Höhlenbär
Höhlenbär | ||||||||||||
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Höhlenbärskelett in der Schlafstellung in der Sophienhöhle
Höhlenbärskelett in der Schlafstellung in der Sophienhöhle | ||||||||||||
Zeitliches Auftreten | ||||||||||||
Pleistozän | ||||||||||||
400.000 bis etwa 28.000 Jahre | ||||||||||||
Fundorte | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Ursus spelaeus | ||||||||||||
Rosenmüller, 1794 |
Der Höhlenbär (Ursus spelaeus) ist eine ausgestorbene Bärenart der letzten Kaltzeit. Seine Stammform ist vermutlich Ursus deningeri.
Inhaltsverzeichnis
Verbreitung und Aussehen
Der Lebensraum des Höhlenbären war Europa, von Nordspanien bis zum Ural. Seine Kopf-Rumpflänge betrug bis zu 3,5 m, seine Schulterhöhe zirka 1,70 m. Er war somit deutlich größer als der heutige Braunbär. Die Weibchen des Höhlenbären waren, wie bei heutigen Bärenarten, etwas kleiner als die Männchen (Geschlechtsdimorphismus).
Der Höhlenbär hatte kräftige Kiefer, deren Muskeln auf der Oberseite des Kopfes an einem Scheitelkamm ansetzten. Seine großflächigen Zähne weisen jedoch darauf hin, dass er sich als Allesfresser vermutlich hauptsächlich von Pflanzen ernährte. Er war kein typischer Vertreter der Kaltzeiten, weil er infolge seiner Ernährungsgewohnheiten nur bis zur nördlichen Grenze laubtragender Bäume verbreitet war und in einem Tundren- und Kaltsteppenbiotop keine ausreichende Nahrung gefunden hätte.
Fundorte und Aussterben
Wie in vielen anderen Höhlen Europas fanden sich auch in der Zoolithenhöhle bei Burggaillenreuth in der Fränkischen Schweiz seit alters her Knochen („Zoolithen“), die 1771 von Johann Friedrich Esper (1732–1781) näher untersucht und als Knochen von Bären identifiziert wurden, zunächst als die von Eisbären, die die Sintflut hierher geschwemmt habe. Esper beschreibt 1774 diese Funde in einem großformatigen Buch, dem ersten, das sich dem Thema fossiler Knochen allein widmet.<ref>Johann Friedrich Esper: Ausführliche Nachrichten von neuentdeckten Zoolithen unbekannter vierfüßiger Tiere. Georg Wolfgang Knorrs Seel. Erben, Nürnberg 1774. (Faksimileausgabe: Guido Pressler, Wiesbaden 1978; Einführung: Armin Geus)</ref> Erst später wird erkannt, dass es sich nicht um den Eisbären oder Braunbären, sondern um eine größere Bärenart handelt. Die Artbeschreibung in der Nomenklatur von Linné erfolgte erst 1794 durch den Mediziner Johann Christian Rosenmüller in seiner Dissertation anhand eines gut erhaltenen Schädels aus derselben Höhle.<ref>Johann Christian Rosenmüller: Quaedam de ossibus fossilibus animalis cujusdam, historiam ejus et cognitionem accurationem illustrantis (deutsche vom Verfasser selbst herrührende Übersetzung). Dissertation. Leipzig 1795.</ref> Ob der von Rosenmüller beschriebene Schädel sich heute unter den im Museum für Naturkunde in Berlin aufbewahrten, zur Rosenmüllerschen Sammlung gehörenden Schädeln befindet, ist unklar.<ref>Stephan Kempe, Doris Döppes: Cave bear, cave lion and cave hyena skulls from the public collection at the Humboldt Museum in Berlin. In: Acta Carsologica. 38/2–3, 2009, S. 253–264.</ref> Der Höhlenbär ist die erste ausgestorbene Säugetierart, die nach dem Linneischen System beschrieben wurde. Seine Aufstellung als eigene Art war ein Durchbruch für die Säugetierpaläontologie.