Ötzi


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25px Dieser Artikel beschreibt die Gletschermumie, zu dem Sänger siehe DJ Ötzi.
Datei:Otzi-Quinson.jpg
Gletschermumie „Ötzi“ (Rekonstruktion im Musée de Préhistoire de Quinson, Alpes-de-Haute-Provence, Frankreich)
Datei:Archeoparc - Museum Ötzi Kleidung.jpg
Die Kleidung des „Ötzi“ in einer Nachbildung des Schnalser Talmuseums ArcheoParc, Südtirol

Ötzi, auch Mann vom Tisenjoch, Der Mann aus dem Eis, Mumie vom Similaun, Mann vom Hauslabjoch u. ä. genannt,<ref name="Spindler 1992/93" /><ref name="Ortner 1993" /> ist eine Gletschermumie aus der späten Jungsteinzeit bzw. Kupfersteinzeit, die 1991 in den Ötztaler Alpen (Südtirol) gefunden wurde. Mithilfe der Radiokohlenstoffdatierung wurde der Todeszeitpunkt des Mannes auf zwischen 3359 und 3105 v. Chr. bestimmt, das Alter der Mumie beträgt damit circa 5250 Jahre.<ref>Altersbestimmung von Gewebe-, Knochen- und Grasproben des Ötztal Eismenschen (PDF; 476 kB)</ref>

Entdeckung

Datei:Tisenjoch & Hauslabjoch.jpg
„Ötzi“-Fundstelle

Die Mumie wurde am 19. September 1991 beim 3208 m hohen Tisenjoch (46° 47′ N, 10° 51′ O46.77917910.8418133208{{#coordinates:46,779179|10,841813|

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  }}) in den Ötztaler Alpen oberhalb des Niederjochferners gefunden. Das Tisenjoch ist eine Senke des Schnalskamms zwischen der Fineilspitze und dem Similaun. Die Entdeckung durch die beiden deutschen Bergwanderer Erika und Helmut Simon aus Nürnberg war eine Sensation, da der Mann vom Tisenjoch die einzige erhaltene, durch natürliche Gefriertrocknung konservierte Leiche aus der Kupfersteinzeit (auch als Spät- bzw. Endneolithikum bezeichnet) in Mitteleuropa ist.

Die Fundstelle ist eine Felsmulde wenig unterhalb des Tisenjochs. Diese war von Gletschereis bedeckt, das sich wegen der unbedeutenden Neigung und der Nähe zur Hangkante nach Westen (kein Eisnachschub) nie bewegt und nie Scherkräfte ausgeübt hat. Ötzi war vielmehr in der Felsmulde und von der unbeweglichen Eismasse über ihm bestens geschützt. Erst beim Rückzug des Gletschers durch starkes Abtauen im ungewöhnlich heißen Sommer des Jahres 1991 wurden die Fundobjekte freigelegt.<ref>Fotoarchiv des Südtiroler Amtes für Bodendenkmäler Ötzi-Fundstelle: Foto der Nachgrabungen ein Jahr später mit Entdeckungen weiterer Ausrüstungsgegenstände. Die Mumie wurde links an dem weißen Felsbrocken gefunden, der etwas oberhalb des Felsens mit der vom Gletscher abgeschürften oberen Längsrinne hier am rechten unteren Bildrand zu sehen ist. Der Kopf lag nach Norden in Richtung Ötztal gerichtet.</ref>

Grenzverlauf an der Fundstelle

Da Ötzi in der Grenzregion zwischen dem österreichischen Bundesland Tirol und der italienischen Provinz Südtirol gefunden wurde, erhoben zunächst beide Staaten Anspruch auf den Fund. Ursache ist die an der Fundstelle in der Regel vorhandene Gletscherüberdeckung der 1919 im Vertrag von Saint-Germain-en-Laye als Grenze vereinbarten Wasserscheide. Der 1920 mit der Festlegung im Gelände beauftragte internationale Grenzregelungsausschuss nahm an, dass bei Gletscherüberdeckungen eine geradlinige Grenzziehung der unter dem Gletscher liegenden Wasserscheide nahe käme, und beschloss ein entsprechendes Vorgehen.<ref>Bericht des Außenpolitischen Ausschusses des Österreichischen Nationalrates der XXI. Gesetzgebungsperiode (874 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen) über die Regierungsvorlage „Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Italienischen Republik über die Instandhaltung der Grenzzeichen sowie die Vermessung und Vermarkung der gemeinsamen Staatsgrenze samt Schlussprotokoll, Notenwechsel und Anlagen“</ref> 1922 legte er auch am Fundort eine entsprechende Grenzziehung fest. Obwohl sich die Fundstelle auf der Österreich zugewandten Seite der Wasserscheide befindet, lag sie damit, wie eine Vermessung im Oktober 1991 ergab, 93 Meter von der Grenze entfernt auf italienischem Staatsgebiet.<ref>Südtiroler Archäologiemuseum: Ötzi – der Mann aus dem Eis : Die Grenzfrage – Website</ref> Seit September 2006 ist ein neuer Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Italienischen Republik über die Instandhaltung der Grenzzeichen sowie die Vermessung und Vermarkung der gemeinsamen Staatsgrenze in Kraft, der die Wasserscheide bei Gletschern nicht mehr als Wasserscheide des darunterliegenden Geländes, sondern als die der Gletscheroberfläche und damit variabel definiert.<ref>Artikel 3 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Italienischen Republik vom 17. Jänner 1994 über die Instandhaltung der Grenzzeichen sowie die Vermessung und Vermarkung der gemeinsamen Staatsgrenze</ref> Damit liegt die Fundstelle heute je nach Gletscherzustand auf italienischem oder, bei vollständigem Abtauen des Gletschers, auf österreichischem Staatsgebiet.

Bergung und Fundumstände

Datei:Oetzi Memorial.jpg
Ötzi-Denkmal am Tisenjoch

Die Eisleiche wurde am 23. September 1991 durch das Institut für Gerichtsmedizin der Universität Innsbruck geborgen.<ref>Der Mann aus dem Eis – Forschungsprojekt zur alpinen Vorzeit – Alpine Vorzeit – Universität Innsbruck</ref> Da die Bedeutung der Leiche nicht sofort erkannt wurde, ereigneten sich einige Pannen:<ref>Ötzi wäre beinahe auf dem Friedhof gelandet Nürnberger Nachrichten, 4. Januar 2012, abgerufen am 5. Januar 2012</ref>

  • Der Polizist, der am Entdeckungstag die Eisleiche aus dem Eis befreien wollte, beschädigte mit Pickel und Presslufthammer Ötzis Hüfte.
  • Vier Tage später verpackten Polizisten die Leiche und die dabeiliegenden Fundgegenstände in einem Plastiksack. Weil der Bogen für den Sack zu groß war, wurde er zerbrochen.
  • Der Bestatter in Vent brach Ötzis Arm, um ihn in einen Sarg legen zu können und in die Gerichtsmedizin nach Innsbruck zu bringen.
  • Der Gerichtsmediziner war geneigt, die Leiche zur Bestattung freizugeben, da bei alten Leichen kein Mörder am Leben und juristisch zu belangen ist, ehe der Prähistoriker Konrad Spindler von der Universität Innsbruck informiert wurde.

Körperlicher Befund

Die erste wissenschaftliche Untersuchung des archäologischen Befundes nahm Konrad Spindler vor. Daneben wurden in die Untersuchungen von Beginn an Spezialisten aus den Fachgebieten der Anthropologie, Forensik und Pathologie einbezogen.

