Streit um den Namen Mazedonien


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Der Streit um den Namen Mazedonien ist ein Konflikt zwischen den Staaten Griechenland und Mazedonien um die Nutzung des Namens Mazedonien. Er begann mit der Unabhängigkeitserklärung der jugoslawischen Teilrepublik Mazedonien 1991 unter dem Namen Republik Mazedonien (maz. Република Македонија, transliteriert Republika Makedonija). Griechenland gibt als Grund für den Protest befürchtete Gebietsansprüche Mazedoniens auf die griechische Region Makedonien (griech. Μακεδονία, transliteriert Makedonía) an. Aufgrund der Hellenisierung der antiken Makedonen beansprucht Griechenland das antike kulturelle Erbe der historischen Region Makedonien.<ref group="Anm">Die Unterscheidung der Schreibweisen Mazedonien und Makedonien im Deutschen ist international gesehen untypisch. Die meisten Sprachen, insbesondere die involvierten, schreiben den Namen in allen Bedeutungen gleich.</ref> Solange Mazedonien als Sozialistische Republik Mazedonien eine Teilrepublik Jugoslawiens war, hatte Griechenland aus politischen Gründen keinen Einspruch erhoben.

Der Status quo ist, dass die Republik Mazedonien im internationalen Verkehr meist die Bezeichnung The former Yugoslav Republic of Macedonia (F.Y.R.O.M., dt. Die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien) verwendet. Unter diesem provisorischen Namen wurde die Republik Mazedonien auch von den Vereinten Nationen anerkannt,<ref name="UNO">In Resolution 47/225 (A/RES/47/225) der UN-Generalversammlung vom 8. April 1993 heißt es: „Die Generalversammlung In: Ελεύθερος Τύπος / Eleftheros Typos Eintragung des Sterns von Vergina bei der Weltorganisation für geistiges Eigentum, 3. Juni 1995</ref>.

Unter der Vermittlung der UNO begannen beide Länder Verhandlungen über den endgültigen Namen Mazedoniens. Trotz des UNO-Vorschlags Republika Makedonija-Skopje lehnen die meisten Griechen die Verwendung des Wortes Mazedonien zur Bezeichnung der Nachbarrepublik ab. Seit der Unabhängigkeit von 1991 bezeichnen sie das Nachbarland umgangssprachlich nach der Hauptstadt des Landes als Skopje (griech. Σκόπια/Skópia), seine Bewohner als Skopianer (griech. Σκοπιανοί/Skopianí) und ihre Sprache als Skopianisch (griech. Σκοπιανικά/Skopianiká).

Der Antrag Mazedoniens auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union (22. März 2004) eröffnete eine neue Gelegenheit für die Beilegung dieses letzten offenen Problems zwischen den beiden Nachbarn. Auf der Sitzung des Stabilisierungs- und Assoziationsrates der EU mit Mazedonien (14. September 2004, Brüssel) hat die EU festgestellt, dass die Namensdifferenzen noch existieren, und dazu aufgerufen, eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden.

Erneuten Zündstoff erhielt der Streit, als im Dezember 2006 die mazedonische Regierung bekanntgab, den Flughafen von Skopje nach Alexander dem Großen zu benennen, was den Protest der damaligen griechischen Außenministerin Dora Bakoyannis hervorrief.<ref>Skopje’s airport to be named "Alexander the Great", Kathmerini. 29. Dezember 2006. Abgerufen am 26. Dezember 2006. </ref>

Am 6. Juni 2008 weigerten sich die griechischen Behörden, eine Landegenehmigung für das Flugzeug des mazedonischen Präsidenten zu erteilen, der an einem Südosteuropa-Gipfel teilnehmen sollte, da dieses die Aufschrift „Republik Mazedonien“ und nicht „F.Y.R.O.M.“ trug.<ref>derStandard.at Präsident sagte Teilnahme an Südosteuropa-Gipfel ab</ref>

Am 5. Dezember 2011 urteilte der Internationale Gerichtshof (IGH), dass Griechenland mit seinem Veto gegen einen mazedonischen Nato-Beitritt gegen das Abkommen von 1995 verstoßen habe. In dem Abkommen verzichtete Griechenland auf ein Veto gegen Mazedoniens Beitritt zu internationalen Organisationen unter einem provisorischen Namen.<ref>Athen unterliegt im Mazedonien-Namensstreit: http://www.tagesschau.de/ausland/mazedonienstreit100.html</ref>

