Kraftwerk Neurath


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Kraftwerk Neurath
Bestandskraftwerk (ohne BoA-Neubau); Blöcke A (rechts) bis E (links)
Lage

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Koordinaten 6,615041|primary dim=1000 globe= name=Kraftwerk Neurath region=DE-NW type=landmark
  }}
Land Deutschland
Gewässer keines (Kühlung über Kühlturm, der aus Tagebau-Grundwasser gespeist wird)
Daten
Primärenergie Fossile Energie
Brennstoff Braunkohle
(Rheinisches Braunkohlerevier)
Leistung 4.400 MW (elektrisch) brutto
4.168 MW netto
(mit BoA-Neubau)
Typ Kohlekraftwerk
Eigentümer RWE
Betreiber RWE Power
Betriebsaufnahme 1972

Das Kraftwerk Neurath liegt im Süden von Grevenbroich und grenzt an das Gebiet der Gemeinde Rommerskirchen und der Stadt Bedburg an. Der Betreiber ist RWE in Grevenbroich-Neurath (Rhein-Kreis Neuss). Es ist, gemessen an der erzeugten elektrischen Bruttoleistung von 4.400 Megawatt, das größte Kraftwerk in Deutschland und das zweitgrößte Braunkohlekraftwerk Europas nach dem Kraftwerk Bełchatów in Polen.

Das Kraftwerk dient der Erzeugung von Grundlaststrom und besitzt eine elektrische Nettoleistung von über 4.168 Megawatt. Die Kohle wird über Gleisanschluss an die Nord-Süd-Bahn aus den Tagebauen des Rheinischen Braunkohlereviers, insbesondere dem Tagebau Garzweiler bezogen.

Kraftwerksblöcke

Das Kraftwerk besteht aus sieben Blöcken (3 × 300 MW, 2 × 600 MW und 2 × 1100 MW nominal), die zwischen 1972 und 1976 sowie 2012 errichtet wurden, und besitzt eine Bruttoleistung von ca. 4400 MW.<ref>RWE-Informationsbroschüre Kraftwerke Frimmersdorf und Neurath auf rwe.com (PDF; 1,5 MB)</ref>

Block A B C D E F – BoA 2 G – BoA 3
Nettoleistung<ref name="BNA">Bundesnetzagentur: Kraftwerksliste</ref> (elektrisch)
Netzeinspeisung
277 MW 288 MW 292 MW 607 MW 604 MW 1.050 MW 1.050 MW
Inbetriebnahme 1972 1973 1975 1976 2012
Stilllegung 1. Oktober 2023 <ref>[1]</ref>
Wirkungsgrad (elektrisch) 33-34 % 36,6 % 43,2 %
spez. Kohleverbrauch 1,2 kg/kWh 1,1 kg/kWh 0,9 kg/kWh
Kamin (Höhe) 3 × 160 m 2 × 170 m -
Kühlturm (Höhe) 3 × 103 m 2 × 128 m 2 × 172 m

Blöcke A bis E

In den 1980er-Jahren wurde für die Blöcke A bis E eine Rauchgasreinigungsanlage nachgerüstet. Die Abgase werden seitdem über die Kühltürme abgeleitet.

Die Anlage verfügt auch über zwei sogenannte Bypasskamine, von denen einer den Blöcken A-C und der andere den Blöcken D bis E zugeordnet ist. Ersterer ist 194 Meter<ref>Bypass Chimney for Units D, E for Neurath Power Plant Skyscraperpage.com/cities (Englisch)</ref>, letzterer 196 Meter <ref>Bypass Chimney for Units A, B, C for Neurath Power Plant Skyscraperpage.com/cities (Englisch)</ref> hoch. Die Bypasskamine ermöglichen den Betrieb der Anlage im Fall einer defekten Rauchgasreinigungsanlage, was aber selten vorkommt und weshalb die meisten Kraftwerke auf Bypasskamine verzichten (Quelle: Pressestelle RWE).