Anatomie und Pathologie

Datei:Meersburg Neues Schloss April 2010 1020007.jpg
Stereolithografisches Modell des Schädels, basierend auf CT-Daten aus dem Jahr 1993

Der ca. 1,54 m große und 13 kg schwere, gefriergetrocknete Leichnam ist nahezu unversehrt und vollständig.<ref name="Lippert et al.">A. Lippert, P. Gostner, E. Egarter Vigl, P. Perntner: Vom Leben und Sterben des Ötztaler Gletschermannes. Neue medizinische und archäologische Erkenntnisse. Germania 85/1, 2007, S. 1–21</ref><ref>Ötzi: Sie hatten ihn eiskalt erwischt - Nah - FAZ</ref> Das wahrscheinliche Sterbealter wird mit 45–46 Jahren angegeben, wobei eine Abweichung von bis zu ±5 Jahren möglich ist.<ref name="Fleckinger 2011">Angelika Fleckinger (Hrsg.): Ötzi 2.0: Eine Mumie zwischen Wissenschaft, Kult und Mythos. Theiss, 2011 ISBN 978-3-8062-2432-0</ref> Da der Körper beim Gefrieren schrumpft, muss er von größerer Statur gewesen sein. Der Rumpf weist einen Bandscheibenverschleiß der Lendenwirbelsäule und eine durch einen Pfeilschuss in die linke Schulter verursachte Verletzung auf. Des Weiteren weist der Schädel im Bereich des rechten Augenrandes eine Fraktur der Schädelnaht zwischen Jochbein und Stirnbein (Sutura zygomaticofrontalis) auf. Ein Schädel-Hirn-Trauma wurde mittlerweile nachgewiesen.<ref name="idw" /> Der Abnutzungsgrad der Gelenke wird für das Lebensalter als verhältnismäßig gering eingestuft, was auf eine herausgehobene soziale Stellung schließen lässt. In den Haaren wurden hohe Konzentrationen von Metallen nachgewiesen, daher vermutet man, dass er mindestens zeitweilig mit Kupferverhüttung in Kontakt kam. Die Zähne sind stark abgenutzt, was – wie bei vielen anderen neolithischen Befunden auch – auf den Verzehr von Getreide mit den darin enthaltenen Partikeln von Mahlsteinen zurückzuführen ist.<ref name="Museum Bozen">Anatomische Besonderheiten (Website des Südtiroler Archäologiemuseums)</ref> Dem Mineralienstatus der Zähne nach zu schließen kam er aus dem Eisacktal.<ref>W. Muller: Origin and Migration of the Alpine Iceman. In: Science. 302, Nr. 5646, Oktober 2003, ISSN 0036–8075, S. 862–866. doi:10.1126/science.1089837..</ref> Im Jahre 2011 wurden verschiedene Zahnerkrankungen wie Karies und leichte Parodontose diagnostiziert.<ref>Iceman had bad teeth. Discovery News (abgerufen am 18. Juni 2011)</ref> Auffallend ist weiterhin das Diastema (die Zahnlücke zwischen den beiden oberen mittleren Schneidezähnen).<ref name="Museum Bozen" /> Eine weitere Studie ergab unter anderem Hinweise auf einen unfallbedingt abgestorbenen Frontzahn und auf eine fortgeschrittene Parodontitis. Ein Zusammenhang zwischen dieser und einer bereits früher gefundenen Arterienverkalkung wird diskutiert.<ref>Roger Seiler et al.: Oral pathologies of the Neolithic Iceman, c.3,300 bc. In: European Journal of Oral Sciences. Online-Vorabveröffentlichung vom 9. April 2013, doi:10.1111/eos.12037</ref>

An der Mumie sind zahlreiche blauschwarze Tätowierungs-Gruppen erhalten, bei denen Kohlenstaub in kleine punktförmige Wunden eingerieben worden ist. Sie gelten derzeit als die weltweit ältesten Tätowierungen und setzen sich aus 61 Einzeltätowierungen zusammen.<ref>Spiegel online – Ötzis 61 Tattoos. Abgerufen am 30. Januar 2015.</ref><ref>spektrum.de - Wegen Tippfehler: Ötzi hat doch die ältesten Tattoos. Abgerufen am 17. Dezember 2015.</ref> Auffallend sind besonders parallele Linien im Lendenbereich, Streifen um seinen rechten Fußknöchel und eine Tätowierung in Form eines Kreuzes hinter dem rechten Knie.<ref>Die Tätowierungen. In: Ötzi – der Mann aus dem Eis (Eine Mumie als Weltsensation). Südtiroler Archäologiemuseum. Abgerufen am 8. November 2013.</ref> Aufgrund einiger Punktierungen an klassischen Akupunkturpunkten wird über eine therapeutische Funktion der Tätowierungen spekuliert.<ref>L. Dorfer, M. Moser, F. Bahr, K. Spindler, E. Egarter-Vigl, S. Giull‘n, G. Dohr, T. Kenner: A medical report from the stone age?. In: The Lancet. 354, Nr. 9183, September 1999, S. 1023–1025. doi:10.1016/S0140-6736(98)12242-0. PMID 10501382. Abgerufen am 8. November 2013.</ref>

Drei im Jahre 2001 beschriebene Gallensteine deuten auf einen erhöhten Cholesterinspiegel des Gletschermannes, was in Verbindung mit der bereits vor Jahren diagnostizierten Arteriosklerose zu einer neuen Interpretation seiner Ernährung führt.<ref name="Gostner 2011" /> Während der starke Zahnabrieb noch als Beleg für eine überwiegend vegetarische Ernährung aufgefasst wurde, wird jetzt Fleisch als wesentliche Nahrungsquelle angenommen.<ref name="Gostner 2011" /> Aus der DNA-Analyse ergaben sich jedoch auch Anhaltspunkte für eine erbliche Komponente der Arterienerkrankung.<ref name="Keller et al 2012">Andreas Keller et al.: New insights into the Tyrolean Iceman's origin and phenotype as inferred by whole-genome sequencing. In: Nature Communications, Band 3, Artikel-Nr. 698, 2012, doi:10.1038/ncomms1701</ref><ref>Ötzi veranlagt zu Herz-Kreislauferkrankungen – Erste Genomanalyse liegt vor IDW-Online (abgerufen am 15. November 2012)</ref>

Der linke Oberarmknochen wurde während der Bergung im vereisten Gelände gebrochen. Wie erst pathologische Untersuchungen im Jahre 2011 zeigten, war auch der rechte Oberarm postmortal gebrochen, was ebenfalls wahrscheinlich auf die Bergung zurückzuführen ist.<ref name="Gostner 2011" /> 2012 gelang mittels Rasterkraftmikroskopie und Raman-Spektroskopie der Nachweis roter Blutkörperchen in der Pfeilwunde am Rücken.<ref name="Spiegel 2012">Neue Ötzi-Überraschung: Forscher finden 5300 Jahre altes Blut, Der Spiegel, 2. Mai 2012 (abgerufen am 2. Mai 2012).</ref>

Erbgut-Analyse

2011 wurden erste Ergebnisse der Untersuchung des Genoms (aus der Zellkern-DNA) bekannt.<ref>Interview Dr. Eduard Egarter-Vigl, Aus: "Ötzi, ein Archäologiekrimi" von Christine Sprachmann; Erstausstrahlung 3sat, 10. August 2011</ref> So wurde das Gen für braune Augen identifiziert.<ref>Ötzis letztes Mahl: Steinbock; Abschnitt: Gene deuten auf braune Augen Die Presse (abgerufen am 25. Juni 2011)</ref> Das Genom des Eismannes wurde aus dem Beckenknochen sequenziert und im Februar 2012 veröffentlicht.<ref>Keller, A. et al.: New insights into the Tyrolean Iceman's origin and phenotype as inferred by whole-genome sequencing. Nature Communications 3 (2), 2012, S. 698 doi:10.1038/ncomms1701</ref><ref>Oetzi the Iceman's nuclear genome gives new insights BBC-News, 28. Februar 2012 (abgerufen am 13. November 2012)</ref>

Aus Ötzis Erbgut wurde geschlossen, dass er laktose-intolerant war.<ref name="Keller et al 2012" /> Diese Tatsache steht nicht mit der in der Presse kolportierten Vermutung im Zusammenhang, der Befund beweise eine Unangepasstheit an bäuerliche Milchwirtschaft, da Laktose-Intoleranz als der wahrscheinlichere Befund für spätneolithische Bevölkerungen gewertet wird.<ref name="IDW_Feb2012">Ötzi’s nephews? (Memento vom 3. Juli 2014 im Internet Archive) In: EURAC News. Abgerufen am 17. September 2014. September 2013. </ref> Der im November 2012 bekannt gewordene Vergleich der mtDNA nimmt Ötzis genetische Einbindung in bäuerliche Kulturen an.<ref name="BBC_Nov12" /> Der Eismann war Träger der Blutgruppe 0.<ref name="Keller et al 2012" /> Außerdem deuten Borrelien (Borrelia burgdorferi) darauf hin, dass er der älteste nachgewiesene Fall einer durch Zecken übertragenen Borreliose ist <ref name="Keller et al 2012" />, auch wenn dies in neueren Studien angezweifelt wurde.<ref>S. K. Ames, D. A. Hysom, S. N. Gardner, G. S. Lloyd, M. B. Gokhale, and J. E. Allen, “Scalable metagenomic taxonomy classification using a reference genome database,” Bioinformatics, vol. 29, no. 18, pp. 2253–2260, Jul. 2013.</ref>

