Leucit


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Leucit
Leucitkristalle, eingebettet in Lavagestein aus Poggio Nibbio, Vicosee, Latium, Italien (Größe: 48 x 40 x 35 mm)
Allgemeines und Klassifikation
Andere Namen
  • Leukolith
  • Leuzit
  • Weißer Granat
Chemische Formel K[AlSi2O6]<ref name="StrunzNickel" />
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Silikate und Germanate – Gerüstsilikate
System-Nr. nach Strunz
und nach Dana
9.GB.05 (8. Auflage: VIII/J.05)
76.02.02.01
Ähnliche Minerale Nephelin, Sanidin
Kristallographische Daten
Kristallsystem Hoch-Leucit: kubisch (> 605 °C)
Tief-Leucit: tetragonal (< 605 °C)<ref name="StrunzNickel" />
Kristallklasse; Symbol Hoch-Leucit:
kubisch-hexakisoktaedrisch; 4/m 3 2/m
Tief-Leucit:
tetragonal-dipyramidal; 4/m<ref name="StrunzNickel" /><ref name="Webmineral" />
Raumgruppe siehe Kristallstruktur
Gitterparameter siehe Kristallstruktur
Formeleinheiten Z = 16<ref name="StrunzNickel" />
Häufige Kristallflächen {112}, {100}, {110}<ref name="Datenblatt" />
Zwillingsbildung meist nach {110} und {101}
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 5,5 bis 6
Dichte (g/cm3) gemessen: 2,45 bis 2,50; berechnet: [2,46]<ref name="Datenblatt" />
Spaltbarkeit sehr undeutlich nach {110}<ref name="Datenblatt" />
Bruch; Tenazität uneben bis muschelig; spröde
Farbe farblos, grau, weiß, gelblich, rötlich
Strichfarbe weiß
Transparenz durchsichtig bis undurchsichtig
Glanz Glasglanz
Radioaktivität kaum nachweisbar
Kristalloptik
Brechungsindizes nω = 1,508
nε 1,509<ref name="Mindat" />
Doppelbrechung δ 0,001<ref name="Mindat" />
Optischer Charakter einachsig positiv
Achsenwinkel 2V = sehr gering
Weitere Eigenschaften
Chemisches Verhalten empfindlich gegen Salzsäure und Oxalsäure

Leucit, gelegentlich auch Leuzit<ref name="Lüschen" /> geschrieben oder als Leukolith<ref name="Klaproth" />, Kali-Tonerde-Silikat oder auch Weißer Granat bezeichnet<ref name="Lüschen" />, ist ein eher selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Silikate und Germanate“ mit der chemischen Zusammensetzung K[AlSi2O6]<ref name="StrunzNickel" />. Strukturell gehört er zu den Gerüstsilikaten und dort zur Familie der Zeolithe.

Leucit ist dimorph, das heißt, er kommt bei gleicher chemischer Zusammensetzung in verschiedenen kristallinen Erscheinungsformen (Modifikationen) vor. Natürlich gebildeter Leucit kristallisiert bei über 900 °C zunächst im kubischen Kristallsystem (Hoch-Leucit) und wechselt dann bei einer Temperatur zwischen 600 und 700 °C<ref name="Gatta" /> ins tetragonale Kristallsystem (Tief-Leucit). Je nach Quelle wird auch eine Umwandlungstemperatur von 605 °C<ref name="StrunzNickel" /><ref name="Rösler" /> oder 630 °C<ref name="Mazzi" /> genannt.

Leucit entwickelt überwiegend klar erkennbare Ikositetraeder-Kristalle (früher: Leucitoeder), kommt aber auch in Form körniger bis massiger Mineral-Aggregate vor. In reiner Form ist er farblos und durchsichtig. Durch vielfache Lichtbrechung aufgrund von Gitterbaufehlern oder polykristalliner Ausbildung bzw. polysynthetischer Zwillingsbildung kann er aber auch weiß erscheinen und durch Fremdbeimengungen eine graue oder gelbliche bis rötliche Farbe annehmen, wobei die Transparenz entsprechend abnimmt. Unverwitterte und klare Kristallflächen weisen einen glasähnlichen Glanz auf, Spalt- bzw. Bruchflächen auch Fettglanz. Die meisten Leucitkristalle sind jedoch aufgrund der Bildung von Zwillingslamellen bei der Umwandlung in Tief-Leucit matt weiß.