Alle Blöcke speisen in das Übertragungsnetz des Netzbetreibers Amprion ein: Der Block A ist über die Umspannanlage Osterath auf der 220-kV-Ebene, die Blöcke B bis D über die Schaltanlage Opladen auf der 380-kV-Ebene und der Block E über die Schaltanlage Rommerskirchen, ebenfalls auf der 380-kV-Ebene, an das Höchstspannungsnetz angeschlossen.<ref>Kraftwerksliste Bundesnetzagentur (bundesweit; alle Netz- und Umspannebenen) Stand 02.07.2012. Archiviert vom Original am 22. Juli 2012, abgerufen am 21. Juli 2012 (Microsoft-Excel-Datei, 1,6 MiB).</ref>

Block C soll nach einer Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und den Braunkohlekraftwerksbetreibern RWE, Vattenfall und Mibrag am 1. Oktober 2019 in die Reserve überführt und vier Jahre später endgültig stillgelegt werden.<ref>http://www.iwr.de/news.php?id=29972</ref>

Blöcke F und G („BoA 2 und 3“)

Geschichte

Datei:BOA Baustelle.JPG
Baustelle (August 2008)
Datei:KW Neurath 2 vorne.JPG
KW Neurath, Block F und G (BoA 2/3) aus der Ferne
Datei:KW Neurath 2 hinten.JPG
KW Neurath, BoA 2/3 von hinten
Datei:KW Neurath, Block A-G von hinten.JPG
KW Neurath, Block F-G (links) und Block A-E (rechts) von hinten

Im September 2005 beschloss RWE, am Kraftwerk zwei neue Blöcke (F und G) vom Typ „Braunkohlekraftwerk mit optimierter Anlagentechnik (BoA)“ zu bauen. Als Weiterentwicklung des BoA-Blockes im Kraftwerk Niederaußem (BoA 1) tragen die neuen Blöcke auch die Bezeichnung „BoA 2 und 3“. Im Januar 2006 begannen die Bauarbeiten.<ref>rwe.com</ref> Die BoA-Blöcke sollen bei einem Wirkungsgrad von 43 Prozent<ref>Christian Wieg: Neue Kraftwerksblöcke in Neurath arbeiten mit optimierter Anlagentechnik.</ref> eine Leistung von je 1100 MW haben. RWE gab 2008 an, der Bau, bei dem es sich um eine der größten Baustellen Europas handele, umfasse eine Investitionssumme von 2,2 Milliarden Euro.<ref>RWE-Website, zuletzt abgerufen am 6. November 2008</ref> Im Dezember 2011 räumte RWE ein, dass das Projekt mit 2,6 Mrd. Euro „deutlich teurer“ geworden sei.<ref>Bild: NRW hat jetzt das größte Kohlekraftwerk der Welt!, 17. Dezember 2011. Abgerufen am 7. Januar 2012.</ref> Die Kesselhäuser von BoA 2 und BoA 3 sind mit einer Höhe von 173 Metern die höchsten Kesselhäuser der Welt.<ref>[2]</ref> Die Kühltürme sind 172 Meter hoch.<ref>[3].</ref>

Die ursprünglich geplante Inbetriebnahme Ende 2009 verzögerte sich wegen des unten genannten Unfalls, bei dem ein erheblicher Teil des Neubaus zerstört wurde. Am 29. November 2011 erreichten erstmals beide Blöcke gemeinsam Volllast und produzierten während der Inbetriebsetzungsphase bis dahin mehr als 1,5 Milliarden Kilowattstunden Strom.<ref>http://www.rwe.com/app/Pressecenter/Download.aspx?pmid=4007273&datei=1</ref> Beide Blöcke befanden sich seit Mai bzw. Oktober 2011 im Testbetrieb, die endgültige Inbetriebnahme mit der Meldung der Blöcke an die Strombörse EEX erfolgte am 8. Juli 2012<ref>http://www.transparency.eex.com/de/Information/marktinformationen/newsdetails/news/RWE_Power_meldet_Daten_f_r_neuen_Kraftwerksblock_Neurath_G</ref> (Block G) bzw. am 3. August<ref>RWE Power meldet Daten für neuen Kraftwerksblock Neurath F. Internetseite der Strombörse EEX. Abgerufen am 3. August 2012.</ref> (Block F).<ref name="ngz-online.de">http://www.ngz-online.de/grevenbroich/nachrichten/wie-die-boa-funktioniert-1.581133</ref><ref>Die Wirtschaftskraft der BoA. In: NGZ-Online, 23. Juni 2012. Abgerufen am 24. Juni 2012.</ref> Seither speisen beide Blöcke ebenfalls in das Übertragungsnetz von Amprion in 380-kV-Ebene ein und sind über Station Rommerskirchen angeschlossen.<ref>Leitungen der BoA-Blöcke auf OpenStreetMap</ref>

