HIV
Humanes Immundefizienz-Virus | ||||||||||
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HI-Viren im TEM | ||||||||||
Systematik | ||||||||||
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Taxonomische Merkmale | ||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||
Human immunodeficiency virus (engl.) | ||||||||||
Taxon-Kurzbezeichnung | ||||||||||
HIV-1, HIV-2 | ||||||||||
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Das Humane Immundefizienz-Virus (englisch human immunodeficiency virus), zumeist abgekürzt als HIV oder auch bezeichnet als Menschliches Immunschwäche-Virus oder Menschliches Immundefekt-Virus, ist ein behülltes Virus, das zur Familie der Retroviren und zur Gattung der Lentiviren gehört. Eine unbehandelte HIV-Infektion führt nach einer unterschiedlich langen, meist mehrjährigen symptomfreien Latenzphase in der Regel zu AIDS (engl. acquired immunodeficiency syndrome‚ erworbenes Immundefizienzsyndrom‘).
Die Verbreitung von HIV hat sich seit Anfang der 1980er Jahre zu einer Pandemie entwickelt, die nach Schätzungen der Organisation UNAIDS bisher etwa 39 Millionen Leben gefordert hat. Ende 2013 waren geschätzt 35 Millionen Menschen weltweit mit HIV infiziert, wobei die Verteilung auf beide Geschlechter in etwa gleich ist. Im Jahr 2013 starben ungefähr 1,5 Millionen Menschen weltweit an den Folgen einer HIV-Infektion. Die Zahl der Neuinfektionen sinkt seit 1997 stetig und lag 2013 bei 2,1 Millionen Menschen. Auch die Zahl der AIDS-Toten ist seit dem Jahr 2005 rückläufig.<ref>UNAIDS: Fact Sheet 2014. UNAIDS, Juli 2014, abgerufen am 6. April 2015 (PDF; 293 kB, english). </ref><ref>World AIDS Day report 2011. UNAIDS, abgerufen am 2. September 2012 (PDF; 618 kB, english). </ref> In Deutschland leben gemäß Schätzungen des Robert-Koch-Instituts etwa 80.000 Menschen mit HIV, davon ca. 15.000 Frauen und 200 Kinder. Im Jahr 2013 kam es zu rund 3200 neuen HIV-Infektionen. Seit Beginn der Epidemie sind in Deutschland etwa 28.000 Menschen an den Folgen einer HIV-Infektion verstorben.<ref name="rki2013">Epidemiologische Kurzinformation: HIV/AIDS in Deutschland - Eckdaten der Schätzung (PDF; 141 kB), Informationsblatt des Robert-Koch-Instituts, Stand: Ende 2013</ref> In Österreich lebten 2011 etwa 18.000 infizierte Menschen, davon 5200 Frauen.<ref>UNAIDS: Global Report (2012). UNAIDS, 2013, abgerufen am 13. Juni 2015 (PDF; 1 MB, english). </ref> In der Schweiz lebten 2013 etwa 20.000 HIV-Infizierte, davon 6100 Frauen.<ref>UNAIDS: Switzerland HIV and AIDS estimates (2013). UNAIDS, 2013, abgerufen am 13. Juni 2015 (english). </ref>
Inhaltsverzeichnis
Struktur und Aufbau des HI-Virus
HIV gehört zu den komplexen Retroviren, das heißt, die Viren besitzen neben den kanonischen retroviralen Genen gag, pol und env weitere regulatorische und akzessorische Leseraster, namentlich bei HIV-1 tat, rev, vif, vpu, vpr und nef.
Das Viruspartikel hat einen Durchmesser von etwa 100 bis 120 Nanometer und ist damit für ein Virus überdurchschnittlich groß, jedoch deutlich kleiner als z. B. Erythrozyten (Durchmesser 7500 Nanometer). Umgeben ist HIV von einer Lipiddoppelschicht, die bei der Knospung von der menschlichen Wirtszelle abgetrennt wurde. Dementsprechend befinden sich verschiedene Membranproteine der Wirtszelle in der Virushülle. Ebenfalls eingebettet in diese Hülle sind pro Virion etwa 10 bis 15 sogenannte Spikes (dt. Dornen), ca. zehn Nanometer große env-Glykoproteinkomplexe; die Dichte der Spikes ist somit recht niedrig, hätten doch 73±25 dieser Fortsätze auf der Oberfläche eines HIV-Partikels Platz. Ein HIV-Spike besteht aus zwei Untereinheiten: Je drei Moleküle des externen Oberflächen-(engl. surface)-Glykoproteins gp120 sind nicht-kovalent an drei Moleküle des transmembranen Hüll-(engl. envelope)-Glykoproteins gp41 gebunden.<ref name="PMID_16728975">P. Zhu et al.: Distribution and three-dimensional structure of AIDS virus envelope spikes. In: Nature. 441, Nr. 7095, 2006, S. 847–852. PMID 16728975.</ref><ref name="PMID_17395457">K. H. Roux, K. A. Taylor: AIDS virus envelope spike structure. In: Curr Opin Struct Biol. 17, Nr. 2, 2007, S. 244–252. PMID 17395457.</ref><ref name="PMID_18668044">J. Liu et al.: Molecular architecture of native HIV-1 gp120 trimers. In: Nature. 455, Nr. 7209, 2008, S. 109–113. PMID 18668044.</ref><ref name="PMID9108481">D. C. Chan, D. Fass u. a.: Core structure of gp41 from the HIV envelope glycoprotein. In: Cell. Band 89, Nummer 2, April 1997, S. 263–273, ISSN 0092-8674. PMID 9108481. </ref> Gp120 ist für die Bindung des Virus an die CD4-Rezeptoren der Zielzellen von entscheidender Bedeutung. Da die Hülle des HI-Virus aus der Membran der Wirtszelle entsteht, befinden sich in ihr ebenfalls verschiedene Proteine der Wirtszelle, zum Beispiel HLA Klasse I und II Moleküle sowie Adhäsionsproteine.
Mit der Innenseite der Membran sind die durch gag codierten Matrixproteine p17 assoziiert. Im Inneren des Virions findet sich das Viruskapsid, das aus den durch gag codierten Kapsidproteinen aufgebaut ist. Das Kapsidprotein p24 kann als Antigen in HIV-Tests der vierten Generation nachgewiesen werden. Im Kapsid findet sich, an die durch gag codierten Nukleokapsidproteine assoziiert, das virale Genom (9,2 kb) in Form zweier Kopien der einzelsträngigen RNA. Die Nukleokapsidproteine haben die Aufgabe die RNA nach Eindringen in die Wirtszelle vor Degradierung zu schützen. Ebenso befinden sich im Kapsid die Enzyme reverse Transkriptase (RT), Integrase sowie einige der akzessorischen Proteine. Die Protease ist maßgeblich beteiligt an der Partikelbildung und findet sich daher im gesamten Viruspartikel.
Geschichte
HIV ist die vom International Committee on Taxonomy of Viruses 1986 empfohlene Bezeichnung. Es ersetzt die ehemaligen Benennungen wie Lymphadenopathie-assoziiertes Virus (LAV), humanes T-Zell-Leukämie-Virus III (HTLV-III) oder AIDS-assoziiertes Retrovirus (ARV).
