Pflanzenzüchtung
Ziel der Pflanzenzüchtung ist die genetische Veränderung von Pflanzenpopulationen zur Verbesserung biologischer und ökonomischer Eigenschaften. Sie beruht auf Pflanzenauslese, Saatgutbehandlung oder Kreuzung mit nachfolgender Auslese von Tochterpflanzen für den nächsten Züchtungszyklus oder der anschließenden Vermehrung als Saatgut einer neuen Pflanzensorte (Saatzucht).
Inhaltsverzeichnis
Ziele
Ziele der Pflanzenzüchtung im Nutzpflanzenbereich sind vor allem:
- Ertragssteigerung
- Steigerung des Flächenertrages
- „Low-input“-Pflanzen für die Bioenergiegewinnung und ökonomisch effektive Nutzung von Mittelertragslagen
- Qualitätsverbesserung
- Elimination unerwünschter Inhaltsstoffe (z.B. Bitterstoffe und giftige Inhaltsstoffe wie im 00-Raps)
- Verbesserung des Geschmacks und der Haltbarkeit (v.a. Obst und Gemüse)
- bessere Fettsäurezusammensetzung (Rapsöl, Sonnenblumenöl) für die Nutzung als Nahrungsmittel oder die technische Nutzung als nachwachsender Rohstoff
- Verbesserung der Stärkezusammensetzung bsp. bei Kartoffeln und Getreide für technische Anwendungen (Stärke als nachwachsender Rohstoff)
- Steigerung des Vitamingehalts (z.B. Vitamin E in Rapsöl)
- höhere Wertigkeit des Eiweiß’ für Futterpflanzen
- Verbesserung struktureller Komponenten (z.B. Faserqualitäten bei Nutzhanf und Lein)
- Umwelttoleranzen/-resistenzen
- Anpassung an neue Umgebungssituationen (Kühletoleranz, Salztoleranz, Trockentoleranz)
- höhere Schädlingsresistenzen, -toleranzen und Krankheitsresistenzen
Bei Zierpflanzen, liegt die Gewichtung ebenfalls in der Verbesserung der Schädlings- und Krankheitsresistenzen, aber vor allem auf der Selektion farblich oder morphologisch besonders ansprechender Merkmale. Letztere haben auch eine wesentliche Bedeutung bei direkt zu vermarktendem Gemüse (Weißkohl, …).
Bei Heilpflanzen, liegt die Gewichtung, neben der Verbesserung der Schädlingstoleranz und Krankheitsresistenzen, vor allem auf der Selektion zur Steigerung des Gehalts an wirksamen Inhaltsstoffen für die Erzeugung von Drogen und Phytopharmaka.
Klassische Züchtungsmethoden
Auslesezüchtung/Selektionszüchtung
Die Auslesezüchtung fängt mit dem Anbau von Genotypengemischen (vorh. genetische Linien, auch Wildpflanzen) an. Aus dem nach gemeinsamer Abblüte erzeugten Saatgut werden Pflanzen mit vorteilhaften Eigenschaften ausgewählt (Zuchtwahl, Massenauslese). Oft folgt eine erneute gemeinsame Abblüte dieser Pflanzen. Schließlich werden Saaten der besten Pflanzen isoliert vermehrt. Nach mehrfacher Wiederholung des Vorgangs und weiterer Auslese bleiben fast reinerbige (homozygote) Pflanzen mit gewünschten Eigenschaften übrig.
Die Auslesezüchtung stellt die älteste Form der Züchtung dar. Es gibt:
- die negative Massenauslese: „Schlechte“ Pflanzen werden von der weiteren Vermehrung ausgeschlossen.
- die positive Massenauslese: Dem Zuchtziel entsprechende Pflanzen werden ausgelesen und weiter vermehrt.
- Kombinationen von positiver und negativer Auslese
Sobald ein Idealtyp erreicht ist, geht man in der Regel zur vegetativen Vermehrung über (Klone, Zellkulturen etc.), weil die Vermehrung so schneller möglich ist (Beispiel: Kartoffel).
Der Übergang zur Kombinationszüchtung ist hier fließend. Bei Selbstbefruchtern (Gerste, Bohne, Erbse…) sind statt gemeinsamer Abblüte auch Kreuzungen von Hand erforderlich. Sind geeignete Pflanzen erzeugt worden, führt dieses Verfahren dann schnell zum Zuchtziel.
Statt gemeinsamer Abblüte werden auch bei Fremdbefruchtern (Roggen, Mais…) Blütenstände künstlich befruchtet, später werden nur Saaten von Pflanzen mit bestem Ertrag und/oder bester Qualität weiterverwendet.
Kombinationszüchtung
Die Kombinationszüchtung ist eine Kreuzung verschiedener Genotypen (Linien). Es entsteht ein neuer Genotyp (F1). Die Eltern werden so in einem Genotyp vereinigt. Das Zusammenwirken dieser Gene führt zu neuen Phänotypen. Aus den Einzelkreuzungen werden nur die erfolgversprechendsten ausgelesen. Es können erwünschte Merkmale verstärkt und unerwünschte zurückgedrängt werden. Da die Kreuzungen spätestens in der nächsten Generation wieder (F2) aufspalten, ist nach weiteren Auslesezyklen (F3, F4, …) zur Saatgutproduktion zudem eine Erhaltungszüchtung erforderlich. Diese Kombinationszüchtung basiert auf der 3. mendelschen Unabhängigkeits- und Neukombinationsregel.
