Echtes Johanniskraut


aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Wechseln zu: Navigation, Suche
Echtes Johanniskraut
Echtes Johanniskraut (Hypericum perforatum)

Echtes Johanniskraut (Hypericum perforatum)

Systematik
Rosiden
Eurosiden I
Ordnung: Malpighienartige (Malpighiales)
Familie: Johanniskrautgewächse (Hypericaceae)
Gattung: Johanniskräuter (Hypericum)
Art: Echtes Johanniskraut
Wissenschaftlicher Name
Hypericum perforatum
L.


Das Echte Johanniskraut (Hypericum perforatum), auch Echt-Johanniskraut, Gewöhnliches Johanniskraut, Durchlöchertes Johanniskraut, Tüpfel-Johanniskraut oder Tüpfel-Hartheu genannt, ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Johanniskräuter (Hypericum) innerhalb der Familie der Hypericaceae (früher Hartheugewächse). Es findet Anwendung als Heilpflanze.

Namensgebung

Volkstümlich wird es auch als Herrgottsblut bezeichnet.<ref>Decheniana: Verhandlungen des Naturhistorischen Vereins der preußischen Rheinlande und Westfalens. Bände 22-23, Bonn 1865, S. 284. abgefragt am 10. Januar 2012.</ref> Auf diesen beziehen sich neben dem deutschen Namen auch der englische St John's wort und der spanische Name hierba de San Juan, da die Pflanze um den Johannistag (24. Juni) herum blüht.

Beschreibung

Datei:Hypericum-perforatum(Blatt).jpg
Die Laubblätter erscheinen durch ihre Öldrüsen durchlöchert
Datei:Hypericum-perforatum-250605-1.jpg
Blüte im Detail: die Kronblätter bilden ein „Windrad“
Datei:Hypericum perforatum 1-jgreenlee (5097283755).jpg
Blütenstand: im Abblühen werden die „Blütenblätter“ seitlich eingerollt

Vegetative Merkmale

Das Echte Johanniskraut ist eine ausdauernde krautige Pflanze, die Wuchshöhen von 15 bis 100 Zentimetern erreicht. Sie bildet eine stark verzweigte, spindelförmige, bis zu 50 Zentimeter tief reichende Wurzel. Der aufrechte Stängel ist durchgehend zweikantig und innen markig ausgefüllt (nicht hohl). Dadurch unterscheidet sich das Echte Johanniskraut von anderen Johanniskrautarten. Im oberen Bereich des Stängels ist das Echte Johanniskraut buschig verzweigt.

Die gegenständig angeordneten Laubblätter sind mehr oder weniger sitzend. Die einfache Blattspreite ist bei einer Länge von bis zu 3 Zentimetern oval-eiförmig bis länglich-linealisch. Die Blattspreite ist dicht mit durchsichtigen Öldrüsen besetzt. Der Blattrand ist mit schwarzen Drüsen durchscheinend punktiert. Bei den zahlreichen Punktierungen handelt es sich um Gewebslücken, die durch Spaltung oder Auseinanderweichen von Zellwänden entstanden sind und in denen das helle ätherische Öl konzentriert ist.

Generative Merkmale

Die Blütezeit reicht von Juni bis August. Der meist reichblütige trugdoldige Blütenstand ist aus Dichasien mit (zur Fruchtzeit gut erkennbaren) Schraubeln zusammengesetzt.

Die zwittrigen Blüten sind radiärsymmetrisch und fünfzählig mit doppelter Blütenhülle. Die fünf Kelchblätter sind bis zu 5 Millimeter lang, länger als der Fruchtknoten, (ei)-lanzettlich, fein grannenartig zugespitzt, mit hellen und schwarzen Drüsen. Die fünf goldgelben Kronblätter sind bis 13 Millimeter lang, nur auf einer Seite gezähnt und am Rande schwarz punktiert. Die Kronblätter enthalten in Gewebslücken das blutrote Hypericin, das beim Zerreiben (am besten mehrere Blütenknospen nehmen) auf den Fingern eine Rotfärbung hinterlässt. Die Kronblätter sind etwas asymmetrisch, sodass die ganze Blüte in offenem Zustand einem „Windrad“ ähnlich sieht. Die 50 bis 60, manchmal bis 100 Staubblätter umgeben in drei Büscheln angeordnet den Fruchtknoten. Aus den drei Staubblattanlagen entstehen durch zentrifugales Dedoublement drei Cluster mit insgesamt bis zu 100 Staubblättern; siehe Sekundäre Polyandrie.<ref name="nbn-resolving.de" /> Der oberständige, ovale Fruchtknoten ist in drei Fächer unterteilt, die kürzer sind als die Kelchblätter. Statt Nektar ist ein anbohrbares Gewebe von unsicherer ökologischer Bedeutung vorhanden.

