Friedrich Wilhelm Euler (Genealoge)
Friedrich Wilhelm Euler (* 19. Mai 1908 in Bensheim; † 14. Februar 1995 ebenda) war ein deutscher Archivar, ein antisemitischer Genealoge und Nationalsozialist. Die Sammlungen Friedrich Wilhelm Eulers und des von ihm gegründeten Instituts zur Erforschung historischer Führungsschichten in Bensheim sind in die Sammlungen des Instituts für Personengeschichte in Bensheim übergegangen.
Er wirkte vor allem im Dritten Reich auch unter dem Pseudonym (Abkürzung und Neuzusammensetzung der Taufnamen) Wilfried Euler.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Friedrich Wilhelm Euler war der Sohn von Karl Euler († 1933), Sohn des Papierfabrikanten Wilhelm Euler. Sein Bruder war der Opernsänger Horst Euler.<ref>Christine Will: Geschichte der Familie Euler, Bergsträßer Anzeiger, 13. Februar 2015.</ref>
Rassenforschung zur Zeit des Nationalsozialismus
Im Jahr 1932 arbeitete Euler am NSDAP-Hauptquartier in München an einer Ahnenstammkartei. Ein Jahr später war er im Reichsministerium des Innern unter Achim Gercke damit beschäftigt, die Daten über Mischehen und jüdische Mischlinge genealogisch und statistisch zu erfassen. Seine „Mischlings“-Zahlen war mit die Datenbasis für die 1935 erlassenen Nürnberger Rassengesetze. Er schätzte dabei die Zahl der Juden und „jüdischen Mischlinge“ in Deutschland auf 1,5 Millionen. Dabei ging er in seinen Nachforschungen über jüdische Vorfahren zurück bis in das 17. Jahrhundert. Im Aufspüren von „Rassendurchmischungen“ zwischen Ariern und Juden soll er sich durch seinen besonderen Eifer unbeliebt gemacht haben.
Nachdem Gercke im Januar 1935 aller seiner Ämter enthoben und Kurt Mayer, der spätere Amtschef der Reichsstelle für Sippenforschung, dessen Nachfolger wurde, wechselte Euler zunächst ins Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, wo er bei Wilhelm Ziegler am Institut zum Studium der Judenfrage arbeitete. Zu der Veröffentlichung Die Juden in Deutschland<ref>Institut zum Studium der Judenfrage (Hrsg.): Die Juden in Deutschland. Franz Eher Zentralverlag der NSDAP, 1935.</ref> lieferte Euler die Daten über jüdische Aufsichtsräte und Bankiers. Später arbeitete Euler am Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands, das von Walter Frank geleitet wurde.<ref name="ehmann" /> Dort wurde er Mitarbeiter von Wilhelm Grau.<ref name="fbi" /> Er erstellte 1936 eine globale Statistik über Judentaufen und Mischehen in Deutschland<ref>Ingo Haar: Handbuch der völkischen Wissenschaften. Verlag Saur, 2008, ISBN 3-598-11778-7, S. 174.</ref>. Dieser Arbeit kam eine unmittelbare erkennungsdienstliche Bedeutung zu.<ref>Dirk Rupnow: Judenforschung im Dritten Reich: Wissenschaft zwischen Politik, Propaganda und Ideologie. Nomos Verlag, 2011, ISBN 3-832-96421-5, S. 309.</ref>
Seine weiteren Arbeiten widmete er unter anderem Fragen zur „Rückkreuzung der Judenmischlinge“<ref>W. Euler: Die Rassische Rückkreuzung des Judenmischlings. In: Mitteilungen über die Judenfrage. Nr. 2, Band 1, 1937, S. 5–7.</ref> Mit der Rückkreuzung wollte Euler „nachweisen, dass das Blut stärker war als der noch so ernste Wille zur rassischen Angleichung sei“.<ref>Werner Meiners: Jüdische Gemeindearchivalien nach dem Novemberpogrom 1938. In: Oldenburger Jahrbuch. Band 109, 2009, S. 111.</ref> Ausführlich ging er dabei auf die Nachkommen der Familie Mendelssohn ein.<ref name="ehmann" /> Für die Arbeit an diesem Werk ließ Euler über das Allgemeine Suchblatt für Sippenforscher einen Aufruf veröffentlichen, in dem Mitglieder von Geschichtsvereinen an der Erfassung von Übertritten von Juden zu einer christlichen Konfession mithelfen sollten. Ebenso sollten Heiraten und Nachfahren dieser Personen, wie auch alle Mischehen getaufter Juden erfasst werden. 1939 wurde dieser Aufruf erneut gedruckt. Mit seinen Nachforschungen wollte Euler das „Eindringen jüdischen Blutes“ in die Oberschicht nachweisen. In seinen Rückkreuzungsveröffentlichungen stellte er die These auf, dass die „rassischen Merkmale jüdischer Ahnen aus ihrer Nachkommenschaft nur selten verschwunden sei, da das Blut stärker als der noch ernste Wille zur rassischen Angleichung“ war.<ref name="fbi" />
Nach 1940 dehnte Euler seine Forschungsarbeiten auf Italien, Frankreich und England aus. 1941 veröffentlichte er eine Schrift über die „Verjudung der englischen Oberschicht“<ref>W. Euler: Das Eindringen jüdischen Blutes in die englische Oberschicht. In: Forschungen zur Judenfrage. Band 6, 1941, S. 104–252.</ref>. Im Illustrierten Beobachter erschien dazu von Januar bis April 1942 eine Serie mit der Überschrift "Wer beherrscht England? Ein Blick in die Herrenschicht des Empire".<ref name="ehmann">Annegret Ehmann: From Colonial Racism to Nazi Population Policy: The Role of the So-called Mischlinge. In: Michael Berenbaum und Abraham J. Peck (Hrsg.): The Holocaust and history: the known, the unknown, the disputed, and the reexamined United States Holocaust Memorial Museum, Indiana University Press, 2002, S. 125–126. ISBN 0-253-21529-3, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche</ref> Später arbeitete er am Diplomatischen Jahrbuch zur jüdischen Weltpolitik mit, das 1944 ohne Nennung der Autoren veröffentlicht wurde.<ref name="fbi">Patricia von Papen: Schützenhilfe nationalsozialistischer Judenpolitik. In: Fritz Bauer Institut (Hrsg.): «Beseitigung des jüdischen Einflusses..."»: Antisemitische Forschung, Eliten und Karrieren im Nationalsozialismus. Campus Verlag, 1999, ISBN 3-593-36098-5, S. 17–42. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche</ref>
Im Juli 1946 bestätigte Euler in einer eidesstattlichen Erklärung dem Historiker Karl Alexander von Müller auf dessen Bitte „seine Distanz zur Judenforschung“.<ref>Michael Fahlbusch, Ingo Haar: Völkische Wissenschaften und Politikberatung im 20. Jahrhundert. Verlag Schöningh, 2010 ISBN 3-506-77046-2, S. 82.</ref>
Genealogische Leistung
Friedrich Wilhelm Euler war Mitarbeiter bei:
- Neue Deutsche Biographie (NDB), herausgegeben von der Historischen Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Verlag Oldenbourg, München, 1947ff.
- Genealogische Beratung bei Meyers Enzyklopädisches Lexikon, im Bibliographischen Institut, Mannheim
- Genealogische Beratung für Biographisches Wörterbuch zur deutschen Geschichte, bearbeitet von Karl Bosl, Günther Franz und Hanns Hubert Hofmann, A. Francke Verlag, München 1973 ff.
- Hauptbearbeiter von "Merck'sche Familienzeitschrift" (MFZ) Band 20, 1960 bis Bd. 25, 1975 (Darmstadt)
- Hauptbearbeiter von "Ahnen und Enkel" Bd. 1, 1955 bis Bd. 5, 1971 (Limburg an der Lahn)
- Genealogisches Handbuch des in Bayern immatrikulierten Adels, herausgegeben von der Vereinigung des Adels in Bayern, Verlag Degener, Neustadt, seit 1950
- Genealogisches Handbuch des Adels, ab Band 1 (1950)
- Deutsches Geschlechterbuch, ab Band 120 (1955)
- Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit, ab Band 1 (1963–1993)
Veröffentlichungen
- Genealogische Schwerpunktforschung - Ein Weg zur systematischen Erschließung der genealogischen Quellen. In: Genealogie 44, Heft 3/4, März-April 1995. Hier: S. 456-461
Ehrungen
Ausgezeichnet wurde er mit der Gatterer-Medaille in Silber.
Biobibliografie
- B. Ph. Schroeder: Biobibliographie F. W. Euler. In: Archiv für Sippenforschung. 44. Jg. 1978 u. 49. Jg., 1983, 2-3.
Literatur
- Lupold von Lehsten: Nachwort zu "Genealogische Schwerpunktforschung" von Friedrich Wilhelm Euler. In: Genealogie 44, Heft 3/4, März-April 1995. Hier: S. 471.
- Lupold v. Lehsten: Friedrich Wilhelm Euler [Nachruf]. In: Genealogie 44, Heft 3/4, März-April 1995. Hier: S. 473-475.
- Stimmen zum Tode von Friedrich Wilhelm Euler und Ruth Hoevel. In: Genealogie 44, Heft 3/4, März-April 1995. Hier: S. 475-476.
Einzelnachweise
<references />
Personendaten | |
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NAME | Euler, Friedrich Wilhelm |
ALTERNATIVNAMEN | Euler, Friedrich W.; Euler, Wilfried |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Archivar und antisemitischer Genealoge |
GEBURTSDATUM | 19. Mai 1908 |
GEBURTSORT | Bensheim |
STERBEDATUM | 14. Februar 1995 |
STERBEORT | Bensheim |