Reichsbürgerbewegung


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Datei:Berlin proteste 15.09.2013 18-36-30.JPG
Mahnwache von „Reichsbürgern“ auf der Wiese vor dem Reichstagsgebäude in Berlin, die sich auf Artikel 146 des Grundgesetzes berufen.

Als Reichsbürgerbewegung werden Gruppen von Anhängern von Verschwörungstheorien bezeichnet, die behaupten, das Deutsche Reich bestehe fort – aber, entgegen ständiger Rechtsprechung<ref>Vgl. Finanzgericht Hamburg, Zwischenurteil vom 19. April 2011, Az. 3 K 6/11.</ref> und herrschender Lehre<ref>Hans F. Zacher, Sozialer Einschluß und Ausschluß im Zeichen von Nationalisierung und Internationalisierung, in: Hans Günter Hockerts (Hrsg.): Koordinaten deutscher Geschichte in der Epoche des Ost-West-Konflikts, Oldenbourg, München 2004 (Schriften des Historischen Kollegs: Kolloquien; 55), ISBN 3-486-56768-3, S. 103–152, hier S. 106.</ref><ref>Vgl. Andreas Zimmermann, Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge. Zugleich ein Beitrag zu den Möglichkeiten und Grenzen völkerrechtlicher Kodifikation, Springer, Berlin/Heidelberg/New York 2000, ISBN 3-540-66140-9, S. 71 f., 82 f., 87 f., 92 mit weiteren Nachweisen; Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band V, C.H. Beck, München 2000, S. 1964 f.; Kay Hailbronner, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, 3. Abschn., Rn 200–203; Dieter Blumenwitz, NJW 1990, S. 3041 ff. mit weiteren Nachweisen; Jochen Abr. Frowein, Die Verfassungslage Deutschlands im Rahmen des Völkerrechts, in: VVDStRL, Heft 49, 1990, S. 7–33.</ref>, nicht in Form der Bundesrepublik Deutschland. Vielmehr werde das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 (oder den Grenzen von 1914, je nach Gruppe) durch eine Kommissarische Reichsregierung (KRR) oder Ähnliches vertreten, welche verschiedene Gruppen zu sein behaupten.<ref name="Verfassungsschutz Brandenburg" /> Die Reichsbürgerbewegung wird daher auch als „KRR-Szene“, „Reichsideologenszene“ oder abschätzig „Reichsdeppen-Szene“ bezeichnet.

Hinter der Reichsbürgerbewegung stecken teils rechtsextreme, teils finanzielle Absichten und Ziele,<ref>Verfassungsschutzbericht Hamburg 2006 (PDF; 7,8 MB), S. 192.</ref> sowie zum Teil „ideologisch bedingte Wahnvorstellungen“<ref name="AG_Duisburg">Amtsgericht Duisburg, Beschluss vom 26. Januar 2006, Az. 46 K 361/04, NJW 2006, S. 3577.</ref>.

Grundannahmen und Argumentation

Die unterschiedlichen Verschwörungstheorien der Reichbürgerbewegung gehen im Wesentlichen davon aus, dass das Deutsche Reich völkerrechtlich bis heute fortbestehe, da die Weimarer Reichsverfassung weder von den Nationalsozialisten noch von den alliierten Siegermächten des Zweiten Weltkriegs jemals abgeschafft wurde (siehe Fortgeltung der Verfassung nach 1933). Die Bundesrepublik sei hingegen nicht mit diesem identisch, sondern völker- und verfassungsrechtlich illegal und de jure nicht existent. Allein das Deutsche Reich bestehe in rechtsgültiger Weise fort und habe eine Regierung in Gestalt einer „kommissarischen Reichsregierung“, die im Augenblick zwar noch keine faktische Staatsgewalt habe, jedoch rechtsgültig die Regierungs- und Amtsgeschäfte für Deutschland ausführe. Darüber hinaus wird die Behauptung aufgestellt, die Bundesrepublik Deutschland wäre lediglich eine GmbH („BRD GmbH“),<ref>Vgl. Antonia Kleikamp: Verschwörungstheorie: Hilfe, existiert das Deutsche Reich etwa noch?, Welt Online, 7. Juli 2015.</ref> also ein Unternehmen, und ihre Bürger wären nur deren Personal.<ref>Ist Deutschland eine GmbH?, in: Deutsche Anwaltauskunft Magazin, 29. April 2015. Abgerufen am 2. Oktober 2015.</ref> Das Deutsche Reich ist nach diesen Theorien noch immer von Alliierten besetzt und es befände sich im Kriegszustand, wobei auf die ausländischen Militärbasen, Artikel 120 GG und die bis heute existierende UN-Feindstaatenklausel verwiesen wird. Gesetze und Gerichte wären genauso unrechtmäßig wie die erhobenen Steuern. Vertreter der Reichsbürgerbewegung fordern oft die Ablösung des Grundgesetzes, indem sie auf Artikel 146 GG verweisen. Diese Forderung wird auch von der NPD erhoben, die im Grundgesetz ein „Diktat der westlichen Siegermächte“ erkennen will.<ref name="Braun/Geisler/Gerster">Stephan Braun, Alexander Geisler, Martin Gerster (Hrsg.), Strategien der extremen Rechten. Hintergründe – Analysen – Antworten. 1. Aufl., VS Verlag, Wiesbaden 2009, S. 86. Auch im damaligen Verfassungsschutzbericht (S. 69) wurde auf die Begriffswahl und die hinter diesem Zitat verborgene Grundhaltung der NPD hingewiesen.</ref>

Diese erwiesen unwahren Tatsachenbehauptungen gründen auf der bereits im Vorfeld der Gründung der beiden deutschen Staaten erörterten Frage nach der Rechtsnachfolge des Deutschen Reiches.<ref>Vgl. Deutscher Bundestag: Bundesregierung; Einheitliche „Reichsbürgerbewegung“ existiert nicht, Inneres/Antwort auf Kleine Anfrage, hib-Meldung (Heute im Bundestag) vom 14. Januar 2013.</ref> Spätestens mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland und der (Wieder-)Erlangung der vollen Souveränität ist entweder das Deutsche Reich mangels effektiver Staatsgewalt endgültig untergegangen und auf seinem Staatsgebiet ein neuer Staat, das vereinte Deutschland, entstanden, oder aber die heutige Bundesrepublik ist seither völkerrechtlich vollidentisch mit dem Deutschen Reich.

