Koordinatentransformation
Bei einer Koordinatentransformation werden aus den Koordinaten eines Punktes in einem Koordinatensystem dessen Koordinaten in einem anderen Koordinatensystem berechnet. Formal gesehen ist dies die Umwandlung (Transformation) der ursprünglichen Koordinaten <math>(x_1, x_2,\dotsc, x_N)</math> in die neuen Koordinaten <math>(x'_1, x'_2,\dotsc,x'_N)</math>. Die häufigsten Anwendungen finden sich in der Geometrie, der Geodäsie, der Bildmessung und bei technischen Aufgabenstellungen.
Typische Koordinatentransformationen entstehen durch Drehung (Rotation), Skalierung (Veränderung des Maßstabs), Scherung und Verschiebung (Translation) des Koordinatensystems, die auch kombiniert werden können.
Die neuen Koordinaten <math>x'_i</math> können beliebige Funktionen der alten Koordinaten <math>x_i</math> sein. In der Regel verwendet man spezielle Transformationen, bei denen diese Funktionen gewissen Einschränkungen – z. B. Differenzierbarkeit, Linearität oder Formtreue – unterliegen. Koordinatentransformationen können angewendet werden, wenn sich ein Problem in einem anderen Koordinatensystem leichter lösen lässt, z. B. bei der Transformation von kartesischen Koordinaten in Kugelkoordinaten oder umgekehrt.
Ein Spezialfall der Koordinatentransformation ist der Basiswechsel in einem Vektorraum.
Inhaltsverzeichnis
Lineare Transformationen
Bei linearen Transformationen sind die neuen Koordinaten lineare Funktionen der ursprünglichen, also
- <math>x'_1 = a_{11} x_1 + a_{12} x_2 + \dots + a_{1n} x_n</math>
- <math>x'_2 = a_{21} x_1 + a_{22} x_2 + \dots + a_{2n} x_n</math>
- usw.
bzw.
- <math>\vec{x'}=A\vec{x}</math>
Der Ursprung des neuen Koordinatensystems stimmt dabei mit dem des ursprünglichen Koordinatensystems überein.
Drehung (Rotation)
Bei einer Drehung wird das Koordinatensystem gedreht. In zwei Dimensionen gibt es nur einen Rotationswinkel als Parameter. Im 3D-Raum kann man um alle drei Koordinatenachsen drehen. Dargestellt wird eine Drehung durch eine Drehmatrix.
Beispiel
Wir betrachten zwei (hier: dreidimensionale) kartesische Koordinatensysteme S und S' mit einer gemeinsamen z-Achse und gemeinsamem Ursprung. S' sei gegenüber S um den Winkel <math>\varphi</math> um die z-Achse gedreht. Ein Punkt P, der im Koordinatensystem S die Koordinaten <math>\vec p=(x, y, z)</math> hat, besitzt dann im Koordinatensystem S' die Koordinaten:
- <math>x'=x\cos\varphi + y\sin\varphi,</math>
- <math>y'= -x\sin\varphi + y\cos\varphi,</math>
- <math>z'=z.</math>
In Matrixschreibweise ergibt sich mit der inversen Drehmatrix für diese Rotation des Koordinatensystems:
- <math>\vec{p'} = \begin{pmatrix} \cos\varphi & \sin\varphi & 0 \\ -\sin\varphi & \cos\varphi & 0 \\ 0 & 0 & 1\end{pmatrix} \vec p .</math>
Skalierung
Bei der Skalierung werden die „Einheiten“ der Achsen geändert. Das heißt, die Zahlenwerte der Koordinaten <math>x_i</math> werden mit konstanten Faktoren <math>\lambda_i</math> multipliziert („skaliert“)
- <math>x_i'=\lambda_i\cdot x_i.</math>
Die Parameter dieser Transformation sind die <math>N</math> Zahlen <math>\lambda_i</math>. Ein Spezialfall ist die „Maßstabsänderung“, bei der alle Faktoren den gleichen Wert haben
- <math>\lambda_i=\lambda.</math>
Die Matrix <math>A</math> ist in diesem Fall das <math>\lambda</math>-fache der Einheitsmatrix.
Scherung
Bei der Scherung verändert sich der Winkel zwischen den Koordinatenachsen. Im 2D-Raum gibt es daher einen Parameter und im 3D-Raum drei Parameter.
Affine Transformationen
Affine Transformationen bestehen aus einer oder mehreren einfachen Transformationen.
Sind beide beteiligten Koordinatensysteme linear, (d. h. im Prinzip durch einen Koordinatenursprung und gleichmäßig unterteilte Koordinatenachsen gegeben), so liegt eine affine Transformation vor. Hierbei sind die neuen Koordinaten affine Funktionen der ursprünglichen, also
- <math>x'_1 = a_{11} x_1 + a_{12} x_2 + \dots + a_{1n} x_n + b_1</math>
- <math>x'_2 = a_{21} x_1 + a_{22} x_2 + \dots + a_{2n} x_n + b_2</math>
- usw.
