Karbonatit
Als Karbonatit wird in der Geologie ein seltenes magmatisches Gestein bezeichnet, das mehr als 50 % Karbonatminerale enthält.<ref>Le Maitre, R. W.: Igneous rocks: a classification and glossary of terms. Cambridge University Press, 2002, S. 236.</ref> Es tritt vorwiegend intrusiv auf, effusive Äquivalente sind extrem selten.
Inhaltsverzeichnis
Erstbeschreibung
Karbonatite wurden von Waldemar Christopher Brøgger (deutsch: Brögger) 1920 in der Publikationsreihe Videnskaps Skrifter der Norske Videnskaps-Akademi erstmals wissenschaftlich beschrieben. Dessen Beschreibung beruht auf den Aufschlüssen des Fengebiets in der südnorwegischen Telemark.<ref>F. J. Loewinson-Lessing / E.A. Struve: Petrografitscheski Slowar. Moskwa 1937, S. 139.</ref><ref>W. Brögger:Die Eruptivgesteine des Kristianiagebietes. IV. Das Fengebiet in Telemark, Norwegen. Videnskapsselskapets Skrifter I. Mat.-naturvet. Klasse 1920 No. 9, Kristiania 1921.</ref>
Karbonatitvarietäten
Unterschieden werden:
- Calcitkarbonatit: Grob- bis mittelkörniger Sövit und klein- bis feinkörniger Alvikit mit meist deutlicher Fließtextur
- Ferrokarbonatit: mit Ankerit oder Siderit als Hauptmineral
- Natrokarbonatit: Hauptminerale sind Natrium-, Kalium-, Kalzium-Karbonate, z.B. im Oldoinyo-Lengai-Komplex in Tansania Nyerereit und Gregoryit
- Dolomitkarbonatit: Hauptmineral ist Dolomit
Karbonatite, bei denen der SiO2-Gehalt größer als 20 % ist, werden als Silikokarbonatit bezeichnet.
Karbonatite mit einem SiO2-Gehalt < 20 % werden wie folgt unterteilt:<ref>Woolley, A. R. und Kempe, D. R. C., K. Bell, Carbonatite Genesis and Evolution (Hrsg.): Carbonatites: nomenclature, average chemical compositions and element distribution. Unwin Hyman, London 1989, S. 1-14.</ref>
- Calciokarbonatit - ≥ 80 Gewichtsprozent CaO
- Magnesiokarbonatit - ≥ 50 Gewichtsprozent MgO und ≤ 80 Gewichtsprozent CaO
- Ferrokarbonatit - ≥ 50 Gewichtsprozent FeO + Fe2O3 + MnO
Mineralogische Zusammensetzung
Im Allgemeinen liegt der Anteil von Karbonatmineralen bei 70 bis 90 %, die vor allem als Calcium und CO2 in der Summenformel vertreten sind. Hauptminerale sind gewöhnlich Calcit, Dolomit, Ankerit sowie Siderit. Daneben kommen auch silikatische Minerale (Forsterit, Melilith, Diopsid, Ägirin, Wollastonit, Alkali-Amphibole, Phlogopit, Titanit, Zirkon, Alkalifeldspate), Oxide (Magnetit, Ilmenit, Rutil, Perowskit, Pyrochlor) sowie Apatit vor.
Petrologie
Karbonatitische Magmen besitzen eine qehr geringe Viskosität. Es handelt sich bei ihnen um ionisierte Flüssigkeiten, die im Unterschied zu silikatischen Flüssigkeiten nur wenig oder gar nicht zur Polymerisation neigen.<ref>Treimann, A. H., Bell, K., Carbonatites: Genesis and Evolution (Hrsg.): Carbonatite Magma: properties and processes. Unwin Hyman, London 1989, S. 89.</ref>
Typisch für Karbonatite ist ihre Vergeqellschaftung mit an Kieselsäure-untersättigten Magmatiten. Hierbei können die beiden folgenden Assoziationen unterschieden werden:
- agpaitische Alkaligesteinsassoziation: zeichnet sich durch ein Aluminiumdefizit aus, gleichzeitig erfolgt Anreicherung an den Alkalioxiden Na2O und K2O sowie an Fe2O3 und Zr.