Rechtsnachfolge des Deutschen Reiches

Eine der wichtigsten Argumentationsgrundlagen dieser Gruppierungen ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1973 (BVerfGE 36, 1 ff.) – wohlgemerkt lange vor der deutschen Wiedervereinigung im Jahre 1990 und den sich daraus ergebenden Konsequenzen für Gesamtdeutschland im Hinblick auf die „normative Kraft des Faktischen“ (Jellinek) –, in der es in erster Linie um die Frage der Rechtmäßigkeit des sogenannten Grundlagenvertrags zwischen der Bundesrepublik (Westdeutschland) und der DDR ging. Im Rahmen dieser Entscheidung stellte das Gericht auch dar, welche völkerrechtlichen Probleme sich nach Ende des Zweiten Weltkrieges durch die Teilung Deutschlands hinsichtlich des deutschen Staates (als Ganzes) aufgetan hatten. Die für die „Reichsregierungen“ wichtigsten Sätze des Urteils lauten:

„Das Grundgesetz – nicht nur eine These der Völkerrechtslehre und der Staatsrechtslehre! – geht davon aus, dass das Deutsche Reich den Zusammenbruch 1945 überdauert hat und weder mit der Kapitulation noch durch Ausübung fremder Staatsgewalt in Deutschland durch die alliierten Okkupationsmächte noch später untergegangen ist; das ergibt sich aus der Präambel, aus Art. 16, Art. 23, Art. 116 und Art. 146 GG. Das entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, an der der Senat festhält. Das Deutsche Reich existiert fort (BVerfGE 2, 266 [277]; 3, 288 [319 f.]; 5, 85 [126]; 6, 309 [336, 363]), besitzt nach wie vor Rechtsfähigkeit, ist allerdings als Gesamtstaat mangels Organisation, insbesondere mangels institutionalisierter Organe selbst nicht handlungsfähig. […] Mit der Errichtung der Bundesrepublik Deutschland wurde nicht ein neuer westdeutscher Staat gegründet, sondern ein Teil Deutschlands neu organisiert (vgl. Carlo Schmid in der 6. Sitzung des Parlamentarischen Rates – StenBer. S. 70). Die Bundesrepublik Deutschland ist also nicht ‚Rechtsnachfolger‘ des Deutschen Reiches […].“

Die diversen „Reichsregierungen“ sehen sich nun als die laut Bundesverfassungsgericht fehlenden Organe an und behaupten, durch ihre Existenz das Deutsche Reich auf der Grundlage der ihrer Meinung nach noch gültigen Weimarer Verfassung wieder handlungsfähig gemacht zu haben. Zudem stützen sie sich auf die Aussage, die Bundesrepublik sei nicht Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches. Daher, so die „Reichsregierungen“, habe sie auch keinerlei Befugnisse, für das Deutsche Reich zu handeln. Bemerkenswert ist, dass der letzte Satz der oben zitierten Passage allerdings noch etwas weitergeht und daher vollständig lautet (vgl. hierzu eine weitere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Az.: 2 BvR 373/83 = BVerfGE 77, 137 ff.).<ref>Sogenannter Teso-Beschluss von 1987</ref>):

„Die Bundesrepublik Deutschland ist also nicht ‚Rechtsnachfolger‘ des Deutschen Reiches, sondern als Staat identisch mit dem Staat ‚Deutsches Reich‘, – in Bezug auf seine räumliche Ausdehnung allerdings ‚teilidentisch‘, so dass insoweit die Identität keine Ausschließlichkeit beansprucht.“<ref>BVerfGE 36, 1 – Grundlagenvertrag – Absatz-Nr. 78–79.</ref>

Geltungsbereich des Grundgesetzes

Eine weitere Argumentationslinie der „Reichsbewegungen“ ergibt sich aus der Aufhebung des Artikels 23 des Grundgesetzes von 1949 im Rahmen der deutschen Wiedervereinigung. Der Artikel regelte den Geltungsbereich des Grundgesetzes vor dem Hintergrund der deutschen Teilung und ermöglichte den Beitritt anderer Teile Deutschlands zu diesem Wirkungsbereich. Der Artikel wurde nach Beschluss vom 12. September 1990 (erklärt im Zwei-plus-Vier-Vertrag) für obsolet befunden, da mit dem Beitritt der DDR die Einigung Deutschlands in seinen endgültigen Grenzen vollzogen werde. Mit Wirksamkeit des Beitritts am 3. Oktober 1990 wurde der Art. 23 GG in seiner alten Fassung aufgehoben. Die Reichsbewegungen leiten daraus ein generelles Erlöschen des Grundgesetzes ab, da es nun über keinen definierten Geltungsbereich mehr verfüge. Ohne geltendes Grundgesetz sei jedoch auch Deutschland nicht mehr als souveräner Staat zu betrachten. Diese Argumentation übersieht, dass im Einigungsvertrag (Art. 3) klar der Geltungsbereich des Grundgesetzes definiert ist:

„Mit dem Wirksamwerden des Beitritts tritt das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland […] in den Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie in dem Teil des Landes Berlin, in dem es bisher nicht galt […] in Kraft.“

Gleichzeitig wurden in Artikel 4 Nr. 1 des Vertrags die neue Präambel des Grundgesetzes und insbesondere dessen Geltung für Gesamtdeutschland festgelegt:

„Die Deutschen in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen haben in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet. Damit gilt dieses Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk.“

Auch die Präambel stellt einen rechtlich wirksamen Gesetzesbestandteil dar, durch die Aufhebung des Art. 23 GG durch den Einigungsvertrag (Art. 4 Nr. 2) ergab sich also nie die Situation eines unklaren oder nicht bestehenden Wirkungsbereichs des Grundgesetzes.<ref>Peter Schwacke, Guido Schmidt: Staatsrecht, W. Kohlhammer Verlag, 2007, S. 78 ff.</ref> Davon abgesehen ist bereits die diesem Argument der Reichsanhänger zugrunde liegende Behauptung falsch, Gesetze ohne ausdrücklich genannten Geltungsbereich seien unwirksam:

„In der Regel gelten Gesetze und Rechts-VOn [d. h. Rechtsverordnungen] für das ganze Gebiet der Körperschaft, deren Gesetzgeber oder Verordnungsgeber sie erlassen haben. Wird von dieser Regel eine Ausnahme gemacht, so muß das Gebiet, für das eine Sondervorschrift gesetzt wird, im Gesetz bezeichnet werden.“<ref>Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl.) 1964, S. 147–150, hier S. 150.</ref>

Schließlich ist nach gängiger Staatstheorie eine Verfassung oder ein Grundgesetz auch kein entscheidendes Kriterium für eine eventuelle Staatlichkeit.<ref>Jörn Ipsen: Deutsche Verfassungen 1849–1949. Hüthig Jehle Rehm, 2012, S. XIV.</ref>

UN-Resolution A/RES/56/83

Mit der UN-Resolution A/RES/56/83<ref>Resolution adopted by the General Assembly [on the report of the Sixth Committee (A/56/589 and Corr. 1)] (PDF)</ref> versuchen vor allem sog. „Selbstverwalter“, mittels einer überstaatlichen Rechtsnorm eine eigene staatliche Souveränität zu begründen. Dabei werden sowohl Inhalt als auch Anwendungsbereich dieser UN-Resolution verkannt. Der Wortlaut der Bestimmung, auf die sie sich beziehen, findet sich in Artikel 9 der Resolution:

„Das Verhalten einer Person oder Personengruppe ist als Handlung eines Staates im Sinne des Völkerrechts zu werten, wenn die Person oder Personengruppe im Falle der Abwesenheit oder des Ausfalls der staatlichen Stellen faktisch hoheitliche Befugnisse ausübt und die Umstände die Ausübung dieser Befugnisse erfordern.“

Angewandt wird dies vor allem im Rahmen von Personenstandserklärungen, mit denen Selbstverwalter sich aus dem „System“ abmelden wollen, was in erster Linie natürlich bedeutet, dass sie nach ihrer Ansicht keine Steuern, Abgaben und Strafen bzw. Geldbußen mehr bezahlen müssten. Sie glauben, dass sie aus der Bundesrepublik Deutschland durch eine Erklärung austreten könnten.<ref name="reichsbürger">Jan Rathje: „Wir sind wieder da“. Die „Reichsbürger“: Überzeugungen, Gefahren und Handlungsstrategien, Hrsg. Amadeu Antonio Stiftung, 2014.</ref>

Die Resolution bestimmt jedoch nicht die Ermächtigung zur Leitung eines Staates oder auch nur die Anerkennung der Handlungen als rechtlich legitimiertes Staatshandeln, sondern sie legt lediglich die Verantwortlichkeit eines Staates für das Handeln Einzelner oder von Gruppen fest, wenn die Ausübung der Staatsgewalt durch die verfassungsmäßigen Organe eines Staates faktisch nicht mehr gewährleistet ist, d. h. wenn die Staatsgewalt z. B. durch kriegerische Handlungen zusammengebrochen ist. Um diese Voraussetzung zu erfüllen, nehmen Reichsideologen und Selbstverwalter an, dass der deutsche Staat nicht mehr handlungsfähig sei und versuchen dies mit einer Vielzahl von Theorien zu belegen, die eine rechtliche Ungültigkeit von Verfassung, Regierung und Verwaltung der Bundesrepublik Deutschland begründen sollen.

Dabei wird außer Acht gelassen, dass diese Resolution von der faktischen Abwesenheit der Staatsgewalt ausgeht, die in Deutschland jedoch voll ausgeübt wird. Darüber hinaus wird von Reichsideologen ignoriert, dass es sich bei der UN-Resolution A/RES/56/83 nicht um beschlossenes und geltendes Völkervertragsrecht im Rahmen der UN-Verträge handelt, sondern lediglich um einen Vorschlag einer Arbeitsgruppe der UNO, der seit Jahren zur Beratung vertagt wird und zur Wirkung wenigstens der Zustimmung der Generalversammlung der Vereinten Nationen bedürfte.

Haager Landkriegsordnung (HLKO)

Die Haager Landkriegsordnung spielte bereits von den ersten Kommissarischen Reichsregierungen an eine wichtige Rolle in der Argumentation der Reichsideologen. Da diese vom angeblichen Fortbestehen der alliierten Besatzung Deutschlands ausgehen, müssten die Alliierten nun in Deutschland nach den Regeln der HLKO vorgehen, mangels eigener staatlicher Souveränität Deutschlands. Nicht selten wird von Reichsideologen bereits das Grundgesetz als eine Maßnahme nach Art. 43 oder Art. 34 der HLKO betrachtet, die nach spätestens 60 Jahren aufgehoben werden müsse. Diese Behauptung ist unsinnig, da weder die HLKO noch ein anderer Völkervertrag eine solche Forderung enthält.<ref>KRR-FAQ zur Haager Landkriegsordnung</ref>

Die HLKO wird von Reichsideologen auch häufig bei Zwangsvollstreckungen ins Feld geführt. Zwangsvollstreckungen von Vollzugsorganen der Bundesrepublik Deutschland werden dabei als „völkerrechtlich verbotene Plünderungen“ der Zivilbevölkerung bezeichnet, die nach Art. 47 HLKO verboten sind. Einige Selbstverwalter meinen zudem, dass sie ein Anrecht auf Unterhaltszahlungen hätten, da Art. 7 der HLKO Kriegsbesoldung durch die Besatzer im Rahmen des Unterhaltes vorsieht und Deutschland nach ihrer Ansicht nach wie vor unter militärischer Besatzung der Alliierten sei.