Die Frucht ist eine schmal-eiförmige, bis 10 Millimeter lange, geriefte dreifächrige Spaltkapsel. Die Samen sind bei einer Länge von etwa 1 Millimetern länglich, gebogen und fein netzförmig.

Die Chromosomenzahl beträgt n = 16, 24.<ref name="tischler">G. Tischler: Die Chromosomenzahlen der Gefäßpflanzen Mitteleuropas. ’s-Gravenhage, Junk. 1950.</ref>

Ökologie

Beim Echten Johanniskraut handelt es sich um eine sommergrüne Schaftpflanze (überwinternde Pflanze ohne Rosette) und Hemikryptophyten.

Blütenökologisch handels es sich um eine homogene „Pollen-Scheibenblumen“. Fremdbestäubung erfolgt durch Pollen suchende Insekten. Besucher sind besonders Bombus-Arten und Bienen- und Schwebfliegen-Arten. Selbstbestäubung ist durch die räumliche Trennung von Griffelästen und Staubbeutelbündeln erschwert, ist aber beim Schließen der Blüten möglich, wenn die schrumpfenden Kronblätter die Blüte wieder einhüllen. Am Abend und beim Abblühen rollen sich die Blütenblätter an den Seiten in der Längsachse ein.

Die kleinen Samen der bei Trockenheit geöffneten Kapselfrüpchten werden von Tieren verschleppt (Zoochorie) oder durch den Wind verbreitet (Ballonflieger). Vegetative Vermehrung erfolgt durch Wurzelsprosse.

Giftigkeit

Die Pflanzenteile sind leicht giftig. Die getrockneten Blüten des Behaarten Johanniskrauts enthalten bis zu 1,4 % des roten Farbstoffes Hypericin. Die Hypericin-Aufnahme führt bei nicht pigmentierten (weißen) Weidetieren (Pferde, Schafe, Ziegen etc.) nach der Bestrahlung durch Sonnenlicht zu Hämolyseerscheinungen.

Vorkommen

Das Echte Johanniskraut ist die in Europa am weitesten verbreitete Art der Gattung Hypericum und in Europa, Westasien und Nordafrika heimisch. In Ostasien, Nord- und Südamerika und in Australien ist es eingebürgert worden. Man findet es in tiefen bis mittleren Höhenlagen. Es wächst verbreitet in Gebüschsäumen, an Waldrändern, Wegen und Böschungen, in Magerwiesen und -rasen, in Ginster- und Heidekrautheiden, in Brachen und Waldverlichtungen oder auf Bahnschotter als Pionierpflanze.

Das Echte Johanniskraut tritt vorwiegend in größeren Gruppen auf, allerdings sind diese selten bestandsbildend. Als ökologische Zeigerwerte nach Ellenberg wird Hypericum perforatum als Halbschattenpflanze für mäßigwarme bis warme Standorte bei gemäßigtem Seeklima angegeben. Die angezeigte Bodenbeschaffenheit ist gleichmäßig trocken bis mäßig feucht und stickstoffarm, niemals jedoch stark sauer.

Systematik

Die Erstveröffentlichung von Hypericum perforatum erfolgte durch Carl von Linné.