Besondere Eigenschaften

Leucit allein ist vor dem Lötrohr auch auf Kohle unschmelzbar. Zusammen mit Borax wird er allerdings langsam aufgelöst, wobei sich eine klare Perle von hellbrauner Farbe bildet.<ref name="Klaproth" />

Von Salzsäure und Flusssäure wird Leucit aufgelöst,<ref name="Schumann-Sammeln" /> wobei die entstehende Kieselsäure in Salzsäure pulverartig ausfällt<ref name="Rösler" />.

Etymologie und Geschichte

Erstmals entdeckt wurde Leucit am Monte Somma in der italienischen Metropolitanstadt Neapel und beschrieben 1791 durch Abraham Gottlob Werner<ref name="Lüschen" />, der das Mineral aufgrund seiner häufig auftretenden weißen Farbe nach dem altgriechischen Wort λευκός leukós „weiß“ benannte.

Als Martin Heinrich Klaproth den Leucit 1797 analysierte, entdeckte er erstmals in einem Mineral das bisher ausschließlich als Produkt des Pflanzenreichs bekannte Kali (auch „Pflanzenalkali“) in Form der Pottasche.<ref name="Lüschen" /><ref name="Klaproth" />

Klassifikation

In der mittlerweile veralteten, aber noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Leucit zur Abteilung der „Gerüstsilikate (Tektosilikate), mit Zeolithen“, wo er zusammen mit Ammonioleucit die „Leucitgruppe“ mit der System-Nr. VIII/J.05 bildete.

Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Leucit ebenfalls in die Abteilung der „Gerüstsilikate (Tektosilikate) mit zeolithischem H2O; Familie der Zeolithe“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach der Gerüststruktur, so dass das Mineral entsprechend seinem Aufbau in der Unterabteilung „Ketten von einfach verbundenen Vierer-Ringen“ zu finden ist, wo es zusammen mit Ammonioleucit, Analcim, Hsianghualith, Lithosit, Pollucit und Wairakit die „Analcimgruppe“ mit der System-Nr. 9.GB.05 bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Leucit in die Klasse der „Silikate und Germanate“ und dort in die Abteilung der „Gerüstsilikate: Al-Si-Gitter“ ein. Hier ist er ebenfalls zusammen mit Ammonioleucit in der „Leucitgruppe“ mit der System-Nr. 76.02.02 innerhalb der Unterabteilung „Gerüstsilikate: Al-Si-Gitter, Feldspatvertreter und verwandte Arten“ zu finden.

Bildung und Fundorte

Datei:Leucite-Orthoclase-d06-40a.jpg
Vollentwickelte, perfekte Pseudomorphose von Orthoklas nach Leucit aus Oberwiesenthal, Sachsen (Größe: 6,4 × 5,7 × 5,5 cm)
Datei:Leucite.jpg
Leucitkristalle auf Quarz aus Karbi Anglong, Assam, Indien

Leucit ist ein typisches magmatisches Hochtemperaturmineral und bildet sich bei Erstarrung alkalireicher SiO2-armer Laven. Gesteinsbildend ist er als Leucitphonolit, Leucitophyr und Leucitbasalt bekannt.<ref name="Schröcke" /> Dort tritt er in Paragenese vor allem zusammen mit Analcim, Augit, Biotit, Kalsilit, Labradorit, Mikroklin, Montmorillonit, Natrolith, Nephelin, Olivin und Orthoklas auf. Zudem finden sich auch Pseudomorphosen von Orthoklas nach Leucit. Da er wie Nephelin SiO2-arm ist, kommt er nie neben Quarz vor, da dieser ein Anzeichen für SiO2-Überschuss im Gestein ist.