Paternale Linie (Y-DNA)

Beim vom Vater an die Söhne vererbten Y-Chromosom wurde eine Teil-Sequenz im Februar 2012 bekannt. Die jüngste bekannte Y-Haplogruppe wurde als G2a4-L91 identifiziert. Diese Haplogruppe ist sehr selten und heute in nennenswerten Prozentsätzen nur in der relativ isoliert gebliebenen Bevölkerung von Korsika und Nord-Sardinien vorzufinden. Ähnlich wie beim Vergleich des gesamten Erbguts wird vermutet, dass diese Haplogruppe eine neolithische Bevölkerung repräsentiert, die im ursprünglichen Verbreitungsgebiet mit wenigen Ausnahmen ab der Bronzezeit stark zurückgedrängt wurde.<ref name="IDW_Feb2012" />

Wissenschaftler in Innsbruck haben 2013 im Rahmen einer Studie zum historisch-genetischen Hintergrund der Besiedlung des Tiroler Alpenraums 19 von 3.713 Tiroler Teilnehmern der Haplogruppe G-L91 zugeordnet und deren Alter auf 10.000 Jahre geschätzt. <ref>Berger et al. Reprint of: High resolution mapping of Y haplogroup G in Tyrol (Austria) In: Forensic Science International Genetics. Online-Veröffentlichung vom September 2013. doi:10.1016/j.fsigen.2013.05.013</ref><ref>Studie zum historisch-genetischen Hintergrund der Besiedlung des Tiroler Alpenraums. Abgerufen am 17. September 2014. Siehe auch Projektseite.</ref>

Citizen Science konnte Ende 2013 durch den Vergleich der publizierten Y-Sequenz mit privat finanzierten Y-Sequenzierungen Ötzis Y-Chromosom jüngeren Haplogruppen zuordnen, welche Nachkommen von G-L91 sind und durch folgende SNP-Marker definiert werden: PF3239 > L166 > FGC5672. FGC5672 wurde bisher nur in Ötzi und in einer Y-Sequenz süddeutscher Herkunft festgestellt. <ref>Ray Banks: New genetic findings regarding the 5300-year-old Iceman mummy, Oetzi. ISOGG Facebook Gruppe. Online-Veröffentlichung vom 14. Dezember 2013. Siehe auch Magoon et al. Preprint 2013 Y-phylogeny, ISOGG Haplogruppe G und MolGen-Forum-Beitrag. </ref>

Maternale Linie (mtDNA)

Von diesem kleinen in mütterlicher Linie vererbten Erbgutabschnitt lagen die ersten genetischen Daten zu Ötzi vor, welche ihn einer Untergruppe der mtDNA-Haplogruppe K1 zuordneten, zu der derzeit keine Überlebenden bekannt sind.<ref>Vorlage:Internetquelle/Wartung/Zugriffsdatum nicht im ISO-FormatHAPLOGRUPPE K. Biologiezentrum der Oberösterreichischen Landesmuseen, Linz, archiviert vom Original am 20. Dezember 2007, abgerufen am 28. April 2009.</ref><ref>Phillip Endicott et al.: Genotyping human ancient mtDNA control and coding region polymorphisms with a multiplexed Single-Base-Extension assay: the singular maternal history of the Tyrolean Iceman, 19. Juni 2009</ref> Jedoch existieren andere Untergruppen von K1 sowie die übergeordnete Haplogruppe K.<ref name="Ötzi entstammte einem untergegangenen Volk">Vorlage:Internetquelle/Wartung/Zugriffsdatum nicht im ISO-FormatFAZ.de: Vetter aus uralten Zeiten. 2008, abgerufen am 17. Februar 2010 (deutsch).</ref><ref>F. Rollo u. a.: Complete Mitochondrial Genome Sequence of the Tyrolean Iceman. In: Current Biology Volume 18, Issue 21, 2008, S. 1687–1693. doi:10.1016/j.cub.2008.09.028 PMID 18976917</ref> Im November 2012 wurde die Ableitung präsentiert, dass die mitochondriale DNA des Eismannes vor allem mit bäuerlichen Populationen des Spätneolithikums übereinstimmt, während mehr oder weniger zeitgleiche Jäger- und Sammlerpopulationen deutliche Unterschiede im Erbgut aufweisen.<ref name="BBC_Nov12">Iceman was Central Europe native, new research finds NBC-News, 9. November 2012 (abgerufen am 13. November 2012)</ref><ref>Ötzi war kein sardischer Migrant Südtirol News, 13. November 2012 (abgerufen am 13. November 2012)</ref> Einen aufschlussreichen Vergleich bietet das vollständig vorliegende mitochondriale Genom des 7000 Jahre alten epipaläolithischen Skeletts Braña‑1 (La Braña‑Aritero, Provinz León),<ref>Federico Sánchez-Quinto et al.: Genomic Affinities of Two 7,000-Year-Old Iberian Hunter-Gatherers. In: Current Biology, Band 22, Heft 16, S. 1494–1499 doi:10.1016/j.cub.2012.06.005</ref><ref>Cavemen Bones Yield Oldest Modern Human DNA LiveScience, 28. Juni 2012 (abgerufen am 13. November 2012)</ref> das wie verschiedene andere Mesolithiker zur Haplogruppe U (U5) gehört. Erbgut für den Vergleich stammt außerdem von einem Skelett der Grübchenkeramischen Kultur aus Gotland sowie von einem südschwedischen Bauern der Trichterbecherkultur<ref>P. Skoglund, H. Malmström, M. Raghavan, J. Storå, P. Hall, E. Willerslev, M.T.P. Gilbert, A. Götherström, M. Jakobsson: Origins and genetic legacy of Neolithic farmers and hunter-gatherers in Europe. In: Science, Band 336, 2012, S. 466–469 DOI:10.1126/science.1216304</ref> und von einem eisenzeitlichen Bauern aus Bulgarien.<ref>More North Iberian Epipaleolithic mtDNA (and first Epipaleolithic nuclear DNA) Blog forwhattheywereweare (abgerufen am 15. November 2012)</ref> Aus dem Vergleich wurde abgeleitet, dass die bäuerlichen Gesellschaften aus dem Vorderen Orient und Südeuropa einwanderten und sich auch später lange nur in begrenztem Maße mit regional ansässigen Jäger- und Sammlervölkern gemischt haben.

Letzte Lebenstage und Tod

Die letzten Tage im Leben des Gletschermannes konnten vor allem durch die Untersuchung seines Darminhaltes durch Botaniker der Universität Innsbruck erhellt werden. Anhand mit der Nahrung aufgenommener Pollen kann nachgewiesen werden, dass Ötzi in den letzten Tagen vor seinem Tode ausgedehnte Strecken zwischen verschiedenen Vegetationszonen zurücklegte. Demnach hielt er sich zunächst im Bereich der Baumgrenze auf, die damals bei ungefähr 2400 Metern lag (heute etwa 1800–2100 m). Er stieg dann entweder in das Schnals- oder Etschtal ab und etwa sechs Stunden vor seinem Tode wieder hinauf in Richtung Tisenjoch.

