Kompaktkassette
Bandlaufrichtung → → →
Die Kompaktkassette (Compact Cassette, CC), Musikkassette (MusiCassette, MC) oder Audiokassette (deutsch meist nur Kassette, engl. auch kurz cassette oder tape) ist ein Tonträger zur elektromagnetischen, analogen Aufzeichnung und Wiedergabe von Tonsignalen. Sie enthält ein Tonband, das zur einfacheren Handhabung und zum Schutz in ein Kunststoffgehäuse eingeschlossen ist. Das Abspielen und Aufnehmen von Kassetten erfolgt mit einem Kassettenrekorder. In der Zeit von den frühen 1970er- bis in die späten 1990er-Jahre war die Kompaktkassette eines der meistgenutzten Audio-Medien neben der Schallplatte und später der Compact Disc.<ref>Eric D. Daniel, C. Dennis Mee, Mark H. Clark: Magnetic Recording: The First 100 Years. The Institute of Electrical and Electronics Engineers, 1999, ISBN 0-7803-4709-9.</ref>
Kassette und zugehöriger Rekorder wurden als System zur mobilen Musiknutzung von einem Entwicklerteam um den Ingenieur und Erfinder Lou Ottens beim niederländischen Unternehmen Philips konstruiert. Die Entwicklungsarbeiten begannen 1960, im August 1963 wurden Kassette und Gerät als Pocket Recorder vorgestellt. Die Kassette konkurrierte zunächst mit anderen Tonbandkassetten-Typen verschiedener Mitbewerber und setzte sich durch, der kompakte und robuste Tonträger erfreute sich jahrzehntelang großer Beliebtheit.<ref>Wierd Duk: ERFINDUNG DER MUSIKKASSETTE – Bandsalat, der die Welt veränderte. In: Die Zeit. 28. August 2013.</ref><ref name="swr.de">Sebastian M. Krämer: Ohrfutter aus der Jackentasche – 50 Jahre Kompaktkassette. In: SWR2. Wissen, Dossier zur Sendung vom 9. Dezember 2013.</ref> Heute hat sie wegen des Siegeszuges der digitalen Audiotechnik in Industrieländern nur noch geringe Bedeutung. In Schwellen- und Entwicklungsländern ist die Kassette allerdings wegen ihrer Robustheit und einfachen Technik immer noch sehr weit verbreitet.
Inhaltsverzeichnis
Aufbau
Die Kompaktkassette besteht aus einem flachen quaderförmigen Gehäuse, in dem unter anderem das Magnetband aus beschichtetem Kunststoff, mechanische Teile und kleine Filzbausche untergebracht sind. Das Gehäuse besteht bei den meisten Typen aus Kunststoff, sehr selten auch aus GFK, Aluminium, Messing oder Keramik. Zum Abtasten des Magnetbandes wird es an der mittleren Öffnung der Kassette an den Tonkopf des Abspielgerätes geführt. Bei Mono-Aufnahmen enthalten die Bänder zwei Tonspuren, eine für jede Richtung. Mit Stereo-Aufnahmen bespielte Bänder enthalten vier – entsprechend schmalere – Tonspuren, zwei für jede Laufrichtung. Die Tonköpfe der Abspiel- und Aufnahmegeräte sind jeweils so ausgerichtet, dass sie nur die jeweils unteren zwei Spuren (Stereo) bzw. die jeweils untere Spur (Mono) des Bandes abtasten. Legt man eine Mono-Kassette in ein Stereo-Gerät ein, so tasten beide Tonabnehmer dasselbe Signal ab. Umgekehrt erfassen Mono-Tonköpfe die Summe der Signale beider Stereo-Spuren. Nach dem Umdrehen der Kassette wird wiederum die untere Hälfte des Bandes abgetastet.
Das Format einer (stehenden) Kassette ist 10,16 cm Länge × 6,35 cm Höhe × 1,27 cm Tiefe (an der dicksten Stelle) (4″ × 2,5″ × 0,5″).