Je nach Autor gibt es entweder etwa vier Varietäten oder Unterarten:

  • Schmalblättriges Echtes Johanniskraut (Hypericum perforatum var. angustifolium DC.; Syn.: Hypericum perforatum subsp. angustifolium (DC.) Gaud.): Es hat schmalere Blätter und kleinere Blüten. Diese Varietät enthält praktisch kein Rutin, was sie für die pharmazeutische Verwertung weitgehend unbrauchbar macht.<ref name="Wolf2001" />
  • Breitblättriges Echtes Johanniskraut (Hypericum perforatum var. latifolium W.D.J.Koch, Syn.: Hypericum perforatum subsp. latifolium (W.D.J.Koch) A.Fröhl.): Es hat breitere Blätter und größere Blüten.
  • Kleinblättriges Echtes Johanniskraut (Hypericum perforatum var. microphyllum DC.): Es hat kleinere Blätter und kleinere Blüten.
  • Gewöhnliches Echtes Johanniskraut (Hypericum perforatum L. var. perforatum)
  • Veroneser Tüpfel-Hartheu (Hypericum perforatum subsp. veronense (Schrank) A.Fröhl.): Sie hat eiförmige, höchstens 1 cm lange Laubblätter und Kelchblätter, die nur 1 mm breit sind.

Inhaltsstoffe

Datei:Hypericum perforatum HC1.JPG
Beim Zerreiben der Knospen tritt Hypericin aus („Blut des heiligen Johannes“)

Johanniskraut guter Qualität enthält durchschnittlich 0,1–0,15 % Gesamt-Hypericine (Ph. Eur. 5.0, S. 2485), welche vor allem in den Exkretblättern der Blüten und Knospen lokalisiert sind. Diese setzen sich aus durchschnittlich 0,2–0,3 % Hypericin, Pseudohypericin und ähnlichen Substanzen zusammen. Für die Wirksamkeit sind des Weiteren 2–4 % Flavonoide und Bioflavone verantwortlich. Bisher ausschließlich in dieser Art nachgewiesen wurden das antibiotisch wirksame Hyperforin sowie das Adhyperforin in den Blüten (2 %) und Früchten (4 %).

Nachdem der Hypericingehalt bis 1995 zur Bestimmung der Wirksamkeit der Droge Hyperici herba benutzt wurde, geht man inzwischen davon aus, dass die therapeutische Wirksamkeit durch ein Zusammenwirken mehrerer Wirkstoffe und Wirkmechanismen zusammenkommt. Zur Arzneimittelherstellung werden Hypericingehalte von 0,15 % und hohe Flavonoidgehalte gefordert, zudem müssen Grenzwerte für Cadmium (0,5 mg/kg) und Blei (5,0 mg/kg) eingehalten werden.

Ein weiterer medizinisch wirksamer Inhaltsstoff ist mit bis zu 7,2 % Gehalt im ätherischen Öl das Sesquiterpen Spathulenol.<ref>K. H. C. Baser, T. Ozek, H. R. Nuriddinov, A. B. Demirci: Essential Oils of two Hypericum Species from Uzbekistan. In: Chemistry of Natural Compounds. Vol. 38, No. 1, 2002, S. 54–57.</ref>

Nutzung

Anbau

Aufgrund der Verwendung als Heilpflanze wird das echte Johanniskraut landwirtschaftlich angebaut.<ref>Informationssystem Nachwachsende Rohstoffe Steckbrief, 12. Februar 2008.</ref> Gleichzeitig gilt es im übrigen landwirtschaftlichen Anbau als „Unkraut“.

Belege Dieser Artikel oder nachfolgende Abschnitt ist nicht hinreichend mit Belegen (beispielsweise Einzelnachweisen) ausgestattet. Die fraglichen Angaben werden daher möglicherweise demnächst entfernt. Bitte hilf der Wikipedia, indem du die Angaben recherchierst und gute Belege einfügst. Näheres ist eventuell auf der Diskussionsseite oder in der Versionsgeschichte angegeben. Bitte entferne zuletzt diese Warnmarkierung.

Für die Produktion verschiedener Präparate auf Johanniskrautbasis werden Kultursorten des Johanniskrauts unter Feldbedingungen angebaut. Steigender Bedarf, der durch Wildsammlung nicht mehr gedeckt werden konnte, führte zu einer Ausweitung des Anbaus seit den 1990er Jahren. Die Art zählt zu den wichtigsten in Deutschland angebauten und verarbeiteten Arzneipflanzen. 1999 wurde Johanniskraut in Deutschland auf 630 Hektar angebaut, vor allem in Thüringen. In Österreich (Waldviertel) wurden 1999 bis zu 240 Hektar kultiviert. Derzeit sind es immer noch etwa 50 Hektar (2009). Auch beispielsweise in Polen und Südamerika wird das Echte Johanniskraut kultiviert.