Aktivitäten

Eine Haupttätigkeit der „Reichsregierungen“ besteht darin, gestützt auf absurde Theorien und eine abwegige juristische Argumentation<ref>Caspar/Neubauer: Durchs wilde Absurdistan – oder: Wie „Reichsbürger“ den Fortbestand des Deutschen Reiches beweisen wollen, in: LKV 12/2012, S. 529–537, hier S. 532, 535, 537.</ref> allerlei „offizielle“ Papiere gegen Entgelt auszugeben, wie etwa „Reichsführerscheine“, „Reichsbaugenehmigungen“ oder „Reichsgewerbescheine“, vor allem aber „Reichspersonal-“ oder „-Personenausweise“ (zum Teil auch als „Reichspässe“ bezeichnet).<ref>Geschichts-Schwindel – Dubiose Geschäfte mit dem Deutschen Reich, SternTV vom 28. Februar 2007.</ref><ref>Vgl. dazu Maurice Thiriet, «Reichsführerschein» im Thurgau nicht gültig, tagesanzeiger.ch, 11. März 2009.</ref> Dabei handelt es sich zwar um einen reinen Fantasiepass, sodass eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung nicht in Betracht kommt, solange die von den „Reichsregierungen“ herausgegebenen Papiere „in keiner Weise den Anschein amtlicher Dokumente erwecken“.<ref name="OLG_Stuttgart">OLG Stuttgart, Beschluss vom 25. April 2006, Az. 4 Ws 98/06</ref> Das heißt aber nicht, dass bei Gebrauch je nach Situation eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung nicht möglich ist, z. B. beim Versuch der Kontoeröffnung unter Vorlage eines Reichspersonalausweises.<ref name="OLG_Celle">OLG Celle, Beschluss vom 19. Oktober 2007, Az. 32 Ss 90/07, NStZ-RR 2008, S. 76.</ref><ref>Mit Fantasiepass des „Deutschen Reiches“ nach Beirut?, Pressemitteilung der Bundespolizeidirektion Flughafen Frankfurt/Main. (Seite nicht mehr auffindbar)</ref> Gegebenenfalls kann, je nach Ausgestaltung des „Reichsausweises“, eine Ordnungswidrigkeit nach § 124 OWiG (unbefugte Benutzung des Bundesadlers) vorliegen.

Es wird versucht, Sozialleistungen mit Berufung auf die Haager Landkriegsordnung einzuklagen,<ref>Kristian Frigelj: Völlig losgelöst, Welt Online, 18. Mai 2015.</ref> die Kraftfahrzeugsteuer zu hinterziehen oder die Rechtskraft von Bußgeld-, Gebühren-<ref>Krude Theorien: Wie „Reichsbürger“ versuchen, aus der Erde eine Scheibe zu machen, Pressemitteilung Nr. 033/2012 des Ministeriums des Innern Brandenburg vom 13. April 2012.</ref> oder Steuerbescheiden zu bestreiten mit der Begründung, die Bundesrepublik sei nicht berechtigt, etwa eine Steuer zu erheben oder Sanktionen nach Straf- und Bußgeldverfahrensrecht vorzunehmen.<ref name="BR_kontrovers">Die große Verschwörung: Von Staatenlosen und Reichsbürgern, in: Bayerischer Rundfunk, kontrovers-Sendung vom 12. November 2014.</ref>

Neben der Einnahmequelle des Ausstellens von Fantasiepapieren gegen Entgelt finanzieren sich die selbsternannten „Reichsregierungen“ mittels Erhebung von Beiträgen gegenüber Mitgliedern und Sympathisanten, die als „Reichssteuern“ bezeichnet werden.<ref>Regierungen für das „Deutsche Reich“ (Memento vom 9. November 2010 im Internet Archive), Informationen des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen über die ‘Reichsregierungen’, abgerufen am 13. April 2014.</ref>

Die Anhänger, die gemeinhin auch als „Reichsideologen“ bezeichnet werden, befinden sich vorwiegend im Umfeld der Verschwörungstheorien und teilweise der rechtsextremen Szene. Neben diesen gibt es, insbesondere bei der Namensgebung „Reichsbürger“, eine Vielzahl weiterer Klientel: selbsternannte Justizopfer, Querulanten oder anderweitig Verhaltensauffällige können sich dahinter verbergen.<ref name="Verfassungsschutz Brandenburg">Vgl. Informationsseite Rechtsextremisten, „Reichsbürger“ und „Reichsregierungen“ – Wie Extremisten versuchen, aus der Erde eine Scheibe zu machen des Verfassungsschutzes Brandenburg, 12. April 2012.</ref> Beispielsweise ist die selbsternannte Außenministerin der ursprünglichen KRR-Gruppierung Ingrid Schlotterbeck Verlegerin der sich mit parawissenschaftlichen Themen beschäftigenden, rechtslastigen Zeitschrift Magazin 2000plus. Die Ur-„Reichsregierung“ wurde nach Informationen u. a. der Thüringischen Landeszeitung vom 11. Februar 2004 vom Berliner Landesamt für Verfassungsschutz dem rechtsradikalen Milieu zugerechnet, eine Einschätzung, die der niedersächsische und thüringische Verfassungsschutz auch bezüglich einer anderen Gruppierung, der „Exilregierung“, teilen. Doch gibt es auch Verfassungsschutzämter – so zunächst in Berlin –, denen die KRRs allerhöchstens suspekt und nicht beobachtungswürdig erscheinen: Im Tübinger Tagblatt vom 21. Februar 2002 war zu lesen, dass der Berliner Verfassungsschutz „sie nicht für rechtsextremistisch, sondern für ‚harmlos, weil beknackt‘“ halte. Der tatsächliche Einfluss der Gruppierungen im rechtsextremen Milieu wird im Verfassungsschutzbericht 2005 des Verfassungsschutzes Niedersachsen als gering eingestuft.