Mindestens etwa 24 Stunden vor der Pfeilattacke, die zum Tod führte, war Ötzi in einen Nahkampf verwickelt.<ref name="Lippert et al." /> Davon zeugen Schnittverletzungen am linken Arm und an den Händen sowie Kratzspuren auf dem gesamten Körper, besonders am Rücken.<ref>ORF, 11. August 2003</ref> Der Europäischen Akademie Bozen zufolge waren entgegen anderen Interpretationen weder an den Pfeilspitzen, dem Beil noch an der Dolchklinge menschliche Blutspuren zu finden. Nur die geringfügigen Blutspuren am Grasmantel könnten von Ötzi selbst stammen, eventuell aber auch von Tieren.<ref>Aufräumen mit den "Ötzi"-Mythen,derstandard.at, Kein Menschenblut am Dolch – Interview P.M. History, August 2008</ref>

Im Sommer 2011 wurde bekannt, dass Ötzi noch rund eine Stunde vor seinem Tod eine Rast einlegte und ein ausgiebiges Mahl zu sich nahm, wozu auch Alpensteinbock-Fleisch gehörte.<ref name="NG 2011">Iceman's Stomach Sampled—Filled With Goat Meat National Geographic News, 23. Juni 2011 (abgerufen am 25. Juni 2011).</ref> Der Magen war erst 2009 an einer anatomisch ungewöhnlichen Stelle im Brustkorb identifiziert worden.<ref name="NG 2011" /> Botaniker der Universität Innsbruck fanden außerdem zahlreiche Pollen der Hopfenbuche in Ötzis Magen, was darauf schließen lässt, dass Ötzi im Frühjahr gestorben ist.<ref name="idw" /> Der Mageninhalt wurde im Dezember 2011 erstmals wissenschaftlich publiziert.<ref name="Gostner 2011">Paul Gostner et al.: New radiological insights into the life and death of the Tyrolean Iceman. In: Journal of Archaeological Science, Band 38, Nr. 12, 2011, S. 3425–3431, doi:10.1016/j.jas.2011.08.003</ref> Mit dem Befund einer ausgiebigen Rast ist das frühere Szenario widerlegt, dass sich der Mann auf einer hastigen Flucht aus dem Tal befand.<ref>Focus Nachrichtenmagazin, Ausgabe 23/2007 vom 4. Juni 2007, S. 90: „Ötzis letzte Stunden: War er auf der Flucht?“</ref>

Im Jahre 2007 ist ein schlüssiges Szenario von Ötzis Tod publiziert worden, das einen Mord durch eine Pfeilattacke sehr wahrscheinlich macht.<ref name="Lippert et al." /> Die Pfeilspitze war erst im Jahre 2001 durch neue Röntgenaufnahmen entdeckt worden.<ref>E. Egarter Vigl, P. Gostner: Insight: Report of Radiological-Forensic Findings on the Iceman. In: Journal of Archaeological Science, Band 29, Heft 3, 2002, S. 323–326 doi:10.1006/jasc.2002.0824</ref> Sie unterscheidet sich von den beiden erhaltenen Pfeilspitzen aus Ötzis Köcher durch die gedrungenere Form, der Pfeil stammt also mit hoher Wahrscheinlichkeit von (s)einem Verfolger. Der Angreifer schoss den Pfeil von schräg unterhalb am Abhang in den Rücken des Gletschermannes, als dieser möglicherweise noch rastete (nach der oben genannten Mahlzeit).<ref name="idw">EUR.AC (European Academy of Bozen): Gerastet, gegessen, gestorben. Oktober 2011 (Aufgerufen am 25. Oktober 2011)</ref> Die Pfeilspitze schlug beim Eindringen in den Körper ein etwa zwei Zentimeter großes Loch in das linke Schulterblatt. Mit Hilfe einer „Multislice-Computertomographie“ konnte eine Verletzung der rückseitigen Wand der linken schulternahen Unterschlüsselbeinarterie (Arteria subclavia) nachgewiesen werden.<ref name="Lippert et al." /><ref>Forscher der Universität Zürich beweist Todesursache von Ötzi</ref> Auf den CT-Bildern ist in den umliegenden Geweben ein großer Bluterguss erkennbar. Das Pathologen-Team um Eduard Egarter Vigl hatte zunächst gefolgert, dass der im Körper steckende Pfeil nicht nur das linke Schulterblatt, sondern auch die Hauptschlagader durchschlug, was innerhalb kurzer Zeit durch den hohen Blutverlust zum Tode geführt hätte.<ref>Ötzi innert weniger Minuten gestorben Neue Zürcher Zeitung, 14. September 2006 (abgerufen am 25. Juni 2011)</ref> In der 2007 publizierten Auswertung der Todesumstände wurde das Ergebnis dahingehend geändert, dass Ötzi nicht an den unmittelbaren Folgen der Pfeilwunde starb, sondern durch ein anschließendes schweres Schädeltrauma.<ref name="Lippert et al." /> Die Autoren lassen jedoch offen, ob das Schädeltrauma durch einen rückwärtigen Sturz infolge des Pfeilschusses erfolgte<ref name="Lippert et al." /> oder durch einen Schlag auf den Kopf, wie in populären Medien in den Vordergrund gestellt wird.<ref>SPIEGEL online, 28. August 2007</ref>

Datei:Breton stone age arrowhead.jpg
Eine ähnliche Pfeilspitze durchbohrte Ötzi von rückwärts; Blattspitze, Feuerstein (Grand Pressigny), mit Schaftzunge, eingezogene Pfeilbasis (Widerhaken, einer abgebrochen)

Zur Todesursache gibt es bis heute keinen allgemeinen Konsens der Experten. Auf dem Zweiten Internationalen Mumienkongress (Oktober 2011 in Bozen) wurden mehrere Möglichkeiten vorgestellt, von denen keine zweifelsfrei ausgeschlossen werden konnte:

  • Der Tod könnte unmittelbare Folge einer arteriellen Blutung der vielleicht durch den Einschuss verletzten Arteria subclavia sinistra sein.
  • Möglich ist auch eine venöse Blutung durch Verletzung der der Arteria subclavia folgenden Venen. Eine solche Verletzung konnte noch nicht nachgewiesen werden, ist aber aufgrund der Lage der Pfeilspitze wahrscheinlich.
  • Das mittlerweile nachgewiesene Schädel-Hirn-Trauma, dessen Ursprung noch nicht vollständig geklärt ist, könnte ebenfalls unmittelbar zum Tod geführt haben.
  • Mit Sicherheit konnte man eine Verletzung der großen Gefäße, welche vor dem Schulterblatt verlaufen, bisher nicht nachweisen. Diese Gefäße könnten unter Umständen intakt geblieben sein. In diesem Fall wurde nur das Schulterblatt durch die Pfeilspitze perforiert und der Tod könnte durch langsames Verbluten eingetreten sein, verursacht durch eine Beschädigung des im Schulterblatt verlaufenden arteriellen Geflechts (Rete scapulare), das mit Sicherheit verletzt wurde.

Neueste Funde von Fibrin in der Pfeilwunde lassen jedoch auf einen direkten Tod durch den Pfeilschuss schließen.<ref name="Spiegel 2012" />

Der Sterbeort des Gletschermannes war als Querrinne ein etwas windgeschützter Platz. Ob dieser Ort als letzter Rastplatz frei gewählt war oder zugleich der Tatort war, an dem er mit dem Pfeil getroffen wurde, ist bislang ungeklärt.<ref>Onlineauftritt Die Presse Bericht, Eduard Egarter-Vigl, Pathologe in Bozen, 28. August 2007</ref> Der Pfeilschaft wurde, wahrscheinlich durch Fremdeinwirkung, wieder aus dem Rücken des Opfers entfernt. Das wertvolle Beil mit Kupferklinge wurde noch bei der Mumie gefunden, was einen Raubmord unwahrscheinlich macht. Auszuschließen ist diese Theorie jedoch nicht, da sich nicht rekonstruieren lässt, welche Gegenstände der Mann vom Tisenjoch noch bei sich führte, welche der Verfolger mit sich genommen haben könnte.