HIV Typ 1 wurde 1983 zum ersten Mal von Luc Montagnier und Françoise Barré-Sinoussi vom Institut Pasteur in Paris beschrieben.<ref name="PMID6189183">F. Barré-Sinoussi, J. C. Chermann u. a.: Isolation of a T-lymphotropic retrovirus from a patient at risk for acquired immune deficiency syndrome (AIDS). In: Science. Band 220, Nummer 4599, Mai 1983, S. 868–871, ISSN 0036-8075. PMID 6189183.</ref>
In derselben Ausgabe des Journals Science veröffentlichte Robert Gallo, der Leiter des Tumorvirus-Labors am NIH in Bethesda, ebenfalls die Entdeckung eines Virus, das seiner Meinung nach AIDS auslösen könnte.<ref name="PMID6601823">R. C. Gallo, P. S. Sarin u. a.: Isolation of human T-cell leukemia virus in acquired immune deficiency syndrome (AIDS). In: Science. Band 220, Nummer 4599, Mai 1983, S. 865–867, ISSN 0036-8075. PMID 6601823.</ref> Er beschrieb in dieser Veröffentlichung jedoch die Isolierung von Humanen T-Zell-Leukämie-Viren Typ I (HTLV-1; kurze Zeit später auch von HTLV-2) bei AIDS-Patienten, die in seinen Proben zufällig neben dem HI-Virus vorlagen, und isolierte erst etwa ein Jahr später auch das HI-Virus. In einer Pressekonferenz mit der damaligen Gesundheitsministerin der Vereinigten Staaten, Margaret Heckler, gab er am 23. April 1984 öffentlich bekannt, dass AIDS durch ein Virus ausgelöst werde, das er entdeckt habe.<ref>ORF: Als Robert Gallo das HI-Virus nicht entdeckte, April 2009</ref>
Sowohl Montagnier wie auch Gallo beanspruchten jeweils die Erstentdeckung für sich. Daraufhin folgte ein jahrelanger Rechtsstreit, bei dem es auch um das Patent für den neu entwickelten HIV-Test ging. 1986 wurde HIV-2 entdeckt.
Die beiden Forscher Françoise Barré-Sinoussi und Luc Montagnier wurden 2008 für die Entdeckung des HI-Virus mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet.<ref>The Nobel Prize in Physiology or Medicine 2008. In: Internet-Seiten des Nobelpreises. The Nobel Foundation, abgerufen am 18. Dezember 2008 (englisch). </ref> Die Tatsache, dass Gallo dabei nicht berücksichtigt wurde, stieß zum Teil auf Kritik in der Virologen-Gemeinde.<ref name="PMID18845715">J. Cohen, M. Enserink: Nobel Prize in Physiology or Medicine. HIV, HPV researchers honored, but one scientist is left out. In: Science. Band 322, Nummer 5899, Oktober 2008, S. 174–175, ISSN 1095-9203. doi:10.1126/science.322.5899.174. PMID 18845715.</ref><ref name="PMID18946912">S. Pincock: HIV discoverers awarded Nobel Prize for medicine. In: Lancet. Band 372, Nummer 9647, Oktober 2008, S. 1373, ISSN 1474-547X. PMID 18946912. </ref><ref name="PMID18989265">C. Ballantyne: Nobel decision stirs viral dismay. In: Nature medicine. Band 14, Nummer 11, November 2008, S. 1132, ISSN 1546-170X. doi:10.1038/nm1108-1132b. PMID 18989265. </ref>
Im Mai 2005 gelang einem internationalen Forscherteam erstmals der Nachweis, dass der Ursprung von HIV beim Affen liegt. Das Forscherteam nahm dazu in der Wildnis des zentralafrikanischen Kamerun 446 Kotproben freilebender Schimpansen. Etliche Proben wiesen Antikörper gegen Simianes Immundefizienz-Virus (kurz SIV; engl. Simian Immunodeficiency Virus) auf, die Schimpansenversion des HI-Virus, wie das Team im US-Fachjournal Science veröffentlichte. Zwölf Proben waren fast identisch mit dem HIV-1 bei Menschen. Das Team betonte, dass die Antikörper zuvor nur bei Schimpansen in Gefangenschaft nachgewiesen wurden. Ursprüngliche Quelle des HI-Virus sind die Schimpansen jedoch nicht. Sie sollen sich im westlichen Zentralafrika mit SIV oder einem Vorläufer dieses Virus’ bei anderen Affenarten infiziert haben. Etwa im 20. Jahrhundert infizierten sich erstmals Menschen mit dem SIV, das anschließend in deren Organismen zum AIDS verursachenden HIV mutierte. Damit hat das Virus bereits mindestens zweimal die Artengrenze übersprungen, nämlich vom Affen zum Menschenaffen und anschließend zum Menschen. Wie das Virus auf den Menschen übertragen wurde, ist unklar. Man geht davon aus, dass Jäger, die Affen gejagt und verspeist haben, mit dem Virus erstmals infiziert wurden.
Eine andere These war, dass ein Impfstoff gegen Poliomyelitis (Kinderlähmung) im Jahre 1959 durch Affen, die das Virus trugen, verunreinigt worden sei. Nach dieser These wurden im ehemaligen Belgisch-Kongo Schimpansennieren zur Vermehrung des Impfstoffes verwendet und anschließend Hunderttausende Menschen durch eine Schluckimpfung geimpft, wodurch SIV auf den Menschen übertragen worden und zum HIV mutiert sei.<ref>Edward Hooper: Aids and the Polio Vaccine. In: London Review of Books. Bd. 25, Nr. 7, 2003.</ref><ref>Edward Hooper: Untruths, misrepresentations and spin: the dubious methods and tactics used by Stanley Plotkin's group in the “Origins of AIDS” debate. Auf: uow.edu.au von 2004, zuletzt abgerufen am 28. Oktober 2014.</ref><ref>AIDS Origins. Auf: aidsorigins.com - Website von Edward Hooper, zuletzt abgerufen am 28. Oktober 2014.</ref> Allerdings zeigte eine Analyse der Mutationen, dass mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit der Ursprung des Stammes HIV-1 vor das Jahr 1930 zu datieren ist.<ref name="Korber">B. Korber, M. Muldoon, J. Theiler et al.: Timing the origin of the HIV-1 pandemic. In: Programs and abstracts of the 7th Conference on Retroviruses and Opportunistic Infections. Abstract L5, 30. Januar–2. Februar 2000</ref> Im Februar 2000 wurde eine Probe der verteilten Schluckimpfungen gefunden und untersucht. In dieser zeigten sich weder Spuren von HIV noch von SIV.<ref name="DOI10.1038/35074171">Philippe Blancou, Jean-Pierre Vartanian u. a.: Polio vaccine samples not linked to AIDS. In: Nature. 410, , S. 1045–1046, doi:10.1038/35074171.</ref>
Der älteste anhand von Blutproben gesicherte Nachweis einer HIV-Infektion stammt aus Belgisch-Kongo und aus dem Jahr 1959.<ref name="faz-13189048">Jörg Albrecht, Volker Stollorz: Impfen ohne Grenzen. In: FAZ.net. 6. Oktober 2014, abgerufen am 27. Dezember 2014. </ref><ref name="PMID9468138">T. Zhu, B. T. Korber u. a.: An African HIV-1 sequence from 1959 and implications for the origin of the epidemic. In: Nature. Band 391, Nummer 6667, Februar 1998, S. 594–597, ISSN 0028-0836. doi:10.1038/35400. PMID 9468138.</ref> In der Erstveröffentlichung zu dieser Serumprobe wurde allerdings angegeben, dass die Herkunft der Probe nicht sicher geklärt sei.<ref name="PMID_2872424">A. J. Nahmias, J. Weiss, X. Yao et al.: Evidence for human infection with an HTLV III/LAV-like virus in Central Africa, 1959.. In: The Lancet. 327, Nr. 8492, Juni 1986, S. 1279–1280. doi:10.1016/S0140-6736(86)91422-4.</ref> Eine fast gleich alte DNA-Paraffin-Probe aus dem Jahre 1960, die ebenfalls aus Belgisch-Kongo stammt, unterscheidet sich genetisch deutlich von der ersten Probe, was darauf hindeutet, dass HIV schon lange vor 1960 in Afrika präsent war.<ref name="PMID_18833279">Michael Worobey et al.: Direct evidence of extensive diversity of HIV-1 in Kinshasa by 1960.. In: Nature. 455, Oktober 2008, S. 661–664. doi:10.1038/nature07390.</ref> Mittels statistischer Analysen (sogenannte molekulare Uhr) lässt sich das Zeitfenster für das Erstauftreten mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Jahre zwischen 1902 und 1921 eingrenzen.<ref>Der Werdegang des HI-Virus. Bild der Wissenschaft, 27. Juni 2008, abgerufen am 14. Juli 2014. </ref><ref name="PMID_18833279" /> Um 1966 soll das Virus von Afrika nach Haiti und von dort aus 1969 in die USA gelangt sein.
