Slawischer Burgwall


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Slawische Burgwälle (Burgstädte, Gard bzw. Grad) tsch. hrad/hradiště; slowakisch hrad/hradisko; pl. gród, oder gard der auf das Kentumsprachewort g'herdh- (altnordisch garðr, walisisch -gardd; dänisch -gaard; ähnlich wie bei Burg Stargard, Białogard) zurückgeht - sind eine charakteristische Form des Mittelalters im östlichen Mitteleuropa. Sie haben innerhalb von slawischen Siedlungskammern eine zentralörtliche Funktion, sind jedoch kein zwingendes ethnisches Kennzeichen, denn sie verdanken ihre Entstehung bestimmten Gesellschaftsstrukturen, die auch bei germanischen Völkern anzutreffen sind. Ungefähr 3000 Anlagen sind bekannt, davon rund 2000 in Polen, rund 700 in Deutschland (etwa östlich der Elb-Saale-Linie; vgl. Germania Slavica) und rund 300 in Böhmen, Mähren und der Slowakei.

Entstehung und Verbreitung

Die Rekonstruktion von Burgwällen ist auf Schriftquellen und archäologische Befunde angewiesen. Nach den späteren Schriftquellen scheint es Burgwälle bei den Westslawen seit dem 8. Jahrhundert gegeben haben; die Wogastisburg wird sogar bereits im frühen 7. Jahrhundert erwähnt. Archäologisch sind slawische Burgwälle bisher erst seit dem 9. Jahrhundert nachweisbar. Der Beginn des Burgenbaus war regional verschieden; er korrespondierte mit anderen (wirtschaftlichen, sozialen und politischen) Differenzierungen.

Burgwälle sind kein importierter Bautyp. Es bedurfte zunächst der Herausbildung bestimmter Siedlungs- und Sozialstrukturen für die im Rahmen der Völkerwanderung zugewanderte slawische Bevölkerung. Sie entstanden nicht selten am Ort einer älteren, unbefestigten Slawensiedlung. In einigen Fällen wurden sogar verfallene jungbronze- und eisenzeitliche Anlagen genutzt (z. B. die „Römerschanze“ bei Potsdam).

Die slawischen Burgwälle sind im Zusammenhang mit dem zeitgleichen Burgenbau in den deutschen Nachbargebieten zu sehen. Sie kommen nur dort vor, wo sich selbstständige slawische Gesellschaften entwickeln konnten, fehlen also trotz slawischer Besiedlung in Thüringen, im Main-Regnitz-Gebiet (Bavaria Slavica) und in Niederösterreich, denn hier siedelten die Slawen innerhalb des fränkischen Reichs.

Unter Berücksichtigung von vielfachen Übergangsformen lassen sich drei Phasen ausmachen: Die ältesten Anlagen haben eher den Charakter von Zufluchtsmöglichkeiten und erfordern daher eine größere Fläche; zugleich dienten sie aber auch der Demonstration und Repräsentation von Herrschaft. Mit der Konsolidierung hierarchischer sozialer Strukturen (slawischer Adel) werden sie zunehmend zu Herrschaftsburgen, die kleiner und weniger zahlreich sind. Mit der Entwicklung der wirtschaftlichen Kräfte werden die Herrschaftsburgen um suburbien-artige Vorburgen ergänzt, in denen Handwerk und Handel angesiedelt sind. Je bedeutender ihre Zentralortfunktion, desto größer werden sie und entwickeln sich zu slawischen Frühstädten. Die größten werden zum Ausgangspunkt großräumiger Herrschaftsbildungen, z. B. Brandenburg an der Havel und Gnesen. Eine Vielzahl frühdeutscher Städte in Brandenburg sind aus slawischen Burgwällen entstanden, z. B. Brandenburg an der Havel, (Berlin-)Köpenick, (Berlin-)Spandau, Jüterbog, Mittenwalde, Treuenbrietzen und Zossen.

