Pontische Sprache


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Pontisch (ποντιακά)

Gesprochen in

Aserbaidschan, Deutschland, Georgien, Griechenland, Kanada, Kasachstan, Türkei, Russland, Ukraine, USA
Sprecher 1.178.000<ref name="Ethnologue">Ethnologue Database - Languages of the World - Pontic (Greek) - Turkey</ref>
Linguistische
Klassifikation
Offizieller Status
Amtssprache von -
Sprachcodes
ISO 639-1:

ISO 639-2:

ine

ISO 639-3:

pnt

Die pontische Sprache (pontisch Ποντιακά Pontiaka bzw. Ρωμαίικα Romeyika, griechisch Ποντιακή διάλεκτος Pontiakē dialektos, türkisch Pontus lehçesi) ist eine griechische Sprache, die ursprünglich an der türkischen Schwarzmeerküste einschließlich angrenzender Gebiete Georgiens gesprochen wurde.<ref name="Encyclopedia of endangered languages"> Christopher Moseley: Encyclopedia of the world's endangered languages. 2007. S. 265.</ref> Diese Region hieß in der Antike Pontos, latinisiert Pontus. Die Sprecher des Pontischen sind die Pontos-Griechen.

Es ist aus der attischen griechischen Sprache hervorgegangen und enthält Einflüsse aus der byzantinisch-griechischen, der türkischen, der persischen und aus zahlreichen kaukasischen Sprachen.

Das Pontische ist für Sprecher des Standardgriechischen nur schwer zu verstehen. Der Grund dafür liegt vor allem darin, dass sich diese Sprachen für den Zeitraum von fast zwei Jahrtausenden mit nur geringem gegenseitigen Einfluss entwickelten. Außerdem wurde das Pontische im Mittelalter durch die kaukasischen Sprachen beeinflusst. So enthält das Pontische grammatikalische Formen, die dem Standardgriechischen fremd sind.

In der neuen Ausgabe des Atlas of the World’s Languages in Danger von der UNESCO wird die pontische Sprache definitiv als eine vom Aussterben bedrohte Sprache eingestuft.<ref name="unesco.org-1">UNESCO Culture Sector, UNESCO Interactive Atlas of the World's Languages in Danger, 2009</ref>

Beispiele

  • Beispiel 1: Pontisch en (ist), Altgriechisch esti, Koine enesti, Biblische Form eni, Neugriechisch ine
  • Beispiel 2: Pontisch temeteron (unser), Altgriechisch to(n) hemeteron, Neugriechisch to(n) … mas
  • Beispiel 3: Pontisch diminutiv pedin (Kind), Altgriechisch paidion, Neugriechisch pedi
  • Beispiel 4 (Kombination aus 2 und 3): Pontisch temeteron to pedin (unser Kind), Altgriechisch/Koine to hemeteron paidion, Neugriechisch to pedi mas

Begriffliches

Die griechischen Byzantiner nannten sich „Römer“. Der erst im 16. Jahrhundert durch Hieronymus Wolf geprägte Begriff „Byzantinisches Reich“ war den Bürgern des (Ost-)Römischen Reichs unbekannt. Der in der Türkei heute noch gängige Begriff Rum bezeichnet deren Nachfahren. Er lässt sich von deren Selbstbezeichnung herleiten: griechisch Ρωμαίοι Rōmaioi („Römer“).

  • Rumca, Rumdza und Romeyika (pontische Bezeichnungen für das Griechische um Trabzon)
  • Pontiaka (heute gängige Bezeichnung für das Pontische der Diaspora)

Der griechische Linguist Manolis Triantafyllidis differenziert im Rahmen der pontischen Sprache zwischen einer westlichen Gruppe (oinuntisch bzw. Niotika, um Ünye (griech. Oinoe)), einer östlichen Küstengruppe (trapezuntisch, um Trabzon herum), und chaldiotisch, das im östlichen Hinterland (um Gümüşhane) gesprochen wurde; die meisten Sprecher lebten in Chaldia.

Ausbreitung

Datei:Distribution of Greek dialects in late Byzantine Empire en.png
Ausbreitung der griechischen Dialekte im späten Byzantinischen Reich, 12. bis 15. Jahrhundert
  • Koiné
  • Pontisches Griechisch
  • Kappadokisches Griechisch
  • Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde das pontische Griechisch entlang der gesamten türkischen Schwarzmeerküste sowie im angrenzenden Georgien gesprochen. Die westpontische Dialektgruppe war im Gebiet zwischen Inebolu und Ünye beheimatet, die ostpontische Gruppe im Raum Trabzon, in Chaldia und bei Gümüşhane.<ref name="Encyclopedia of endangered languages" /> Im Rahmen des im Vertrag von Lausanne geregelten Bevölkerungsaustausches zwischen Griechenland und der Türkei verließ 1923 mit den christlichen Pontos-Griechen die Mehrheit der Sprecher diese Gebiete. Zurück blieben die muslimischen Pontos-Griechen, deren Vorfahren größtenteils im 17. Jahrhundert zum Islam konvertiert waren (Mackridge 1987). Die Muslime sprechen das Pontische noch heute in einem zusammenhängenden Gebiet in den Landkreisen Of und Sürmene, die beide in der Provinz Trabzon liegen.<ref name="Encyclopedia of endangered languages" />