Zum Anbau eignen sich magere, humose Böden in sonniger Lage, ideal sind unkrautarme Flächen mit guter Wasseraufnahme. Da Johanniskraut bei saurer Bodenreaktion verstärkt das für Menschen giftige Cadmium aufnimmt und daher als Akkumulatorpflanze zählt, sollte der pH-Wert des Bodens neutral oder leicht basisch sein, zudem sind Standorte mit erhöhter Cadmiumbelastung (z. B.: Schieferverwitterungsböden) ungeeignet.

Bei der Züchtung geeigneter Sorten spielt die Anfälligkeit gegenüber der Pilzkrankheit Rotwelke eine wesentliche Rolle. Es stehen mehrere Sorten zur Verfügung (Stand: 26. April 2004<ref>geschützte / zugelassene Sorten.</ref>): Anthos, Hyperixtrakt, Motiv, Uperikon, Hyperimed, Hyperiflor, Vitan, Hyperipharm und Hyperisol.

Die Aussaat erfolgt im Frühjahr oder Herbst, auch eine Pflanzung „vorgezogener Setzlinge“ im Frühjahr ist möglich. Gedüngt wird nur wenig, vor allem hohe Stickstoffgaben senken den Hypericingehalt in der Droge. Unkraut muss per Striegel sowie mit Maschinen- und Handhacke reguliert werden, gegen die Rotwelke darf nach der Ernte ein Fungizid eingesetzt werden.

Die Kultur erfolgt über zwei bis drei Jahre, geerntet wird ein bis zweimal jährlich. Dabei werden die Knospen, Blüten und Zweigspitzen zur Blütezeit geerntet. Für Frischware wird das Kraut von Hand oder mit einer Pflückmaschine geerntet. Zur Trocknung vorgesehenes Gut wird mit Spezialmaschinen oder umgebauten herkömmlichen Erntemaschinen (Mähdrescher, Feldhäcksler) eingebracht. Die Krauterträge schwanken stark und liegen zwischen 4 und 26 t Frischmasse pro Hektar.

Den Pflanzen wird unmittelbar nach der Ernte bei 40–60 °C auf Satz-, Horden- oder Bandtrocknern das Wasser bis auf 10 % Restfeuchte entzogen.

Krankheiten

Schädlinge

Medizinische Anwendung

Datei:Hyperici herba 193131.jpg
Echtes Johanniskraut in Form der Krautdroge (Hyperici herba)

Bereits in der Antike wurde Johanniskraut als Heilpflanze verwendet. Heute wird es als pflanzliches Arzneimittel zur Behandlung von leichten bis mittelstarken depressiven Verstimmungen oder nervöser Unruhe eingesetzt. Äußerlich werden ölige Zubereitungen angewendet. Die Pflanze wurde im Herbst 2014 von Wissenschaftlern der Universität Würzburg („Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“) mit Verweis auf das große medizinische Potenzial zur „Arzneipflanze des Jahres 2015“ gewählt.<ref name="MainPost2014">Gewählt: Arzneipflanze des Jahres 2015. In: Main-Post, 7. Oktober 2014</ref>

Wirksamkeit bei der Behandlung der Depression

Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde führt den Einsatz von Johanniskraut in der S3-Leitlinie Unipolare Depression als Möglichkeit eines ersten Therapieversuchs bei einer leichten bis mittelschweren Depression als Grad-0-Empfehlung an. („Kann“-Empfehlung: Berichte von Expertenkreisen oder Expertenmeinung und/oder klinische Erfahrung anerkannter Autoritäten (Evidenzkategorie IV) oder Extrapolation von Evidenzebene IIa, IIb oder III. Diese Einstufung zeigt an, dass direkt anwendbare klinische Studien von guter Qualität nicht vorhanden oder nicht verfügbar waren.)<ref name="VersorgungsleitlinienDe">S3-Leitlinie/NVL Unipolare Depression. (PDF; 2,3 MB)</ref>