Alternative Theorien

Eine alternative Theorie ist die Bestattungstheorie: Eine Arbeitsgruppe der Universität Rom publizierte im Jahre 2010 die umstrittene These, dass Ötzi auf niederer Seehöhe gestorben und erst Monate später auf den Pass gebracht und dort bestattet worden sei.<ref name="Vanzetti">Alessandro Vanzetti et al.: The iceman as a burial. In: Antiquity, Band 84, 2010, S. 681–692 (Abstract)</ref><ref name="vanz">Jürgen Langenbach: Archäologie: Ötzi starb nicht am Berg. Die Presse. 26. August 2010. Abgerufen am 2. September 2010.</ref> Bei den gefundenen Gegenständen würde es sich folglich um Grabbeigaben handeln.<ref name="Vanzetti" /> Zur Begründung wurde angeführt, dass die Analyse des Darminhalts auf einen Tod im April hindeutet, die Pollen an der Fundstätte jedoch auf den August oder September.<ref name="vanz" /> Eine räumliche Analyse der Fundsituation ließe vermuten, dass der Körper auf einer aus Steinen aufgebauten Plattform zusammen mit den Werkzeugen und anderen Gegenständen rituell aufgebahrt worden sei. Die Niederlegung auf der Plattform sei später durch den langsamen Fluss des Gletschereises auseinandergerissen worden, so dass der Körper schließlich in der Rinne etwa 80 cm tiefer und rund 5 m nordöstlich der Plattformreste gefunden wurde.<ref name="Vanzetti" />

Die Bestattungstheorie wurde von Wissenschaftlern des Südtiroler Archäologiemuseums, der Universität Innsbruck sowie des Instituts für Mumien an der Europäischen Akademie Bozen zurückgewiesen.<ref name="Gegendarstellung">Ötzi nicht am Gletscher bestattet. Stellungnahme des Südtiroler Archäologiemuseums zur „Bestattungstheorie“ des Mannes aus dem Eis von A. Vanzetti, M. Vidale, M. Gallinaro, D.W. Frayer und L. Bondioli, veröffentlicht in der Fachzeitschrift „Antiquity“ 84/2010. (PDF online, abgerufen am 15. Dezember 2010; 92 kB)</ref> So seien keine Dekompositionsprozesse nachweisbar, die bei einer vorangegangenen Aufbewahrung der Leiche im Tal unumgänglich gewesen wären.<ref name="Gegendarstellung" /> Zudem sei der ununterbrochene Blutstrom im linken Arm, der angewinkelt unter dem Körper des Toten lag, ein Beweis für die unveränderte Körperhaltung während des Gefriertrocknungsprozesses und nur durch einen solchen erklärbar. Die ins Feld geführten Pollen der Umgebung stammen aus geschmolzenem Eis und damit sekundärer Lage, daher sei auch dieses Argument der Arbeitsgruppe um Vanzetti wenig stichhaltig.<ref name="Gegendarstellung" />

Der englische Archäologe Francis Pryor vertritt die Theorie, bei dem Pfeilschuss auf Ötzi habe es sich um einen Ritualmord gehandelt, wofür vor allem die bewusste Deponierung seiner Ausrüstungsgegenstände spreche.<ref>Rätselhafte Tote - Der Mann aus dem Eis Originaltitel: Mummies Alive: Otzi - Stone Age Warrior?, UK 2015; Deutsche Version: ZDF/ZDF Enterprises, 2015 (ZDF-Mediathek, abgerufen am 6. Dezember 2015)</ref>

Kleidung und Ausrüstung

Neben der Leiche wurden außer Bekleidungsresten auch zahlreiche Alltags- und Gebrauchsgegenstände aus dieser Epoche gefunden.<ref>landschaftsmuseum.de: Abbildungen zu Bekleidung und Ausrüstung. Abgerufen am 5. Januar 2010</ref> Ein Teil der Ausrüstungsgegenstände weist Stilmerkmale auf, die den Leichnam als Vertreter der südalpinen Remedello-Kultur zuordnen lassen. Das ist insbesondere das Kupferbeil, für das es nur einige wenige Vergleichsfunde aus der Remedello-Kultur und von dem es ähnliche Felsbilder im Valcamonica gibt. Ein weiteres, regionalspezifisches Merkmal ist der lessinische Feuerstein, aus dem der Dolch und die Pfeilspitzen hergestellt wurden. Dieser fossilführende Feuerstein weist auf den Abbau in den Monti Lessini, einer Bergregion östlich des oberen Gardasees (auch „Kleine Dolomiten“). Er ist vor allem für Steingeräte der Remedello-Kultur typisch.

Bekleidungsgegenstände

Ötzi trug eine aus braunem und weißem Fell längs gestreifte Jacke, deren helle und dunkle Fellstreifen auf der nach außen getragenen Fellseite optisch wirkungsvoll kombiniert sind.<ref>Der Fellmantel, Website des Südtiroler Archäologiemuseum, Stand 2008</ref> Entgegen der früheren Bestimmung als Ziegenfell geht eine 2008 publizierte Untersuchung mittels MALDI-TOF (einer speziellen Massenspektrometrie) für Jacke und Beinlinge von Schaffell aus.<ref name="Hollemeyer">Klaus Hollemeyer et al.: Species identification of Oetzi’s clothing with matrix-assisted laser desorption/ionization time-of-flight mass spectrometry based on peptide pattern similarities of hair digests. Rapid Communications in Mass Spectrometry, Volume 22, Issue 18, 2008, S. 2751–2767 doi:10.1002/rcm.3679</ref><ref name="scinexx">Ötzi trug die Kleidung eines Hirten: Neue Analyse identifiziert Material von Jacke, Hose und Schuhen des Eismanns (Wiley- Blackwell, 21. August 2008 – NPO, abgerufen am 25. März 2011)</ref> Der Tragekomfort der Jacke ist mit heutiger Kleidung allerdings nicht zu vergleichen.<ref name="Riedl">Tragekomfort in der Steinzeit – Wie schneidet Ötzis Kleidung gegen moderne Funktionskleidung ab? Rose-Marie Riedl, IDW, 25. Mai 2007</ref> Die Beinlinge ähneln den Leggings nordamerikanischer Indianer. Sie bestehen aus vielen kleinen Schaffellstücken, die mit Tiersehnen in Überwendtechnik sorgfältig vernäht waren. Warum Ötzis Beinlinge Patchwork-Arbeiten sind, ist bis heute unklar. Um die Hüften trug Ötzi einen Gürtel aus Kalbsleder, an dem die Lederschlaufen der Beinlinge befestigt waren und der außerdem den bis zu den Knien reichenden Lendenschurz hielt.

Datei:Ötzischuh 2.jpg
Ötzis Schuhe, Skizze

Ötzis Schuhe bestehen aus verschiedenen Materialien. Für den Schaft wurde Rindleder<ref name="Hollemeyer" /><ref name="scinexx" /> (frühere Bestimmung: Hirsch) verwendet, dessen Haarseite zur Nässeabwehr nach außen zeigte. Die Sohle bestand aus besser isolierendem Bärenfell, dessen Haarseite innen lag. An der Unterseite der Sohle wurde ein quer laufender und sich überkreuzender Lederstreifen angebracht, der damit die älteste bekannte Profilsohle eines Schuhs darstellt. Schaftleder und Sohle wurden durch ein umlaufendes – in Vorstichtechnik eingezogenes – Lederband gehalten. Der Innenschuh bestand aus gedrillten und verzwirnten Grasschnüren. Dieses Geflecht war durch den umlaufenden Lederriemen fest mit der Sohle verbunden, nach oben zum Schaft hin aber offen.<ref name="Goedecker" /> Zwischen das Geflecht des Innenschuhs und das Schaftleder wurde trockenes Süßgras (Fieder-Zwenke und Borstgras) gestopft, das als Polster und Isolierschicht diente.<ref>Website des Südtiroler Archäologiemuseum: Ötzis Schuhe (Abgerufen am 12. Juni 2010).</ref><ref name="Oeggl2009">Klaus Oeggl: The significance of the Tyrolean Iceman for the archaeobotany of Central Europe. In: Vegetation History and Archaeobotany, Band 18, 2009, S. 1–11 DOI:10.1007/s00334-008-0186-2</ref> Der speziell für Erfordernisse im Hochgebirge gebaute Schuh wurde mit einem „Schnürsenkel“ aus Lindenbast verschlossen.