Manche Kassettenrekorder sind in der Lage, mit einem vierspurigen Tonkopf, wie er ohne Bandgabel auch in Lesegeräten für Magnetstreifen benutzt wird, beide Hälften des Bandes abzutasten, so dass sie beide Laufrichtungen abspielen können, ohne dass die Kassette umgedreht werden muss. Wird die Laufrichtung am Band-Ende automatisch umgeschaltet, spricht man von „Auto-Reverse“. Reine Abspielgeräte benutzen dafür normalerweise einen starren Vierspur- oder einen seitlich verschiebbaren Zweispurkopf, während Rekorder eine Lösch- und Tonkopf-Kombination haben, die um 180° drehbar angeordnet ist. In einigen Geräten von Nakamichi wurde auch die Kassette selbst von einer Mechanik gewendet (UniDirectional AutoReverse (UDAR)).
Das Band ist 3,81 mm breit und bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von 47,625 mm/s. Beim Compact-Cassetten-Laufwerk wird eine ausgewuchtete, riemengetriebene Schwungmasse, deren gleichmäßigen und exakt runden Stahlwelle, der sogenannten Tonwelle in den Cassettenschacht ragend übertragen. Deren Oberflächengeschwindigkeit ist die Bandgeschwindigkeit, abzüglich Schlupf. Das Tonband wird zwischen dieser Tonwelle und einer Gummi-Andruckrolle an den Tonköpfen vorbeigezogen. Der so gewährleistete gleichmäßige Bandtransport ist der Capstan-Antrieb. Wie bei der Schallplatte und den meisten Konsumenten-Spulentonbändern gibt es eine A- und eine B-„Seite“ (Vorder- und Rückseite).
Die ersten kommerziellen (bespielten) Kassetten wurden 1965 verkauft, der Stereoton wurde 1967 eingeführt. Die Bezeichnung der Kassetten ergibt sich aus der Spielzeit beider Seiten in Minuten; die am meisten verbreiteten Formate sind C60 (nominal 30 min Spielzeit pro Seite), C90 (45 min/Seite) und C100 (50 min/Seite). Daneben gibt es für die Tonaufzeichnung Leerkassetten mit 46, 50, 74, 90, 100, 110 und 120 Minuten Spielzeit. Sehr selten sind überlange Kassetten mit 150 Minuten, kurzzeitig waren auch Kassetten mit 180 Minuten erhältlich – je länger die Spieldauer, desto dünner und damit empfindlicher auf Zugbelastung, Selbstentmagnetisierung und Kopiereffekt ist das Band. So ist das Band einer C60-Kassette üblicherweise 15 bis 17 µm dick. Bei C90 sind es 10 bis 12 µm und bei C120 nur noch 9 µm. In der Regel ist die tatsächliche Laufzeit 1 bis 3 Prozent länger als angegeben. Bei vorbespielten Kassetten richtete sich die Spielzeit nach dem Inhalt der längeren Seite.
Kompaktkassetten lassen sich gegen Überspielen (Löschen) der Aufzeichnung sichern. Eine offene Aussparung an der linken Seite der Oberkante (der den Bandöffnungen gegenüberliegende Seite) zeigt an, dass die betreffende Seite der Kassette geschützt ist. Das Schützen geschieht durch das Ausbrechen der jeweiligen Kunststofflippe. Kassettenrekorder verfügen über einen Sensor, um diese Aussparung zu überprüfen. Eine derart geschützte Kassette lässt sich nur abspielen – nicht jedoch ohne Weiteres für neue Aufnahmen nutzen. Zum erneuten Bespielen muss die Aussparung überklebt werden oder der Aufnahmeabtaster manuell deaktiviert werden; bei manchen Rekordern lässt sich die Aufnahmetaste durch manuelles Betätigen des Sensors freigeben, noch ehe die Kassettenlade geschlossen wird. An unbespielt verkauften Kassetten ist die Aussparung durch eine herausbrechbare Zunge zunächst verdeckt.
Optionale Mechanik
Um das Band zuverlässiger aufzuwickeln, patentierte die damalige BASF (ab 1998 EMTEC Magnetics) Anfang der 1970er-Jahre das mit dem Kürzel SM beworbene Special Mechanism bzw. Security Mechanism, das vorübergehend von Agfa unter Lizenz übernommen wurde. Dieses Merkmal umfasst je eine Schiene, um das Band auf die Spule zu führen und zu verhindern, dass ein unsauberer Wickel entsteht.