Am 15. August 2012 erfolgte dann die offizielle Feier zur Inbetriebnahme der neuen Blöcke in Anwesenheit von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, Bundesumweltminister Peter Altmaier und weiteren Gästen. Fälschlich wurde es in mehreren Medien als weltgrößtes Braunkohlekraftwerk bezeichnet, tatsächlich ist es (hinter dem Kraftwerk Bełchatów, Polen) nur das zweitgrößte in Europa. Richtig ist jedoch, dass die beiden neuen BoA-Blöcke F und G mit jeweils 1.100 MW brutto die zu diesem Zeitpunkt leistungsstärksten Braunkohlekraftwerksblöcke der Welt waren.<ref>RWE nimmt das größte Braunkohlekraftwerk der Welt in Betrieb. Altmaier würdigt Neubau als "herausragenden Beitrag zum Gelingen der Energiewende". In: Welt online. 15. August 2012, abgerufen am 15. August 2012.</ref> Die Baukosten wurden mit 2,6 Milliarden Euro angegeben.<ref>www.ngz-online.de</ref>

RWE nahm Ende 2011 und im Frühjahr 2012 sechs der zwölf alten 150-MW-Blöcke im Kraftwerk Frimmersdorf vom Netz.<ref>NGZ 10. März 2012: RWE schaltet sechs von zwölf Blöcken ab</ref>

Probleme

Am 30. August 2012 fielen am frühen Nachmittag binnen sieben Minuten beide BoA-Blöcke aufgrund eines Fehlers im Leitsystem aus, wodurch kurzfristig eine Leistung von ca. 2.100 MW ersetzt werden musste. Dabei kam es zu Frequenzschwankungen im Stromnetz, ein Stromausfall konnte jedoch durch Einsatz von Regelenergie vermieden werden. Laut Amprion ist das europäische Stromnetz in der Lage, einen unvorhergesehenen Ausfall von bis zu 3.000 MW an Kraftwerksleistung zu tolerieren, daher sei keine kritische Situation entstanden. In den frühen Morgenstunden des Folgetags wurden die beiden Blöcke wieder hochgefahren.<ref>Patzer im RWE-Vorzeigekraftwerk (Memento vom 5. September 2012 im Internet Archive). In: Financial Times Deutschland, 3. September 2012. Abgerufen am 3. September 2012.</ref>

Unfälle

Am Abend des 25. Oktober 2007 kam es auf dem Baustellengelände zu einem schweren Unfall. Eine über 100 Tonnen schwere Seitenwandbandage, ein Teilstück des Großgerüstes, riss ab und begrub mehrere Monteure unter sich. Drei Bauarbeiter konnten nur noch tot aus den Trümmern des Baugerüsts geborgen werden, sechs weitere wurden zum Teil schwer verletzt in umliegende Krankenhäuser eingeliefert. Fast 300 Einsatzkräfte von Feuerwehr, Polizei, Sanitätsorganisationen und Technischem Hilfswerk waren im Einsatz. Im Dezember 2008 wurde das eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung von der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach eingestellt. Laut Gutachten<ref>Prof. Schmidt&Partner: Zusammenfassende Darstellung der Unfallursache gemäß Gutachten</ref> waren die Knotenverbindungen der Bandagenunterkonstruktion zu schwach ausgelegt. Da es keinerlei Kenntnisse über die – in dieser Größe erstmals eingesetzten – Bauteile und deren Stabilitätsprobleme gegeben habe, sei der Unfall für die Fachleute nicht vorhersehbar gewesen, so die Staatsanwaltschaft. Vielmehr seien Auslegung und Konstruktion nach den Regeln der Technik erfolgt.<ref>Website der Kölnischen Rundschau: Letzter Aufruf 12. Dezember 2008</ref>