„Ein Teil der so genannten Reichsbürger ist einfach nur ein bisschen spinnert, ein anderer Teil ist klar rechtsextrem.“ – Winfriede Schreiber, Leiterin des brandenburgischen Verfassungsschutzes und ehem. Polizeipräsidentin von Frankfurt (Oder).<ref>Extremismus: Sprüche, Kloppe, aber keine Heimat – Potsdam-Mittelmarks Neonazis konnten laut Experten bislang keine festen Strukturen bilden, MAZ vom 22. November 2011; vgl. dazu Brandenburg erhöht Druck auf „Reichsbürger“-Umtriebe, Pressemitteilung, Ministerium des Innern des Landes Brandenburg, 12. September 2012.</ref>

Die „realitätsfernen Verlautbarungen der ‚Exilregierung‘“, so urteilt das thüringische Landesamt für Verfassungsschutz, „dürfen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier mit pseudojuristischer Akribie versucht wird, einen gesellschaftlichen Resonanzboden für rechtsextremistisches Gedankengut zu schaffen und teilweise personelle Überschneidungen zu anderen rechtsextremistischen Gruppierungen bestehen“.<ref>Verfassungsschutzbericht 2010, Freistaat Thüringen (PDF; 495 kB), S. 53 f., hier S. 55.</ref>

Viele der Reichsregierungen erkennen sich untereinander nicht an, manche kooperieren untereinander. Es kommt häufig zu internem Streit unter den Aktivisten einer selbsternannten „Reichsregierungs“-Gruppe, was meist die Gründung (Abspaltung) einer neuen reichsideologischen Gruppierung zur Folge hat. An Kontrahenten aus anderen Reichsregierungen verschicken Aktivisten gelegentlich amtlich aussehende Fantasie-Entlassungsurkunden sowie Unterlassungsverfügungen, die bei Androhung von Strafe dazu auffordern, sich nicht weiter als legitimer Amtsträger eines Scheinstaates auszugeben oder weiterhin bestimmte Behauptungen zu verbreiten.<ref>Veröffentlichte Entlassungen im angeblichen Deutschen Reichsanzeiger-Portal</ref><ref>Unterlassungs-Aufforderung der „administrativen Regierung (des) Freistaat Preußen“ vom 28. Juli 2014.</ref> Die Betroffenen scheren sich jedoch nicht darum und gehen einfach weiter ihren „Amtsgeschäften“ nach.<ref>Was genau ist eigentlich eine „kommissarische Reichsregierung“? Was sind „Reichsideologen“?, in: Portal „KRR“-FAQ, 17. Juni 2007.</ref>

Der Abgeordnete der Alternative für Deutschland (AfD) im Stadtrat von Bad Kreuznach, Rainer Wink, der auch für das Amts des Oberbürgermeisters kandidierte, behauptete 2014 in einem Schreiben an den Stadtrat, dass es seit 1990 keinen deutschen Staat mehr gäbe und er selbst deswegen auch kein Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland sein könne. Er beanspruchte daher für sich eine „staatliche Selbstverwaltung“. Er würde nur die kaiserliche Verfassung aus dem Jahr 1850 sowie die Rechtsordnung vor dem 1. Januar 1914 anerkennen.<ref>AfD-Stadtrat Wink zweifelt Existenz eines deutschen Staates an, in: Allgemeine Zeitung vom 31. Juli 2014.</ref><ref>Bad Kreuznach: Rainer Wink will sein Ratsmandat behalten, in: Rhein-Zeitung vom 28. August 2014.</ref> Wink wurde daraufhin aus dem Stadtrat ausgeschlossen.<ref>Stadtrat in Bad Kreuznach schließt Rainer Wink aus – Mehrheit sieht AfD-Vertreter als des Amtes unwürdig an, in: Allgemeine Zeitung vom 25. September 2014.</ref>

Umgang der bundesdeutschen Verwaltungsbehörden und der Rechtsprechung mit Reichsbürgern

Nachdem es immer häufiger vorgekommen war, dass Schreiben von „Reichsregierungen“ oder „Reichsbürgern“ an Verwaltungsbehörden oder an Polizeidienststellen verschickt wurden, haben einzelne Landes-Verfassungsschutzämter diverse Ratgeber-Broschüren zum geeigneten Umgang von Behörden mit solchen Schreiben heraus gegeben.<ref>Reichsbürger in Sachsen-Anhalt. Was ist zu tun?, herausgegeben vom Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt</ref><ref>Umgang mit Reichsregierungen und Reichsbürgern, herausgegeben vom Landesamt für Verfassungsschutz Hessen</ref> Darin wird den echten Behörden empfohlen, sich auf keine Diskussionen mit Bürgern einzulassen, die reichsideologische Argumentationen vorbringen.<ref>Vgl. Woidke: Verwirraktionen der „Reichsbürger-Szene“ dürfen nicht unterschätzt werden, Pressemitteilung Nr. 006/2013 des Ministeriums des Innern Brandenburg, 24. Januar 2013.</ref> Der dienstliche Schriftwechsel mit solchen Bürgern soll auf das Notwendige beschränkt werden. Auf eingereichte Proklamationen von Scheinstaaten oder Scheinregierungen soll nicht reagiert werden. Zudem sollen eingelegte Widersprüche oder ähnliche Schriftsätze, die die Rechtmäßigkeit der Bundesrepublik Deutschland bestreiten, unverzüglich als unbegründet zurückgewiesen werden.

Einzelne „Reichsdeutsche“ versuchen auch immer wieder, ihre Rechte vor Gericht damit zu verfolgen, dass sie die Gültigkeit des deutschen Grundgesetzes und somit die Gültigkeit der gesamten bundesdeutschen Gesetzgebung bestreiten. In den Urteilen deutscher Gerichte, die dazu ergangen sind, wurde solches Vorbringen von „Reichsdeutschen“ stets als unbegründet abgewiesen. Die Gerichte stellen in solchen Fällen meistens ausdrücklich fest, dass die Bundesrepublik Deutschland in den Grenzen von 1990 (nach der Wiedervereinigung) der gegenwärtige deutsche Nationalstaat ist und es einen anderen deutschen Staat oder eine andere deutsche Gesetzgebung nicht gibt.<ref name="AG_Duisburg" /><ref name="OLG_Stuttgart" /><ref name="OLG_Celle" /><ref>Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 19. April 2011, Az. 3 K 6/11</ref><ref>Urteil des Finanzgerichts München vom 14. April 2015, Az. 2 K 3118/14</ref><ref>Urteil des Finanzgerichts Münster vom 14. April 2015, Az. 1 K 3123/14</ref><ref>Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. Januar 2013, Az. 7 K 7303/11</ref><ref>Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 27. November 2013, Az. 4 K 3798/10</ref><ref>Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 20. Mai 2014, Az. 3 K 94/14</ref>

