Heilpflanze


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Eine auch heute verbreitet angewendete Heilpflanze ist Salbei (z. B. Salvia officinalis)
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Kräutergarten mit Heilpflanzen in Thailand

Eine Heilpflanze (auch Drogenpflanze oder Arzneipflanze genannt) ist eine Pflanze, die in der Pflanzenheilkunde (Phytotherapie) wegen ihres Gehalts an Wirkstoffen zu Heilzwecken oder zur Linderung von Krankheiten verwendet werden kann. Sie kann als Rohstoff für Phytopharmaka in unterschiedlichen Formen, aber auch für Teezubereitungen, Badezusätze und Kosmetika verwendet werden.

Insbesondere bei krautigen Heilpflanzen ist auch die Bezeichnung Heilkraut üblich. Manche Heilpflanzen sind zugleich Giftpflanzen.

Begriffsklärung

In der Heilpflanzenkunde (Phytopharmakognosie) unterscheidet man folgende Begriffe:

„Heilpflanze“ ist dabei ein relativer Begriff, der nur nach der Verwendung verwendet wird, ungeachtet der botanischen Zugehörigkeit oder der Wuchsform. Jede Pflanze, für die der pharmazeutischen Biologie eine entsprechende Anwendung als Medikament bekannt ist, kann als Heilpflanze bezeichnet werden.

Es gibt vielfältige Formen von Drogen aus Heilpflanzen: frische oder getrocknete Teile, Extrakte (mit Lösungsmittel), Dekokten (durch Kochen gewonnen), Mazerationen (durch Kaltauszug gewonnen) usw. Ursprünglich stand die Trocknung im Vordergrund: Das Wort Droge stammt wahrscheinlich von niederländisch droog „trocken“ ab.<ref>Duden online: Droge</ref>

Manche Pflanzen, die ursprünglich wichtige Heilkräuter waren, werden heute als Genussmittel verwendet (etwa Tee, Kaffee oder Tabak) oder als Küchenkräuter (Gewürzkräuter, z. B. Pfeffer, Zimt, Basilikum) oder als schlichte Nahrungsmittel (Apfel, Zitrusfrüchte).

Geschichte

Ursprünge

Da die medizinische Wirkung von Pflanzen bereits Tieren, wie z.B. Menschenaffen, Schafen, Blaumeisen und Monarchfaltern bekannt ist, dürften Heilpflanzen schon bei den frühen Vertretern der Gattung Homo Anwendung gefunden haben.<ref>Was Tiere über Medizin wissen, dw.de</ref><ref>Wie Tiere sich selbst heilen, arte.tv</ref>

Der Mann vom Tisenjoch, allgemein bekannt als Ötzi, eine etwa 5300 Jahre alte Gletschermumie aus der ausgehenden Jungsteinzeit (Neolithikum) bzw. der Kupferzeit (Eneolithikum, Chalkolithikum), führte Birkenporlinge vermutlich als Heilmittel mit sich.<ref>Konrad Spindler: Der Mann im Eis. Die jungneolithische Gletschermumie vom Hauslabjoch in den Ötztaler Alpen. in: Nürnberger Blätter zur Archäologie 9, 1992/93, S. 27–38.</ref>

Alle in den letzten 200 Jahren aufgefundenen und erforschten oder wenigstens beschriebenen Stämme von Jägern und Sammlern wenden bei medizinischen Problemen auch Pflanzen zur Heilung an.

Altertum

Die Nutzung von Pflanzen mit der Absicht der Heilung lässt sich bereits in frühesten Schichten babylonischer, altägyptischer, indischer (Hymnen des Rig Veda) oder chinesischer Texte nachweisen, aber auch der ausdrückliche Anbau von Heilkräutern. Das bekannteste Zeugnis dieser ältesten Aufzeichnungen medizinischer Bemühungen mit zahlreichen Beispielen für Heilpflanzen und deren Anwendung ist der Papyrus Ebers, der im 16. Jahrhundert v. Chr. in Ägypten verfasst wurde.

Der Grieche Dioskurides beschrieb im 1. Jahrhundert zahlreiche Heilpflanzen und deren Anwendungen.