    Im ausschließlich von Muslimen gesprochenen Subdialekt der Region Of vermutet der Neogräzist Peter Mackridge die ursprünglichste Form des Pontischen, da die Sprecher seit der Konversion ihrer Vorfahren zum Islam jeden Kontakt zur griechischsprachigen Welt verloren (beispielsweise zum Griechisch der Kirche), wodurch viele archaische sowie mittelalterliche Eigenschaften des Subdialekts erhalten blieben. So benutzen beispielsweise ausschließlich sie die altgriechische Negationspartikel ου.<ref>omerasan.com: PREFACE - By Peter Mackridge</ref>

    Es gibt keine verlässlichen und offiziellen Zahlen über die (muslimischen) Pontos-Griechen in der Türkei, da von staatlicher Seite in Volkszählungen seit 1965 keine Daten über die Ethnien und Religionszugehörigkeit der Einwohner erhoben werden dürfen.<ref>Türkei - Enzyklopädie des europäischen Ostens (EEO) – Alpen-Adria Universität, Klagenfurt</ref> Genaue Angaben sind daher schwierig zu ermitteln. Laut der staatlichen Volkszählung aus dem Jahr 1965, wo die Ethnien und Religionszugehörigkeit der Einwohner zum letzten Mal erhoben wurden, sprachen 300.000 Menschen in der Türkei Pontisch.<ref name="Ethnologue"/>. Die pontischstämmige griechische Sprachwissenschaftlerin, Dr. Ioanna Sitaridou schätzt die Zahl der pontischsprachigen Muslime auf etwa 5.000 Sprecher.<ref name="Cambridge">University of Cambridge: News and Events: Endangered language opens window on to past University of Cambridge 11. Januar 2011</ref>

    In der neuesten Ausgabe des Atlas of the World’s Languages in Danger von der UNESCO wird die pontische Sprache in der Türkei, definitiv als eine vom Aussterben bedrohte Sprache eingestuft, weil die Sprecher (gemäß dieser Stufe von der UNESCO), mit Ausnahme weniger Halbsprecher und Sprachwissenschaftler, nur noch ältere Sprecher sind und eine Weitergabe der Sprache an die jüngere Generation nicht mehr stattfindet.<ref name="unesco.org-2">), welche die pontische Grammatik in pontischer Sprache erläutert. Im Jahre 1989 lebten in Russland 40.000 Sprecher, darunter jeweils 15.000 in der Region Krasnodar und bei Stawropol. In Georgien wurde zu jener Zeit von 60.000 Sprechern berichtet, in Armenien lebten 2.500 Sprecher. Die pontischen Dialekte im georgischen Tsalka und im armenischen Alawerdi sind teilweise aus kappadokischen Dialekten hervorgegangen, die vermutlich vom Pontischen assimiliert wurden.<ref>Christopher Moseley: Encyclopedia of the world's endangered languages. 2007, S. 239-240.</ref>

    Es gibt in begrenzter Menge pontische Literatur, die auch einige Bände von Asterix einschließt.<ref>Asterix Lexikon: Asterix auf Pontisch 30. August 2011</ref>

    Romeyka

    Romeyka ist ein heute von rund 5000 Personen in der Umgebung von Trabzon gesprochener pontischer Dialekt. Nach der Sprachwissenschaftlerin Ioanna Sitardou ist Romeyka in den Satzstrukturen und vielen Vokabeln dem Altgriechischen eng verwandt. Die Sprecher der Sprache leben in Dörfern im Pontusgebirge nahe Trabzon und blieben von der Vertreibung der Pontos-Griechen nach dem Vertrag von Lausanne verschont, da sie muslimischen Glaubens sind. Durch weitgehende Abschottung konnten sie ihre archaische Sprache bewahren.<ref>Sprechen wie Platon. In: Der Spiegel 3 (2011), S. 111; und Steve Connor: Jason and the argot: land where Greek's ancient language survives. The Independent vom 3. Januar 2011.</ref>

    Vergleich mit dem Altgriechischen

    Die folgenden Vergleiche beziehen sich auf die Phonetik.

    • 1. Im trabzonschen Griechischen wird der Laut /e/ an das Suffix –ειν des altgriechischen Aorist gehängt.
    Pontisch Altgriechisch
    ipìne ειπείν
    pathίne παθείν
    apothanίne αποθανείν
    piίne πιείν
    iδίne ιδείν
    fiίne φυγείν
    evrίne ευρείν
    kamίne καμείν
    faίne θαγείν
    mathίne μαθείν
    erthéane ελθείν
    menίne μενείν
    • 2. Identische Infinitive –ηνα
    Pontisch Altgriechisch
    anevίne ανεβήναι
    katevine καταβήναι
    embine εμβήναι
    evjine εκβήναι
    epiδeavine αποδιαβήναι
    kimethine κοιμηθήναι
    xtipethine κτυπηθήναι
    evrethine ευρεθήναι
    vrasine βραχήναι
    raine ραγήναι
    • 3. Die Aorist- Endung -είν wird zu -αι
    Pontisch Altgriechisch
    κράξαι κράξειν
    μεθύσαι μεθύσειν
    • 4. Infinitive im Aorist /e/

    ράψεινε, κράξεινε, μεθύσεινε, καλέσεινε, λαλήσεινε, κτυπήσεινε, καθίσεινε

    • 5. Identisches Aorist-Suffix –ka
    Pontisch Altgriechisch
    eδoka έδωκα
    enδoka ενέδωκα
    epika εποίηκα
    efika αφήκα
    etheka έθεκα
    • 6. Wechsel der Infinitivendung –ine zu -eane

    Weblinks

    Literatur

    Einzelnachweise

    <references />