Emissionsgrenzwerte

Im Genehmigungsbescheid vom 20. Juni 2005 legte die Bezirksregierung Düsseldorf Emissionsgrenzwerte für die neuen Blöcke F und G fest, die zur Antragszeit für Schwefeldioxid, Kohlenmonoxid und Quecksilber unterhalb der geltenden Mindestanforderungen der 13. BImSchV lagen. Obwohl der Tages-Emissionsgrenzwert mit 0,0135 mg/Nm3 für die neuen Blöcke vergleichsweise niedrig festgesetzt wurde (die Mindestvorgabe der 13. BImSchV sieht 0,03 mg/Nm3 vor), erfordert dieser Grenzwert noch keine spezielle Quecksilberminderungstechnik. Dies zeigt sich daran, dass die Quecksilberemissionen nach Inbetriebnahme der neuen Blöcke 2012 auf mehr als das Doppelte angestiegen sind<ref>PRTR – Europäisches Emissionsregister</ref> (zum Vergleich: in den USA gilt für Braunkohlekraftwerke ein Grenzwert von 0,004 mg/Nm3 im Monatsmittel<ref>Expertenanhörung im Umweltausschuss Schönberger/Tebert/Lahl, ReSource, Rhombos Verlag, Berlin, 04/2012</ref>).

Schadstoffe mit Grenzwerten im Tagesmittel werden durch kontinuierlich arbeitende Messgeräte überwacht, die übrigen Werte durch Einzelmessungen. Zum Vergleich mit den Grenzwerten der neuen Blöcke sind die zur Antragszeit gültigen Grenzwerte der 13. BImSchV (2004) aufgeführt sowie die Grenzwerte der aktuellen 13. BImSchV (2013) und die im Normalbetrieb mit besten verfügbaren Techniken erreichbaren Emissionswerte, wie sie im Merkblatt der Europäischen Kommission für entsprechend große Neuanlagen mit Braunkohle-Staubfeuerung auf der Basis der Datensammlung in den Jahren 2001–2002 festgelegt wurden.<ref name=LCP-BREF>Neuentwürfe und BVT-Merkblatt „Large Combustion Plants“ (engl.), Joint Research Centre, Europäische Kommission, Sevilla, 2006</ref><ref>BVT-Merkblatt „Großfeuerungsanlagen“ (Teilübersetzung) (Memento vom 17. Juli 2013 im Internet Archive), Umweltbundesamt, Dessau, 2006</ref>