Einteilung und Systematik
Es sind bisher zwei verschiedene Arten von HI-Viren bekannt, die als HIV-1 und HIV-2 bezeichnet werden. Die Homologie zwischen HIV-1 und HIV-2 beträgt auf Aminosäuresequenzebene nur etwa 45 bis 50 Prozent. Sie können weiter in Subtypen unterteilt werden, die teilweise mit unterschiedlicher Häufigkeit in verschiedenen Regionen der Welt auftreten. In Mitteleuropa ist zum Beispiel der Subtyp B aus der Gruppe M von HIV-1 am häufigsten, besonders unter Homosexuellen und injizierenden Drogenkonsumenten. HIV-1, das insgesamt häufiger ist, und HIV-2 ähneln sich prinzipiell hinsichtlich des klinischen Infektionsverlaufs und der krankmachenden (pathogenen) Eigenschaften, auch wenn die Infektion mit HIV-2 wohl insgesamt langsamer verläuft. Die beiden Stämme sehen unter dem Elektronenmikroskop gleich aus, unterscheiden sich jedoch in der molaren Masse der Proteine und in der Anordnung und Nukleotidsequenz der Gene. HIV-1 und HIV-2 entstanden aus unterschiedlichen Typen der bei bestimmten Affenarten vorkommenden SI-Viren.
HIV-1 ist in vier Gruppen unterteilt, die mit M, N, O und P bezeichnet werden.<ref name="Plantier_2009">J. C. Plantier et al.: A new human immunodeficiency virus derived from gorillas. In: Nat. Med.. 15, Nr. 8, 2009, S. 871–872. PMID 19648927.</ref><ref name="Avert">Introduction to HIV types, groups and subtypes. AIDS charity AVERT. Abgerufen am 23. April 2010.</ref> M steht für major group (engl. für Hauptgruppe) und ist am häufigsten, die O-Gruppe wurde nach outlier (Sonderfall) benannt und das N der Gruppe N steht für new (neu). In die Gruppe M von HIV-1 fallen mehr als 90 Prozent aller HIV-Infektionen und ist verantwortlich für die Infektion von weltweit bisher rund 60 Millionen Menschen (Stand 2010).<ref name="Kirchhoff_2010">F. Kirchhoff: „Optimale“ Anpassung pandemischer HIV-1-Stämme an den Menschen. In: BIOspektrum. 2, 2010, S. 144–148.</ref> Diese Gruppe wird wiederum in neun Subtypen unterteilt, die mit A, B, C, D, F, G, H, J und K bezeichnet werden. Die häufigsten sind die Subtypen B (kommt vor allem in Nordamerika und Europa vor), A und D (vor allem in Afrika) und C (hauptsächlich in Afrika und Asien). Eine Koinfektion mit verschiedenen Subtypen kann dazu führen, dass rekombinante Formen entstehen, die circulating recombinant forms (CRFs) genannt werden. Die Klassifikation der HIV-Stämme ist entsprechend komplex und noch nicht abgeschlossen.
Die HIV-1-Gruppe O scheint bisher fast ausschließlich in Westafrika verbreitet zu sein, während die neu entdeckten Gruppen N- und P-Viren bislang nur bei einigen wenigen Menschen nachgewiesen werden konnten.<ref name="Kirchhoff_2010" />
HIV-1 wurde ursprünglich von SIV-infizierten Schimpansen und Gorillas auf den Menschen übertragen. So konnte für die Gruppen M und N nachgewiesen werden, dass sie aus Schimpansen stammen, während HIV-1 P von Gorillas auf den Menschen übertragen wurde.<ref name="Plantier_2009" /> Ob HIV-1 O ursprünglich aus SIV-infizierten Schimpansen oder Gorillas stammt ist noch nicht abschließend geklärt. Alle vier HIV-1-Gruppen (M, N, O und P) sind auf vier unabhängige Zoonosen (d. h. Tier-zu-Mensch-Übertragungen) zurückzuführen, wobei bislang nur die Gruppe M die Ausmaße einer Pandemie angenommen hat.<ref name="Kirchhoff_2010" /><ref name="Hahn_2000">B. H. Hahn et al.: AIDS as a zoonosis: scientific and public health implications. In: Science. 287, Nr. 5453, 2000, S. 607–614. PMID 10649986.</ref> Der Grund für die höhere Infektiösität des HIV-1 M-Stammes beruht unter anderem auf spezifischen Eigenschaften des Virusproteins Vpu der M-Gruppe, mit deren Hilfe gleich zwei Infektionsbarrieren überwunden werden: zum einen wird der antivirale Faktor Tetherin auf humanen Zellen effektiv ausgeschaltet und zum anderen wird der CD4-Rezeptor abgebaut.<ref name="Kirchhoff_2010" /><ref name="Sauter_2009">D. Sauter et al.: Tetherin-driven adaptation of Vpu and Nef function and the evolution of pandemic and nonpandemic HIV-1 strains. In: Cell Host Microbe. 6, Nr. 5, 2009, S. 409–421. PMID 19917496.</ref><ref name="UniUlm">„Optimale“ Anpassung von HIV-1 an den menschlichen Wirt eine Voraussetzung für die effektive Ausbreitung der AIDS Pandemie?. Universität Ulm. Abgerufen am 24. Juni 2010.</ref>
Epidemiologie
Die weltweite HIV-Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) bei Erwachsenen im Alter von 15 bis 49 Jahren lag 2010 bei 0,8 Prozent. Für Zentral- und Westeuropa lag sie bei 0,2 Prozent. Im subsaharischen Afrika (5,0 Prozent) und in der Karibik (0,9 Prozent) war sie überdurchschnittlich hoch. In einzelnen Staaten, wie zum Beispiel Swasiland, Botswana oder Lesotho sind etwa ein Viertel der 15- bis 49-Jährigen mit dem HI-Virus infiziert. Stark unterdurchschnittlich war die HIV-Prävalenz im Jahr 2010 in den Regionen Ostasien (0,1 Prozent) sowie in Nordafrika und dem Mittleren Osten (0,2 Prozent).<ref>. Auf: unaids.org (Volltext als PDF-Datei).</ref>
Nach aktuellen Schätzungen des Robert-Koch-Instituts lebten in Deutschland Ende 2013 ca. 80.000 Menschen mit HIV/AIDS. Hiervon sind ca. 65.000 Männer und ca. 15.000 Frauen sowie ca. 200 Kinder. Bei 14.000 Personen liegt eine nicht-diagnostizierte HIV-Infektion vor. Etwa 3200 Menschen haben sich in Deutschland im Jahr 2013 neu mit dem Virus angesteckt, davon 2700 Männer. Rund 550 HIV-Infizierte sind 2013 verstorben.<ref name="rki2013" />
Übertragung
Infektionsweg | Risiko pro 10.000 Kontakten</br> mit infektiöser Quelle | In Prozent |
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Parenteral | ||
Bluttransfusion | 9 000 | 90 % |
Drogeninjektion mit gebrauchter Nadel | 67 | 0,67 % |
Nadelstich durch die Haut | 30 | 0,30 % |
Sexuell (ungeschützter Verkehr) | ||
Analverkehr, empfangender Partner | 50 | 0,50 % |
Vaginalverkehr, empfangender Partner | 10 | 0,10 % |
Analverkehr, einführender Partner | 6,5 | 0,065 % |
Vaginalverkehr, einführender Partner | 5 | 0,05 % |
Oralverkehr | gering1 | - |
1 Fälle von HIV-Übertragung durch Oralsex wurden wissenschaftlich dokumentiert, sind jedoch selten. Eine präzise Schätzung des Risikos ist aufgrund der schlechten Datenlage nicht verfügbar. |