Einzelne Reichsbürger-Organisationen

1985 wurde als erste bekannte Organisation von „Reichsbürgern“ die Kommissarische Regierung des Deutschen Reiches gebildet. Gründer war Wolfgang Gerhard Günter Ebel (1939–2014), ein West-Berliner, der bis zum „Reichsbahnerstreik“ 1980 bei der Reichsbahn als Fahrdienstleiter in Berlin-Halensee gearbeitet hatte. Diese Gründung erfolgte nach Ebels Eigenangaben im Auftrag des Alliierten Oberkommandos; Ebel bezeichnete sich selbst als „Reichskanzler des Staates Deutsches Reich“. Den usurpierten Titel und den Namen seiner Organisation entlehnte er den offiziellen Organ­bezeichnungen der Reichsregierung in der Zeit vor 1945. Im Laufe der Zeit zerstritten sich einzelne Mitglieder mit den Repräsentanten ihrer sogenannten Regierung und gründeten eigene KRRs. Die heutige Anzahl an „Reichsregierungen“ lässt sich nicht genau feststellen, da nicht alle Gruppen, die als solche zu fungieren vorgeben, sich auch so bezeichnen. Neben den Reichsregierungen treten auch sog. „Selbstverwalter“ auf („Staatliche Selbstverwaltungen [gem. UN Resolution A/Res/56/83]“). Viele der „Reichsregierungen“ werden von selbsternannten „Reichspräsidenten“ und diversen „Reichsministern“ geführt. Es existieren sogar „Reichsgerichte“, die (selbstverständlich folgenlose) Urteile aussprechen.

Alle diese Gruppierungen sind von den früheren geschäftsführenden Reichsregierungen zu unterscheiden, die vor der Gründung der Bundesrepublik Deutschland bestanden.

Germanitien

2007 gründeten einige Personen in der Ortschaft Westerheim den Pseudostaat „Germanitien“. Sie sehen sich als Bürger eines vorgeblich souveränen Staates und stellen Hoheitspapiere aus.<ref>Bundesrepublik erkennt Germanitien nicht an, Schwäbische.de, 13. Mai 2011; Diplomat aus „Germanitien“ ein Millionenbetrüger, merkur-online.de, 1. August 2012; Germanitien wird vorerst nicht geräumt, Südwest Presse vom 31. August 2011; „Germanitien“ ist ein teures Pflaster, Augsburger Allgemeine vom 19. Dezember 2012.</ref>

Mit einem Diplomatenpass von „Germanitien“ wurde ein Betrüger enttarnt, der mit der Nürnberger Firma GFE Anleger um hohe Geldbeträge brachte. Das Unternehmen hatte angeblich einen Rapsölmotor für Blockheizkraftwerke erfunden. Betrogene Kunden zeigten das Unternehmen schließlich an.<ref>Heinz Wraneschitz: GfE-Prozess: 16 Zeugen und ein Diplomat aus „Germanitien“, Nürnberger Zeitung (nordbayern.de) vom 20. August 2012.</ref> 2014 wurde der „Diplomat“ zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt.<ref>Hohe Haftstrafen für Betrug mit Blockheizkraftwerken, Süddeutsche Zeitung vom 27. Februar 2014.</ref>

Fürstentum Germania

Hauptartikel: Fürstentum Germania

Im Februar 2009 gründeten Michael Freiherr von Pallandt, Jessie Marsson, Jo Conrad und weitere Personen in einem als „Schloss“ bezeichneten ehemaligen Gutshaus im brandenburgischen Krampfer, Gemeinde Plattenburg, das sogenannte Fürstentum Germania als „basisdemokratischen Kirchenstaat“. Dieser Initiative schlossen sich auch Vertreter des Reichsbürger-Konzepts an, und ihre Vorstellungen flossen in die „Verfassung“ des fiktiven Staates ein. Das Projekt fand jedoch schon nach drei Monaten ein Ende, indem das Gebäude wegen schwerer baurechtlicher Verstöße von der Polizei geräumt und versiegelt wurde.<ref>Mario Feist: Das „Fürstentum Germania“ – „Nicht rechts, nicht links, sondern vorne“?, in: Dirk Wilking, Michael Kohlstruck (Hg.): Einblicke III. Ein Werkstattbuch (PDF; 3,1 MB), 2010, S. 109–124; Gabriele Schlamann: Die Auseinandersetzung mit dem „Fürstentum Germania“ in der Gemeinde Plattenburg 2009, in: Dirk Wilking/Michael Kohlstruck, a.a.O., S. 125–139.</ref><ref name="goetterdaemmerung">Götterdämmerung in Germania: „Fürstentum“ vor der Zwangsräumung, Spiegel Online, Video vom 18. Mai 2009, abgerufen am 9. März 2014.</ref><ref>Finstere Mächte, Mitteldeutsche Zeitung vom 15. April 2009, abgerufen am 27. September 2013.</ref>

Königreich Deutschland (KRD)

Hauptartikel: Peter Fitzek

Im September 2012 gründete der Esoteriker und gelernte Koch Peter Fitzek auf einem alten, neun Hektar großen Krankenhausgelände in der Lutherstadt Wittenberg das Königreich Deutschland und ließ sich zum „Imperator Fiduziar“ krönen. Ebenso wie die Kommissarischen Reichsregierungen bezeichnet er die Bundesrepublik als Besatzungskonstrukt, nimmt jedoch nicht die Identität bzw. Rechtsnachfolge eines Deutschen Reiches in Anspruch, sondern will einen neuen Staat gegründet haben.<ref>Der Koch und sein Königreich – Aufruhr in Neudeutschland, Spiegel TV vom 15. September 2013.</ref> In der Folge verhängte u. a. die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Zwangsgelder gegen Fitzek wegen unerlaubten Einlagengeschäfts in seiner „Königlichen Reichsbank“. Außerdem wurde er wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu drei Monaten Haft verurteilt. Er hatte seinen ursprünglichen (amtlichen) Führerschein zurückgegeben, da er diesen nach eigenen Angaben nicht mehr brauche, weil er im Besitz eines Führerscheins des „Königreichs Deutschland“ sei.<ref>König von Deutschland muss in Haft, Hannoversche Allgemeine vom 17. Oktober 2013.</ref>

