck formierte sich in Richtung auf Potsdam (statt nach Jüterbog) und erreichte Beelitz. Konew musste sein 10. Garde-Panzerkorps frei bekommen, um dieses Wenck entgegenzustellen. Im Berliner Südwesten begannen in den dicht bebauten Gebieten die Straßenkämpfe.

Westen: Nach Erreichen der Heerstraße schwenkten Teile der 3. Garde-Panzerarmee „nach rechts in Richtung Charlottenburg und begannen sich langsam durch die Wohnbezirke auf beiden Seiten dieser breiten Durchgangsstraße vorzuschieben. Der Widerstand der Verteidigung nahm erst zu, als ihr unerwartetes Auftauchen bemerkt wurde.“<ref>T. Le Tessier, S. 149.</ref>

Datei:Bundesarchiv Bild 183-R77871, Berlin, Einwohner zerlegen ein Pferd.jpg
Einwohner zerlegen ein Pferd (Flughafen Tempelhof)

Süden: Nach einem letzten Gegenangriff in Neukölln zog sich die Division Nordland am nächsten Morgen zur Stadtmitte zurück. Nach Eroberung des Flughafen Tempelhof besetzten Tschuikows Truppen den Viktoriapark (am nächsten Tag wurde auf Sicht der Anhalter Bahnhof beschossen). Der linke Flügel drang über die Yorckstraße zum Kleistpark und erreichte über die Potsdamer Straße bis zum Abend die Kurfürstenstraße. Der rechte Flügel stand in der Nacht zum 27. April vor dem Landwehrkanal, dessen Brücken kurz zuvor gesprengt wurden.

Norden: Mit starker Unterstützung der Luftflotte des Marschalls Nowikow wurde der Westhafen-Kanal überwunden und bis zum Abend war ein großer Teil von Moabit in sowjetischer Hand. Der Alexanderplatz wurde noch heftig umkämpft.<ref>Nach T. Le Tessier, S. 143–149.</ref>

27. April 1945

Süden: Tschuikow legte eine Art Ruhetag für seine Truppen zur Vorbereitung auf den Kanalübergang ein. Auch der Beschuss wurde weitgehend eingestellt.<ref>Tschuikow in: Tony Le Tissier, S. 156. Auch zivile Zeitzeugen bestätigten den relativ ruhigen Tag im Süden Berlins.</ref> Dem 28. Gardekorps Tschuikows gelang es unter Umgehung deutscher Positionen am Nollendorfplatz und am Lützowplatz bis zur Budapester Straße voranzukommen: „Einigen Sowjetpanzern gelang es, auf das Zoogelände durchzubrechen und von dort das Feuer gegen die Flaktürme zu eröffnen.“ Dieser Vorstoß beraubte die 3. Garde-Panzerarmee Konews, die in schwere Kämpfe um den Fehrbelliner Platz verwickelt war, praktisch jeder Möglichkeit, noch vor den Truppen Schukows den Reichstag einzunehmen.

Westen: Am 27. April ging der Flugplatz Gatow endgültig verloren und die Russen säuberten das gesamte Westufer der Havel vom Feind. Die Kämpfe in Charlottenburg nahmen an Schärfe zu, denn Weidling hatte, „um sich ein Ausfalltor nach Westen offenzuhalten, einen Teil der 18. Panzergrenadierdivision zur Unterstützung der örtlichen Verteidigung abgestellt.“ Das 79. Korps in Moabit, das weiterhin nur langsam (auch gegen die Wlassow-Einheiten) vorankam, zielte bereits auf den Spreebogen mit dem Reichstag.

Die 5. Stoßarmee kämpfte zwischen Spree und Alexanderplatz – das 9. Korps auf der anderen Seite des Flusses drang in Kreuzberg ein und erreichte den Moritzplatz.

Nach der Auflösung der 3. Panzerarmee Manteuffels im Norden und dem Verzicht Steiners auf jede Offensivbewegung, richtete sich „die einzige noch realistische Hoffnung der Verteidiger der Stadt Berlin Tiergarten, [unter anderem über] die Geschichte des Kriegsgräberfriedhofs Wilsnacker Straße. Verlag Lehmanns Media, Berlin 2009, ISBN 978-3-86541-312-3.

  • Guido Knopp: Der verdammte Krieg, Das Ende 1945. C. Bertelsmann Verlag, München, 1995, ISBN 3-570-12153-4.
  • Erich Kuby: Die Russen in Berlin 1945, Scherz Verlag, München 1965.
  • Tony LeTissier: Der Kampf um Berlin 1945. Von den Seelower Höhen zur Reichskanzlei. Bechtermünz Verlag (Lizenz Ullstein) 1997, Originalausgabe: Tony Le Tissier: The battle of Berlin 1945. Jonathan Cape, London 1988.
  • Rolf-Dieter Müller: Kriegsende 1945. Die Zerstörung des Deutschen Reiches. Fischer, Frankfurt 1994, ISBN 3-596-10837-3.
  • Cornelius Ryan: Der letzte Kampf. Droemersche Verlagsanstalt, München/Zürich 1966.
  • Helke Sander und Barbara Johr (Hrsg.): BeFreier und Befreite. Fischer, Frankfurt a. M. 2005, ISBN 3-596-16305-6.
  • Wilhelm Tieke: Das Ende zwischen Oder und Elbe – Der Kampf um Berlin 1945. Motorbuch-Verlag, Stuttgart 1992, ISBN 3-87943-734-3.
  • Earl F. Ziemke: Die Schlacht um Berlin. Pabel/Moewig, Rastatt 1982, ISBN 3-8118-4318-4.
  • Weblinks

    Einzelnachweise

    <references />