Das HI-Virus wird durch Kontakt mit den Körperflüssigkeiten Blut, Sperma (auch Präejakulat), Vaginalsekret sowie Muttermilch und Liquor cerebrospinalis übertragen. Potenzielle Eintrittspforten sind frische, noch blutende Wunden und Schleimhäute (Bindehaut, Vaginal-<ref>HI-Viren durchdringen auch gesunde Schleimhaut der Scheide. In: wissenschaft-aktuell.de. 17. Dezember 2008, abgerufen am 18. Dezember 2008. Cornelia Dick-Pfaff: </ref> und Analschleimhaut) bzw. nicht ausreichend verhornte, leicht verletzliche Stellen der Außenhaut (Eichel, Innenseite der Penisvorhaut, Anus). Als häufigste Infektionswege sind zu nennen der Anal- oder Vaginalverkehr ohne Verwendung von Kondomen und die Benutzung unsteriler Spritzen beim intravenösen Drogenkonsum. Oralverkehr gilt nach jüngeren Studien als weit weniger infektiös, da die gesunde Mundschleimhaut sehr viel widerstandsfähiger ist als andere Schleimhäute.<ref>Oralverkehr ohne Gummi: Wie hoch ist das HIV-Risiko? In: Klinik für Infektiologie/Spitalhygiene, Kantonsspital St. Gallen. 10. Juni 2002, abgerufen am 31. Januar 2014. Pietro Vernazza: </ref> Eine Ansteckung ist bei Oralverkehr dann möglich, wenn Sperma oder Menstruationsblut auf die Mundschleimhaut gelangt. Bei der Aufnahme von Scheidenflüssigkeit ohne Blut reicht die Virenmenge für eine Ansteckung nicht aus. Auch bei Aufnahme des „Lusttropfens“ ist eine HIV-Übertragung nahezu ausgeschlossen.<ref>Risiken beim Sex. Abgerufen am 31. Januar 2014. Deutsche AIDShilfe: </ref> Homosexuelle Männer gelten als Risikogruppe, da Analverkehr bei ihnen stärker verbreitet ist als in der Gruppe der Heterosexuellen. Wie hoch das Risiko beim Geschlechtsverkehr ist, hängt vor allem von der Viruskonzentration in der Samenflüssigkeit und im Scheidensekret sowie von der Viruslast im Blut ab. Diese ist unmittelbar nach der Infektion, bevor sich ausreichend Antikörper gebildet haben, besonders hoch, nimmt dann aber zunächst ab und steigt in späten Stadien der Erkrankung wieder an.<ref>Zahlen zur mittleren Übertragbarkeit von HIV, pro Akt. Abgerufen am 1. Juli 2009. CDC: </ref>
Wie sich bei einer Studie gezeigt hat, ist das Infektionsrisiko für beschnittene Männer etwas geringer. Die Beschneidung hinterlässt, nach der gängigsten Annahme, durch die Entfernung der Vorhaut eine geringere Angriffsfläche für das Virus,<ref>Beschneidung schützt vor HIV. In: Internet-Seiten von Bild der Wissenschaft. 26. März 2004, abgerufen am 18. Dezember 2008. Cornelia Pfaff: </ref> wobei bereits im Originalartikel die Rede davon ist, dass es auch an einem weniger ausgeprägten Risikoverhalten der Zielgruppe liegen könnte.<ref>Male circumcision and risk of HIV-1 and other sexually transmitted infections in India. In: Internet-Seiten von The Lancet. 27. März 2004, abgerufen am 5. Dezember 2011. Robert C. Bollinger: </ref> Aus diesem Grund empfahl die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 2007 ihren Mitgliedsländern die Beschneidung als Präventivmaßnahme zur Eindämmung von AIDS, wofür sie allerdings von Experten kritisiert wurde. In der Tat gibt es bisher nur sehr wenige Studien, die die Vorteilhaftigkeit einer Beschneidung zeigen konnten. Diese Studien beruhen z. T. auf einer sehr kleinen Stichprobe. Die durch die Empfehlung der WHO mittlerweile weit verbreitete Ansicht, eine Beschneidung könne das Ansteckungsrisiko wirksam verringern, darf daher zumindest angezweifelt werden. Vielmehr wird befürchtet, dass sich beschnittene Männer in einer trügerischen Sicherheit wähnen und ein höheres Risiko eingehen.<ref>Kann eine Beschneidung das HIV-Infektionsrisiko senken? HIV-Übertragung - Häufige Fragen. Auf: gib-aids-keine-chance.de ; zuletzt abgerufen am 15. Januar 2015.</ref>
Bluttransfusionen sind ebenfalls eine mögliche Infektionsquelle: Das Infektionsrisiko für den Empfänger bei einer Transfusion mit HIV-kontaminiertem Blut wird auf 90 % geschätzt.<ref name="Hilgartner_1991">Hilgartner, M.: AIDS in the transfusion recipient. In: Pediatr Clin North Am. 38, Nr. 1, 1991, S. 121–131. PMID 1987513.</ref> So kam es Anfang der 1980er Jahre in vielen Ländern zu verschiedenen Blutskandalen. Diese Ansteckungsmöglichkeit hat heute in Deutschland wegen der 1985 eingeführten Routine-Untersuchungen auf HIV-Antikörper der Blutspender allerdings kaum noch Bedeutung.<ref name="tagesspiegel-2-format530.jpg">Wie sicher sind deutsche Kliniken? In: tagesspiegel.de. 29. Februar 2008, abgerufen am Dezember 2014. Irja Most: </ref> Da zwischen der Ansteckung des Spenders und der Nachweisbarkeit von Antikörpern im HIV-Test in Einzelfällen bis zu drei Monate verstreichen können (diagnostische Lücke), werden seit Anfang 2002 zwingend alle deutschen Blutspenden auch mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) auf die Anwesenheit des Virus getestet.
Das Risiko der Infektion eines Kindes durch eine HIV-infizierte Mutter während der Schwangerschaft oder Geburt ohne Behandlung wird auf 15 bis 30 % geschätzt. Eine Übertragung des Virus beim Stillen ist ebenfalls möglich.<ref>Deutsch-Österreichische Empfehlungen zur HIV-Therapie in der Schwangerschaft und bei HIV-exponierten Neugeborenen, September 2008[2]</ref> Bei bekannter HIV-Infektion der Mutter kann das Risiko einer Übertragung auf das Kind durch die Gabe antiretroviraler Medikamente (an die Mutter vor und das Kind nach der Geburt), die Geburt durch Kaiserschnitt und den Verzicht auf das Stillen des Kindes auf unter ein Prozent vermindert werden.<ref name="RKIRatgeber">RKI Ratgeber für Ärzte: HIV/AIDS. Robert-Koch-Institut, März 2011, abgerufen am 30. Januar 2014. </ref>
Die sogenannte CHAT-Survey-Studie<ref>CHAT-Survey-Studie</ref> des schweizerischen Bundesamtes für Gesundheitswesen (BAG) – eine Nachbefragung von Menschen, die im Verlauf eines Jahres positive HIV-Tests erhielten – ergab, dass 49 % aller Neuinfizierten die Infektion von ihrem festen Sexualpartner erhielten; 38 % wurden von einem zwar bekannten, aber nicht festen Gelegenheitspartner infiziert. 10 % der neuinfizierten Personen wussten schon vorher, dass ihr Partner HIV-positiv ist. Hat sich jemand von seinem bereits infizierten Partner absichtlich anstecken lassen, spricht man vom sogenannten Pozzen. Nur 13 % der Heterosexuellen steckten sich bei anonymen sexuellen Begegnungen an. Bei Homosexuellen spielten die Infektionen durch feste Partner eine geringere Rolle – anonyme Sexualkontakte machten 26 % der Infektionen aus.<ref>Viele holen sich beim Partner HIV. In: Tages-Anzeiger. 2. Mai 2006, archiviert vom Original am 30. Mai 2011, abgerufen am 18. Dezember 2008. Andrea Fischer: </ref>
Eine Möglichkeit, sich durch Zungenküsse anzustecken, besteht nur dann, wenn blutende Wunden, beispielsweise Verletzungen des Zahnfleisches, im Mund vorhanden sind. Die HIV-Konzentration in Tränen, Schweiß und Speichel reicht für eine Ansteckung nach heutigem Erkenntnisstand nicht aus. Außerdem lässt die AIDS-Epidemiologie eine Infektion durch Insektenstiche oder durch Tröpfcheninfektion äußerst unwahrscheinlich erscheinen.