Als eher seltene Mineralbildung kann Leucit an verschiedenen Fundorten zum Teil zwar reichlich vorhanden sein, insgesamt ist er aber wenig verbreitet. Als bekannt gelten bisher (Stand 2013) rund 190 Fundorte.<ref name="MindatAnzahl" /> Neben seiner Typlokalität Monte Somma trat das Mineral in Italien noch an mehreren Orten der Gemeinde Roccamonfina, am Vesuv und auf der Insel Procida in Kampanien; in der Grotta del Cervo nahe Carsoli in den Abruzzen; am Monte Vulture in Basilikata; bei Paola in Kalabrien; an vielen Stellen in den Provinzen Rom und Viterbo in Latium; am Ätna auf Sizilien; bei Pitigliano in der Toskana sowie bei Spoleto, San Venanzo und Orvieto in Umbrien auf.

In Deutschland konnte das Mineral unter anderem bei Maleck, am Titisee und am Eichberg bei Oberrotweil in Baden-Württemberg; an der Zinster Kuppe bei Kemnath und am Zeilberg in Bayern; auf den Schlackenhalden der Hessenhütte im Richelsdorfer Gebirge und in einem Basalt-Steinbruch bei Gonterskirchen in Hessen sowie an vielen Orten in der rheinland-pfälzischen Eifel wie beispielsweise in der Umgebung von Andernach, Hillesheim, des Laacher Sees und Mendig gefunden werden.

In Österreich kennt man Leucit bisher nur vom Stradner Kogel bei Merkendorf-Wilhelmsdorf und von einem Basalt-Steinbruch bei Klöch in der Steiermark.

Der bisher einzige bekannte Fundort in der Schweiz ist Reiat im Kanton Schaffhausen.

Bekannt aufgrund außergewöhnlicher Leucitfunde sind unter anderem der Vesuv in Italien und der Laacher See in Deutschland, wo gut entwickelte Kristalle von mehreren Zentimetern Durchmesser gefunden wurden.<ref name="Dörfler" />

Weitere bisher bekannte Fundorte liegen unter anderem in der Antarktis, Argentinien, Aserbaidschan, Australien, Brasilien, Cape Verde, China, Frankreich und Französisch-Polynesien, Grönland, Indien, Japan, Kamerun, Kanada, der Demokratischen Republik Kongo, Madagaskar, Namibia, Norwegen, Paraguay, Polen, Rumänien, Russland, Schweden, der Slowakei, Spanien, Südafrika, Südkorea, Tansania, Tschechien, der Türkei, Ungarn und in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA).<ref name="Fundorte" />

Kristallstruktur

Tief-Leucit kristallisiert tetragonal mit der Raumgruppe I41/a (Raumgruppen-Nr. 88) mit den Gitterparametern a = 13,05 Å und c = 13,75 Å sowie 16 Formeleinheiten pro Elementarzelle.

Hoch-Leucit kristallisiert kubisch in der Raumgruppe Ia3d (Raumgruppen-Nr. 230) mit dem Gitterparameter a = 13,43 Å sowie 16 Formeleinheiten pro Elementarzelle.<ref name="StrunzNickel" />

Verwendung

als Rohstoff

Leucitgesteine dienen in einigen Ländern wie z. B. Italien als Rohstoff zur Gewinnung von Kalium und Aluminium.<ref name="Rösler" />

In der Zahnmedizin dient Leucit als Grundstoff zur Erzeugung von Keramiken für Zahnersatz wie Inlays und Teilkronen. Er kann in einem speziellen Verfahren gepresst werden und ist damit eine Alternative zu Zirkoniumoxid, welches gefräst werden muss.

als Schmuckstein

Gelegentlich wird Leucit von Sammlern und Hobbyschleifern auch zu Schmucksteinen verarbeitet, wobei er überwiegend einen Facettenschliff erhält.<ref name="Schumann" />