Deutsches Polizei Hilfswerk (DPHW)

Hauptartikel: Deutsches Polizei Hilfswerk

Im April 2012 gründete Volker Schöne in Sachsen das „Deutsche Polizei Hilfswerk” (DPHW). Schöne ist ein ehemaliger sächsischer Polizist. Er war bis 2012 Vorstandsmitglied der Deutschen Polizeigewerkschaft, Landesverband Sachsen. Im Herbst 2011 schrieb er in einem offenen Brief auf der Homepage der Gewerkschaft, die deutschen Gesetze seien nicht gültig, weil ihnen der Geltungsbereich fehle.

Schöne behauptet, mit der Bürgerwehr DPHW gegen Polizeigewalt und Behördenversagen angehen zu wollen. Mitglieder der DPHW traten als „Ersatzpolizisten“ auf, die für Ruhe und Ordnung sorgen und die echte Polizei unterstützen und zugleich kontrollieren sollten. In Sachsen trugen seit Herbst 2012 die DPHW-Mitglieder Uniformen, die den Uniformen der sächsischen Polizei zum Verwechseln ähnlich sahen und die Aufschrift „DPHW Deutsche Polizei“ trugen. Das DPHW fuhr Streife und beriet Menschen bei Gerichtsprozessen. Es wurden reale Amtsträger behindert und „Festnahmen“ durch DPHW-Mitglieder durchgeführt.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Gruppe wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung.<ref name="BR_kontrovers" /><ref>Ermittlungen gegen Deutsches-Polizei-Hilfswerk: Zwei weitere Wohnungen durchsucht, in: Leipziger Volkszeitung vom 25. Juli 2013.</ref> Im August 2015 wurden dabei 292 Beschuldigte bei der Staatsanwaltschaft geführt, gegen 84 Personen wird noch ermittelt. 60 Personen werden mehrfache Straftaten vorgeworfen, darunter Nötigung, Freiheitsberaubungen sowie Bedrohungen und Erpressungen.

Exilregierung Deutsches Reich

Die Gruppe wurde am 8. Mai 2004 von 26 Personen in Hannover gegründet. Sie kokettiert im Vergleich zu den anderen Gruppierungen am deutlichsten mit rechtsextremem Gedankengut. Dies umfasst die Ablehnung der Rolle der Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg (demzufolge leitet man die eigene Legitimierung nicht mehr vom Alliierten Oberkommando ab, weil das ehemalige Besatzungsrecht nicht über das Prinzip der Volkssouveränität gesetzt werden dürfe) sowie die Forderung nach Wiedererrichtung der deutschen Grenzen von 1914 und Nichtanerkennung des Versailler Vertrages.

Republik Freies Deutschland (RFD)

Dieser Scheinstaat wurde am 1. Mai 2012 von Peter Frühwald ausgerufen,<ref name="RFD-Gründung">Gründungsurkunde Republik freies Deutschland</ref> wobei er sich von seinen Anhängern zum Präsidenten wählen ließ und die Ämter des Justizministers und Obersten Richters übernahm. Die Verfassung der Republik sollte die Weimarer Reichsverfassung sein. In der Folge sandte Frühwald Schreiben an die Regierung der Bundesrepublik Deutschland, die Vereinten Nationen und die russische Botschaft in Berlin, in denen er die Aufnahme diplomatischer Beziehungen anbot. Der Scheinstaat erhielt 2012 Zulauf von zahlreichen Sympathisanten vor allem in den neuen Bundesländern. Die Anhänger brachten Schilder mit der Aufschrift „Republik Freies Deutschland Hoheitsgebiet“ an ihren Grundstücken und Hauseingängen an. Dadurch erhofften sie sich „Immunität“ gegenüber Gerichtsvollziehern und anderen Vollzugsbeamten.

Daraufhin kam es zu Zusammenstößen mit den echten deutschen Behörden, insbesondere zur Verhaftung des Sprengmeisters Daniel S. in Berlin. Dieser hatte sich zur RFD bekannt und zentnerweise Pyrotechnik auf seinem Grundstück gehortet.<ref>Reichsbürger hortet Chemikalien, in: Berliner Zeitung vom 8. Januar 2013.</ref><ref>Brauner Sprengmeister hochgenommen, in: Berliner Kurier vom 20. Oktober 2013.</ref><ref>Chefchemiker auf der Flucht, in: taz vom 24. Juli 2013.</ref> Bekannt geworden war auch der Fall einer Spedition in Malschwitz, deren Inhaber unter Berufung auf die „Republik Freies Deutschland“ eine geraume Zeit lang Steuern und Mautgebühren nicht bezahlten, bis die Behörden schließlich die Insolvenz der Firma einleiteten.<ref>Reichsbürger vor Gericht, in: Sächsische Zeitung vom 1. September 2015.</ref> Anschließend versuchte Peter Frühwald die Inhaber vor dem Amtsgericht Bautzen und Arbeitsgericht Bautzen zu vertreten, wurde aber jeweils als Prozessbevollmächtigter abgelehnt.

Am 17. September 2012 spaltete sich ein Teil seiner Anhänger von Frühwald ab. Seitdem er dabei als „Präsident“ der RFD abgesetzt wurde, betreibt er seine Ideologie unter der Bezeichnung „Selbstverwaltung Peter Frühwald“ weiter. Dabei beruft er sich auf die UN-Resolution 56/83. Frühwald behauptet ferner, dass die alliierten Siegermächte im Jahre 1990 durch den Zwei-plus-Vier-Vertrag Deutschland in den Grenzen von 1937 freigegeben hätten – durch ein Postliminium im Artikel 7 dieses Vertrages. Das Projekt „Republik Freies Deutschland“ wurde nach der Absetzung Frühwalds zwar von den „Putschisten“ weiter geführt, jedoch hat es mittlerweile nur noch einen Bruchteil seiner Bedeutung aus der Spitzenphase im Jahre 2012. Frühwald behauptet, die UNO hätte der „Republik Freies Deutschland“ die ISO-Nummer 279/FD zugewiesen. Die offizielle und verbindliche Liste der Länderkennungen wird als ISO-Norm ISO 3166 herausgegeben. In Wahrheit ist die „Republik Freies Deutschland“ kein UN-Mitgliedstaat und die Kennzeichnung 279/FD ist bis heute nicht vergeben worden.