Position Griechenlands

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Karte Makedoniens zur Zeit Philipps II. (dunkelorange)

Griechenland argumentiert, Makedonien (griechisch Μακεδονία, Makedonía) sei ein Name griechischen Ursprungs, der bereits für die nördliche griechische Region Makedonien und die historische Region Makedonien verwendet wird. Slawische Stämme seien in der Balkanregion aber erst im frühen Mittelalter (ab dem 6. Jahrhundert n. Chr.) erschienen – und die Bewohner der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik Mazedonien seien Slawen. Außerdem umfasse das Staatsgebiet der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik größtenteils ein Gebiet, das nicht zum ursprünglichen historischen Gebiet Makedoniens zähle. In der Antike habe man dieses Gebiet, in dem heute auch die Hauptstadt Skopje liegt, Paionien genannt. Die Verwendung des Namens Mazedonien stelle somit eine Usurpation fremder Geschichte und Kultur dar. Dies geschehe aus politischen Gründen, um sich von den benachbarten Bulgaren abzugrenzen und ein identitätsstiftendes Nationalgefühl begründen zu können, das die Grundlage für die Existenz des neuen Staates sein soll (vgl. Nationenbildung und Herkunftssage). Zudem handele es sich bei der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik um einen Vielvölkerstaat (unter anderem 25 % Albaner, 4 % Türken, 3 % Roma, 2 % Serben), dessen territoriale Einheit es sicherzustellen gelte. Ein weiterer Grund für die historisch nicht haltbare Bezugnahme auf die antiken Makedonier und ihren Staat liege im Anspruch auf eine politische Vorrangstellung der slawischstämmigen Bevölkerungsgruppe gegenüber den anderen Volksgruppen, die so historisch begründet werden soll.<ref>Floudas, Demetrius Andreas; Vorlage:Internetquelle/Wartung/Zugriffsdatum nicht im ISO-Format"Pardon? A Name for a Conflict? FYROM's Dispute with Greece Revisited”. in: Kourvetaris et al (eds.), The New Balkans, East European Monographs: Columbia University Press, 2002, p. 85, abgerufen am 14. Juni 2009 (PDF; 281 kB).</ref>

Datei:Triple occupation of Greece de.svg
Besetzung Griechenlands 1941–44:
 Bulgarien
 Italien (bis September 1943)
 Deutschland

Die slawischen Bewohner dieser Region hätten sich selbst in den vergangenen Jahrhunderten immer als Bulgaren bezeichnet. Dies habe sich erst mit der Verordnung Titos geändert, der der südlichsten Region Jugoslawiens, der ehemaligen Vardar-Banschaft, den offiziellen Namen Vardar-Mazedonien verlieh. Damit hätten bulgarische Gebietsansprüche auf Südjugoslawien abgewehrt werden und zugleich jugoslawische Gebietsansprüche gegen Nordgriechenland gestützt werden sollen. Zu diesem Zweck hätten die Bewohner der südlichsten Provinz Jugoslawiens eine neue nationale Orientierung erhalten sollen. Die Sprache der slawischen Bevölkerungsmehrheit, wesentliche Grundlage eines Volkes, welche dem Bulgarischen äußerst nahe stehe, sei in Mazedonisch umbenannt worden. Es habe außerdem eine groß angelegte Geschichtsfälschung nach kommunistischem Muster begonnen. Die verfälschte Geschichte sei in den Schulen unterrichtet worden, mit der Folge, dass die heutigen slawischstämmigen Bewohner ein falsches Bild von ihrer Geschichte hätten.<ref name="Ekkehard Böhm">Pressespiegel: „(…) Beide (gemeint sind Philipp II. und Alexander der Große) sind von mazedonischen Pseudohistorikern enthellenisiert und zu Slawen gemacht worden.“, Hannoversche Allgemeine Zeitung, 16. September 2002</ref>