Siehe auch

Literatur

  •  Friedrich Klockmann, Paul Ramdohr, Hugo Strunz (Hrsg.): Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978 (Erstausgabe: 1891), ISBN 3-432-82986-8, S. 770.
  •  Helmut Schröcke, Karl-Ludwig Weiner: Mineralogie. Ein Lehrbuch auf systematischer Grundlage. de Gruyter, Berlin; New York 1981, ISBN 3-11-006823-0, S. 859–860.
  •  Martin Okrusch, Siegfried Matthes: Mineralogie. Eine Einführung in die spezielle Mineralogie, Petrologie und Lagerstättenkunde. 7. vollständige überarbeitete und aktualisierte Auflage. Springer Verlag, Berlin u. a. 2005, ISBN 3-540-23812-3, S. 123–124.
  • Dorian M. Hatch, Subrata Ghose, Harold T. Stokes: Phase transitions in leucite, KAlSi2O6, In: Physics and Chemistry of Minerals, Band 17 (1990), S. 220–227 doi:10.1007/BF00201453

Weblinks

Commons Commons: Leucite – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienVorlage:Commonscat/Wartung/P 2 fehlt, P 1 ungleich Lemma

Einzelnachweise

<references> <ref name="Datenblatt"> Leucite, In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America, 2001 (PDF 61,5 kB) </ref> <ref name="Dörfler">  Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien-Enzyklopädie. Nebel Verlag GmbH, Eggolsheim 2002, ISBN 3-89555-076-0, S. 271 (Dörfler Natur). </ref> <ref name="Fundorte"> Fundortliste für Leucite beim Mineralienatlas und bei Mindat </ref> <ref name="Gatta"> G. Diego Gatta, Nicola Rotiroti, Tiziana Boffa Ballaran, Alessandro Pavese: Leucite at high pressure: Elastic behavior, phase stability, and petrological implications, In: American Mineralogist, Band 93 (2008), S. 1588–1596 (PDF 1,7 MB) </ref> <ref name="Klaproth"> Martin Heinrich Klaproth: Chemische Untersuchung des Leucits, In: Beiträge zur Chemischen Kenntniss der Mineralkörper, Band 2 (1797), S. 39-61 (PDF 826,3 kB) </ref> <ref name="Lüschen">  Hans Lüschen: Die Namen der Steine. Das Mineralreich im Spiegel der Sprache. 2. Auflage. Ott Verlag, Thun 1979, ISBN 3-7225-6265-1, S. 264. </ref> <ref name="Mazzi"> Fiorenzo Mazzi, Ermanno Galli, Glauco Gottardi: The crystal structure of tetragonal leucite, In: American Mineralogist, Band 61 (1976), S. 108–115 (PDF 843,8 kB) </ref> <ref name="Mindat"> Mindat – Leucite (englisch) </ref> <ref name="MindatAnzahl"> Mindat - Anzahl der Fundorte für Leucit </ref> <ref name="Rösler">  Hans Jürgen Rösler: Lehrbuch der Mineralogie. 4. durchgesehene und erweiterte Auflage. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie (VEB), Leipzig 1987, ISBN 3-342-00288-3, S. 607–608. </ref> <ref name="Schröcke">  Helmut Schröcke, Karl-Ludwig Weiner: Mineralogie. Ein Lehrbuch auf systematischer Grundlage. de Gruyter, Berlin; New York 1981, ISBN 3-11-006823-0, S. 860. </ref> <ref name="Schumann">  Walter Schumann: Edelsteine und Schmucksteine. Alle Arten und Varietäten der Welt. 1600 Einzelstücke. 13. überarbeitete und erweiterte Auflage. BLV Verlags-GmbH., München u. a. 2002, ISBN 3-405-16332-3, S. 220. </ref> <ref name="Schumann-Sammeln">  Walter Schumann: Steine- und Mineralien sammeln; finden, präparieren, bestimmen. BLV Buchverlag GmbH & Co.KG, München, Wien, Zürich 1994, ISBN 3-405-14590-2, S. 110. </ref> <ref name="StrunzNickel">  Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. 9. Auflage. E. Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 693. </ref> <ref name="Webmineral"> Webmineral – Leucite (englisch) </ref> </references>