Menschen, die einer akuten Ansteckungsgefahr ausgesetzt waren, sollten möglichst bald (idealerweise innerhalb von zwei Stunden) einen Arzt aufsuchen, um sich beraten zu lassen und gegebenenfalls eine Postexpositionelle Prophylaxe (PEP) durchzuführen. Nach Ablauf von 48 bzw. 72 Stunden wird eine medikamentöse PEP nicht mehr als sinnvoll erachtet.
Hinsichtlich der Infektionswahrscheinlichkeiten siehe ausführlich unter AIDS.
Vermehrungszyklus des HIV
Follikuläre T-Helferzellen als HIV-Reservoir
Zur Vermehrung benötigt das Virus Wirtszellen, die den CD4-Rezeptor auf der Oberfläche tragen. Dies sind vor allem CD4-tragende T-Helferzellen (CD4+-Zellen). Als hauptsächliches Reservoir für die Humanen-Immundefizienz-Viren dienen die follikulären T-Helferzellen in den Lymphfollikeln des Körpers, die rund 2 % der CD4+-Zellen ausmachen.<ref>Forscher entdecken lange gesuchtes Versteck des HI-Virus. Der Standard, 18. Dezember 2012, abgerufen am 19. Dezember 2012. </ref><ref>Giuseppe Pantaleo et al.: Follicular helper T cells serve as the major CD4 T cell compartment for HIV-1 infection, replication, and production. Journal of Experimental Medicine, abgerufen am 19. Dezember 2012 (english). </ref> T-Helferzellen unterstützen andere Weiße Blutzellen bei immunbiologischen Prozessen, wie der Reifung der B-Lymphozyten zu Plasma- und Gedächtniszellen oder der Aktivierung zytotoxischer T-Lymphozyten und Makrophagen. Neben T-Lymphozyten besitzen auch Monozyten, Makrophagen und dendritische Zellen CD4-Rezeptoren. Latent infizierte, ruhende CD4+-T-Zellen (T-Gedächtniszellen) stellen langlebige Reservoire für HIV dar und sind sehr wahrscheinlich der Grund, dass HIV trotz wirksamer antiretroviraler Medikamente bisher nicht eradiziert werden kann und es nach Absetzen der Therapie immer wieder zu Rezidiven kommt.<ref name="DOI10.1038/nm.3445">M. J. Buzon, H. Sun u. a.: HIV-1 persistence in CD4+ T cells with stem cell-like properties. In: Nature medicine. Band 20, Nummer 2, Februar 2014, S. 139–142, ISSN 1546-170X. doi:10.1038/nm.3445. PMID 24412925. PMC 3959167 (freier Volltext).</ref><ref>J. B. Dinoso, S. Y. Kim, A. M. Wiegand: Treatment intensification does not reduce residual HIV-1 viremia in patients on highly active antiretroviral therapy. In: PNAS. 106, Nr. 23, Juni 2009, S. 9403–9408. doi:10.1073/pnas.0903107106..</ref><ref>S. R. Lewin, C. Rouzioux: HIV cure and eradication: how will we get from the laboratory to effective clinical trials?. In: AIDS. 25, Nr. 7, April 2011, S. 885–897. doi:10.1097/QAD.0b013e3283467041..</ref>
Fusion mit der Wirtszelle
Um mit der Zellmembran der Wirtszelle verschmelzen zu können, binden die Oberflächenproteine gp120 an die CD4-Rezeptoren. Durch die Bindung kommt es zu einer Konformationsänderung im Transmembranprotein gp41, ein Mechanismus, der einer „Schnappfeder“ oder einer „Mausefalle“ ähnelt. Der Wirkstoff des HIV-Medikaments Enfuvirtid bzw. T20 ist ein Peptid, das die Konformationsänderung blockiert und somit die Anheftung des Virus erschwert (siehe unten).
Neben den CD4-Rezeptoren sind weitere Co-Rezeptoren an der Bindung des HI-Virus an weißen Blutzellen beteiligt:<ref name="PMID8649511">H. Deng, R. Liu u. a.: Identification of a major co-receptor for primary isolates of HIV-1. In: Nature. Band 381, Nummer 6584, Juni 1996, S. 661–666, ISSN 0028-0836. doi:10.1038/381661a0. PMID 8649511.</ref> Die Chemokin-Rezeptoren CCR5 an monozytären Zellen und CXCR4 an T-Zellen sind an der Bindung beteiligt.<ref name="PMID9634238">Y. R. Zou, A. H. Kottmann u. a.: Function of the chemokine receptor CXCR4 in haematopoiesis and in cerebellar development. In: Nature. Band 393, Nummer 6685, Juni 1998, S. 595–599, ISSN 0028-0836. doi:10.1038/31269. PMID 9634238.</ref> <ref>Y. R. Zou, et al.: Function of the chemokine receptor CXCR4 in haematopoiesis and in cerebellar development. In: Nature. Bd. 393, Nr. 6685, 1998, S. 595–599, PMID 9634238.</ref> Die unterschiedliche Ausprägung dieser Rezeptoren beeinflusst die Ansteckungswahrscheinlichkeit und den Verlauf der HIV-Infektion.<ref name="PMID9430590">C. Winkler, W. Modi u. a.: Genetic restriction of AIDS pathogenesis by an SDF-1 chemokine gene variant. ALIVE Study, Hemophilia Growth and Development Study (HGDS), Multicenter AIDS Cohort Study (MACS), Multicenter Hemophilia Cohort Study (MHCS), San Francisco City Cohort (SFCC) In: Science (New York, N.Y.). Band 279, Nummer 5349, Januar 1998, S. 389–393, ISSN 0036-8075. PMID 9430590.</ref> Moleküle, die die CCR5-Rezeptoren blockieren sollen, wurden getestet.<ref name="PMID9334378">D. Schols, S. Struyf u. a.: Inhibition of T-tropic HIV strains by selective antagonization of the chemokine receptor CXCR4. In: The Journal of experimental medicine. Band 186, Nummer 8, Oktober 1997, S. 1383–1388, ISSN 0022-1007. PMID 9334378. PMC 2199084 (freier Volltext).</ref><ref name="PMID9334379">T. Murakami, T. Nakajima u. a.: A small molecule CXCR4 inhibitor that blocks T cell line-tropic HIV-1 infection. In: The Journal of experimental medicine. Band 186, Nummer 8, Oktober 1997, S. 1389–1393, ISSN 0022-1007. PMID 9334379. PMC 2199089 (freier Volltext).</ref> Derzeit ist der CCR5-Rezeptorblocker Maraviroc seit September 2007 zugelassen.<ref>Deutsche AIDS-Hilfe e. V.: Antiretrovirale Medikamente (gegen HIV) auf einen Blick. Stand 30. Mai 2008 Volltext als PDF-Datei (Memento vom 6. November 2011 im Internet Archive)</ref> Die Zulassung ist jedoch unter folgenden Einschränkungen erfolgt: „Einsatz nur beim Nachweis von Viren, die ausschließlich über den CCR5-Rezeptor in die Zelle eintreten; vor Einsatz des Medikaments ist daher ein Test (Blutabnahme) erforderlich. Nicht für die Ersttherapie zugelassen.“
Ebenso sind Menschen, die homozygot die sogenannte Delta-32-Mutation des CCR5-Co-Rezeptor-Gens aufweisen, schwerer mit HIV infizierbar. Dies trifft auf etwa ein Prozent der Bevölkerung in Europa zu. In geringerem Maße trifft dies auch auf Mutationen des CCR2-Gens zu. Menschen mit HLA B27/B57 (siehe Human Leukocyte Antigen) zeigen einen langsameren Verlauf der Erkrankung.