Als Kopfbedeckung trug Ötzi eine Mütze aus Wolfsfell<ref name="SZ 2011">20 Jahre nach der Ötzi-Entdeckung: Eine schöne Leiche. Sueddeutsche.de (abgerufen am 19. Sept. 2011)</ref>, was auch die Möglichkeit von Hundefell mit einschließt.<ref>Neue Erkenntnisse zu Ötzis Kleidung Spiegel-Online (abgerufen am 8. November 2011)</ref> Die Erstbestimmung war von Bärenfell ausgegangen.<ref name="Goedecker">Goedecker-Ciolek, R.: Kapitel Zur Herstellungstechnik von Kleidung und Ausrüstungsgegenständen. In: Markus Egg, Konrad Spindler: Die Gletschermumie vom Ende der Steinzeit aus den Ötztaler Alpen. In: Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 39/2, 1992, S. 101–106</ref>

Außerdem wurde ein etwa 25 cm² großer Grasfetzen aus geflochtenem Süßgras (der Art Fieder-Zwenke) gefunden.<ref name="Oeggl2009" /> Die anfängliche Deutung als Teil eines Umhangs oder einer Liegematte ist umstritten, es könnte sich ebenso um einen Regenkopfschutz oder um den Teil eines fehlenden Behälters zur Rückentrage (weiter unten beschrieben) handeln.<ref>Josef Winiger: Die Bekleidung des Eismanns und neuere Erkenntnisse zum Beginn der Weberei nördlich der Alpen. In: Der Mann im Eis: Neue Funde und Ergebnisse Konrad Spindler, Frank Höpfel, Werner Platzer (Hrsg.), Springer, 1995, S. 119 ff. ISBN 3-211-82626-2</ref>

Kupferbeil

Datei:ReconstructedOetziAxe.jpg
Originalgetreue Rekonstruktion des Kupferbeils

Das mitgeführte Kupferbeil ist vollständig erhalten. Die Klinge besteht zu 99 % aus Kupfer, das laut Analysen aus dem Salzburger Land stammt. Während kupferne Beilklingen aus dem 4. Jahrtausend v. Chr. in einiger Anzahl bekannt sind, ist Ötzis Beil das einzige, das geschäftet erhalten ist. Mit diesem Beil war es möglich, Bäume zu fällen. Ötzi könnte ein angesehener Mann gewesen sein, da Kupfer zu dieser Zeit sehr wertvoll war. Möglicherweise war das empfindliche und wertvolle Beil allerdings gar nicht als Werkzeug gedacht, sondern als Waffe.<ref>vgl. Steven A. LeBlanc: Constant Battles. Why we fight. St. Martin's Press; Auflage: First Edition 23. Juli 2013 (ebook), Kapitel 1: Warfare and Ecology: Myth and Reality, S. 11-31, hier S.13 f.</ref>

Bogen und Pfeile

Mit dem Beil ist der noch nicht vollständig fertiggestellte Bogen aus Eibenholz bearbeitet worden. Er ist 1,80 m lang. CT-Aufnahmen des Querschnitts zeigen, dass der Bogen liegende Jahrringe hat und die Außenseite des Stammes die Rückenseite des Bogens bildet, wie das für neolithische Eibenbogen die Regel ist. Eine noch nicht vollständig geklärte Frage ist jene nach dem Splintholz an der Rückenseite, da dieses entweder vollständig fehlt oder aufgrund sekundärer Färbung nicht mehr vom dunkleren Kernholz zu unterscheiden ist. Der Bogen besitzt keine glatte Oberfläche, sondern weist allseitig eine sehr regelmäßige Struktur kleiner Schnitzkerben auf, die entweder mit dem Flachbeil aus Kupfer oder mit Klingen aus Feuerstein angefertigt wurden. Das Fehlen der Sehnenkerben allein ist kein Beweis für die Unfertigkeit des Bogens, denn diese können durch zwei eng geknotete Sehnenohren und/oder Umwicklung der Wurfarmenden (Riemen als Sehnenstopper) erübrigt werden. Wie Experimente mit nachgebauten Eibenbogen ergaben, haben diese bei Schalenwild noch auf 30–50 Meter eine tödliche Durchschlagskraft.

Die 14 Pfeile wurden aus Holz des Wolligen Schneeballs gefertigt. Nur an zwei Pfeilschäften sind noch die Pfeilspitzen aus Feuerstein erhalten, die mit Pflanzenfasern und Birkenpech befestigt und geklebt worden sind. Die Befiederung der Pfeile wurde ebenfalls mit Birkenpech angeklebt und zusätzlich mit einer Schnur umwickelt. Die Nockenkerben waren tief eingeschnitten (sog. „Selfnocke“), so dass die Pfeile in der Sehne fest eingenockt werden konnten.

Dolch aus Feuerstein

Der zur Ausrüstung gehörige Dolch hat eine Feuersteinklinge und einen Griff aus Eschenholz. In diesem Feuerstein sind winzige Fossilien eingeschlossen, die in dieser Zusammensetzung nur aus einer Grube in den Monti Lessini am Gardasee bekannt sind.<ref>Andreas Tillmann: Gastgeschenke aus dem Süden? Zur Frage einer Süd-Nord-Verbindung zwischen Südbayern und Oberitalien im späten Jungneolithikum. In: Archäologisches Korrespondenzblatt 23 (4), 1993, S. 453-460.</ref><ref>Vorlage:Internetquelle/Wartung/Zugriffsdatum nicht im ISO-FormatRoland Knauer: Scharfe Messer aus der Grube. In: Wissenschaft Online. Die Zeit, S. 1,15, abgerufen am 7. April 2009 (Ausgabe 7/2002).</ref>

Zum Bearbeiten von Feuersteinschneiden diente der Retuscheur, ein Stift aus Lindenholz, in den der gehärtete Span eines Hirschgeweihs eingesetzt war.<ref>Vorlage:Internetquelle/Wartung/Zugriffsdatum nicht im ISO-FormatDer Retuscheur. Südtiroler Archäologiemuseum, abgerufen am 7. April 2009.</ref>

Rückentrage und Glutbehälter

Durch die Eisbewegungen einige Meter von der Mumie entfernt wurden die Reste einer Rückentrage aus Haselholz (Corylus avellana) gefunden.<ref name="Oeggl2009" /><ref name="Trage">Die Rückentrage Südtiroler Archäologiemuseum, abgerufen am 20. November 2012</ref> Diese bestand aus einem 1,99 m langen, gebogenen Haselstab, an deren beiden Enden sich je zwei übereinanderliegende eingeschnittene Kerben befanden. Zwei Lärchen-Spaltholzbrettchen (40–38 cm Länge, 5-4,3 cm Breite) mit eingeschnittenen Kerben scheinen mit den Kerben des Haselstabes zu korrespondieren und dürften als Auflage am unteren Rücken gedient haben, während der Haselstab den Rahmen bildete. Im Biegungsbereich des Haselstabes sind Spuren von kreuzweisen Wicklungen feststellbar, die zu den Resten von Lindenbastschnüren passen, die nach Aussage von K. Spindler unmittelbar unter dem Tragegestell gefunden wurden.<ref name="Oeggl2009" /> Außerdem wurde bei den Nachgrabungen des Jahres 1992 ein drittes, wesentlich kürzeres Lärchenbrettchen von 16,5 cm Länge gefunden.<ref name="Oeggl2009" /> Die Rekonstruktion des Tragesackes bleibt bislang spekulativ, da keinerlei Reste eines Sackes bzw. seiner Befestigung am hölzernen Rahmen erhalten sind. Auf den Websites der Bozener Archäologiemuseums heißt es an einer Stelle, Fellreste und Haarbüschel würden darauf hinweisen, dass ein Fellsack an der Trage befestigt war.<ref name="Trage" /> An einer anderen Stelle wird spekuliert, das aus Süßgras<ref name="Oeggl2009" /> hergestellte Geflecht (traditionell als „Grasmantel“ interpretiert) könne auch den fehlenden Behälter darstellen, der auf der Rückentrage befestigt war.<ref>Grasmantel, Matte oder Tragegestell? Südtiroler Archäologiemuseum, abgerufen am 20. November 2012</ref>

Außerdem wurden zwei zylindrische Dosen aus Birkenrinde gefunden. Der Durchmesser der Dosen beträgt 15–18 cm, die Höhe etwa 20 cm.<ref name="Rindengefäße">Vorlage:Internetquelle/Wartung/Zugriffsdatum nicht im ISO-FormatDie Birkenrindengefäße. Südtiroler Archäologiemuseum, abgerufen am 7. April 2009.</ref> Eines der Rindengefäße hat eine schwärzlich verkohlte Innenwand und wird daher als Glutbehälter zum Transport von glühender Holzkohle interpretiert.<ref name="Rindengefäße" /> Es enthielt Pflanzen- und Holzkohlefragmente, die in frisch gepflückte Blätter des Spitzahorns eingebettet waren. Die Holzkohlen bestanden aus folgenden Arten: Fichte/Lärche, Bergkiefer, Grün-Erle, Netz-Weide, Ulme und wahrscheinlich auch Gewöhnliche Felsenbirne.<ref name="Oeggl2009" />