Griechenland sperrt sich auch gegen den Namen Republik Mazedonien, weil es mazedonische Gebietsansprüche gegen die gleichnamige nordgriechische Region Makedonien befürchtet – eine Angst, die damit begründet wird, dass die ebenfalls slawischstämmigen Bulgaren von 1941 bis 1944 unter faschistischer Regierung auch Ostmakedonien besetzt hätten. Zwar habe Griechenland gegenwärtig militärisch von Mazedonien nichts zu befürchten, durch propagandistische Beeinflussung der Bevölkerung Griechisch-Makedoniens und durch mögliche gemeinsame Interessen zwischen Mazedonien und der Türkei könne dessen Politik aber durchaus eine Gefahr darstellen.<ref>Zahariadis, Nationalism and small-state foreign policy, S. 664.</ref>

Da sich die griechischen Makedonier seit dem Altertum, und damit bereits vor den Slawen, als Makedonier bezeichnet hätten, könne dieser Name jetzt nicht plötzlich von einer neu geschaffenen Nation verwendet werden, noch dazu ohne jede historische, ethnische oder sprachliche Grundlage.

Von griechischer Seite wird eingeräumt, dass man nicht gegen die Existenz des neuen Staates sei, sondern nur gegen den Namen, den dieser für sich und seine Einwohner beanspruche. Griechenland sei im Grunde an guten nachbarschaftlichen Beziehungen interessiert und bereit, den jungen Staat politisch und wirtschaftlich zu unterstützen.

Argumente der Republik Mazedonien

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„FYROM mich nicht, sag Mazedonien“. (Plakatmotiv einer Kampagne des mazedonischen Staats, FYROM = Former Yugoslav Republic of Macedonia)

Die Bezeichnung Skopje für die Republik Mazedonien wird von den slawischen Mazedoniern als herabwürdigend empfunden. Auch die Bezeichnung Fyromer (oder FYROM für ihr Land) halten sie für äußerst unangemessen.

Makedonien sei seit alters her der Name der historischen Region, in der die Republik Mazedonien liegt, so dass die Benutzung dieses Namens für den auf diesem Gebiet liegenden Staat nahe liege. Eine Verwechslungsgefahr bestehe nicht, da die Republik Mazedonien der einzige Staat mit diesem Namen sei. Aus der Namensübereinstimmung mit den griechischen Regionen Westmakedonien, Zentralmakedonien und Ostmakedonien und Thrakien ließen sich ebenso wenig Gebietsansprüche ableiten wie etwa aus derjenigen zwischen dem Großherzogtum Luxemburg und der belgischen Provinz Luxemburg.

Datei:Königreich Jugoslawien.jpg
Jugoslawische Banschaften 1929–1941

Die Mazedonier hätten nicht erst unter Tito ein mazedonisches Nationalgefühl entwickelt, sondern spätestens seit dem Ilinden-Aufstand von 1903. Der Name Makedonija für dieses von Slawen bewohnte Gebiet sei bereits mindestens seit dem 19. Jahrhundert üblich (beispielsweise bei Vuk Karadžić 1836/49 in der Form „Maćedonija“<ref>Vuk Karadžić: Срби сви и свуда</ref>). Der von griechischer Seite gern herangezogene Name Vardar-Banschaft stehe im Kontext des zentralistischen Ersten Jugoslawiens, dessen Verwaltungseinheiten durch ihre Grenzen und Namen bewusst die bestehenden nationalen Unterschiede verdecken sollten, so dass auch so traditionelle Regionen wie Dalmatien („Banschaft Küste“), Kroatien-Slawonien („Banschaft Save“), Vojvodina („Banschaft Donau“) oder Krain („Banschaft Drau“, heute Slowenien) nicht unter ihrem angestammten Namen geführt worden seien.

Bisweilen beanspruchen die slawischen ebenso wie die griechischen Makedonier eine Verwandtschaft mit den antiken Makedonen, mit der Begründung, dass diese sich allmählich mit den Slawen seit deren Ankunft auf dem Balkan im 6. Jahrhundert vermengt hätten. Diese These ist jedoch auch unter slawischen Mazedoniern heftig umstritten und vermutlich kaum überprüfbar.

Mazedonien habe freundschaftliche Beziehungen zu seinen Nachbarländern, fühle sich aber seit der Unabhängigkeit 1991 zu Unrecht in den Namensstreit mit Griechenland verwickelt.

Standpunkt anderer Staaten und Organisationen

Mazedonien wurde von drei (USA, Russland und China) der fünf ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates unter dem Namen Republik Mazedonien anerkannt. Die beiden anderen ständigen Sicherheitsratsmitglieder Frankreich und das Vereinigte Königreich, die ebenso wie Griechenland EU-Mitglieder sind, verweigern dies jedoch. Auch hat der überwiegende Teil der Staatengemeinschaft das Land unter seinem verfassungsmäßigen Namen anerkannt. Dies gilt allerdings nur für bilaterale Beziehungen zwischen der Republik Mazedonien und dem jeweiligen Land.