Mittelalter und Neuzeit

Während des Mittelalters erfolgte der Anbau, die Beschreibung<ref>Hans-Rudolf Fehlmann: Deutsche Heilpflanzennamen in St. Galler Handschriften (9. bis 11. Jahrhundert), in: Fachprosa-Studien. Beiträge zur mittelalterlichen Wissenschafts- und Geistesgeschichte, hrsg. von Gundolf Keil u. a., Berlin 1982, S. 469–478</ref> und Anwendung von Heilpflanzen vor allem durch Klostermönche (siehe Klostermedizin). Der Zusammenhang zwischen Nahrung und Arznei wurde insbesondere in der orientalischen Heilkunst schon früh erkannt, und dementsprechend finden sich zahlreiche Hinweise in den Medizinbüchern des Orients, etwa bei Ibn Sina (Avicenna) um 1000  n. Chr. Der spanisch-arabische Arzt und Botaniker Abu Muhammad Ibn al-Baitar beschrieb um 1230 im Kitab al-gami über 1400 pflanzliche Heilmittel und ihre Rezepturen.

Paracelsus (1493–1541) erkannte: „Alle Dinge sind Gift und nichts ohne Gift; allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.“<ref>Hans H. Frey et al.: Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie für die Veterinärmedizin. MVS Medizinverlage Stuttgart, Stuttgart 2010, S. 599, ISBN 978-3-8304-1079-9</ref> Leonhard Fuchs veröffentlichte 1543 mit dem New Kreüterbuch eines der wichtigsten Kräuterbücher in deutscher Sprache, das zahlreiche Arzneipflanzen abbildet und ihre Wirkung beschreibt.

Zu den Wegbereitern der modernen Phytotherapie gehören auch die Bücher des Schweizer Kräuterpfarrers Johann Künzle (1857–1945). Als Begründer der wissenschaftlichen Pflanzenheilkunde gilt Rudolf Fritz Weiss (1895–1991).

Gegenwart

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Laden mit Produkten für die traditionelle chinesische Medizin (Hongkong), überwiegend werden Heilpflanzen verwendet

Heute werden Heilpflanzen im Rahmen der Phytotherapie verwendet, in manchen europäischen Ländern sowie den USA spielen sie durch das Aufkommen von chemisch synthetisierten und definierten Wirkstoffen nur eine geringe Rolle. Andererseits ist die pharmazeutische Industrie und die Pharmakologie zu der Erkenntnis gelangt, dass die Vielfalt der sekundären Pflanzenstoffe ein enormes Reservoir für neue, hochpotente Medikamente darstellt. Gerade die kaum erforschte und katalogisierte Flora der tropischen Urwälder und die in der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) sowie der indischen Medizin Ayurveda verwendeten Pflanzen bergen in dieser Hinsicht ein sehr großes Potenzial.

Während das Sammeln von Heilkräutern in früheren Zeiten Grundbestandteil einer Subsistenzwirtschaft war, wird weltweit bis heute insbesondere in wirtschaftlich schlechter Lage auf die Verwendung von Heilpflanzen als Arzneimittel zurückgegriffen. Auch die Bewegung des biologischen Landbaus hat Heilkräuter wieder populär gemacht.

Heilpflanzen für den pharmazeutischen Bedarf in Apotheken werden unter möglichst kontrollierten Bedingungen angebaut. Sie werden aber auch wild wachsend gesammelt oder im Hausgarten angepflanzt, um als Hausmittel vorbeugend oder bei Krankheiten zur Verfügung zu stehen. Die gebräuchlichste Verwendungsform ist wohl der Heiltee.

Wirtschaftliche Bedeutung

Auch Heilpflanzen werden zu den nachwachsenden Rohstoffen gezählt, da ihre Verwendung außerhalb des Nahrungs- und Futtermittelbereichs stattfindet. Zusammen mit Färberpflanzen beträgt der Anbaufläche in Deutschland rund 12.000 ha (ca. 0,5 % der Gesamtanbaufläche für nachwachsende Rohstoffe).<ref>Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V.: Tabelle der Anbaufläche für nachwachsende Rohstoffe 2014/2015</ref> Etwa 90 % der in Deutschland verwendeten Heilpflanzen werden importiert. Heilpflanzen stammen allerdings nur zu 30 % aus Anbau und zu etwa 70 % aus Wildsammlungen. Von den etwa 440 heimischen Heilpflanzen werden in Deutschland ca. 75 Arten angebaut, wobei allein 24 Arten 92 % des Angebots ausmachen. Hauptanbaugebiete in Deutschland sind Thüringen (Erfurter Becken), Bayern (Oberbayern, Erdinger Moos, Mittelfranken), Sachsen (Lößgebiete Mittelsachsens), Sachsen-Anhalt (Mitteldeutsches Trockengebiet) und Ostfriesland.<ref>Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (Hrsg.): Pflanzen für die Industrie, 2005, PDF-Download</ref><ref>Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V.: Daten und Fakten: Entwicklung der Anbaufläche</ref>