Die Wirksamkeit von Johanniskraut in der Therapie der Depression ist allerdings umstritten. Es gibt sowohl klinische Studien, die eine Wirksamkeit belegen, als auch solche, die keine Überlegenheit gegenüber Placebo zeigen. Eine Cochrane-Review aus dem Jahr 2008 wertete 29 Studien mit zusammen mehr als 5000 Patienten aus, bei denen nach DSM- oder ICD-10-Kriterien eine Depression (major depressive disorder) vorlag. Die Autoren sehen in den Studien Evidenz, welche nahelegt, dass die Wirksamkeit der Johanniskrautextrakte in den Studien gegenüber Placebo überlegen ist und vergleichbar mit synthetischen Antidepressiva bei besserer Verträglichkeit und geringeren Abbruchraten sei. Da die in den Studien festgestellte Wirksamkeit auch von dem Land, aus dem die Studie stamme, und ihrer Präzision abhänge, könne nicht ausgeschlossen werden, dass einige kleinere Studien aus deutschsprachigen Ländern mängelbehaftet seien und zu optimistische Resultate berichteten.<ref name="Linde2008">Linde K, Berner MM, Kriston L: St John’s wort for major depression. In: „The Cochrane Library“, Database of Systematic Reviews. Nr. 4, 8. Oktober 2008, S. CD000448. doi:10.1002/14651858.CD000448.pub3. PMID 18843608. Abgerufen am 10. Juli 2012. “However, findings were more favourable to St. John’s wort extracts in studies form German-speaking countries where these products have a long tradition and are often prescribed by physicians, while in studies from other countries St. John’s wort extracts seemed less effective. This differences could be due to the inclusion of patients with slightly different types of depression, but it cannot be ruled out that some smaller studies from German-speaking countries were flawed and reported overoptimistic results.”</ref> Eine aktuelle Metaanalyse schließt, die Wirkung von Johanniskraut sei noch am besten bei milder oder mittelgradiger Depression nachgewiesen, habe aber auch ein erhebliches Nebenwirkungspotential.<ref name="Andreescu2008">C. Andreescu et al.: Complementary and alternative medicine in the treatment of bipolar disorder – A review of the evidence. In: J. Affect. Disord. Epub 2. Mai 2008. PMID 18456339.</ref>

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen geht davon aus, dass Johanniskraut einen Effekt bei leichten Depressionen hat. Generell gab es jedoch eine deutliche Abhängigkeit des Effektschätzers von der Studienqualität: Je schlechter die Qualität der Studien ist, desto größer stellt sich das Ausmaß der aufgezeigten Effekte dar und umgekehrt. Bei Betrachtung allein derjenigen Studien mit der besten methodischen Qualität zeigt Johanniskraut nur einen sehr geringen Effekt. Weiterhin geht das Institut davon aus, dass Johanniskraut bei schweren Depressionen nicht hilft. Es erwies sich bei schweren Depressionen in keiner Studie als dem Placebo überlegen.<ref name="IQWiG2009"> Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen: Leitliniensynopse zum Thema „Depression“. IQWiG-Berichte – Jahr: 2009 Nr. 34, S. 121.</ref>

Die jetzigen Studien liefern noch nicht genügend Daten, um unterschiedliche Johanniskraut-Extrakte miteinander vergleichen zu können oder die optimale Dosis zu ermitteln.<ref name="IQWiG"> IQWiG-Gesundheitsinformation: Können Mittel aus Johanniskraut helfen?</ref> Bei leichten Depressionen konnte jedoch in einer Studie eine Dosis-Wirkungsbeziehung experimentell nachgewiesen werden.<ref name="Kasper2008">S. Kasper et al.: Efficacy of St. John’s wort extract WS 5570 in acute treatment of mild depression: a reanalysis of data from controlled clinical trials. In: European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience. Volume 258, Issue 1, 2008, S. 59–63. PMID 18084790.</ref>

Wirkungsmechanismen und Wirklatenz

Als Hauptwirkstoff des Johanniskrauts gilt Hyperforin. Standardisierter Johanniskrautextrakt erhöht durch eine Wiederaufnahmehemmung der Neurotransmitter Serotonin und Noradrenalin deren Konzentration an den Synapsen. Ebenfalls steigt auch die Konzentration von Gamma-Aminobuttersäure (GABA), Dopamin und L-Glutamat an, was in dieser Form kein Antidepressivum vermag. In der Folge vermindert sich die Anzahl der (noradrenergen) β-Rezeptoren, außerdem bewirkt es eine Downregulation der 5-HT2-Rezeptoren.<ref name="Kaschka2008">Wolfgang P. Kaschka, Rolf Kretzschmar, Martin Jandl: Psychopharmaka kompakt (Klinik- und Praxis-Guide). Schattauer Verlag, 2008, ISBN 978-3-7945-2591-1, S. 77.</ref>