Emissionsgrenzwerte der Blöcke F und G im Vergleich mit Grenzwerten der 13.BImSchV (2004)/(2013) und mit BVT-Emissionswerten (2006)<ref>Genehmigungsbescheid, Tabelle 9, Seite 49 (PDF; 583 kB) nach Bundes-Immissionsschutzgesetz, Bezirksregierung Düsseldorf, 20. Juni 2005</ref>
Luftschadstoff Betriebliche
Emissionswerte
mit BVT (2006) im
Tagesmittel*
Grenzwert
Block F und 
(20. Juni 2005)
Tagesmittel
Grenzwert
Block F und 
(20. Juni 2005)
Halbstundenmittel**
Grenzwert
13. BImSchV
(2004)
Tagesmittel
Grenzwert
13. BImSchV
(2004)
Halbstundenmittel
Grenzwert
13. BImSchV
(2013, Neuanlagen)
Tagesmittel
Grenzwert
13. BImSchV
(2013, Neuanlagen)
Halbstundenmittel
Gesamtstaub (Staub) 5–20 mg/Nm3 20 mg/Nm3 40 mg/Nm3 20 mg/Nm3 40 mg/Nm3 10 mg/Nm3 20 mg/Nm3
Stickstoffoxide
(als NO2)
50–200 mg/Nm3 200 mg/Nm3 400 mg/Nm3 200 mg/Nm3 400 mg/Nm3 200 mg/Nm3 400 mg/Nm3
Schwefeldioxide
(als SO2)
20–150 mg/Nm3 200 mg/Nm3 400 mg/Nm3 300 mg/Nm3 600 mg/Nm3 150 mg/Nm3 300 mg/Nm3
Kohlenmonoxid (CO) 100–200 mg/Nm3 200 mg/Nm3 400 mg/Nm3 250 mg/Nm3 500 mg/Nm3 200 mg/Nm3 400 mg/Nm3
Quecksilber und
Verbindungen (als Hg)
BVT-Emissionswert
nicht festgelegt
0,0135 mg/Nm3 0,027 mg/Nm3 0,03 mg/Nm3 0,06 mg/Nm3 0,03 mg/Nm3 0,05 mg/Nm3
Anorganische
Chlorverbindungen (als HCl)
1–10 mg/Nm3 - 20 mg/Nm3 - - - -
Anorganische
Fluorverbindungen (als HF)
1–5 mg/Nm3 - 3 mg/Nm3 - - - -
Ammoniak (NH3) ≤ 5 mg/Nm3
bei SCR/SNCR
keine SCR/SNCR
eingebaut
keine SCR/SNCR
eingebaut
- - - -
Dioxine und Furane** (PCDD/PCDF) BVT-Emissionswert
nicht festgelegt
- 0,1 ng/Nm3
(I-TEF 1988)
- 0,1 ng/Nm3
(I-TEF 1988)
- 0,1 ng/Nm3
(WHO-TEF 2008)
* Datenbasis des BVT-Merkblattes: 2001–2002, Veröffentlichung: 2006. Aktualisierung des BVT-Merkblattes seit 2011, Veröffentlichung voraussichtlich 2015.<ref name=LCP-BREF />
** Grenzwert für Dioxine und Furane bezieht sich auf 6-8-stündige Probenahme

Eine neue Datensammlung zu aktualisierten besten verfügbaren Techniken (BVT) organisiert die Europäische Kommission seit Oktober 2011 und veröffentlicht voraussichtlich im Jahr 2014 neue BVT-Schlussfolgerungen für Großfeuerungsanlagen. Die darin für bestehende Anlagen festgelegten, mit BVT erreichbaren Emissionswerte müssen gemäß der europaweit geltenden Industrieemissionsrichtlinie spätestens vier Jahre nach der Veröffentlichung der BVT-Schlussfolgerungen im Kraftwerk Neurath eingehalten werden.<ref>Aktuelle Informationen zum Informationsaustausch über Beste verfügbare Techniken (engl.), Joint Research Centre, Europäische Kommission, Sevilla</ref>

Emissionen von Schadstoffen und Treibhausgasen

Kraftwerkskritiker bemängeln am Kraftwerk Neurath die hohen Emissionen an Stickstoffoxiden, Schwefeloxiden, Quecksilber und Feinstaub, an dem Krebs erzeugende Substanzen (Blei, Cadmium, Nickel, PAK, Dioxine und Furane) anhaften können.<ref>Feinstaub-Quellen und verursachte Schäden, Umweltbundesamt (Dessau)</ref> Eine von Greenpeace bei der Universität Stuttgart in Auftrag gegebene Studie kommt 2013 zu dem Ergebnis, dass die vom Kohlekraftwerk Neurath (vor Inbetriebnahme der Blöcke F und G) ausgestoßenen Feinstäube und die aus Schwefeldioxid-, Stickoxid- und NMVOC-Emissionen gebildeten sekundären Feinstäube statistisch zu 1.712 verlorenen Lebensjahren führen.<ref>Assessment of Health Impacts of Coal Fired Power Stations in Germany – by Applying EcoSenseWeb (Englisch, PDF 1,2 MB) Philipp Preis/Joachim Roos/Prof. Rainer Friedrich, Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung, Universität Stuttgart, 28. März 2013</ref> Auf der Liste der „gesundheitsschädlichsten Kohlekraftwerke Deutschlands“ rangiert das Kraftwerk auf Platz 7.<ref>Greenpeace: Die zehn gesundheitsschädlichsten Kohlekraftwerke Deutschlands (PDF 129 kB)</ref>

