Waldvöglein
Waldvöglein | ||||||||||||
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Rotes Waldvöglein (Cephalanthera rubra)
Rotes Waldvöglein (Cephalanthera rubra) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Cephalanthera | ||||||||||||
Rich. |
Die Waldvöglein (Cephalanthera) sind eine Pflanzengattung in der Familie der Orchideen (Orchidaceae).
Die Gattung wurde im Jahr 1818 von dem französischen Botaniker Louis Claude Marie Richard aufgestellt. Der Gattungsname setzt sich aus dem griechischen κεφαλή kephalē = Kopf und ανθηρός anthērós = blühend zusammen und weist darauf hin, dass die Anthere der Columna wie ein Kopf aufsitzt.
Inhaltsverzeichnis
Beschreibung
Vegetative Merkmale
Die Waldvöglein sind autotrophe oder voll myko-heterotrophe, schlanke, ausdauernd und krautig wachsende Rhizom-Geophyten. Das Rhizom ist kurz, kriechend und oft verzweigt. Die Wurzeln stehen gebüschelt, sind bei den autotrophen Arten zahlreich und teilen sich in senkrecht stehende, dickere Speicherwurzeln und waagrecht stehende verpilzte Wurzeln auf.<ref name="OrchD"/>. Über Adventivknospen kann eine vegetative Vermehrung erfolgen<ref name="OrchD"/>.<ref name = "FOC"/>
Der Stängel ist aufrecht, unverzweigt, zylindrisch, gerillt,<ref name = "FlIb"/>, bei den autotrophen Arten grün,<ref name = "FlIb"/> beblättert, kahl oder an der Spitze behaart,<ref name = "FlIb"/> mit einer oder wenigen etwa kahnförmigen bis zylindrischen Blattscheiden am Grund. Die Blätter sind grund- und wechselständig in spiraliger Anordnung, eiförmig bis lanzettlich oder lineal, längs gefaltet, längsnervig ohne erkennbare Quernerven, ganzrandig, grün, ungefleckt,<ref name = "FlIb"/> sitzend, am Grund verschmälert<ref name = "FlIb"/> und den Stängel umscheidend, bei den mykotrophen Arten weiß<ref name = "FNA"/> und zu häutigen Scheiden zurückgebildet.<ref name = "FOC"/>
Generative Merkmale
Der Blütenstand ist eine endständige, lockere,<ref name="OrchD"/> viel- bis wenigblütige, selten einblütige Traube mit gerader, aufrechter, in etwa zylindrischer Achse<ref name = "FlIb"/>. Die Tragblätter der unteren Einzelblüten sind meist blattähnlich, aber nicht scheidig<ref name = "FlIb"/>, und überragen die Blüten meist, die der oberen Blüten sind viel kürzer.<ref name = "FOC"/>
Die Blüten sind um 180° verdreht, ziemlich aufrecht, mehr oder weniger sitzend<ref name = "FlIb"/>, wenig geöffnet und glockenförmig, selten weit geöffnet, weiß, rosa oder gelb. Der Fruchtknoten ist leicht verdreht und kahl.<ref name = "FOC"/> Die Kelchblätter (Sepalen) sind frei, einander ähnlich und etwa gleich groß. Die seitlichen Kronblätter (Petalen) sind etwas kürzer als die Sepalen und neigen mit diesen mehr oder weniger stark nach vorne zu einem Helm zusammen. Die Lippe ist am Grund der Säule angewachsen; sie ist zweigliedrig, selten einfach. Der hintere Abschnitt (Hypochil) ist konkav <ref name = "FlIb"/> und besitzt zwei aufrechte Seitenlappen, die die Säule umhüllen. Es ist am Grunde ausgesackt oder hat einen kurzen Sporn; Nektar wird nicht angeboten<ref name = "FlIb"/>. Der vordere Abschnitt (Epichil) ist von fester Struktur,<ref name = "FlIb"/> ausgebreitet, eiförmig-elliptisch, stumpf oder spitz, die Oberseite besitzt drei bis sieben Längslamellen. Die Säule ist aufrecht, meist mit zwei schmalen, seitlichen Flügeln. Das Staubblatt ist aufrecht, herabklappbar, zweifächerig, mit zwei jeweils zweiteiligen, körnig-mehligen, ungestielten Pollinien, denen die Klebdrüsen (Viscidien) fehlen. Die Narbe ist konkav und gerundet, ohne ausdifferenziertes Rostellum. Einige Arten sind selbstbestäubend.<ref name = "FOC"/>
Nach der Blüte entwickeln sich vielsamige, aufrechte, längliche<ref name = "FlIb"/> Kapselfrüchte. Die Samen sind flach und netznervig mit verbreiterten Maschen.<ref name = "FOC"/><ref name = "FlIb"/>
Arten und Verbreitung
Die Gattung zählt 18 Arten.<ref name = "World Checklist"/> Das Areal erstreckt sich von Nordafrika und Europa bis China und Japan. Eine von drei mykotrophen Arten kommt aus den westlichen USA.
Europa, Nordafrika und Vorderasien
- Kaukasisches Waldvöglein (Cephalanthera caucasica Kraenzl.)
- Kretisches Waldvöglein (Cephalanthera cucullata Boiss. & Heldr.)
- Weißes Waldvöglein (Cephalanthera damasonium (Mill.) Druce)
- Gesporntes Waldvöglein (Cephalanthera epipactoides Fischer & C.A.Mey.)
- Kotschys Waldvöglein (Cephalanthera kotschyana Renz & Taubenheim)
- Kurdisches Waldvöglein (Cephalanthera kurdica Bornm.)