<ref>Stephan Kempe, Wilfried Rosendahl, Doris Döppes: The making of the cave bear – Die wissenschaftliche Entdeckung des Ursus spelaeus. In: Festschrift G. Rabeder Mitt. Komm. Quartärforsch. Österr. Akad. Wiss. 14, 2005, S. 57–73.</ref><ref>Stephan Kempe, Wilfried Rosendahl, Doris Döppes: The scientific discovery of „Ursus spelaeus“. In: Neue Forschungen zum Höhlenbären in Europa, 11. Internationales Höhlenbär-Symposium, 29. September – 2. Oktober 2005, Naturhistorische Gesellschaft Nürnberg e. V., Abhandlungen. Band 45, 2005, S. 199–214.</ref><ref>Wilfried Rosendahl, Stephan Kempe: Ursus spelaeus ROSENMÜLLER 1794 and not ROSENMÜLLER & HEINROTH – Johann Christian Rosenmüller, his life and the Ursus spelaeus. In: Neue Forschungen zum Höhlenbären in Europa, 11. Internationales Höhlenbär-Symposium, 29. September – 2. Oktober 2005, Naturhistorische Gesellschaft Nürnberg e. V., Abhandlungen. Band 45, 2005, S. 191–198.</ref>
Trotz der massenhaften Ansammlung von Knochen und Zähnen in Höhlen der Frankenalb und der Schwäbischen Alb war der Höhlenbär kein Höhlenbewohner. Die Tiere hielten in den Höhlen lediglich ihre Winterruhe, so dass es auch beim gelegentlichen Tod eines Tiers pro Höhle im Laufe Zehntausender von Jahren der Würmeiszeit zu großen Ansammlungen von Knochen und Zähnen kam. Diese sind im basischen Milieu der devonischen, permischen oder jurassischen Kalke in den Karsthöhlen oft bestens erhalten. Da die Knochen der Höhlenbären gelegentlich bis zu 90 Prozent aller Knochen ausmachen, trägt eine Reihe von Höhlen die Namen Bärenhöhle, Bärenloch, Drachenhöhle oder Einhornhöhle.
Aus Einzelknochen verschiedener Individuen zusammengesetzte Höhlenbären-Skelette werden zum Beispiel in der Baumannshöhle bei Rübeland im Harz, der Teufelshöhle bei Pottenstein und der Heinrichshöhle in Hemer ausgestellt. Das Deutsche Höhlenmuseum im westfälischen Iserlohn-Letmathe besitzt das nahezu komplette Skelett eines in der Dechenhöhle gefundenen Jungtiers. In der Drachenhöhle bei Mixnitz (Steiermark) wurden Knochen von zirka 3000 Individuen freigelegt, deren Alter auf zwischen 30.000–40.000 Jahre bestimmt wurde. Eines der vollständigsten Skelette ist in der Sophienhöhle in Schlafhaltung in einem Bärenbett ausgestellt.
In welchem Ausmaß Höhlenbären von eiszeitlichen Jägern gejagt wurden, ist noch weitgehend unklar. Den einzigen direkten Beweis bildet eine Projektilspitze im Brustwirbel eines Höhlenbären aus dem Hohlen Fels bei Schelklingen. Der Knochen wurde in archäologischen Siedlungsschichten des Gravettien gefunden (Schicht IIcf), die mit 14C-Daten auf etwa 29.000 BP datiert wurde.<ref>Susanne C. Münzel, Nicholas J. Conard: Cave Bear Hunting in the Hohle Fels, a Cave Site in the Ach Valley, Swabian Jura. In: Revue de Paléobiologie. 23(2), 2004, S. 877–885.</ref><ref>Foto und Bericht des Befundes vom Hohlen Fels</ref> Auch in der Höhlenmalerei des prähistorischen Menschen in Südfrankreich wurden Höhlenbären mehrfach dargestellt. Wenngleich der forschungsgeschichtliche Begriff Bärenkult heute als archäologisches Konstrukt gilt, konnten dennoch in einigen Höhlen exponiert aufgestellte Bärenschädel gefunden werden (zum Beispiel in der Chauvet-Höhle).