- miaskitische Alkaligesteinsassoziation: Aluminiumüberschuß beingleichaeitiger Verarmung an Alkalioxiden und Zr, jedoch Anreicherung an FeO-CaO-MgO.
Zu den assoziierten Magmatiten gehören: Ijolith, Melteigit, Teschenit, Lamprophyre, Phonolith, Foyait, Shonkinit, an Kieselsäure untersättigter und foidführender Pyroxenit (Essexit) sowie Nephelinsyenit.
Geologisches Umfeld und Auftreten
Karbonatite sind, von einigen Ausnahmen abgesehen, generell mit alkalischem Magmatismus vergesellschaftet und treten meist als subvulkanische oder flachlagernde plutonische Komplexe auf. Karbonatitische Lavaströme sind instabil und reagieren im Kontakt mit der Atmosphäre. Karbonatite unterlagern nephelinitische Laven und Pyroklastika. In zonierten Alkaliintrusivkomplexen bilden sie kleine Stöcke, Lagergänge, Gänge, Adern und Brekzien. Ihr Vorkommen ist vornehmlich mit Hot-Spot-Vulkanismus und den zugehörigen kontinentalen Riftsystemen verbunden. Mit seinem Ostafrikanischen Grabenbruch ist Afrika der Kontinent mit dem weltweit einzigen aktiven Karbonatitvulkan – dem Ol Doinyo Lengai – der aus Natrokarbonatit bestehende Lava direkt mit einer äußerst geringen Temperatur von 500 bis 600 ° C eruptiert.
Entstehung
Die Entstehung der Karbonatite (Petrogenese) wird mittels dreier Modellvorstellungen erklärt:
- direkte Erzeugung durch partielles Aufschmelzen (bei geringer Aufschmelzrate) im Erdmantel mit anschließender Schmelzdifferenzierung
- Absonderung der Karbonatitschmelze aufgrund ihrer Unmischbarkeit mit silikatischen Schmelzen
- Absonderung der Karbonatitschmelze aufgrund ungewöhnlicher und extremer Kristall-Fraktionierungsprozesse.
Alle drei Modellvorstellungen werden durch Beispiele untermauert.
In der Vergangenheit wurde noch die Ansicht vertreten, dass eindringende Magmenpulse Marmore und Kalkgesteine zum Aufschmelzen gebracht und so die Karbonatitmagmen erzeugt hatten. Dem widersprechen jedoch detaillierte mineralogische und geochemische Untersuchungen.
Assoziierte Lagerstätten
Die größte bekannte Anreicherung von Seltene-Erden-Mineralen der Welt ist an Karbonatit-Gänge und kalireiche Intrusionen gebunden, und findet sich in der Sulphide-Queen-Lagerstätte im Mountain-Pass-Distrikt (Kalifornien). Der Name der Lagerstätte ist übrigens etwas irreführend, da sie nicht nach etwaigen Sulfidmineralen benannt ist, sondern nach den Sulphide Queen-Bergen. Die wichtigsten Erzminerale sind Bastnäsit und Parisit.
Ungewöhnlich ist der Tagebau am paläoproterozoischen<ref>http://www.geo.tu-freiberg.de/tektono/spezialsites/Suedafrika/Templates/T04.htm.</ref> Karbonatitkomplex von Phalaborwa in Südafrika. Dort wird an einem Karbonatitkern ein Serpentinit-Magnetit-Apatit-Gestein abgebaut, das den lokalen und kommerziellen Namen Phoscorite trägt. Nebenprodukte sind u.a. Magnetit, Apatit, Gold, Silber, Elemente der Platin-Gruppe und Uran. Innerhalb desselben Alkaligesteinskomplexes liegt außerdem die weltgrößte magmatische Phosphat-Lagerstätte. Dort wird zudem apatitreicher Pyroxenit abgebaut. Ähnliche Karbonatit-Alkali-Gesteinskomplexe finden sich auch auf der Kola-Halbinsel. Auch dort ist Apatit das wichtigste Phosphatmineral.