- Langblättriges Waldvöglein oder Schwertblättriges Waldvöglein (Cephalanthera longifolia (L.) Fritsch)
- Rotes Waldvöglein (Cephalanthera rubra (L.) Rich.)
Ostasien
- Cephalanthera alpicola Fukuy., endemisch in Taiwan.
- Cephalanthera calcarata S.C.Chen & K.Y.Lang, endemisch in Nordwest-Yunnan, mykotroph<ref name = "FOC"/>.
- Cephalanthera erecta (Thunb.) Blume, verbreitet im gemäßigten Ost-Asien bis zum östlichen Himalaya.
- Cephalanthera ericiflora Szlach. & Mytnik, endemisch in Laos.
- Cephalanthera exigua Seidenf., endemisch im nördlichen Thailand und in Laos.
- Cephalanthera falcata (Thunb.) Blume, verbreitet im südlichen Japan, Korea und in Süd-China.
- Cephalanthera gracilis S.C.Chen & G.H.Zhu, endemisch in Nordwest-Yunnan, mykotroph<ref name = "FOC"/>.
- Cephalanthera longibracteata Blume, weit verbreitet vom Russischen Fernen Osten bis Laos.
- Cephalanthera pusilla (Hook.f.) Seidenf., verbreitet von Süd-China bis Myanmar.
Nordamerika
- Cephalanthera austiniae (A.Gray) A.Heller, verbreitet im westlichen Nordamerika, mykotroph<ref name = "FNA"/>.
Naturhybriden
- Cephalanthera ×mayeri (E.Mayer & Zimmerm.) A.Camus (Cephalanthera damasonium × Cephalanthera rubra)
- Cephalanthera ×otto-hechtii Keller (Cephalanthera longifolia × Cephalanthera rubra)
- Cephalanthera ×renzii B.Baumann, H.Baumann, R.Lorenz & Ruedi Peter (Cephalanthera caucasica × Cephalanthera longifolia)
- Cephalanthera ×schaberi H.Baumann (Cephalanthera epipactoides × Cephalanthera longifolia)
- Cephalanthera ×schulzei E.G.Camus (Cephalanthera damasonium × Cephalanthera longifolia)
- Cephalanthera ×taubenheimii H.Baumann (Cephalanthera damasonium × Cephalanthera kotschyana)
Bildergalerie
- Cephalanthera damasonium eF.jpg
Weißes Waldvöglein
(Cephalanthera damasonium) - Ceplon-180599.jpg
Langblättriges Waldvöglein
(Cephalanthera longifolia) in Bohinj, Slowenien - Cephalanthera longifolia1 eF.jpg
Langblättriges Waldvöglein
(Cephalanthera longifolia) - Cephalanthera longifolia2 eF.jpg
Langblättriges Waldvöglein
(Cephalanthera longifolia) - Cephalanthera falcata 4.jpg
Cephalanthera falcata
Quellen
<references> <ref name = "World Checklist">R. Govaerts, J. Pfahl, M. A. Campacci, D. Holland Baptista, H. Tigges, J. Shaw, P. Cribb, Alex George, K. Kreutz, J. Wood: World Checklist of Orchidaceae. The Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew, 2010. Internet-Veröffentlichung (online), Zugriff am 9. Dezember 2010.</ref> <ref name = "FOC">Xinqi Chen, Stephan W. Gale, Phillip J. Cribb: Cephalanthera. In: Wu Zheng-yi, Peter H. Raven, Deyuan Hong (Hrsg.): Flora of China. Volume 25: Orchidaceae, Science Press/Missouri Botanical Garden Press, Beijing/St. Louis 2009, ISBN 978-1-930723-90-0, S. 174–177. (online) (engl.)</ref> <ref name = "FlIb">M. L. Alarcón & Carlos Aedo: Cephalanthera. In Santiago Castroviejo, Carlos Aedo, Alberto Herrero Nieto (Hrsg.): Flora Ibérica. Plantas Vasculares de la Península Ibérica e Islas Baleares. Vol. XXI. Smilacaceae–Orchidaceae. Real Jardín Botánico, CSIC, Madrid 2005, ISBN 84-00-08305-9, S. 54–58. (PDF) (span.)</ref> <ref name = "OrchD">Helmut Baumann: Cephalanthera. In: Arbeitskreise Heimische Orchideen (Hrsg.): Die Orchideen Deutschlands. Verlag AHO Thüringen, Uhlstädt - Kirchhasel 2005, ISBN 3-00-014853-1, S. 242</ref> <ref name = "FNA">Charles J. Sheviak, Paul M. Catling: Cephalanthera. In Flora of North America Editorial Committee (Hrsg.): Flora of North America North of Mexico. Volume 26: Magnoliophyta: Liliidae: Liliales and Orchidales, Oxford University Press, New York/Oxford u. a. 2002, ISBN 0-19-515208-5, S. 583–584. online (engl.)</ref> </references>
Weiterführende Informationen
Literatur
- Fritz Füller: Epipactis und Cephalanthera (Orchideen Mitteleuropas, 5. Teil). 4. Auflage (unveränderter Nachdruck der 3. Auflage von 1986). Westarp Wissenschaften, Hohenwarsleben 2005 (Die Neue Brehm-Bücherei, Band 329), ISBN 3-89432-310-8.
- Rudolf Schlechter: Die Orchideen 4 Bd. & Regist.. 3. Auflage (überarb. Senghas, K., 1985–2003).
- Hans Sundermann: Europäische und mediterrane Orchideen. 2. Auflage. Brücke-Verlag, Hildesheim 1975, ISBN 3-871-05010-5.
- J. G. Williams u. a.: Orchideen Europas mit Nordafrika und Kleinasien. BLV Verlag, München 1979, ISBN 3-405-11901-4.