Wirkungen

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Aus dem Roten Fingerhut (Digitalis purpurea) werden Herzglykoside gewonnen
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Echtes Johanniskraut (Hypericum perforatum) wird als leichtes bis mittelstarkes Antidepressivum verwendet
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Echter Beinwell (Symphytum officinale) wurde, wie der Name andeutet, früher unter anderem bei Knochenbrüchen angewendet

Eine ganze Reihe von wirksamen Medikamenten stammen aus Pflanzen oder wurden aus pflanzlichen Stoffen weiterentwickelt. Diese genau untersuchten und als reiner Stoff dargestellten Pflanzeninhaltsstoffe werden von der Medizin benutzt, da ihre medizinische Wirksamkeit nachgewiesen ist. Das Pflanzenreich besitzt extrem starke Gifte, die in entsprechenden Verdünnungen und teilweise als chemisch veredelte Stoffe insbesondere bei Herzbeschwerden und als Narkotika in der evidenzbasierten Medizin Verwendung finden. Beispiele sind der Rote Fingerhut mit seinen Herzglykosiden sowie der Schlafmohn beziehungsweise dessen Opiate. Zu großen Teilen werden Pflanzen auch als unterstützende Therapeutika eingesetzt.

Heilpflanzen enthalten zumeist eine Vielzahl von Stoffen, die unterschiedliche, auch entgegengesetzte, Effekte haben können. Ein weiterer Nachteil gegenüber synthetisch hergestellten Medikamenten ist, dass der Wirkstoffgehalt aufgrund klimatischer, regionaler und verarbeitungsbedingter Umstände schwer zu standardisieren ist. So gibt es mitunter zwischen verschiedenen Herstellern und auch einzelnen Chargen eines Produktes starke Schwankungen in Dosis und Galenik. Drogen, die in Apotheken erhältlich sind, müssen allerdings den strengen Bestimmungen des jeweiligen staatlichen Arzneibuches (z. B. Deutsches Arzneibuch) entsprechen. Ihr Gehalt an Wirkstoffen ist also sichergestellt.

Dementsprechend bemühen sich die Züchter oft, soweit der oder die Wirkstoffe einer Heilpflanze bekannt sind, auf einen hohen Wirkstoffgehalt hin zu züchten. Für eine Reihe von pflanzlichen Medikamenten sind Mindestwirkstoffgehalte oder Bandbreiten vorgeschrieben oder vom Hersteller garantiert. (Zum Beispiel für ein Kamillekonzentrat: Normiert auf 50 mg Levomenol, standardisiert auf 150–300 mg ätherisches Öl und 150–300 mg Apigenin-7-glucosid je 100 g Auszug.)

Einige traditionelle Heilpflanzen sind z. B. wegen erkannter schwerer Nebenwirkungen aus dem Arzneibuch gestrichen worden. Viele sind wirkungslos, andere wirken, sind aber durch besser wirksame synthetische Medikamente überholt. Teilweise kann bei individueller Unverträglichkeit des synthetischen Medikaments auf die pflanzliche Variante zurückgegriffen werden. Bei vielen Heilpflanzen ist die Wirksamkeit noch nicht untersucht, weil kein kommerzielles Interesse besteht bzw. von Staat und/oder Pharmaunternehmen keine entsprechenden Forschungsgelder bereitgestellt werden.

In den Jahren von 1978 bis 1994 hat die Kommission E des Bundesgesundheitsamtes wissenschaftliches und erfahrungsheilkundliches Material zu erwünschten und unerwünschten Wirkungen pflanzlicher Arzneidrogen in Monografien zusammengetragen. Auf europäischer Ebene wurde diese Arbeit nachfolgend von der ESCOP und seit 2004 vom Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel fortgesetzt.