Vorkommen
Vom Volumen aus betrachtet stellen Karbonatite eine der am wenigsten verbreiteten Gesteinsarten dar, weltweit waren bis 2008 gerade einmal 527 Karbonatitkomplexe dokumentiert.<ref>http://www.seltenerden-ag.de/projekt-storkwitz/geologie-lagerstaette-storkwitz/.</ref><ref Name="Woolley">Woolley, A. R. und Kjarsgaard, B. A.: Carbonatite occurrences of the world: map and database. In: Geological Survey of Canada Open File 5796. 2008.</ref> Sie kommen meist streng lokal begrenzt in nur wenige Quadratkilometer großen Arealen vor. Karbonatite sind auf allen Kontinenten zugegen, die Antarktis mit eingeschlossen. Allein ein Drittel der Vorkommen konzentrieren sich jedoch in Afrika. Auf ozeanischen Inseln sind bisher nur drei Vorkommen bekannt, und zwar auf den Kerguelen, den Kapverden und den Kanaren.<ref Name="Woolley"></ref>
Zirka 50 % der Karbonatite sind mit unter Dehnung stehenden Krustenbereichen wie beispielsweise Grabenbrüchen assoziiert, viele stehen auch mit bedeutenden tektonischen Störungen und großangelegten domartigen Aufwölbungen in Zusammenhang. Zu Subduktionszonen hingegen gibt es so gut wie gar keine Beziehungen. Bei der Erzeugung CO2-reicher Schmelzen scheinen verdickte Lithosphärenbereiche, wie sie gerade auch unter den alten Kratonen des Archaikums gefunden werden, offensichtlich eine nicht unbedeutende Rolle zu spielen.
- Brasilien:
- Anitápolis - Valanginium bis Albium - 131 bis 104,7 Millionen Jahre BP
- Barra do Itapirapuà - Barremium bis Aptium - 128 ± 19 bis 114,7 ± 9,7 Millionen Jahre BP
- Jacupiranga - Oxfordium bis Aptium - 161 bis 125 Millionen Jahre BP
- Chiriguelo - Barremium bis Aptium - 128 ± 5 bis 118,9 ± 20,3 Millionen Jahre BP
- Ipanema - Valanginium bis Aptium - 138,2 bis 121,8 Millionen Jahre BP
- Itanhaém - Valanginium - 132,8 ± 4,6 Millionen Jahre BP
- Itapirapuà - Albium - 104,8 bis 101,4 Millionen Jahre BP
- Juquía - Oxfordium bis Barremium - 159,0 bis 126,9 Millionen Jahre BP
- Deutschland:
- Griechenland:
- Finnland:
- Sallanlatvi - Frasnium - 375 ± 5 Millionen Jahre BP
- Sokli - Frasnium -380,3 ± 7,1 Millionen Jahre BP
- Vuorijärvi - Frasnium - 375 ± 7 Millionen Jahre BP
- Indien:
- Kanada:
- Kapverdische Inseln:
- Kenia:
- Buru Hill
- Mount Homa - Serravallium bis Pleistozän - 12 bis 1,3 Millionen Jahre BP
- Kisingiri und Rungwa - Bartonium bis Burdigalium - 38 bis 17,5 Millionen Jahre BP
- Nyamaji - Burdigalium bis Tortonium - 18,3 ± 0,5 und 10,6 ± 0,3 Millionen Jahre BP
- Ruri Nord und Ruri Süd - Tortonium bis Zancleum - 11 bis 4,1 Millionen Jahre BP
- Shombole - Gelasium - 2,00 ± 0,05 und 1,96 ± 0,07 Millionen Jahre BP
- Tinderet und Londiani - Burdigalium bis Messinium - 19,9 bis 5,5 Millionen Jahre BP
- Wasaki-Halbinsel - Langhium bis Serravallium - 16 ± 0,5 und 12,7 ± 0,6 Millionen Jahre BP
- Norwegen:
- Russland
- Spanien:
- Basaler Komplex auf Fuerteventura
- Südafrika:
- Tansania:
- Kerimasi - Pleistozän - 0,6 bis ≤ 0,4 Millionen Jahre BP
- Ol Doinyo Lengai - Rezent
- Uganda:
- Vereinigte Staaten von Amerika:
Literatur
- Roland Vinx: Gesteinsbestimmung im Gelände. S. 213 f. 2. Aufl. 2008 Springer-Verlag. Berlin Heidelberg 2008, ISBN 978-3-8274-1925-5.
Weblinks
- Carbonatite (Karbonatite). Mineralienatlas-Lexikon
- Gunnar Ries: Karbonatite in Ostafrika.
Einzelnachweise
<references />