Funktion

Datei:Slawenburg1.jpg
Slawische Burg
Datei:AussehenSlawenburg.jpg
Slawen beim Bau einer Inselburg 10. Jahrhundert

Die zentralörtliche Funktion ist wichtiger als die militärische, denn es treten keine „Grenzburgen“ zur Verteidigung eines Territoriums auf. Erst im Rahmen der Reichsbildungen des 10./11. Jahrhunderts lassen sich auch strategische Gesichtspunkte für die Anlage von Burgwällen erkennen. Dennoch werden zur Herrschaftssicherung zusätzlich zu den Fürstenburgen im Rahmen der „Kastellaneiverfassung“ abhängige Burgwälle angelegt, die Beauftragten (Kastellanen, Statthaltern) der Fürsten anvertraut sind. Dieses System zeigt auffällige Parallelen zum ottonischen Burgwardsystem. Sie bildeten eine Art Verwaltungsbezirke mit einer Befestigung als Mittelpunkt. Oft knüpften nach der Eroberung die frühdeutschen Burgwarde an die slawischen Burgwallbezirke an. Da das Christentum im westslawischen Raum zu einem wichtigen Bindemittel der Herrschaft geworden war, besaßen die zentralen Burgwälle der Slawenfürsten seit dem 9. bzw. 10. Jahrhundert stets einen Kirchenbau.

Die Burgwälle stellen nicht nur politische, sondern auch wirtschaftliche und kultische Zentralorte dar. In einigen Fällen gibt es ausgesprochene Kultburgen wie z. B. Arkona und Rethra. Neben den charakteristischen Burgwällen gibt es auch besondere, abweichende Befestigungsformen, die sogenannten „Herrenhöfe“, vor allem in Böhmen, Mähren und der Slowakei.

Lage und Grundriss

Lage und Grundriss der Burgwälle hängen von den jeweiligen topographischen Gegebenheiten ab; es lassen sich keine regionalen oder zeitlichen Schwerpunkte feststellen. Einfacher zu befestigen waren Höhenlagen und Inselsiedlungen. Letztere erforderten anspruchsvolle Brückenbauten, wie sie von Ibn Yaqub und Saxo Grammaticus beschrieben worden sind und dem archäologischen Befund von Behren-Lübchin entsprechen. Großburgen finden sich wegen des Platzbedarfs eher in den Niederungen. Einen besonderen Typ stellen kleine, kreisrunde bis ovale Ringwälle von lediglich 20–30 m Innendurchmesser dar, die vor allem dem 9.–11. Jahrhundert angehören. Ihre Bauform ging möglicherweise von den zeitgleichen sächsischen Ringwällen aus. Gehäuft kommen sie in der Niederlausitz vor, wo sie eine geschlossene Burgenlandschaft bilden. Dies hängt möglicherweise damit zusammen, dass in der Niederlausitz die ottonisch begründete Herrschaft nicht im Großen Slawenaufstand von 983 unterging. Auch die Burg 5 in Spandau, in der die Ausgräber eine Motte nach französischem Vorbild vermuten, könnte auf (zwischenzeitliche) deutsche Herrschaft hinweisen.

Konstruktion

Datei:Slawischer Burgwall.JPG
Konstruktion eines slawischen Burgwalls
Datei:Mittelslawischeburg.jpg
Mögliches Aussehen einer kleinen mittelslawischen Burganlage des 9./10. Jahrhunderts

Alle früh- und hochmittelalterlichen Befestigungen besaßen sogenannte Holz-Erde-Mauern, verbunden mit einem außen liegenden Sohlgraben, dessen Aushub auch das Füllmaterial lieferte. Die kreuzweise (rostartige) Verlegung kaum bearbeiteter Hölzer in unregelmäßigem Abstand stellt die einfachste und häufigste Möglichkeit dar, um einem Erdwall durch eingezogene Hölzer Stabilität zu verleihen. Die Kastenkonstruktion wurde von der ur- und frühgeschichtlichen Forschung zunächst als Weiterentwicklung der Rostbauweise interpretiert, dendrochronologische Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Kastenbauweise bereits vor der Rostbauweise im Elberaum verbreitet war. Die Kästen konnten in mehreren Reihen stehen und wurden mit Erde aufgefüllt. Technisch gesehen stellen Rostkonstruktionen ein Innengerüst dar; Kastenkonstruktionen bilden eine äußere Hülle. Innere Ankerbalken können die Kästen zusammenhalten und lassen sich als Übergangsform zwischen den beiden Konstruktionstypen verstehen.