Die Wirkung der Johanniskraut-Präparate soll auf die chemisch definierten Substanzen Hyperforin und Hypericin zurückzuführen sein. Diese bewirken eine geringe bis mittelstarke cerebrale Wiederaufnahmehemmung von Serotonin, Noradrenalin und Dopamin; dies sind bekannte Wirkmechanismen synthetischer Antidepressiva. Das Verhältnis der Wiederaufnahmehemmung beträgt in tierexperimentellen Untersuchungen Serotonin:Dopamin:Noradrenalin:GABA:Glutamat = 2:1:5:1:11.<ref name="Muller2005">Walter E. Muller: St. John's Wort and its active principles in depression and anxiety. 1. Auflage. Birkhäuser, 2005, ISBN 3-7643-6160-3, S. 34.</ref> Eine MAO-Hemmung wurde immer wieder behauptet, konnte aber nie nachgewiesen werden. Andere Rezeptoren werden nicht beeinflusst.

Belege Dieser Artikel oder nachfolgende Abschnitt ist nicht hinreichend mit Belegen (beispielsweise Einzelnachweisen) ausgestattet. Die fraglichen Angaben werden daher möglicherweise demnächst entfernt. Bitte hilf der Wikipedia, indem du die Angaben recherchierst und gute Belege einfügst. Näheres ist eventuell auf der Diskussionsseite oder in der Versionsgeschichte angegeben. Bitte entferne zuletzt diese Warnmarkierung.

Wie synthetische Antidepressiva zeigen auch Johanniskraut-Arzneimittel eine gewisse Wirklatenz, d. h., man spürt erst nach mehreren Wochen der Einnahme eine Verbesserung der depressiven Symptome.

Die behauptete antivirale Wirkung gegen das Hepatitis-C-Virus beim Menschen existiert jedenfalls in den üblichen Dosen nicht, vielmehr wird eine zusätzliche Schädigung der Leber hervorgerufen, die bei höheren Dosen zum akuten Leberversagen führen kann. Da wirksame Arzneimittel für die durch Viren ausgelöste Erkrankung zugelassen sind, wurden alle Experimente bei erkrankten Menschen als unvertretbar abgebrochen.

Nebenwirkungen

Johanniskraut-Arzneimittel sind im Allgemeinen gut verträglich, unerwünschte Nebenwirkungen sind gering oder treten selten auf.<ref name="Ernst1998">E. Ernst, J.I. Rand, J. Barnes, C. Stevinson: Adverse effects profile of the herbal antidepressant St. John's wort (Hypericum perforatum L.). In: Eur J Clin Pharmacol. Volume 54, Issue 8, 1998, S. 589–594. doi:10.1007/s002280050519</ref> In Einzelfällen wird von manischen Episoden berichtet, die von Johanniskraut induziert wurden.<ref name="Stevinson2004">C. Stevinson, E. Ernst: Can St. John's wort trigger psychoses? In: Int J Clin Pharmacol Ther. 2004 (42), S. 473–480, PMID 15487805.</ref> Außerdem kann Johanniskraut geringe Magen-Darm-Beschwerden, Kopfschmerzen, Erregung und Müdigkeit und eine phototoxische Reaktion der Haut (Sonnenbrandneigung) hervorrufen, da Hypericin die Empfindlichkeit gegenüber UV-Licht erhöht (Photosensibilitätsreaktion). In hoher Dosierung wirkt es u. U. stark phototoxisch. Hellhäutige Menschen, die Johanniskraut regelmäßig einnehmen und sich in Solarien oder auf Urlaubsreisen bräunen wollen, sollten ein Absetzen des Johanniskrautpräparates 14 Tage vor der ersten Licht- bzw. Sonneneinstrahlung in Erwägung ziehen. Bei bekannter Lichtempfindlichkeit ist Johanniskraut zu meiden. Selten kann es zu allergischen Hautreaktionen kommen. Auch Rinder und Pferde, die zu viel Johanniskraut fressen, zeigen die genannten Symptome. Bei sehr hohen Dosierungen kann es zu leichten Formen eines Serotonin-Syndroms kommen. Symptome sind unter anderem Schwindel, Grippegefühl, Bewusstseinseintrübung, unwillkürliche Muskelzuckungen und Angstzustände. Die Überdosierungssymptome können dabei leicht mit den depressiven Symptomen verwechselt werden und zu einer weiteren Erhöhung der Dosis verleiten.