In Deutschland gibt es ca. 90 Zuchtprogramme für landwirtschaftliche Kulturarten (z. B. Raps, Weizen, Mais, Zuckerrübe etc.). Beim Bundessortenamt in Hannover waren im Jahr 2004 mehr als 2700 verschiedene Sorten eingetragen.
Heterosiszüchtung
In der Heterosiszüchtung werden bei Fremdbefruchtern (Mais, Roggen…) in mehrjähriger Züchtung aus heterozygoten Ausgangspflanzen nahezu homozygote Inzuchtlinien gezüchtet. Kreuzt man zwei solche Linien, tritt bei der F1 Generation oft eine auffallende Mehrleistung gegenüber der Elternformen auf. Dies nennt man „Heterosis-Effekt“ (Luxurieren der Bastarde). Bei Getreide kann man u. a. einen höheren Kornertrag erzüchten, bei anderen Pflanzen und bei Tieren vor allem eine höhere Resistenz vor Krankheiten und bei Hühnern bessere Legeleistung.
Bei Nachkommen der F1-Generation (F2, …) treten wieder die weniger guten Eigenschaften der Inzuchtlinien auf, da sie genetisch entsprechend der Spaltungsregel (Mendel) aufspalten. Die vorteilhaften Eigenschaften treten also nur in der F1-Generation auf.
Hybridzüchtung
Die Hybridzüchtung ist ein Beispiel für Heterosiszüchtung, zur Erzielung einer hohen markt- oder betriebsgerechten pflanzlichen Produktion durch Bastardwüchsigkeit. So werden bei der Hybridzüchtung geeignete, gesondert gezüchtete Inzuchtlinien einmalig miteinander gekreuzt (Einfachhybride). <ref>Einfachhybriden, Doppelhybride, Dreiweghybride, Topcrosshybriden</ref> Die Nachkommen der ersten Generation (F1) einer solchen Kreuzung haben gegenüber der Elterngeneration ein üppigeres Wachstum (Heterosiseffekt), daher wird durch ihre Kreuzung eine gesteigerte Leistung erzielt. Zudem findet eine Kombination der gewünschten Eigenschaft der Ausgangs-Inzuchtlinien statt.
Für den Landwirt bedeutet dies jedoch, dass das Saatgut jedes Jahr wieder neu bezogen werden muss, wenn er den Ertragsvorteil gegenüber Nicht-Hybriden weiterhin erhalten will, da der Heterosiseffekt nur in der F1-Generation auftritt und danach wieder verloren geht. Während Landwirte in Industrieländern meist diese Strategie fahren, verwenden Bauern in Entwicklungsländern häufiger Nachkommen von Hybriden (recyclen), wenn diese trotz Verlust des Heterosiseffekts noch bessere Eigenschaften als traditionelles Saatgut aufweisen.
Bei Roggen werden in einigen Fällen zu Hybridsaatgut 10 % Populationssaatgut zur Sicherstellung der Bestäubung beigemischt.
Mutationszüchtung
Bei der Mutationszüchtung werden Samen Röntgen- oder Neutronenstrahlen, Kälte- und Wärmeschocks oder anderen Mutagenen ausgesetzt<ref>Hanswerner Dellweg: Biotechnologie verständlich. Springer, 1994, ISBN 3-540-56900-6, S. 106, S. 197.</ref>, um neue Eigenschaften durch Mutation zu erzielen, die einen positiven Effekt aufweisen. Nur ein sehr kleiner Teil der Mutanten ist für die Weiterzucht erfolgversprechend, da die meisten Defekte zeigen und unbrauchbar sind. Die so mutierten Pflanzen müssen mit leistungsfähigen Zuchtlinien zurückgekreuzt werden, um die neue, positive Eigenschaft in diese zu überführen.<ref>Hans Günter Gassen, Michael Kemme: Gentechnik. Die Wachstumsbranche der Zukunft. Fischer Taschenbuch Verlag, 1996, ISBN 3-596-12291-0.</ref> Obwohl in der Mutationszüchtung die Erbinformation unkontrollierter verändert wird als mit der Gentechnik, ist sie im Gegensatz zu dieser in der Öffentlichkeit weniger bekannt. Sie unterliegt dabei keiner gesetzlichen Regulierung, da sie im Prinzip nur eine gezielte Steigerung der natürlichen Mutationsfrequenz darstellt. Diese tritt ohnehin in der Natur auf und ist die Grundlage der Evolution.
Präzisionszucht
Die Präzisionszucht ist eine Weiterentwicklung der klassischen Kreuzungszucht. Bei der Auswahl der Pflanzen, die miteinander gekreuzt werden, wird nicht mehr nur auf äußere Merkmale abgestellt, sondern das Erbgut wird genau analysiert, um danach die passenden Kreuzungspartner auszuwählen.