Einbau des HI-Virus-Genoms in die Wirtszelle
Das HIV baut zur Vermehrung seine Erbsubstanz, die bei ihm in Form eines RNA-Genoms vorliegt, nach der so genannten reversen Transkription in die doppelsträngige DNA des Genoms der Wirtszelle ein. Die Umwandlung von viraler RNA in provirale DNA im Cytoplasma der Wirtszelle durch das Enzym Reverse Transkriptase ist ein entscheidender Schritt im Reproduktionszyklus der Retroviren. Da die Reverse Transkriptase von Retro- und Hepadnaviren sich stark von anderen reversen Transkriptasen wie der humanen Telomerase unterscheidet, stellt sie ein wichtiges Ziel therapeutischer Intervention dar und ist Ansatzpunkt zweier pharmakologischer Wirkstoffklassen.
Nach reverser Transkription und Transport in den Zellkern schließt sich die Integration des Virus-Genoms in das menschliche Erbgut durch ein weiteres virales Enzym, die Integrase, an. In neueren Arbeiten wurde gezeigt, dass die virale DNA schon vor der Integration abgelesen wird und virale Proteine gebildet werden. Demnach liegt die HIV-DNA als integrierte und nicht-integrierte Form vor. Auch existieren zirkuläre Formen von HIV-DNA.
Das nun als integriertes Provirus vorliegende virale Genom zeigt einen charakteristischen Aufbau, wobei die codierenden Bereiche auf beiden Seiten von identischen regulatorischen Sequenzen, die im Verlauf der reversen Transkription generiert wurden, den sogenannten LTRs, flankiert sind. Der Promotor, unter dessen Kontrolle die Transkription der verschiedenen mRNAs erfolgt, liegt im Bereich des LTR und wird durch das virale Protein Tat aktiviert. Eine ungespleißte RNA dient als virales Genom für die nächste Generation von HI-Viren sowie als mRNA für die Translation eines gag- sowie mittels einer in einem von 20 Fällen vorkommenden Verschiebung des Leserasters eines gag-pro-pol-Vorläuferproteins. Gespleißte RNAs codieren für env sowie die ebenfalls im 3'-Bereich befindlichen weiteren Proteine.
Im weiteren Verlauf folgt die Morphogenese, das heißt, über verschiedene Interaktionen finden die viralen Bestandteile wie gag-, pro-pol- und env-Vorläuferproteine sowie die RNA zusammen und formen sich zu zunächst unreifen Virionen, die sich von der Plasmamembran abschnüren. Durch weitere Reifungsprozesse entsteht das reife Viruspartikel, bereit für die Infektion der nächsten Zelle. Zu den Reifungsprozessen gehört insbesondere die Spaltung der Vorläuferproteine - teils durch die virale Protease, teils durch zelluläre Enzyme - in ihre einzelnen Bestandteile, also von Gag in Matrix-, Kapsid- und Nukleokapsidprotein, Pol in Protease, Reverse Transkriptase mit RNase H und Integrase sowie Env in Oberflächen- und Transmembraneinheit.
Das Virus in infizierten und ruhenden CD4+-T-Zellen entzieht sich dem Angriff seitens antiviraler Medikamente und des Immunsystems. Zu einer Aktivierung dieser „Immunzellen“ kommt es nach Antigenkontakt, zum Beispiel im Rahmen gewöhnlicher oder einer opportunistischen Infektion. Während die Zelle eigentlich gegen einen anderen Krankheitserreger vorgehen will, beginnt sie stattdessen Virusproteine zu produzieren und neue Viren freizusetzen. Diese infizieren dann wiederum andere Zellen.
Was das HI-Virus so außergewöhnlich überlebensfähig macht, ist seine Wandlungsfähigkeit oder, besser gesagt, seine hohe Evolutionsrate. Von den Influenza-Viren (Grippe) zum Beispiel entwickeln sich in derselben Zeit auf der ganzen Welt nicht einmal halb so viele neue Unterarten wie vom HI-Virus in einem einzelnen infizierten Menschen.
Verlauf der HIV-Infektion
Eine unbehandelte HIV-Infektion verläuft in der Regel in mehreren Stadien. Nach einer Inkubationszeit von etwa drei bis sechs Wochen kommt es nach der Ansteckung meist zu einer akuten HIV-Infektion. Diese ist durch Fieber, starken Nachtschweiß<ref>Armin Schafberger, Holger Sweers: HIV HEUTIGER WISSENSSTAND AIDS. Deutsche AIDS-Hilfe e. V., 2008, S. 7, abgerufen am 10. Januar 2010 (PDF-Datei). </ref>, Abgeschlagenheit, Hautausschläge, orale Ulzerationen oder Arthralgie (Gelenkschmerzen) gekennzeichnet. Wegen der Ähnlichkeit mit grippalen Infektionen bleibt die akute HIV-Infektion meistens unerkannt. Eine frühe Diagnose ist jedoch wichtig: Durch sie können nicht nur weitere Infektionen von Sexualpartnern verhindert werden. Erste Studien an Patienten, die während der akuten HIV-Infektion antiviral behandelt wurden und nach einiger Zeit die Therapie absetzten, zeigten, dass die HIV-spezifische Immunantwort der Patienten gestärkt werden konnte.<ref name="PMID11029005">E. S. Rosenberg, M. Altfeld u. a.: Immune control of HIV-1 after early treatment of acute infection. In: Nature. Band 407, Nummer 6803, September 2000, S. 523–526, ISSN 0028-0836. doi:10.1038/35035103. PMID 11029005.</ref><ref name="PMID11148221">M. Altfeld, E. S. Rosenberg u. a.: Cellular immune responses and viral diversity in individuals treated during acute and early HIV-1 infection. In: The Journal of experimental medicine. Band 193, Nummer 2, Januar 2001, S. 169–180, ISSN 0022-1007. PMID 11148221. PMC 2193337 (freier Volltext).</ref> Die akute Infektion dauert selten mehr als vier Wochen an.
In der folgenden, meist mehrjährigen Latenzphase treten keine gravierenden körperlichen Symptome auf. Veränderte Blutwerte und eine schleichende Lipodystrophie bleiben von den HIV-Infizierten oftmals unbemerkt. Danach kommt es vielfach zu ersten Erkrankungen, die auf ein mittelschwer geschwächtes Immunsystem zurückzuführen sind, jedoch noch nicht als AIDS-definierend gelten (CDC Klassifikation B, siehe AIDS).