Der Mitbewerb reagierte, indem weitere und näher an den Spulen angebrachte Umlenkstifte in der unteren Kunststoffgehäusehälfte eingesetzt wurden. Einige günstig gefertigte und vorbespielte Kompaktkassetten wurden ohne Umlenkrollen gefertigt; das Band wird direkt über die Kammer für den Capstanantrieb gezogen. Für den Andruck des Bandes an den Tonkopf sorgt dort ein dünnerer Filz auf einem eingeklebten Schaumstoffblock statt des üblichen Filzes auf einer Blattfeder.
Geschichte
Bereits vor der Einführung des Kassettenrecorders wurde 1935 von der AEG ein Tonbandgerät („Magnetophon“) vorgestellt, das auf derselben Technik beruhte, jedoch mit offenem Bandwickel arbeitete. Die Geräte waren vergleichsweise teuer und kompliziert zu bedienen, weshalb sie vor allem beim Hörfunk und in Tonstudios eingesetzt wurden. Für Privatanwender waren Tonbandgeräte zunächst wenig attraktiv und kamen erst ab den 1950er-Jahren in Mode. Bei Preisen zwischen 700 und 1500 DM (was bezogen auf das Jahr 1955 heute inflationsbereinigt ca. 1.700 bis 3.600 EUR entspricht)<ref name="Vorlage-Inflation">Diese Zahl wurde mit der Vorlage:Inflation ermittelt, ist auf volle 100 EUR gerundet und bezieht sich auf den zurückliegenden Monat Januar</ref> waren sie aber immer noch zu teuer für den Massenmarkt und wegen der verwendeten Elektronenröhren auch sehr voluminös gebaut. In den 1960er-Jahren jedoch fielen die Preise, so dass Spulentonbandgeräte bald in vielen besser ausgestatteten Haushalten zu finden waren.
Bereits Ende der 1950er-Jahre gab es erste Versuche, kompakte Tonbandkassetten auf dem Markt zu etablieren. Die erste ernstzunehmende Tonbandkassette stellte 1958/59 die Radio Corporation of America (RCA) vor: eine Zweiloch-Kassette mit einem 6,3 mm breiten Band und einer Bandgeschwindigkeit von 9,5 cm/s. Die RCA-Cassette war ungefähr dreimal so groß wie die Kompaktkassette und konnte sich im Heimtonbereich nicht durchsetzen.<ref>Friedrich Engel, Gerhard Kuper, Frank Bell: SECHSTES BAND: Musik von Kassetten. In: Zeitgeschichten. Magnetbandtechnik als Kulturträger. Ausgabe 2010, S. 428ff.</ref> Auch in Europa arbeiteten einige Firmen an kompakten Tonbandkassetten. Die Hannoveraner Firma Protona GmbH, die Miniatur-Drahttongeräte herstellte und später von Telefunken übernommen wurde, präsentierte 1959 das Magnetbandgerät Minifon-attaché. Die Minifon-Kassette war kaum größer als die Kompaktkassette. Sie war zuerst als Diktiersystem angedacht, eine technische Verbesserung brachte 1961 sogar schon HiFi-Ton. Die Entwicklung stellte AEG/Telefunken in den 1960er-Jahren jedoch ein, da entgegen getroffener Absprachen unter deutschen Herstellern ein Anbieter ausscherte und bereits mit der Kompaktkassette liebäugelte. Der niederländische Philips-Konzern entwickelte seit 1961 in seiner Wiener Tonbandgeräte-Fabrik, der WIRAG, bereits an einer HiFi-tauglichen Einloch-Kassette. Das Wiener Werk war seit Jahren erfahren mit der Entwicklung und Produktion von Diktiersystemen mit einer Einlochkassette. Auf dieser Grundlage sollte die neue Kassette als hochwertiges Tonband-System für den Heimgebrauch entstehen. An der Entwicklung waren neben Philips sowohl die Grundig AG wie auch die mit Philips verbundenen Plattenfirmen, die Philips Phonographische Industrie und die Deutsche Grammophon Gesellschaft beteiligt. Diese Einloch-Kassette benutzte schon ein nur 3,81 mm breites Band bei einer verlangsamten Bandgeschwindigkeit von 4,75 cm/s. Alle zu jener Zeit neu erfundenen Kassettensysteme – ausgenommen die Protona-Kassette – hatten vor allem das Ziel, den gewohnten HiFi-Klang des Spulentonbandes beizubehalten, Design und Handhabung gerieten dabei ins Hintertreffen. Zuerst unbemerkt arbeitete seit 1960 im