Derzeit sind jüngste direkte Radiokohlenstoffdaten dieser Bärenart zirka 24.000 BP alt, was nach aktueller Kalibrierung etwa 27.800 Kalenderjahren entspricht. Diese Periode fällt mit einer Abkühlung des Klimas innerhalb des Eiszeitalters zusammen (sog. Greenland-Stadial 3), weshalb als Ursache für das Aussterben Klimaänderungen und ein daraus resultierender Wandel der Vegetation – der Lebensgrundlage der Bären – vermutet werden. Ob die Art im südlichen und östlichen Europa länger überlebte, ist derzeit unklar.<ref>Martina Pacher, Anthony J. Stuart: Extinction chronology and palaeobiology of the cave bear (Ursus spelaeus). In: Boreas. Volume 38 Issue 2, 2009, S. 189–206. Online-Abstract</ref>
Der Höhlenbär starb damit schon vor dem eigentlichen Phänomen der Quartären Aussterbewelle am Ende der Weichsel- bzw. Würmeiszeit aus. Auch der Cro-Magnon-Mensch des Jungpaläolithikums als Verursacher einer starken Dezimierung wird diskutiert (Overkill-Hypothese).
Genetische Analyse
Aus einem 32.000 Jahre alten, in der Chauvet-Höhle entdeckten Brustbein wurde von französischen Forschern mitochondriale DNA gewonnen und mit der mitochondrialen DNA eines Braunbären aus den Pyrenäen verglichen. Den Ergebnissen dieser 2008 publizierten Studie zufolge sind die Höhlenbären eng verwandt mit den Eisbären und den Braunbären; die drei Arten stammen demzufolge von einem gemeinsamen Vorfahren ab.<ref>Céline Bon u. a.: Deciphering the complete mitochondrial genome and phylogeny of the extinct cave bear in the Paleolithic painted cave of Chauvet. In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA. (PNAS), 2008. doi:10.1073/pnas.0806143105</ref> Alle anderen heute lebenden Bärenarten stammen von einem anderen Ast des Bärenstammbaums ab.
Innerhalb der Höhlenbärenlinie lassen sich im Spätpleistozän drei genetisch deutlich verschiedene Formen fassen, die bisweilen als eigenständige Arten betrachtet werden. Die Formen im Westen Europas werden in der Regel mit der nominalen Art Ursus spelaeus gleichgesetzt, während die Höhlenbären Osteuropas als Ursus ingressus bezeichnet werden. Das Grenzgebiet zwischen beiden Formen bildet der Alpenraum. Eine dritte Form ist aus dem Kaukasus bekannt. Diese unterscheiden sich genetisch besonders stark von übrigen Höhlenbären und werden als Ursus deningeri kudarensis bezeichnet. Erst in der jüngeren Vergangenheit wurden auch Höhlenbärenreste aus Nord- und Zentralasien bekannt. Ein Fund aus Nordsibirien wurde durch DNA-Analysen als naher Verwandter des Kaukasischen Höhlenbären identifiziert. Erstaunlicherweise erwiesen sich Höhlenbären aus dem Altaigebirge als enge Verwandte des Westeuropäischen Höhlenbären.<ref>M. Knapp, N. Rohland, J. Weinstock, G. Baryshnikov, A. Sher, D. Nagel, G. Rabeder, R. Pinhasi, H. A. Schmidt, M. Hofreiter: First DNA sequences from Asian cave bear fossils reveal deep divergences and complex phylogeographic patterns. In: Molecular ecology. vol. 18, Mar. 2009, S. 1225–1238.</ref>
Literatur
- Ernst Probst: Der Höhlenbär. Diplomica Verlag, Hamburg 2015, ISBN 978-3-95934-561-3.
- Gernot Rabeder, Doris Nagel, Martina Pacher: Der Höhlenbär. Jan Thorbecke Verlag, Stuttgart 2000, ISBN 3-7995-9085-4.
Weblinks
Einzelnachweise
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