Neben den Symptomen durch die Schwächung des Immunsystem, gibt es auch weitere Symptome, wie zum Beispiel Veränderungen in der Struktur des Herzmuskels.<ref>HIV causes structural heart disease. In: escardio.org. 11. Dezember 2013, abgerufen am 27. Dezember 2014. </ref> Zur Strukturveränderung am Herzen kommt es vor allem dann, wenn es nicht gelingt die Viruslast adäquat zu senken.
Zerstörung von CD4-Helferzellen
Im Verlauf einer HIV-Infektion werden unter anderem CD4+-Helferzellen kontinuierlich auf verschiedenen Wegen zerstört, was eine Schwächung des Immunsystems bewirkt. Zum einen können infizierte Wirtszellen auf direktem Wege eliminiert werden. Dies geschieht entweder durch Membranschäden an der Zelle, welche durch Ein-/Austritte der Viren verursacht werden, oder durch proapoptotische Eiweiße der HI-Viren sowie zerstörerische Informationshybride aus RNA und DNA. Zum anderen findet eine indirekte Zerstörung infizierter Zellen statt, welche durch gesunde Zellen des Immunsystems als gefährlich erkannt und von ihnen anschließend ausgeschaltet werden. Weiterhin werden auch nichtinfizierte T-Helferzellen als Kollateralschäden durch einen Kontakt mit Proteinen wie p120 zerstört. Diese Proteine entstehen bei der Vermehrung des HI-Virus in der Blutbahn. Im Anschluss an eine akute HIV-Infektion und nach erfolgter virusspezifischer Immunantwort ist der Körper in der Regel über einige Jahre in der Lage, die Menge der zerstörten Zellen durch die Produktion neuer Zellen zum größten Teil zu ersetzen.
Ausbildung eines Immundefektes
Bleibt die HIV-Infektion unbehandelt, sinkt die Zahl der CD4+Helferzellen kontinuierlich ab, und es kommt im Median neun bis elf Jahre nach der Erstinfektion zu einem schweren Immundefekt (< 200 CD4+-Zellen/Mikroliter). Dieser führt in der Regel zu AIDS-definierenden Erkrankungen (CDC Klassifikation 3). Zu diesen zählen opportunistische Infektionen, die durch Viren, Bakterien, Pilze oder Parasiten bedingt sind, sowie andere Erkrankungen, wie Kaposi-Sarkom, malignes Lymphom, HIV-Enzephalopathie und das Wasting-Syndrom. Nach individuell unterschiedlicher Zeit führen diese unbehandelt meist zum Tod. Ein schwerer Immundefekt bedeutet jedoch nicht, dass sofort AIDS auftritt. Je länger ein schwerer Immundefekt vorliegt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, AIDS zu bekommen.
Genetische Faktoren und Resistenz
Die Tatsache, dass Individuen trotz gleicher Infektionsquelle oft sehr unterschiedliche Krankheitsverläufe haben, deutet auf einen starken Einfluss von Wirtsfaktoren auf den Verlauf der Infektion hin. Neben der Ausbildung der Immunantwort scheinen auch einige genetische Faktoren eine Rolle zu spielen. Verschiedene Gruppen erkranken nicht an AIDS, z. B. die Long-term non-progressors (LTNPs, darunter auch die elite controllers) und die Highly exposed persistently seronegative (HEPS). Die LTNP entwickeln keine fortschreitende Erkrankung, während die HEPS nicht mit HIV infiziert werden.<ref>L. Lopalco: Humoral immunity in HIV-1 exposure: cause or effect of HIV resistance? In: Current HIV research. Band 2, Nummer 2, April 2004, S. 127–139, ISSN 1570-162X. PMID 15078177.</ref><ref>F. Porichis, D. E. Kaufmann: HIV-specific CD4 T cells and immune control of viral replication. In: Current opinion in HIV and AIDS. Band 6, Nummer 3, Mai 2011, S. 174–180, ISSN 1746-6318. doi:10.1097/COH.0b013e3283454058. PMID 21502921. PMC 3265969 (freier Volltext).</ref>
Homozygote Individuen mit einem genetischen Defekt am CCR5-Rezeptor (CCR5delta32) sind weitgehend resistent gegen HIV-Infektionen.<ref name="PMID8791590">M. Dean, M. Carrington u. a.: Genetic restriction of HIV-1 infection and progression to AIDS by a deletion allele of the CKR5 structural gene. Hemophilia Growth and Development Study, Multicenter AIDS Cohort Study, Multicenter Hemophilia Cohort Study, San Francisco City Cohort, ALIVE Study. In: Science. Band 273, Nummer 5283, September 1996, S. 1856–1862, ISSN 0036-8075. PMID 8791590.</ref> <ref name="PMID8756719">R. Liu, W. A. Paxton u. a.: Homozygous defect in HIV-1 coreceptor accounts for resistance of some multiply-exposed individuals to HIV-1 infection. In: Cell. Band 86, Nummer 3, August 1996, S. 367–377, ISSN 0092-8674. PMID 8756719.</ref>
Dieser Rezeptor dient als Co-Rezeptor bei der Fusion des Virus mit der Wirtszelle. Es wurden nur wenige Individuen gefunden, die eine Infektion trotz dieses Rezeptordefektes haben. Sie infizierten sich mit HI-Viren, die andere Co-Rezeptoren benutzen, wie etwa den CXCR4-Rezeptor auf T-Zellen. Homozygote Genträger dieser Deletion machen etwa ein Prozent der Bevölkerung aus, heterozygote Genträger etwa 20 Prozent. Heterozygote haben zwar deutlich weniger CCR5-Rezeptoren, können sich aber auch mit HIV infizieren und scheinen nach einer Infektion kaum eine längere mittlere Überlebenszeit zu haben.
Der AIDS-Forscher J.J. Bwayo (J.J. Bouyao) untersuchte in Nairobi (Kenia) 424 Prostituierte. Dabei stellte er fest, dass 43 von ihnen offenbar gegen das HI-Virus resistent sind (HEPS). Der Grund dafür scheint nach Ansicht von Forschern genetisch bedingt zu sein. Offenbar ist eine Gen-Anomalie dafür verantwortlich, die das Virus daran hindert, in die Zellen einzudringen und sich zu verbreiten.<ref>K. R. Fowke et al.: Resistance to HIV-1 infection among persistently seronegative prostitutes in Nairobi, Kenya. In: Lancet. (1996): 348(9038), S. 1347–1351. PMID 8918278</ref>
Abgesehen von Mutationen, die eine vollständige Resistenz gegen HIV verleihen, gibt es auch eine Reihe von Genotypen, welche zwar nicht vor einer HIV-Infektion schützen, aber mit einem langsameren Voranschreiten der Krankheit und geringerer Viruslast assoziiert sind. Dabei sind zwei unterschiedliche Mechanismen identifiziert worden:
- Träger gewisser Allele der MHC-I-Proteine, insbesondere HLA-B*5705 und/oder HLA-B*2705, weisen gegenüber anderen Menschen ein langsameres Voranschreiten der Infektion auf. Da MHC-I-Proteine virale Proteine aus dem Zellinneren binden und so die Infektion einer Zelle anzeigen, wird davon ausgegangen, dass die genannten Varianten in der Lage sind, die Proteine des HIV besonders effizient zu binden. Daher werden HIV-infizierte T-Helferzellen in diesen Individuen besonders schnell von cytotoxischen T-Zellen erkannt und vernichtet.
- Nach einer HIV-Infektion beginnt das Immunsystem mit der Produktion von Antikörpern gegen HIV; aufgrund der hohen Mutationsrate des HIV bleiben diese aber weitgehend wirkungslos. Einige Menschen produzieren jedoch Antikörper, welche sich gegen eine konstante Region des gp120 richten, was die Infektion verlangsamt. Warum diese Antikörper nur in gewissen Menschen produziert werden, ist unbekannt.<ref name="PMID17896963">A. Djordjevic, M. Veljkovic u. a.: The presence of antibodies recognizing a peptide derived from the second conserved region of HIV-1 gp120 correlates with non-progressive HIV infection. In: Current HIV research. Band 5, Nummer 5, September 2007, S. 443–448, ISSN 1873-4251. PMID 17896963.</ref>
Tests auf eine HIV-Infektion
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Blut, Urin oder auch Gewebe auf eine mögliche Infektion mit HIV zu prüfen. Dabei kann das Virus entweder direkt durch die virale RNA bzw. das Antigen p24 (ein Protein des HIV-Kapsids) oder indirekt durch die vom Körper gebildeten Antikörper gegen HIV nachgewiesen werden.
Immunologische Testverfahren
Die umgangssprachlich oft fälschlich<ref>HIV-Test & Beratung. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), abgerufen am 7. Juli 2014. </ref> als „Aidstest“ bezeichneten serologischen Testverfahren detektieren die vom Immunsystem des Menschen gebildeten Antikörper gegen das Virus. Moderne Suchteste der 4. Generation (HIV-1/2 & p24-Antigen Kombi-Teste) erfassen zusätzlich das p24-Antigen des HIV-1-Virus. Dies kann in der Frühphase positive Testergebnisse ermöglichen, wenn noch keine Antikörper gebildet worden sind.
Als Suchteste werden in den meisten Routinelaboratorien automatisierte Immunassays und nur noch vereinzelt der klassische ELISA-Test auf Mikrotiterplatten eingesetzt. Bei einem positiven oder grenzwertigen Ergebnis im Immunassay folgt als Bestätigungstest ein Immunoblot nach dem Western-Blot-Prinzip. Diese zwei Methoden werden stets nacheinander verwendet: der Immunassay ist hochsensitiv und somit geeignet, falsch negative Resultate zu vermeiden. Die geringere Spezifität des Suchteste wird in Kauf genommen, um in dieser Stufe der Diagnostik keine positiven Proben zu übersehen. Der zur Bestätigung eingesetzte, spezifischere Immunoblot dient dem Ausschluss falsch positiver Resultate. Immunassay wie Western Blot sind günstige Tests und sie sind ca. drei Monate nach einer möglichen Infektion von hoher Genauigkeit, können aber schon zwei bis drei Wochen nach einer vermuteten Ansteckung eingesetzt werden. Das Risiko, eine vorhandene Infektion nicht zu entdecken, ist zu diesem Zeitpunkt aber noch sehr hoch. Aidshilfe und das Robert-Koch-Institut empfehlen daher eine Wartezeit von zwölf Wochen für einen Immunassay. Dies gilt auch für die Tests der vierten Generation, die zusätzlich zu den Antikörpern das p24-Antigen detektieren, da das Antigen nur für ca. vier Wochen nachweisbar ist und sich eventuell nicht mehr nachweisen lässt, obwohl sich noch keine ausreichenden Mengen an Antikörpern für den Antikörpersuchtest gebildet haben.<ref>Aidshilfe Salzburg: Wie zuverlässig ist der HIV-Test nach 4, 6, 8, 12 Wochen? Auf: aidshilfe-salzburg.at ; abgerufen am 21. Juli 2014.</ref><ref>Robert Koch Institut: Antworten auf häufig gestellte Fragen zur HIV-Infektion und AIDS. Auf: rki.de vom 8. Juli 2014; abgerufen am 21. Juli 2014.</ref>
Ein positives Ergebnis im Screeningtest allein ist kein sicherer Befund für eine HIV-Ansteckung, deshalb wird er immer zusammen mit Immunoblot angewendet. Kann ein positives Ergebnis im Immunassay mittels Immunoblot (der nur Antikörper nachweisen kann) nicht bestätigt werden, muss eine HIV-PCR zum direkten Erregernachweis durchgeführt werden, weil es sein kann, dass der Immunassay nur auf das p24-Antigen des Virus reagiert, während noch keine Antikörper vorhanden sind. Ist der Immunassay weder durch Blot noch durch PCR zu bestätigen, kann angenommen werden, dass der Immunassay "unspezifisch" reagiert hat, d. h. durch eine andere Ursache als eine HIV-Infektion positiv wurde. Antikörpertests können nach kurz zurückliegenden akuten Erkrankungen, Grippeimpfungen und Allergien falsch positive Befunde liefern.<ref name="PMID7539579">L. Simonsen, J. Buffington u. a.: Multiple false reactions in viral antibody screening assays after influenza vaccination. In: American journal of epidemiology. Band 141, Nummer 11, Juni 1995, S. 1089–1096, ISSN 0002-9262. PMID 7539579.</ref>
In solchen Fällen kann es vorkommen, dass die Person Monate nach einem positiven Immunassay wieder einen negativen Befund erhält.
PCR
Der direkte Nachweis von viralen Nukleinsäuren (Ribonukleinsäure (RNA)) durch Polymerase-Kettenreaktion (PCR) ist das schnellste, jedoch auch das teuerste Verfahren, das schon 15 Tage nach einer Ansteckung verlässliche Resultate liefert. Abgesehen von der qualitativen PCR, wie sie zur Diagnose einer akuten HIV-Infektion und im Blutspendewesen verwendet wird, sind quantitative PCR-Verfahren ein wichtiges Werkzeug, um bei HIV-positiven Patienten die Viruslast (Anzahl der viralen RNAs pro Milliliter Blutplasma) zu bestimmen, um z. B. den Erfolg der antiretroviralen Therapie zu überwachen.
Siehe auch
Literatur
Leitlinien
- S2k-Leitlinie Antiretrovirale Therapie der HIV-Infektion der Deutschen AIDS-Gesellschaft (DAIG). In: AWMF online (Stand 2012)
- S2k-Leitlinie Therapie und Prophylaxe opportunistischer Infektionen bei HIV-infizierten Patienten der Deutschen AIDS-Gesellschaft (DAIG). In: AWMF online (Stand 2011)
- S1-Leitlinie Diagnostik und Behandlung HIV-betroffener Paare mit Kinderwunsch der Deutschen AIDS-Gesellschaft (DAIG). In: AWMF online (Stand 2008)
- S2k-Leitlinie Deutsch-Österreichische Empfehlungen zur HIV-Therapie in der Schwangerschaft und bei HIV-exponierten Neugeborenen der Deutschen AIDS-Gesellschaft (DAIG). In: AWMF online (Stand 2011)
Sonstiges
- Christoph Benn, Sonja Weinreich: HIV und Aids. Eine Krankheit verändert die Welt. Lembeck, Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-87476-586-2.
- Hans Jäger (Hrsg.): Entry Inhibitoren. Neue Formen der HIV-Therapie. Springer, Heidelberg 2008, ISBN 978-3-540-78357-2.
- Niko Neye: Humanes Immundefizienz-Virus (HIV). Eine szientometrische Analyse. Freie Universität Berlin 2009. (Dissertation)
- Die wissenschaftliche Fachzeitschrift AIDS Reviews erscheint vierteljährlich und veröffentlicht Übersichtsarbeiten, die sich mit den verschiedenen Aspekten von HIV und AIDS beschäftigen.
Weblinks
- Deutsch
- Informationen des Robert-Koch-Instituts zu HIV/AIDS
- Detaillierte und aktuelle Informationen zum Thema HIV auf www.hivbuch.de
- HIV-Diagnostik, auf www.laborlexikon.de
- Kurzstatistiken über HIV und AIDS in Europa (Stand 2004, PDF, 414 KiB)
- Infektionsrisiko bei Oralverkehr
- Stellungnahme des Robert-Koch-Instituts zur Aids-Kritik
- DAGNÄ e. V. (Leitlinien und Stellungsnahmen der Deutschen Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter)
- Andere Sprachen
- HIV-Datenbank (englisch)
- HIV InSite (englisch)
Einzelnachweise
<references />
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