neu erbauten belgischen Philips-Werk in Hasselt ein kleines Team, das von Lou Ottens geleitet wurde, an einem handlichen Bandmedium, das intern als Zweiloch-Kassette bezeichnet wurde. Ottens wollte einen handlichen und robusten Tonträger für Musik, der ein Massenpublikum begeistert und schlug so einen unkonventionellen Weg ein. Ottens gab den Auftrag, ein Holzstück anzufertigen, das in seine Jackentasche passen sollte. Das war sozusagen die Geburt der Kompaktkassette. Das Projekt bekam folglich den Namen „pocket recorder“. Der Holzklotz gab die Maße für das spätere Aufnahme- und Abspielgerät vor. Das Austausch-Medium – die Kassette – musste sich ebenfalls den Vorgaben anpassen. Die Entwicklung der Kompaktkassette war Teamarbeit. Lou Ottens betrachtet sich zurückblickend als Teamplayer: „Ich habe bei der Entwicklung neuer Produkte immer mit anderen Leuten zusammen gearbeitet.“<ref>Wierd Duk: Erfindung der Musikkassette – Bandsalat, der die Welt veränderte. In: Die Zeit. 28. August 2013.</ref> Für die Konstruktion der Urkassette sowie des Laufwerks zeichnete Jan Schoenmakers verantwortlich. Er hatte auch die Idee, die im Laufwerk befindliche Kassette mit dem Einschieben von Ton- und Löschkopf zu verriegeln. So konnten die Kassetten während der Wiedergabe nicht aus dem Laufwerk genommen werden. Genau auf dieses Detail beschränkte sich das spätere Kompaktkassetten-Patent, das unter der Nummer 1191978 am 31. Januar 1964 beim Deutschen Patent- und Markenamt in München angemeldet wurde.<ref name="swr.de" /> Peter van der Sluis entwickelte den dazugehörigen Rekorder. Der geniale Kniff, die 1,5 mm breite Monospur einer Abspielseite in zwei Spuren für Stereo aufzuteilen, gelang dem Magnetkopf-Spezialisten Herman Cornelius Lalesse.
Nachdem die Entwicklungsarbeiten in Hasselt schon sehr weit vorangeschritten waren, musste sich die Geschäftsleitung von Philips zwischen der Einloch- und der Zweilochkassette entscheiden. Die Entscheidung fiel auf die Zweiloch-Kassette von Lou Ottens und Team, obwohl schon erste Geräte für die Einloch-Kassette produziert worden waren. Max Grundig, dessen Firma ja an der österreichischen Kassette beteiligt war, wurde von Philips erst sehr spät über das Aus der Einloch-Kassette informiert. Jedoch bekam er das Angebot – wie auch Telefunken, sich am Pocket Recorder zu beteiligen. Grundig war wenig erfreut darüber und ließ kurzerhand das Konkurrenzsystem DC-International entwickeln. Grundlage dafür bildeten Konstruktionszeichnungen der Kompaktkassette, die Grundig nach den Verhandlungen mit Philips mitgenommen hatte.
Am 28. August 1963 stellte Philips auf der 23. Großen Deutschen Funk-Ausstellung in Berlin die Kompaktkassette und den zugehörigen, mit Transistoren bestückten Kassettenrekorder Philips EL 3300 vor. Er kostete 299 DM (entspricht heute inflationsbereinigt knapp 600 EUR)<ref name="Vorlage-Inflation" /> und konnte nur mit Batterien (fünf Babyzellen) betrieben werden.
Die Grundig AG brachte dann 1965 das alternative System DC-International, heraus: das Kassettengerät C 100 mit Kassetten, die etwas größer waren als die Kompaktkassette und den Charme eines Taschenbuches hatten. Das System konnte sich aber nicht durchsetzen und wurde schon 1967 wieder vom Markt genommen.
1965 stellte William P. Lear die 8-Spur-Kassette vor, die sich vor allem in den USA und Großbritannien zunächst im Car-Stereo-Bereich durchsetzte, ab den 1980er-Jahren jedoch von der Kompaktkassette vom Markt gedrängt wurde.
Auch von Sony gab es einige Jahre später einen Versuch, mit Elcaset ein Kassettensystem auf den Markt zu bringen, das gegenüber der Kompaktkassette bessere Klangqualität hatte. Doch auch diesem System war kein langer Erfolg beschieden.