Gürteltasche mit Inhalt

Eine Gürteltasche enthielt einen Klingenkratzer, einen Bohrer, das Bruchstück einer Klinge und eine 7,1 cm lange Ahle. Der ebenfalls enthaltene Zunder und Spuren von Pyrit sind Bestandteile des damals üblichen Feuerzeugs.<ref>Vorlage:Internetquelle/Wartung/Zugriffsdatum nicht im ISO-FormatDie Gürteltasche. Südtiroler Archäologiemuseum, abgerufen am 7. April 2009.</ref> Zwei mitgeführte Birkenporlinge dienten vermutlich als Heilmittel. Der Pilz hat eine desinfizierende Wirkung und wird außerdem als Aufguss gegen Würmer und Magenbeschwerden verwendet (in der Gegenwart zum Beispiel bei den Samen). Für ein Bündel verdrillter Rohhautstreifen, auf die eine gelochte Steinscheibe aufgefädelt ist, ist die Funktion nicht geklärt, zuletzt wurde vorgeschlagen, sie als Teil eines sogenannten Vogelgalgens zu deuten.<ref>Thomas Reitmeier: Form follows function – eine neue Deutung der sogenannten Steinscheibe mit Quaste des Südtiroler Eismannes. In: Archäologisches Korrespondenzblatt. Jahrgang 44, 2014, S. 29–40 (Online).</ref>

Benennung

Datei:Oetzi Memorial Inschrift.jpg
Inschrift des Ötzi-Denkmals

Konrad Spindler,<ref name="Spindler 1992/93">Konrad Spindler: Der Mann im Eis. Die jungneolithische Gletschermumie vom Hauslabjoch in den Ötztaler Alpen. in: Nürnberger Blätter zur Archäologie 9, 1992/93, S. 27–38.</ref><ref name="Ortner 1993">Lorelies Ortner: Von der Gletscherleiche zu unserem Urahnll Ötzi. Zur Benennungspraxis in der Presse. In: Deutsche Sprache 2/1993, S. 97–127.</ref> der die wissenschaftliche Bearbeitung der Mumie leitete, schrieb:

„Schon von der ersten Stunde an entwickelt der Name für den Gletscherfund eine ausgesprochene Eigendynamik. Die Namensgebungen reichten dabei vom emotionalen Gefühlsausbruch bis zur verbindlichen wissenschaftlichen Benennung, die freilich auch nicht ganz unumstritten blieb. Das einzige, was dabei von Anfang an außer Zweifel stand, war die Tatsache, dass der eigentliche Fundort keinen Namen trägt.“<ref>Spindler, Mann im Eis, S. 94.</ref>

Er benannte die Mumie nach dem etwas nördlich zwischen Fineilspitze und Hauslabkogel gelegenen Hauslabjoch, das deutlich weiter entfernt vom Fundort als das Tisenjoch liegt,<ref name="Menara">Hanspaul Menara: Die schönsten 3000er in Südtirol. Bildwanderbuch mit 70 Hochtouren. Athesia, Bozen 2007, ISBN 978-88-8266-391-9, S. 104–107</ref> und betitelte dementsprechend seinen Aufsatz Jungneolithische Mumie aus dem Gletscher vom Hauslabjoch, Gemeinde Schnals, Autonome Provinz Bozen-Südtirol, Italien.

Similaunmann ist ebenfalls eine journalistische Erfindung, denn einen Gletscher gleichen Namens gibt es – im Gegensatz zu einem gleichnamigen Berg, dem Similaun – nicht. Nur aufgrund der Similaunhütte als Anlaufstelle für alle Bergwanderer zum Tisenjoch blieb der journalistisch geprägte Name haften.

Der Name „Ötzi“ geht auf den Artikel „Vom Ötzi und dem Arnold“ in der Abendausgabe der Wiener Tageszeitschrift Arbeiter-Zeitung vom 26. September 1991, verfasst vom Journalisten und Pädagogen Nikolaus Glattauer, zurück.<ref>Abendausgabe der Arbeiterzeitung, datiert 26. September 1991 (erschienen am 25. September)</ref> Der damalige Chefredakteur hatte einen einprägsamen, griffigen Namen verlangt. Nach einer telefonischen Anregung von Karl Wendl wurde daraufhin die Mumie in diesem Artikel „Ötzi“ genannt.

Spindler selbst „resignierte“ mit Humor gegenüber dieser Sprachschöpfung:

„Weltweit hat sich allerdings nur ein einziger Kosename durchgesetzt: Ötzi. Ohne Artikel verwendet und auch im Ausland stets großgeschrieben, ist die Eigennamenbildung abgeschlossen. Der Name ist lexikonreif.“<ref>Spindler, Mann im Eis, S. 99.</ref>

Die Germanistin Lorelies Ortner<ref name="Ortner 1993" /> untersuchte im Rahmen einer Forschungsarbeit exemplarisch Textstellen aus Zeitungen und Zeitschriften nach den Benennungen für die Eisleiche und stellte fest, dass der Kosename erstmals sieben Tage nach dem Fund in den Medien aufgetaucht ist:

„Liebevoll als Ötzi bezeichnet, verlor die am Innsbrucker Gerichtsmedizinischen Institut als ’Nr. 619/91′ geführte, bei der Staatsanwaltschaft unter ‚Strafverfahren gegen unbekannter Täter‘ eingeordnete und im juristischen Jargon unter dem klingenden Namen ‚Leichensache Hauslabjoch‘ bekannte Eisleiche ihre Leichenhaftigkeit und wurde medienwirksam wiederbelebt.“<ref>science.orf.at</ref>

Das Südtiroler Archäologiemuseum, wo die Mumie heute aufbewahrt wird, verwendet die Bezeichnung Der Mann aus dem Eis, Mumie von Similaun, Ötzi der Eismann oder Mann von Similaun.

Dauerausstellungen

  • Seit März 1998 wird die Gletschermumie im Original im Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen ausgestellt. Die Koordinierung der wissenschaftlichen Bearbeitung wurde dem Bozner Pathologen Eduard Egarter Vigl anvertraut.<ref name="zeit">Kai Michel: Sein größter Fall. Die Zeit, 8. September 2007, abgerufen am 7. Oktober 2011.</ref> Die Mumie wird in einer Kühlzelle gelagert, welche mit -6,5 °C und 97–99 % Luftfeuchtigkeit die Bedingungen im Inneren des Gletschers imitieren und damit den Gefriertrocknungsgrad optimal erhalten soll. Da die Mumie trotzdem jeden Tag vier bis sechs Gramm Wasser verliert, wird ihr dieses alle drei Monate wieder zugeführt. Dazu wird in der Kühlzelle warmes Wasser als feiner Nebel versprüht, der sich auf die Mumie legt, teilweise in die Haut dringt und darauf eine dünne Eisschicht bildet.<ref>Reiner Stickstoff soll Ötzi künftig konservieren der Standard, 19. Februar 2011 (abgerufen am 24. Oktober 2011)</ref><ref>Ötzi Infopage Südtirol.com (aufgerufen am 24. Oktober 2011)</ref> In Planung befindet sich ein Verfahren, bei dem die Atmosphäre in der Kühlzelle durch reinen Stickstoff ersetzt werden soll. Dies soll das Wachstum aerober Bakterien verhindern und außerdem die Radikale, welche die Mumie angreifen könnten, aus der Umgebung entfernen.