Der Weltsicherheitsrat empfahl am 7. April 1993 die Aufnahme Mazedoniens in die UNO und stellte dabei die Existenz des Namensstreites fest.<ref name="Empfehlung Sicherheitsrat">Empfehlung der Aufnahme und Feststellung des Namenskonfliktes in Resolution 817 (pdf) des UN-Sicherheitsrates', 7. April 1993</ref> Die Generalversammlung nahm Mazedonien daraufhin am 8. April 1993, der Empfehlung des Sicherheitsrates folgend, unter dem Namen The former Yugoslav Republic of Macedonia (Die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien) in die Staatengemeinschaft auf.<ref name="UNO" /> Auch die Bundesrepublik Deutschland verwendet im offiziellen Rahmen den bei den Vereinten Nationen üblichen Namen.<ref name="Ländername">Vgl. die Länderinformationen des deutschen Auswärtigen Amtes: „Ländername laut Verfassung: Republik Mazedonien (Republika Makedonija); VN-Mitgliedschaft unter der Bezeichnung ‚ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien‘“. Deutschland verwendet im offiziellen Rahmen den bei den Vereinten Nationen üblichen Namen.</ref>

Nach der Aufnahme Mazedoniens in die UNO haben auch andere internationale Organisationen diese Namenskonvention übernommen, darunter die EU, die NATO, das Internationale Olympische Komitee, die Europäische Rundfunkunion, der IWF und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung.

Die meisten Diplomaten, die in Mazedonien akkreditiert sind, benutzen in offiziellen internationalen Dokumenten die Bezeichnung Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien oder Mazedonien (ehemalige jugoslawische Republik), so beispielsweise die Vertreter Deutschlands, Österreichs, der Schweiz, Italiens, Spaniens, Finnlands, Portugals, Frankreichs, Luxemburgs, der Niederlande, Australiens, Brasiliens, Argentiniens, Ägyptens und andere. In Deutschland wird von offizieller Seite teilweise auch die Abkürzung EJR Mazedonien<ref name="Ländername" /> verwendet.

Andererseits haben über 106 Länder Mazedonien unter dem Namen Republik Mazedonien für den bilateralen Verkehr anerkannt.<ref>Martin Sieg (Hrsg.): Internationale Dilemmata und europäische Visionen. Festschrift zum 80. Geburtstag von Helmut Wagner. Lit, Berlin/Münster 2010, ISBN 978-3-643-10481-6, S. 81.</ref> Dazu gehören die USA (2004), Russland, die Volksrepublik China, die Nachbarländer Bulgarien (das Mazedonien 1992 als erster Staat überhaupt anerkannte<ref>Vgl. Wolfgang Ismayr: Die politischen Systeme Osteuropas, Opladen: Leske + Budrich 2006, ISBN 3-8100-4053-3; Ljubomir Ivanov et al.: Bulgarian Policies on the Republic of Macedonia 2002 ISBN 0-275-97648-3.

  • John Shea: Macedonia and Greece: The struggle to define a new Balkan nation. Jefferson/NC 1997. ISBN 0-7864-0228-8.
  • Adamantios Skordos: Griechenlands Makedonische Frage. Bürgerkrieg und Geschichtspolitik im Südosten Europas, 1945-1992., Wallstein Verlag, Göttingen 2012, ISBN 978-3-8353-0936-4.
  • Hans-Lothar Steppan: Der mazedonische Knoten: Die Identität der Mazedonier dargestellt am Beispiel des Balkanbundes 1878–1914. Eine Dokumentation zur Vorgeschichte der Republik Mazedonien nach Aktenlage des Auswärtigen Amtes. Frankfurt am Main u. a. 2004. ISBN 3-631-51895-1.
  • Nikolaos Zahariadis: Nationalism and small-state foreign policy: The Greek response to the Macedonian issue. Political Science Quarterly 109.4 (1994), S. 647-664.
  • Anmerkungen

    <references group="Anm" />

    Einzelnachweise

    <references />

    24px Dieser Artikel wurde am 4. November 2006 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen.