Geri Müller
Geri Müller (* 27. Oktober 1960 in Brugg; heimatberechtigt in Turgi; bürgerlich Gerhard Hermann Müller Behrens<ref>Profil von Gerhard Hermann Müller Behrens. In: monetas.ch, abgerufen am 28. August 2014</ref>) ist ein Schweizer Politiker (team baden, Grüne). Am 3. März 2013 wurde er zum Stadtammann von Baden gewählt.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Müller wuchs im aargauischen Turgi in einer klassischen kleinbürgerlichen Einwandererfamilie auf. Sein Vater war Schreiner, die Mutter Hausfrau. Der deutsche Vater war während des Zweiten Weltkriegs als 16-Jähriger in Frankreich in Kriegsgefangenschaft der Alliierten geraten. Dort lernte er seine zukünftige Frau kennen, mit der er später in die Schweiz zog.
Politisiert wurde er im Alter von 15 Jahren durch die Atomfrage, weswegen er auch gegen das geplante Kernkraftwerk Kaiseraugst demonstrierte. Als junger Erwachsener musste er ein halbes Jahr wegen Militärdienstverweigerung ins Gefängnis.<ref>Rico Bandle: Räucherstäbchen für den Frieden. In: Die Weltwoche. 29. Februar 2012, S. 28/29.</ref>
Geri Müller lebt getrennt von seiner Frau<ref name="blick">Marcel Odermatt: Geri Müller: Ehe kaputt. In: Blick.ch. 20. Januar 2013, abgerufen am 14. Februar 2013.</ref>, ist Vater von drei Kindern und lebt in Baden.<ref name="cv">Geri Müller. Privat (Memento vom 30. August 2011 im Internet Archive) (Version vom 30. August 2011 im Internet Archive). In: Biografische Angaben auf der Website von Geri Müller.</ref>
Beruf
Von 1984 bis 1987 liess Geri Müller sich zum psychiatrischen Pflegefachmann ausbilden. 1989/1990 betreute er eine sozialtherapeutische Wohngruppe. Von 1991 bis 2005 war er Berufsschullehrer und gab Integrations- und Sprachkurse. Seither ist er Berufspolitiker.
Politik
Laufbahn
In Baden ist Geri Müller in der Lokalpartei team baden tätig. 1991 bis 1993 war er dort Einwohnerrat. 1995 bis 2003 vertrat er die Grüne Partei im Grossen Rat des Kantons Aargau und war in den Kommissionen «Fachhochschulen», «Gesundheit», «Aufgabenteilung Kanton-Gemeinden», «Aufgaben- und Leistungsüberprüfung der Verwaltung» und «Erziehung, Bildung und Kultur» tätig. Ab 1999 hatte er auch das Fraktionspräsidium inne. 2003 wurde er in den Nationalrat gewählt, wo er der Aussenpolitischen Kommission und der Geschäftsprüfungskommission angehört. Von Ende 2007 bis Ende 2009 präsidierte er die Aussenpolitische Kommission (APK). 2010 kandidierte er auf einem Dreierticket seiner Fraktion für den Bundesrat.<ref name="az" />
Seit 2006 ist Müller ausserdem Stadtrat (Mitglied der Stadtregierung) der Stadt Baden. Er war zunächst Vizeammann und für den Bereich Bildung zuständig. 2013 wurde er in das Amt des Stadtammanns gewählt, das aufgrund der Wahl von Stephan Attiger in den Regierungsrat vor dem Ablauf der Legislaturperiode Ende 2013 neu besetzt werden musste.<ref>Pirmin Kramer: Wer Stadtammann wird, entscheiden nicht in jedem Fall die Stimmbürger. In: Aargauer Zeitung. 27. Januar 2013, abgerufen am 30. Januar 2013.</ref>
1999 koordinierte Müller den «Global March» gegen die weltweite Kinderarbeit. Seit 2003 ist er Präsident der Schweizerischen Energiestiftung (SES) und Co-Präsident der Sektion Aargau/Solothurn des Schweizer Berufsverbandes der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) mit Sitz in Bern.
Am 18. August 2014 wurde Geri Müller durch den Stadtrat von Baden vorübergehend von seinen Aufgaben als Stadtammann entbunden. Auslöser dafür war eine Affäre um Nackt-Selbstbilder am Arbeitsplatz, die Müller verschickt hatte, sowie eine durch ihn bei der Kantonspolizei Bern<ref>Geri Müller rief zweimal die Berner Polizei an. In: Tages-Anzeiger. 18. August 2014.</ref> ausgelöste Anhaltung und Befragung der ursprünglichen Empfängerin der Bilder durch die Stadtpolizei Baden. Als Auslöser für die Publikation der Angelegenheit um die privaten Bilder gilt Sacha Wigdorovits, der von verschiedenen Schweizer Medien als Drahtzieher einer Kampagne gegen den Stadtammann von Baden bezeichnet wurde.<ref>Der Krisenspezialist hat versagt. In: Basler Zeitung. 27. August 2014.</ref><ref>Protokoll eines menschlichen Dramas</ref> Bis zur Klärung der Situation übernimmt Vizeammann Markus Schneider die Aufgaben Müllers.<ref>Medienmitteilung: Stadtrat organisiert Interimslösung. Medienmitteilung des Stadtrates Baden vom 18. August 2014.</ref> Am 2. September 2014 entschied Müller, sein Amt als Stadtpräsident von Baden weiter wahrzunehmen, der Stadtrat beschloss daraufhin, dass Vizeammann Markus Schneider vorübergehend die Ressorts führe und diese später unter den übrigen Regierungsmitgliedern aufgeteilt werden sollen. Müller konnte nur die ihm per Gesetz zugeordneten Funktionen behalten. <ref> Müller bleibt Stadtpräsident NZZ vom 2. September 2014, abgerufen am 2. September 2014</ref> Anfang November erhielt Müller die Ressorts Finanzen und Stadtentwicklung zurück, das Ressort Standortmarketing wurde aber der Stadträtin Ruth Müri zugeteilt. <ref>Müller tritt nicht mehr zu Nationalratswahlen an Tagesanzeiger vom 9. November 2014.</ref> Für die Affäre um seinen Nacktselfie erhielt er am 4. Dezember 2014 die satirische Auszeichnung Schneemann des Jahres, ein Jurypreis des Arosa Humor-Festivals.<ref>Geri Müller in Arosa mit dem «Schneemann des Jahres» ausgezeichnet. In: Südostschweiz.ch. 4. Dezember 2014, abgerufen am 6. Dezember 2014. </ref>
Positionen
Müller gehört dem linken Flügel der Grünen an. Die Mehrzahl seiner bisherigen Vorstösse im Nationalrat behandelten energiepolitische Fragen. Als Nichtmitglied der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie blieb seine Einflussnahme im umweltpolitischen Bereich jedoch begrenzt.<ref name="az" />
Neben den umweltpolitischen Themen engagiert sich Müller für aussenpolitische Fragen, insbesondere Fragen zum Nahostkonflikt. Im Parlament gehört er zu den schärfsten Israel-Kritikern.<ref name="blick" /> Für seine Israel-Kritik wurde Müller von der Öffentlichkeit, aber auch parteiintern wiederholt kritisiert. So meint Georg Kohler, emeritierter Professor für Philosophie der Universität Zürich, dass Müllers unbedachte Wortwahl «antisemitische Äusserungen salonfähig» macht.<ref>Dominik Feusi: Geri Müllers Nazi-Vergleich stösst auf harsche Kritik – auch bei Grünen. In: Basler Zeitung. 20. Februar 2013, S. 16 (zit. in: World-Media-Watch).</ref> Antisemitismusforscher Aram Mattioli von der Universität Luzern attestiert Müller eine «allzu unkritische Sympathie für gewisse Positionen von Hamas und eine allzu israelkritische Haltung».<ref name ="kipa">Badens jüdische Gemeinde will keinen Stadtammann Geri Müller. In: kipa. 14. Februar 2013, abgerufen am 20. Februar 2013. </ref> Jan Jirát, Journalist der linken Zeitung WOZ Die Wochenzeitung, meint, Müller sei jemand, der sich «unbedarft und unreflektiert an die Seite von Antisemiten und Verschwörungstheoretikerinnen stellt».<ref name ="woz">Gut für Baden – nicht so gut für die Welt. In: WOZ Die Wochenzeitung. 28. Februar 2013, abgerufen am 7. März 2013. Jan Jirát: </ref>
Kritik
Geri Müller nahm am 31. Dezember 2008 an einer von der Gesellschaft Schweiz–Palästina organisierten Kundgebung als Redner teil.<ref>Demonstrationen und Kritik an israelischen Angriffen. In: news.ch. 31. Dezember 2008, abgerufen am 2. Januar 2009. </ref><ref>Hakenkreuz an Anti-Israel-Demo empört (Memento vom 4. Januar 2014 im Internet Archive). In: Tages-Anzeiger. 2. Januar 2009.</ref> Dies wurde schon im Vorfeld von Nationalräten verschiedener Parteien, die ebenfalls der APK angehören, kritisiert. Nach deren Auffassung ist es nicht statthaft, dass der Präsident der APK bei einer Demonstration zu einem aussenpolitischen Thema auftritt.<ref>Gieri Cavelty: APK-Präsident Müller spricht an israelkritischen Demos. Der Präsident der Aussenpolitischen Kommission demonstriert vor Israels Botschaft. Zum Ärger der Nationalratskollegen. In: Tages-Anzeiger. 31. Dezember 2008, S. 3 (zit. in: Nahostfrieden.ch).</ref> Im selben Jahr bestritt Müller, Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad strebe die Vernichtung Israels an, und bezeichnete den Iran als Demokratie, was ebenfalls Kritik hervorrief.<ref>Pascal Hollenstein: Der Einzelkämpfer. In: NZZ. 13. September 2009.</ref><ref>Calmy-Rey’s Aussenpolitik. In: Arena, Schweizer Fernsehen, abgerufen am 20. Januar 2013.</ref>