Historiker haben die Einrichtung dieses Museums im Zentrum der Südtiroler Landeshauptstadt auch als bewusste erinnerungskulturelle Praxis der jüngeren Autonomiepolitik des Landes gewertet, die mit der selbstbewussten Ausstellung der Mumie im früheren Bankgebäude eine „neue, beinahe überzeitliche Südtirol-Identität“ beanspruche, in der lange historische Kontinuität und aktuelle Prosperität verschmelzen würden.<ref>Hans Heiss, Hannes Obermair: Erinnerungskulturen im Widerstreit – Das Beispiel der Stadt Bozen/Bolzano 2000–2010. In: Patrick Ostermann, Claudia Müller, Karl-Siegbert Rehberg (Hrsg.): Der Grenzraum als Erinnerungsort. Über den Wandel zu einer postnationalen Erinnerungskultur in Europa. Bielefeld: transcript 2012. ISBN 978-3-8376-2066-5, S. 63–80, Bezug S. 70.</ref>

Einzelausstellungen

  • Im Herbst 2012 war im Jura-Museum Eichstätt eine Ausstellung mit dem Thema "Die Rückkehr des Ötzi" zu sehen, die auch einen Workshop bot.
  • Vom 7. Februar bis zum 7. September 2014 lief die Ausstellung Ötzi 2.0 – Neues von der Eismumie<ref>Mitteilung zur Ausstellung, abgerufen am 2. August 2014</ref> mit interaktiven Modulen und museumspädagogischem Begleitprogramm in der Archäologischen Staatssammlung München. Über eine Life-Webcam konnte man in die Kühlkammer in Bozen schauen.

Rechtsstreit um die Fundprämie

Als Entdecker gelten nach einem mehrjährigen Rechtsstreit seit November 2003 die beiden deutschen Bergwanderer Erika und Helmut Simon aus Nürnberg. Gegen diesen Entscheid des Bozner Landesgerichts legte die Landesregierung von Südtirol Berufung ein, da sich die Slowenin Magdalena Mohar und die Zürcherin Sandra Nemeth gemeldet hätten, die den Gletschermann gefunden haben wollten. Der lange Rechtsstreit um die Gletschermumie führte im Juni 2009 zu einer Einigung dahingehend, dass der Familie Simon mit Billigung der Südtiroler Landesregierung in Bozen 150.000 Euro Finderlohn für die Entdeckung der Gletschermumie zugesprochen wurden, wobei die Prozess- und Anwaltskosten durch die Familie getragen werden sollten.<ref>dpa-Meldung: Finderlohn für Ötzi. In: Südkurier vom 16. Juni 2009</ref> Nachdem diese Einigung jedoch im letzten Augenblick platzte, kam es erneut zu einem Verfahren, das im Juni 2010 endete und wonach die Südtiroler Landesregierung Erika Simon einen Finderlohn in Höhe von 175.000 Euro zusagte<ref>Für «Ötzi» gibt es 175 000 Euro Finderlohn (Memento vom 30. Juni 2010 im Internet Archive), 28. Juni 2009</ref> und ihn schließlich im August 2010 auszahlte.<ref>Jahrelanger Streit mit Ötzi-Findern beendet auf ORF am 30. August 2010 abgerufen am 30. August 2010</ref>

Rezeption

Sehr schnell und anhaltend nahmen sich Laien- wie Fachmedien des Fundes mit dessen Folgerungen und Interpretationen an. Es wurde sogar über den „Fluch des Ötzi“ als moderne Variante des Fluchs der Mumie von Tutanchamun fabuliert. Bisher sollen sieben Menschen gestorben sein, die mit der Leiche zu tun hatten. Unter ihnen ist ihr Entdecker Helmut Simon.

Literatur

  • Alexander Binsteiner: Der Fall Ötzi – Raubmord am Similaun . Magistrat der Landeshauptstadt Linz / Nordico - Museum der Stadt Linz, Linz 2007, S. 1–72. ISBN 3-85484-586-3 (= Linzer Archäologische Forschungen. Sonderheft 38)
  • Angelika Fleckinger (Hrsg.): Die Gletschermumie aus der Kupferzeit. Neue Forschungsergebnisse zum Mann aus dem Eis / La mummia dell’ età del rame. T 1. Schriften des Südtiroler Archäologiemuseums. Band 1. Folio, Bozen 1999, ISBN 3-85256-096-9.
  • Angelika Fleckinger (Hrsg.): Die Gletschermumie aus der Kupferzeit. Neue Forschungsergebnisse zum Mann aus dem Eis / La mummia dell’ età del rame. T 2. Schriften des Südtiroler Archäologiemuseums. Band 3. Folio, Bozen 2003, ISBN 3-85256-249-X
  • Markus Gross: Neandertaler, Ötzi und mehr…. Aurel, Wegberg 2005, ISBN 3-938759-00-3.
  • Horst Seidler: Der Mann vom Hauslabjoch – Ein kurzer Bericht. In: Heinrich Pfusterschmid-Hardtenstein (Hrsg.): Was ist der Mensch? Menschenbilder im Wandel. Europäisches Forum Alpbach 1993, Ibera, Wien 1994, S. 417–430, ISBN 3-900436-07-X.
  • Konrad Spindler, E. Rastbichler-Zissernig, H. Wilfing, D. zur Nedden, H. Nothdurfter: Der Mann im Eis. Neue Funde und Ergebnisse (= The man in the ice. Band 2; Veröffentlichungen des Forschungsinstituts für Alpine Vorzeit der Universität Innsbruck. Band 2). Springer, Wien 1995, ISBN 3-211-82626-2.
  • Konrad Spindler: Der Mann im Eis. Neue sensationelle Erkenntnisse über die Mumie in den Ötztaler Alpen. Goldmann. München 2000, ISBN 3-442-12596-0.
  • A. Haller: Das Similaun-Syndrom. Oecci Homo – Von der Entdeckung der Gletschermumie zum transdisziplinären Forschungsdesign. Libelle, Bottighofen 1992, ISBN 3-909081-54-1.
  • Frank Höpfel, Werner Platzer, Konrad Spindler (Hrsg.): Der Mann im Eis. (= Bericht über das internationale Symposium 1992 in Innsbruck. Band 1; Veröffentlichungen der Universität Innsbruck. Band 187). Innsbruck 1992, ISBN 3-901249-01-X.
  • Die Gletschermumie vom Ende der Steinzeit aus den Ötztaler Alpen (= Sonderdruck aus: Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums. Nr. 39. 1992). Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Mainz 1993. (eigenständige Publikation)
  • Mark-Steffen Buchele: Der Ötzi – ein Medienereignis. Wirklichkeitsvermittlung im Spannungsfeld von Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus. In: Leipziger Forschungen zur ur- und frühgeschichtlichen Archäologie. Band 6. Leipzig 2004 (incl. CD-Rom), ISBN 3-936394-12-1 (weblink: Professur für Ur- und Frühgeschichte der Univ.)
  • Markus Egg & Konrad Spindler: Kleidung und Ausrüstung der Gletschermumie aus den Ötztaler Alpen (= Monographien des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz. Band 77). Schnell & Steiner, Regensburg 2008, ISBN 978-3-7954-2141-0.
  • M. Samadelli, Research Institute for Mummies and the Iceman [EURAC] (Hrsg.): Iceman photoscan. Pfeil, München 2009, ISBN 978-3-89937-098-0.
  • F. Rollo u. a.: Ötzi’s last meals: DNA analysis of the intestinal content of the Neolithic glacier mummy from the Alps. In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America. (PNAS) Band 99, Nr. 20, 2002, S. 12594–12599, PMID 12244211.

Literarische Bearbeitungen

  • Erich Ballinger: Der Gletschermann. Ein Steinzeit-Krimi. Ueberreuter, Wien 2003. ISBN 3-8000-2075-0
  • Adam Jankowski: Ötz – Der Fall vom Similaun-Gletscher. Pro-Market, Breslau 2011. ISBN 978-83-932549-0-3
  • Lenz Koppelstätter: Der Tote am Gletscher. Ein Fall für Commissario Grauner. Kiepenheuer & Witsch, München 2015. ISBN 978-3-462-04728-8
  • Andreas Venzke: Ötzi. Die Verfolgungsjagd in der Steinzeit. Ein Rätselkrimi. Auditorium Maximum/Hörbuchverlag der Wissenschaftlichen Buch-Gesellschaft, Darmstadt 2013 (CD im Digipak, 70 Minuten Laufzeit). ISBN 978-3-654-60392-6

Medien

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Ötzi – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons Commons: Ötzi – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Kindergerechte Links

Einzelnachweise

<references />

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