Alle Kohlekraftwerke stehen mit Verweis auf den Klimawandel in der Kritik bei Umweltverbänden und Naturschützern. Die Stromerzeugung aus Braunkohle gehört trotz optimierter Anlagentechnik (BoA) weiterhin zu den Technologien der Energiegewinnung, die den höchsten Ausstoß an CO2 pro erzeugter Kilowattstunde Strom aufweisen. Der Verbrauch an Braunkohle pro BoA-Block beträgt 820 Tonnen pro Stunde, zusammen also 1640 Tonnen.<ref name="ngz-online.de" />

Zwar liegt der Wirkungsgrad bei ca. 43 % - Weltrekord für Braunkohleverstromung – womit die beiden Neubaublöcke laut RWE gegenüber alten Kraftwerken auf Braunkohlebasis etwa 1/4 der CO2-Emissionen einsparen, in absoluten Zahlen beträgt der CO2-Ausstoß jedoch ca. 16 Mio. Tonnen pro Jahr. Pro elektrische Kilowattstunde werden ca. 950 g Kohlendioxid ausgestoßen, was fast doppelt so viel ist, wie beim durchschnittlichen deutschen Strommix (494 g CO2/kWh).<ref>RWE-Braunkohlekraftwerk in Grevenbroich. CO2-Diät oder Klimakiller-Kraftwerk?. In: Tagesschau.de, 15. August 2012. Abgerufen am 19. August 2012.</ref> Zum Vergleich: Moderne Gas-und-Dampf-Kombikraftwerke wie der 2011 in Betrieb genommene Block 4 des Kraftwerkes Irsching stoßen bei einem Wirkungsgrad von 60,4 % lediglich knapp über 330 g CO2 pro kWh aus.<ref>Gas und Dampfturbinenkraftwerk Irsching bietet bisher unerreichte Effizienz. In: VDI nachrichten. Abgerufen am 19. August 2012.</ref>

Auf der im Jahr 2007 vom WWF herausgegebenen Liste der 30 klimaschädlichsten Kraftwerke in der EU rangierte das Kraftwerk Neurath im Jahr 2006 auf Rang 7 in Europa und auf Rang 5 in Deutschland (1150 g CO2 pro Kilowattstunde), nach den Kraftwerken Niederaußem, Jänschwalde, Frimmersdorf und Weisweiler.<ref>Infografik des WWF zum CO2-Ausstoß der 30 klimaschädlichsten Kohlekraftwerke Deutschlands (PDF 655 kB) WWF, 2007</ref><ref>Dirty Thirty Ranking of the most polluting power stations in Europe (PDF 1,1 MB, Englisch) WWF, Mai 2007</ref>

Es wurde kritisiert, dass der Anlagenwirkungsgrad nicht durch zusätzliche Maßnahmen wie Kraft-Wärme-Kopplung maximiert wird.<ref>rp-online.de / Rheinische Post vom 16. August (Seite A3): Umstrittenes Kraftwerk jetzt am Netz</ref> Einen Teil der anfallenden Abwärme nutzt seit Sommer 2011 ein Gewächshauspark. Auf 11 Hektar (= 110.000 qm = 0,11 Quadratkilometer) werden z.B. Tomaten angebaut.<ref>Offizieller Erntestart im Gewächshauspark Grevenbroich-Neurath</ref>

Das Kraftwerk Neurath meldete folgende Emissionen im europäischen Schadstoffregister „PRTR“:

Emissionen des Kraftwerks Neurath laut PRTR<ref>PRTR – Europäisches Emissionsregister</ref>
Luftschadstoff 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013
Kohlendioxid (CO2) 16.795.900.000 kg 17.950.000.000 kg 17.869.800.000 kg 16.938.900.000 kg 19.600.000.000 kg 31.200.000.000 kg 33.300.000.000 kg
Stickstoffoxide (NOx/NO2) 11.507.700 kg 12.424.800 kg 12.315.300 kg 11.717.100 kg 11.700.000 kg 20.700.000 kg 22.800.000 kg
Kohlenmonoxid (CO) 4.650.000 kg 5.010.000 kg 5.360.000 kg 5.970.000 kg 6.900.000 kg 7.720.000 kg 7.330.0000 kg
Schwefeldioxide (als SOx/SO2) 4.765.200 kg 2.582.500 kg 3.632.300 kg 3.188.100 kg 2.340.000 kg 5.830.000 kg 6.260.000 kg
Feinstaub (PM10) 251.000 kg 214.000 kg 281.000 kg 251.000 kg 283.000 kg 423.000 kg 401.000 kg
Anorganische Chlorverbindungen (als HCl) 86.103 kg 122.274 kg 107.800 kg 102.642 kg 104.000 kg 189.000 kg 250.000 kg
Anorganische Fluorverbindungen (als HF) 6.530 kg 7.370 kg 8.470 kg 8.060 kg 6.110 kg 11.100 kg 11.800 kg
Benzol - - - - - 1.110 kg 1.180 kg
Quecksilber und Verbindungen (als Hg) 297 kg 212 kg 212 kg 181 kg 220 kg 497 kg 667 kg
Zink und Verbindungen (als Zn) - - - - - 311 kg 331 kg
Nickel und Verbindungen (als Ni) - - - - - 69,9 kg -
Arsen und Verbindungen (als As) 29,7 kg 66,1 kg 42,2 kg 42,2 kg 42,8 kg 55,5 kg 35,4 kg

Weitere typische Schadstoffemissionen wurden nicht berichtet, da sie im PRTR erst ab einer jährlichen Mindestmenge meldepflichtig sind, z.B. Dioxine und Furane ab 0,0001 kg, Cadmium ab 10 kg, Nickel ab 50 kg, Chrom sowie Kupfer ab 100 kg, Blei sowie Zink ab 200 kg, Ammoniak sowie Lachgas (N2O) ab 10.000 kg, flüchtige organische Verbindungen außer Methan (NMVOC) ab 100.000 kg.<ref>PRTR-Verordnung 166/2006 über die Schaffung eines Europäischen Schadstofffreisetzungs- und -verbringungsregisters und zur Änderung der Richtlinien 91/689/EWG und 96/61/EG des Rates</ref>

Die Europäische Umweltagentur hat die jährlichen Kosten der Umwelt- und Gesundheitsschäden der 28.000 größten Industrieanlagen in der Europa anhand der im PRTR gemeldeten Emissionsdaten mit den wissenschaftlichen Methoden der Europäischen Kommission abgeschätzt.<ref>Kosten-Nutzen-Analyse zur Luftreinhaltepolitik, Clean Air for Europe (CAFE) Programm, Europäische Kommission</ref> Danach verursacht das Kraftwerk Neurath die achthöchsten Schadenskosten aller europäischen Industrieanlagen.<ref name=EEA>Revealing the costs of air pollution from industrial facilities in Europe (Offenlegung der Kosten der Luftverschmutzung aus Industrieanlagen in Europa), Europäische Umweltagentur, Kopenhagen, 2011</ref>

Umwelt- und Gesundheitsschäden im Jahr 2009<ref name="EEA" />
Verursacher Schadenskosten Einheit Anteil
Kraftwerk Neurath 0,781 – 1,095 Milliarden Euro 0,6 – 0,8 %
Summe 28.000 Anlagen 102 – 169 Milliarden Euro 100 %

Siehe auch

Weblinks

Commons Commons: Kraftwerk Neurath – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

<references />