Wechselwirkungen

Belege Dieser Artikel oder nachfolgende Abschnitt ist nicht hinreichend mit Belegen (beispielsweise Einzelnachweisen) ausgestattet. Die fraglichen Angaben werden daher möglicherweise demnächst entfernt. Bitte hilf der Wikipedia, indem du die Angaben recherchierst und gute Belege einfügst. Näheres ist eventuell auf der Diskussionsseite oder in der Versionsgeschichte angegeben. Bitte entferne zuletzt diese Warnmarkierung.

Ende der 1990er Jahre wurde festgestellt, dass Johanniskraut zu einem verstärkten Abbau von anderen Wirkstoffen führt. Deshalb wurde das zuvor frei erhältliche Johanniskraut 2003 der Apothekenpflicht unterstellt. Ausgenommen von der Apothekenpflicht sind Zubereitungen, die in einer Tagesdosis bis zu 1 g Drogenäquivalent und bis zu 1 mg Hyperforin enthalten, Tee und zur äußeren Anwendung bestimmter Frischpflanzensaft oder ölige Zubereitungen (Rotöl). Aufgrund der Wechselwirkungen wurde Johanniskraut in der Republik Irland schon vor einigen Jahren der Verschreibungspflicht unterworfen. Johanniskrautpräparate mit der Indikation „mittelschwere Depression“ unterliegen seit dem 1. April 2009 auch in Deutschland der Verschreibungspflicht.

Johanniskraut induziert das Abbauenzym Cytochrom P450, Subtyp 3A4, in der Leber. Die Abbaurate einer Vielzahl von Wirkstoffen steigt somit an, und sie können ihre Wirkung verlieren.<ref name="Izzo2009">A. A. Izzo, E. Ernst: Interactions between herbal medicines and prescribed drugs: an updated systematic review. In: Drugs. Volume 69, Issue 13, 2009, S. 1777–1798, PMID 19719333</ref> Cytochrom P450, Subtyp 3A4 verstoffwechselt u. a. Hormone. So kann Johanniskraut die Wirkung der Anti-Baby-Pille und anderer hormoneller Verhütungsmittel beeinträchtigen.<ref>MHRA-Mitteilung [1]</ref> Es bestehen auch Wechselwirkungen mit bestimmten AIDS-Medikamenten (HIV-Proteaseinhibitoren), Antibiotika wie Clarithromycin und einigen Antidepressiva. Die HIV-Proteasehemmer und das Antibiotikum können ihre Wirkung ganz oder teilweise verlieren, was bei den zugrunde liegenden ernsten Erkrankungen schwerwiegende Folgen haben kann. Auch Immunsuppressiva, die zum Beispiel nach Transplantationen gegen die Abstoßungsreaktion des Körpers gegeben werden, werden abgeschwächt. Es sind Todesfälle bei Johanniskrauteinnahme mit gleichzeitiger Immunsuppression beschrieben worden. Johanniskraut senkte in einer schwedischen Studie bei einer Gabe von 600 mg pro Tag mit einem (vergleichsweise hohen) Hyperforin-Gehalt von 4 % nach 14 Tagen die Plasmahöchstkonzentration, die Area under the curve und die Halbwertszeit von Finasterid um etwa 50 %.<ref name="Lundahl2009">A. Lundahl, M. Hedeland, U. Bondesson, L. Knutson, H. Lennernäs: The effect of St. John's wort on the pharmacokinetics, metabolism and biliary excretion of finasteride and its metabolites in healthy men. In: Eur J Pharm Sci, Volume 36, 2009, S. 433–443. doi:10.1016/j.ejps.2008.11.009, PMID 19073252.</ref> Betroffen sind weiterhin die trizyklischen Antidepressiva Amitriptylin sowie Nortriptylin, Herzglykoside, Antikoagulantien (Phenprocoumon), Methadon, Buprenorphin, Antiepileptika (z. B. Carbamazepin, Valproinsäure), Benzodiazepine (z. B. Diazepam, Alprazolam, Lorazepam) und benzodiazepinähnliche Substanzen (z. B. Zolpidem und Zopiclon) sowie etliche andere Wirkstoffgruppen.<ref name="Henderson2002" />