Kritik erntete Geri Müller im Jahr 2010 durch ein Interview, das er der antisemitischen Verschwörungsbewegung «We Are Change Switzerland» (WAC) gab. Die Hintergründe dazu wurden durch den Sektenforscher Hugo Stamm im Tages-Anzeiger veröffentlicht. Kritikpunkte waren vor allem Müllers Zweifel gegenüber der offiziellen Version zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 und auch, dass er nach Behauptungen des Amateurreporters, die grossen Nachrichtenagenturen würden von Juden kontrolliert, nicht auf Distanz gegangen sei oder Einspruch erhoben habe.<ref>Die Nationalräte Vischer und Müller bei den Verschwörern. In: Tages-Anzeiger Online. 8. Mai 2010, abgerufen am 14. Januar 2013. Hugo Stamm: </ref> Zudem verglich er die Situation im Gazastreifen mit der des Holocausts.<ref>Kreutner blasts leading Green politicians as anti-Israel. In: The Jerusalem Post. 5. Dezember 2010, abgerufen am 14. Januar 2013. Benjamin Weinthal: </ref><ref name="az">Geri Müller, die Hamas und die Juden. In: Aargauer Zeitung. 14. Februar 2013, abgerufen am 14. Februar 2013. Gieri Cavelty: </ref><ref>Dominik Feusi: Antisemiten-Freund auf dem Sprung. Der grüne Nationalrat Geri Müller will ins höchste Badener Amt. In: Basler Zeitung. 14. Februar 2013, S. 5.</ref> Diese Art von Holocaust-Relativierung wird als sekundärer Antisemitismus bezeichnet.
Anfang 2012 empfing Müller hochrangige Vertreter der Change-and-Reform-Partei des Palästinensischen Legislativrates (PLC) und der radikal-islamistischen Partei Hamas, die auf der Terror-Finanzierungsliste des US-Finanzministeriums stehen. Die sogenannte SDN-Liste verbietet im Rahmen der Terrorismusbekämpfung den Finanzverkehr mit den drei Personen. Müller sagte auf Nachfrage, die Vorwürfe gegen seine Gäste, unter anderem die Mitverantwortung für antisemitische Propaganda und der Aufruf zu Selbstmordattentaten, seien «juristisch nicht bestätigt».<ref>Geri Müller holt die Hamas ins Bundeshaus. In: Basler Zeitung. 22. Februar 2012, abgerufen am 14. Januar 2013. Erik Ebneter: </ref><ref>Geri Müller zu seinen «Terror»-Gästen: «Das schadet mir nicht». In: Aargauer Zeitung. 23. Dezember 2012, abgerufen am 15. Januar 2013. Hans Lüthi: </ref> Obwohl Geri Müller von diesen Vorwürfen wusste, lud er seine Gäste ins Bundeshaus ein.<ref name="soz">Umstrittenes Treffen mit der Hamas. In: SonntagsZeitung. 23. Dezember 2012, abgerufen am 14. Januar 2013. Petra Wessalowski: </ref>
Weblinks
- Geri Müller auf der Website der Bundesversammlung
- Website von Geri Müller
Einzelnachweise
<references />
Nationalräte: Pascale Bruderer | Max Chopard-Acklin | Esther Egger-Wyss | Corina Eichenberger-Walther | Sylvia Flückiger-Bäni | Lieni Füglistaller | Ulrich Giezendanner | Walter Glur | Ruth Humbel Näf | Hans Killer | Geri Müller | Philipp Müller | Luzi Stamm | Doris Stump | Markus Zemp
Ständeräte: Christine Egerszegi-Obrist | Maximilian Reimann
Liste der Mitglieder des Schweizer Nationalrats in der 48. Legislaturperiode | Liste der Mitglieder des Schweizer Ständerats in der 48. Legislaturperiode
Nationalräte: Max Chopard-Acklin | Corina Eichenberger-Walther | Yvonne Feri | Beat Flach | Sylvia Flückiger-Bäni | Bernhard Guhl | Ulrich Giezendanner | Ruth Humbel Näf | Hans Killer | Hansjörg Knecht | Geri Müller | Philipp Müller | Maximilian Reimann | Luzi Stamm | Cédric Wermuth
Ständeräte: Pascale Bruderer | Christine Egerszegi-Obrist
Liste der Mitglieder des Schweizer Nationalrats in der 49. Legislaturperiode | Liste der Mitglieder des Schweizer Ständerats in der 49. Legislaturperiode
Personendaten | |
---|---|
NAME | Müller, Geri |
ALTERNATIVNAMEN | Müller Behrens, Gerhard Hermann (wirklicher Name) |
KURZBESCHREIBUNG | Schweizer Politiker (Grüne) |
GEBURTSDATUM | 27. Oktober 1960 |
GEBURTSORT | Brugg |