An die Kastenkonstruktionen können sich Plankenwände anschließen. Den Plankenwänden ähneln aufgesetzte Palisaden. Mitunter kommen auch Flechtwerkverbände vor, die die Holz-Erde-Mauer im Inneren zusammenhalten. Im Mittelgebirgsraum wurde mit plattigem Gestein ein Trockenmauerwerk zum Brandschutz der unteren Wallaußenseite verwendet. Es lässt sich also eine beträchtliche Flexibilität in der Bauweise erkennen.

Bisher sind zu wenige Toranlagen ausgegraben worden, die – sofern es sich um Tunneltore handelt – vermutlich oft zu komplizierteren Anlagen (Tortürme) ausgebaut wurden, wie vor allem Saxo Grammaticus berichtet. Der archäologische Nachweis der verbrannten oder eingestürzten Türme ist jedoch schwierig.

Bedeutende Burgwälle

Datei:Mittelslawische Burg2.jpg
Mögliches Aussehen einer mittelslawischen Kleinburg der Lausitzer; 9./10. Jahrhundert

Mecklenburg-Vorpommern

Rügen

Berlin-Brandenburg

Sachsen

  • Leckwitzer Schanze51.28433313.399801{{#coordinates:51,284333|13,399801|
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  }}<ref>Leckwitzer Schanze. Abgerufen am 1. August 2014.</ref> in Leckwitz, Ortsteil von Nünchritz im Landkreis Meißen
  • Burgberg Löbsal, Gemeinde Diera-Zehren
  • Ringwall Goldkuppe bei Diesbar-Seußlitz
  • Wallanlage Göhrisch bei Hirschstein
  • Alter Wall bei Neuhischstein an der Elbe<ref name="WDH">Elbtal und Lößhügelland bei Meißen (= Werte unserer Heimat. Band 32). Slawische Wallanlagen. Auflage. Akademie Verlag, Berlin 1979, S. 15.</ref>

Oberlausitz (Raum Bautzen - Löbau):

Skalenburgen/Slawenburgen aus der Zeit 500 v. Chr. bis 1000 n. Chr.

  • Doberschauer Schanze (Skalenburg Dobruš) in Doberschau bei Bautzen
  • Doppelskalenburg Lauske - Zschorna bei Weißenberg
  • Slawenburg auf dem Strohmberg bei Weißenberg
  • Skalenburg Niethen bei Bautzen, riesige Anlage
  • Slawenburg auf dem Rotstein bei Löbau
  • Skalenburg Blösa bei Bautzen
  • Skalenburg Kleinseitschen (Seitschener Schanze) bei Bautzen, ab 1012 Herrensitz des Burgwards Sciciani
  • Skalenburg in der Georgewitzer Skala bei Löbau

Sachsen-Anhalt

Niedersachsen

Schleswig-Holstein

Bayern

Tschechien

Polen

Quellen

Siehe auch

Literatur

  • Sebastian Brather: Archäologie der westlichen Slawen: Siedlung, Wirtschaft und Gesellschaft im früh- und hochmittelalterlichen Ostmitteleuropa. (= Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 30), Berlin 2001, S. 119–140.
  • Joachim Herrmann: Die vor- und frühgeschichtlichen Burgwälle Groß-Berlins und des Bezirkes Potsdam. (= Handbuch vor- und frühgeschichtlicher Wall- und Wehranlagen 2), Berlin 1960.

Weblinks

Commons Commons: Slawische Burgwälle in Deutschland – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

<references />