Damit wird die Züchtung neuer Sorten erheblich beschleunigt, da man keine langwierigen Anbauversuche braucht, um z.B. festzustellen, ob eine Pflanze resistent ist gegen Mehltaubefall. Da man die entsprechenden Gene kennt, lässt sich durch eine Gen-Analyse feststellen, ob die Eigenschaft bei der Kreuzung vererbt wurde.
Züchtung mit Hilfe der Gentechnik
Gentechnischer Gentransfer in Pflanzen geschieht durch Agrobacterium tumefaciens oder durch Übertragung von DNA mit Hilfe sog. Genkanonen. Das Agrobacterium tumefaciens besitzt ein TI-Plasmid (TI = Tumor Inducing), in das das gewünschte Gen, das in die Pflanze übertragen werden soll, integriert wird. Das Agrobacterium tumefaciens kann die Pflanze an entsprechenden Wundstellen infizieren und das Gen in das Genom der Pflanzenzelle übertragen. Bei der Übertragung von DNA mit der „Particle Gun“ wird die zu übertragende DNA an Gold- oder Wolframpartikel gebunden. Diese Partikel werden mit einer großen Geschwindigkeit auf Pflanzengewebe/Zellen geschleudert, so dass sie in die Zellen eindringen, ohne sie zu zerstören. In den Zellen löst sich die an die Partikel gebundene DNA und kann sich in das Genom der Pflanzenzelle integrieren.
Mit Hilfe der grünen Gentechnik können somit gezielt bestimmte Eigenschaften (z. B. Krankheitsresistenzen, verbesserte Vitamingehalte etc.) in Pflanzen übertragen werden, die durch klassische Züchtung nur schwer (z. B. nur sehr langfristig) oder gar nicht übertragbar sind.
Bedeutende Pflanzenzüchter (Auswahl)
- Deutschland
- Ernst Benary (1819–1893), Unternehmen in Erfurt mit weltweitem Vertrieb von Gartensamen
- Ferdinand von Lochow (1849–1924), züchtete einen leistungsstarken Roggentyp
- Eduard Meyer (1859–1931), Züchter von Futterrüben, Getreide, Kartoffeln
- Georg Arends (1863–1952), Staudenzüchtungen
- Kartz von Kameke-Streckenthin (1866–1942), Kartoffelzüchter
- Karl Foerster (1874–1970), züchtete neue Sorten von Rittersporn, Astern und Gräsern
- Thomas Scharnagel (1880–1953), züchtete ertragsstarke Weizensorten
- Rudolf Carsten (1880–1954), züchtete neue Weizensorten
- Vincenz Berger (1883–1974), Dahlienzüchter
- Reinhold von Sengbusch (1898–1985), Erdbeer- und Gemüsezüchter
- Eduard von Boguslawski (1905–1999), Lehrstuhl für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung an Justus-Liebig-Hochschule in Gießen
- F. Wolfgang Schnell (1913–2006), Direktor des Instituts für Pflanzenzüchtung mit Landessaatzuchtanstalt der Universität Hohenheim in Stuttgart
- Walter Schuster (1918–2010), Mitherausgeber eines Lehrbuchs der Züchtung landwirtschaftlicher Kulturpflanzen
- Gerhard Fischbeck (* 1925), forschte an Getreidesorten und Resistenzzüchtungen
- Hans Hachmann (1930–2004), Rhododendron-Züchter
- Andere Länder
- Gregor Mendel (1822–1884), Mähren bzw. Tschechien
- Luther Burbank (1849–1926), USA
- Iwan Mitschurin (1855–1935), Russland
- Norman Borlaug (1914–2009), USA
Literatur
- Heiko Becker: Pflanzenzüchtung 2. Auflage. UTB, 2008, ISBN 978-3-8252-1744-0.
- Rolf Schlegel: Concise Encyclopedia of Crop Improvement. Institutions, Persons, Theories, Methods, and Histories. Haworth Press, New York/London 2007, ISBN 978-1-56022-146-3, S. 331ff.
- Rolf Schlegel: Dictionary of Plant Breeding. 2. Auflage. Taylor & Francis, 2009, ISBN 978-1-4398-0242-7, S. 584.
- Wulf Diepenbrock, Jens Léon, Frank Ellmer: Ackerbau, Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung, Grundwissen Bachelor. Ulmer, 2005, ISBN 978-3-8252-2629-9. (UTB Uni-Taschenbücher, Band 2629)
- Noel Kingsbury: Hybrid. The History and Science of Plant Breeding. The University of Chicago Press, 2009, ISBN 978-0-226-43704-0.
- Thomas Miedaner: Pflanzenzüchtung. Eine Einführung. DLG, 2010, ISBN 978-3-7690-0752-7.
Weblinks
- Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V.
- Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V.
- "Grundkenntnisse der Pflanzenzüchtung", www.pflanzenforschung.de
- Video: Wie geht Hybridzüchtung?
Einzelnachweise
<references />