Dies kann man kompakt als Matrixmultiplikation des alten Koordinatenvektors <math>\vec{x} = (x_1, \dots, x_n)</math> mit der Matrix <math>A</math>, die die Koeffizienten <math>a_{ij}</math> enthält, und Addition eines Vektors <math>\vec{b}</math>, der die <math>b_i</math> enthält, darstellen
- <math>\vec{x}\,'=A \vec{x} + \vec{b}</math>
Die Translation ist ein Spezialfall einer affinen Transformation, bei der A die Einheitsmatrix ist.
Verschiebung (Translation)
Eine Translation kann entweder als Verschiebung des Koordinatenursprungs oder (leichter vorstellbar) als Verschiebung der abgebildeten Objekte gedeutet werden. Im 2D-Raum erfordert eine Translation zwei Parameter: Verschiebung in x-Richtung (tx) und in y-Richtung (ty), analog dazu gibt es in 3D als dritten Parameter die Verschiebung in z-Richtung (tz).
Beispiel
Wir betrachten zwei Koordinatensysteme S und S'. S' ist gegenüber S um den Vektor <math>\vec{b} = \begin{pmatrix} 2 \\ 1 \end{pmatrix}</math> verschoben. Ein Punkt P, der im Koordinatensystem S die Koordinaten <math>\vec{x}</math> hat, besitzt dann im Koordinatensystem S' die Koordinaten <math>\vec{x'}=\vec{x}-\vec{b}</math>.
Beispiele
Kartesische Koordinaten und Polarkoordinaten
Ein Punkt in der Ebene wird im kartesischen Koordinatensystem durch seine Koordinaten (x,y) und im Polarkoordinatensystem durch den Abstand <math>r</math> vom Ursprung und dem (positiven) Winkel <math>{} \varphi</math> zur x-Achse bestimmt.
Dabei gilt für die Umrechnung von Polarkoordinaten in kartesische Koordinaten:
- <math>x=r\cdot\cos\varphi</math>
- <math>y=r\cdot\sin\varphi</math>
Für die Umrechnung von kartesischen Koordinaten in Polarkoordinaten gilt:
- <math>r=\sqrt{x^2+y^2}</math>
- <math>\varphi = \begin{cases}\arctan\frac yx&\mathrm{f\ddot ur}\ x>0\\
\arctan\frac yx+\pi&\text{für}\ x<0,\,y\geq0\\ \arctan\frac yx-\pi&\text{für}\ x<0,\,y<0\\ \pi/2&\text{für}\ x=0,\,y>0\\ -\pi/2&\text{für}\ x=0,\,y<0 \end{cases}</math>
- <math>{}=\begin{cases}\arccos\frac xr&\text{für}\ y\geq0\\
-\arccos\left(\frac xr\right)&\text{für}\ y<0 \end{cases} </math>
Weitere Anwendungen
In der Physik spielt die Invarianz gewisser Naturgesetze unter Koordinatentransformationen eine besondere Rolle, siehe hierzu Symmetrietransformation. Von besonders grundlegender Bedeutung sind die Galilei-Transformation, Lorentz-Transformation und die Eichtransformation. Häufig gebraucht werden auch Transformationen von Operatoren und Vektoren:
In den Geowissenschaften - insbesondere der Geodäsie und Kartografie gibt es noch weitere Transformationen, die formal Koordinatentransformationen darstellen.
- Transformation von geographischer Breite und Länge in Gauß-Krüger-Koordinaten
- Die Umrechnungen zwischen astronomischen Koordinaten
- 7-Parameter-Transformation (Verschiebung, Drehung, Maßstab zwischen zwei Koordinatensystemen auf demselben oder anderen Referenzellipsoid(en), auch Helmert-Transformation („Dreh-Streckung“)).
Im Bereich Robotik gilt die Denavit-Hartenberg-Transformation als das Standardverfahren.
Literatur
- I. N. Bronstein, K. A. Semendjajew, G. Musiol: Taschenbuch der Mathematik. 6. vollständig überarbeitete und ergänzte Auflage. Verlag Harry Deutsch, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-8171-2006-0.
- Siegfried Heitz: Koordinaten auf geodätischen Bezugsflächen. Dümmler, Bonn 1985, ISBN 3-427-78981-0.
- Siegfried Heitz: Mechanik fester Körper. Band 1: Grundlagen. Dynamik starrer Körper. Dümmler, Bonn 1980, ISBN 3-427-78921-7.
Weblinks
- Transformation von Koordinaten und Höhen in der Landesvermessung (PDF-Datei; 939 kB)
- WTRANS Software zur Berechnung der Parameter für 2D/3D-Koordinatentransformationen für kartesische und geografische Koordinaten (Molodenski-Ansatz), Projektionen, Geodätische Hauptaufgaben
- MapRef.org, Fachliteratur und Links zu 2D- und 3D-Koordinatentransformationen
- Online-Berechnung von ebenen und räumlichen Koordinatentransformationen mit gegebenen Parametern
- Online-Berechnung von ebenen und räumlichen Koordinatentransformationen aus identischen Punkten (Kontrollpunkten)