Mit Serotonin-Wiederaufnahmehemmern wie Fluoxetin, Paroxetin, Citalopram etc. besteht die Möglichkeit einer Verstärkung serotoninerg bedingter Nebenwirkungen (Übelkeit, Durchfall, Blutdruckschwankungen, Erregung) bis hin zur Auslösung des lebensgefährlichen Serotonin-Syndroms (starke Blutdruckschwankungen, Fieber, Bewusstseinseintrübung, Verwirrtheit, Krämpfe).<ref name="Henderson2002" /> Andererseits können einige der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer durch die Beschleunigung ihres Abbaus auch in ihrer Wirkung abgeschwächt werden. Bei Einnahme solcher Kombinationen ist die Wirkung schlecht vorhersehbar.

Einsatz in Schwangerschaft und Stillzeit

Beim Einsatz in Schwangerschaft und Stillzeit ist Vorsicht geboten.<ref>Mai 2007: Arkocaps Johanniskraut - Fachinformationen</ref> Johanniskraut wurde in der Volksmedizin als Abtreibungsmittel genutzt.<ref>St. John's Wort (PDF; 772 kB)</ref>

Verwendung in der Volksmedizin

Datei:Hypericum perforatum oil extraction HC1.JPG
Eingelegte Blütenstände in Olivenöl, das rechte Glas hat bereits eine längere Reifezeit hinter sich und weist eine dunklere Farbe auf (Thassos, Griechenland).
Datei:Johannisöl.jpg
Gewinnung von Rotöl in Soglio, Graubünden

Volksmedizinisch wird Johanniskraut als Tee und Tinktur auch bei Menstruationsbeschwerden und pubertätsbedingten Verstimmungen verwendet.

Das Johanniskrautöl („Rotöl, Johannisöl“, Oleum Hyperici) wird als Einreibemittel bei Hexenschuss, Gicht, Rheuma, zur Schmerzlinderung und Wundheilung nach Verrenkungen und Verstauchungen, bei Blutergüssen und Gürtelrose verwendet, kann aber auch innerlich angewandt werden. Auch werden Sonnenbrand und Verbrennungen gelindert. Das Johanniskrautöl gilt als nicht reizendes, „kaltes Öl“.<ref>Peter Spiegels: Altes und neues Heilkräuterwissen. BLV, München 2006, ISBN 3-8354-0047-9, S. 55–56.</ref> Man gewinnt es, indem man Johanniskrautblüten zwei Monate lang in kaltgepresstes Oliven- oder Sonnenblumenöl einlegt, gelegentlich kräftig schüttelt und in der Sonne stehen lässt. Diesen Vorgang nennt man Mazeration.

Mit einem Ansatzschnaps aus Blüten und Kraut werden Einschlafstörungen und innere Unruhe behandelt.

Verwendung in Lebensmitteln

Johanniskraut-Zubereitungen sind auch vereinzelt in Nahrungsergänzungsmitteln zu finden: dort als Johanniskrautöl („Rotöl“), dem allerdings die innerlichen arzneilichen Wirkungen nicht zugeschrieben werden dürfen.

Literatur

Einzelnachweise

<references> <ref name="nbn-resolving.de">Derivate bei Johanniskraut. (PDF; 358 kB)</ref> <ref name="Wolf2001"> Elke Wolf: Johanniskraut: Bei der Qualität liegt einiges im Argen. In: Pharmazeutische Zeitung. Band 27, 2001.</ref> <ref name="Henderson2002"> L. Henderson, Q. Y. Yue, C. Bergquist, B. Gerden, P. Arlett: St John's wort (Hypericum perforatum): drug interactions and clinical outcomes. In: Br J Clin Pharmacol, Volume 54, Issue 4, 2002, S. 349–356. Review. PMID 12392581. PMC 1874438 (freier Volltext) </ref> </references>

Weblinks

Commons Commons: Echtes Johanniskraut (Hypericum perforatum) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Gesundheitshinweis Dieser Artikel behandelt ein Gesundheitsthema. Er dient nicht der Selbstdiagnose und ersetzt keine Arztdiagnose. Bitte hierzu diese Hinweise zu Gesundheitsthemen beachten!