Interimpartei Deutschland (IPD)

2006 wurde von Reichsideologen die Partei Interim Partei Deutschland DAS REICHT! (IPD) gegründet. Die IPD ist eine bundesweit agierende Partei mit Landesverbänden in Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Sie bedient sich der Argumentation der Reichsbürgerbewegung, wonach das Deutsche Reich fortbestehen würde, weil nach dem Zweiten Weltkrieg mit Deutschland kein Friedensvertrag geschlossen wurde.<ref>BRD-Leugner – Was ist die Interim Partei?, in: Badische Zeitung vom 3. September 2008.</ref> Die Partei wird vom Verfassungsschutz Schleswig-Holstein als rechtsextrem eingeschätzt.<ref name="krr-ipd">Register der „KRR“-FAQ</ref><ref>Wie Rechtsextremisten mit E-Mails in Ahrensburg für Unruhe sorgen, Hamburger Abendblatt vom 23. März 2007.</ref> Gründer und Vorsitzender bis Anfang 2010 war der im gleichen Jahr verstorbene Holocaustleugner Edgar Romano Ludovici, der sich auch als „Graf von Roit zu Hoya“, Rechtsanwalt, Arzt oder auch als „Erster Bürgermeister des Reichslandes Freistaat Freie und Hansestadt Hamburg“ ausgab.<ref name="krr-ipd" /><ref>Rechtsextreme am Waldrand – Großhansdorf: Partei leugnet Legitimität der Bundesrepublik, Hamburger Abendblatt vom 5. Februar 2007.</ref><ref>Das ist die Interim Partei Deutschland, Hamburger Abendblatt vom 29. Dezember 2008.</ref> Bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein 2009 erhielt die Partei weniger als 0,1 % der gültigen Zweitstimmen.<ref>Informationen zur IPD allgemein, Bericht über Zulassung der IPD zur Landtagswahl inkl. Ergebnis; Landtagswahl am 27. September 2009 – Vorläufige Ergebnisse (28. September 2009) (Memento vom 29. Februar 2012 im Internet Archive).</ref>

Während der Weihnachtsfeiertage 2008 wurde bekannt, dass der parteilose Bürgermeister der mecklenburgischen Kleinstadt Warin, Hans-Peter Gossel, von mutmaßlichen Rechtsextremisten bedroht werde und darum unter Polizeischutz gestellt worden sei. Hintergrund sei die Absicht der Stadt, von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen und damit den Erwerb eines Grundstücks durch die IPD zu verhindern.<ref>Gewalt von Rechts: Morddrohungen gegen Bürgermeister, Süddeutsche.de, 28. Dezember 2008.</ref>

Volks-Bundesrath und Volks-Reichstag

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Der „Volks-Bundesrath” bezeichnet sich selbst als „freie Volksbewegung“, deren Mitglieder sich „in Selbstverantwortung, mit Geduld, Achtung, Wahrheit und Friedfertigkeit zusammengefunden“ hätten. Die Existenz der Bundesrepublik Deutschland wird bestritten. Diese KRR wurde 2005 von Erhard Lorenz in Kaarst am Niederrhein gegründet. Er bezeichnet sich selbst als „Reichskanzler“.

Lorenz ist der bekannteste und erfolgreichste Herausgeber von Fantasiedokumenten in der KRR-Szene. Über seine „Reichsdruckerei“ erzielt er damit erhebliche Einnahmen. Es sind dort Reichs-Personenausweise, Reichs-Führerscheine, Reichs-Gewerbeanmeldungen, Reichs-Presseausweise, Reichs-Amtsausweise sowie Reichs-Staatsangehörigenausweise im Angebot. Lorenz gilt als geschäftstüchtiger Selbstvermarkter im Themengebiet Reichsideologie. Auf seinen Internetseiten sind Affiliate-Werbelinks diverser Unternehmen eingebunden wodurch zusätzliches Einkommen erzielt wird. Zudem macht er Werbung für die Germanische Neue Medizin.

Aus einer Distanzierung von Thomas Patzlaff („Runder Tisch Berlin“) geht hervor, dass Lorenz angeblich bis 2006 noch das Hakenkreuz in seinen Schreiben verwendet hatte. Lorenz meint, dass für alle freien Deutschen die Bismarcksche Reichsverfassung von 1871 gelte. Lorenz war früher im Fürstentum Germania aktiv und vertreibt zusammen mit seiner Ehefrau Esoterikartikel über einen Onlineshop. In jenem Shop werden ebenso Bücher, Schulungsunterlagen und DVDs zu reichsideologischen Themen angeboten.

Die KRR hat eine Interessengemeinschaft gegründet, die Selbstschutz- und Sachschutzgruppen aufbauen und damit eigene Rechtsvorstellungen durchsetzen will. Wolfgang Peter fungiert angeblich als „Polizeidirektor der Reichspolizei“, was von diesem aber bestritten wurde. Als Anschrift wird für jene KRR, neben jener in Kaarst, auch „Berlin, Spreeweg 1“ angegeben (dies ist die Anschrift des Amtssitzes Schloss Bellevue des Bundespräsidenten).

Lorenz betreibt eine angebliche „Universität für sozialpädagogische Identitätskompetenz“, die eine Ausbildung zum Standesbeamten sowie ein viertägiges „Studium“ für Beamte, Richter und Rechtskonsulenten, auf Grundlage der Reichsideologie anbietet. Erhard Lorenz unterhält für seine KRR im Internet eine Vielzahl von Webseiten.

Literatur

Fernsehbeiträge

Rundfunkberichte

Weblinks

Einzelnachweise

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