Beispiele für pflanzliche Drogen

Die Beispiele sind sortiert nach dem jeweils wirksamen Teil der Pflanze. Die lateinische Bezeichnung der pflanzlichen Droge wird aus dem botanischen Namen des verwendeten Pflanzenteils und dem botanischen Namen der verwendeten Pflanzenart zusammengesetzt.

Daneben existieren noch zahlreich andere Begriffe, wie Stramentum (Stroh), Balsamum (Balsam) usw. Die pharmazeutischen Bezeichnungen sind pflanzenmorphologisch gesehen manchmal etwas unpräzise, etwa Wurzelstock für Rhizom, oder bei der Hagebutte, wo Fructus die Sammelfrucht (die rote Beere) bezeichnet und Semen die eigentliche Frucht (den Kern).

Beispiele für pflanzliche Arzneistoffe

Zahlreiche Arzneistoffe werden auch heute direkt aus Pflanzen hergestellt oder zumindest naturidentisch (mit gleicher chemischer Struktur wie der in Pflanzen vorliegende Wirkstoff) synthetisiert. Teilweise sind dies hochwirksame oder in der nichtmedizinischen Anwendung hochgiftige Substanzen. Zu den Pflanzeninhaltsstoffen, die als isolierte Einzelsubstanz eingesetzt werden, gehören beispielsweise Colchicin, Paclitaxel und Morphin.

Falschmeldungen über angebliche EU-Politik gegen Heilpflanzen

2010 wurde eine Petition an den Deutschen Bundestag gerichtet, die sich gegen ein angeblich drohendes Verbot von Heilpflanzen in der EU aussprach. Es handelte sich um ein Missverständnis. Die entsprechende Richtlinie THMPD (Traditional Herbal Medical Product Directive) war schon 2004 verabschiedet worden und enthält Zulassungsregeln für Naturheilmittel, die ein einfaches Registrierungsverfahren ermöglichen sollen. Sie gilt nicht für alternative Therapien und verbietet auch nicht irgendwelche Pflanzen oder Stoffe.<ref>Ungerechtfertigte Vorwürfe an die EU: Heilpflanzenverbot in der EU? Rückblickender Kommentar in der Süddeutschen Zeitung, 15. Mai 2014</ref><ref>Herbal Medicinal Products Informationen der Europäischen Kommission über Regelungen zu pflanzlichen Naturheilmitteln (englisch)</ref> Im April 2011 wurden im Internet erneut Falschmeldungen über ein angeblich drohendes Verbot verbreitet.<ref>Phytos und Naturheilmittel auch nach dem 30. April verkehrsfähig Deutsche Apotheker Zeitung, 28. April 2011</ref>

Im August 2013 riefen Initiatoren, die zunächst unbekannt waren, mit Bezug auf die EU-Verordnung 1924/2006/CE zur Unterzeichnung einer an das Europäische Parlament gerichteten Petition „Grundrecht auf Gesundheit“ auf und vermittelten wiederum den Eindruck, es drohe ein Verbot von Naturheilmitteln. Die Verordnung war jedoch schon seit 2006 in Kraft. Sie betrifft auch nur Lebensmittel und keine Naturheilmittel oder sonstige Arzneimittel. Die Carstens-Stiftung (Fördergemeinschaft Natur und Medizin) und die Hufelandgesellschaft (Dachverband der Ärztegesellschaften für Naturheilkunde und Komplementärmedizin) reagierten mit Richtigstellungen und Kritik an der Aktion. Die Hufelandgesellschaft verurteilte den Aufruf als „manipulativ“ und als Missbrauch des Interesses an Naturheilmitteln.<ref>Stellungnahme zur Petition Grundrecht auf Gesundheit Carstens-Stiftung, 30. August 2013</ref><ref>Stimmenfang für zweifelhafte Interessen. Zur Petition "Grundrecht auf Gesundheit". Hufelandgesellschaft e. V. </ref><ref>Verein Grundrecht auf Gesundheit e.V. Website der Initiatoren der Petition</ref>

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

<references/>

Weblinks

Auszüge aus alten Büchern

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