Siegeszug
War die Resonanz auf die Kompaktkassette in den späten 1960er-Jahren noch verhalten, änderte sich das im nachfolgenden Jahrzehnt. Zu verdanken ist dies den japanischen Elektronikkonzernen. Nach der ersten öffentlichen Präsentation auf der Funkausstellung bauten zahlreiche japanische Hersteller den Pocket Recorder in unterschiedlichen Varianten und Formaten nach. Philips versuchte diesen unkontrollierten Wildwuchs einzudämmen. Lou Ottens und sein Team verhandelte in Japan mit dem damaligen Sony-Chef Norio Ohga über Lizenzvereinbarungen. Der Sony-Chef wusste offenbar von dem Streit zwischen Philips und Grundig und gab vor, dass Max Grundig die Lizenzen für DC international kostenlos einräumen würde. Im Nachhinein glaubt Lou Ottens, dass Norio Ohga geblufft hat.<ref>Wierd Duck: Erfindung der Musikkassette – Bandsalat, der die Welt veränderte: Wettlauf mit Japan. In: Die Zeit. 28. August 2013.</ref> Philips gab nach und vergab die Lizenzen kostenlos, bestand aber auf einer internationalen Standardisierung. Innerhalb kürzester Zeit brachten weltweit unterschiedlichste Hersteller Kassettenrekorder heraus.
Insbesondere Jugendliche waren von der Möglichkeit begeistert, auf billige und einfache Art ihre Lieblingshits aus dem Radio aufnehmen zu können, worauf die Musikindustrie existenzbedrohende Umsatzrückgänge befürchtete und mit Kampagnen wie Home Taping Is Killing Music reagierte. Schon bald gab es Kombigeräte mit Radio (Radiorekorder), später auch in Stereo. Mit dem technischen Fortschritt der Magnetbänder ging ein entsprechender Fortschritt der Klangqualität der Kompaktkassette einher. Neben den Fortschritten bei Eisenoxidbändern sorgte auch die Einführung von Chromdioxid- und später Reineisen-Beschichtungen für einen wahrnehmbaren Qualitätssprung.
Sehr wichtig für den Siegeszug der Kompaktkassette war auch die Einführung der Dolby-B-Rauschunterdrückung (1968), mit deren Hilfe das lästige Bandrauschen deutlich reduziert werden konnte. 1968 brachte Philips das erste Autoradio mit einer Abspielfunktion für Kassetten und 1979 die japanische Firma Sony den ersten Walkman, einen tragbaren Kassettenspieler, auf den Markt.
Spezielle Kassetten
- Adapter-Kassette: Besitzt kein Band, aber einen Übertragungs-Tonkopf und ein Kabel, das an modernere Wiedergabegeräte (z. B. MP3-Player, ursprünglich Anfang der 1990er-Jahre für die Verwendung tragbarer CD-Player auf den Markt gebracht) angeschlossen werden kann. Damit ist es möglich, die Musik des Wiedergabegerätes magnetisch direkt an einen Kassettenspieler zu übergeben. Das ist sinnvoll, wenn man die Musik des Wiedergabegeräts laut hören möchte, aber die vorhandenen Lautsprecher nur über einen Kassettenspieler genutzt werden können (z. B. bei einem Autoradio).
- Endlos-Kassette: Teilweise für Anrufbeantworter oder Beschallungen benutzt. Die Spieldauer variiert von wenigen Sekunden bis zu mehreren Minuten.
- Mini- und Mikrokassetten als Miniaturversionen der Audiokassette wurden 1967 bzw. 1969 entwickelt. Die Bandgeschwindigkeit wurde halbiert (2,38 cm/s) bzw. geviertelt (1,19 cm/s). Die Geräte sind als Diktiergeräte konzipiert, d.h. einfache bzw. einfachste Geräte. Verbunden mit der geringen Bandgeschwindigkeit ergeben sich Klangeigenschaften, die nur einfachste Qualitätsanforderungen erfüllen. Hauptanwendungszweck waren Anrufbeantworter und Diktiergeräte. Mittlerweile fast komplett durch Digitaltechnik ersetzt. Daneben war sie als Datasette in Laptops, wie dem Epson HX-20 in Gebrauch.
- MP3-Player in Form einer Audio-Cassette, der die von einer SD-Karte eingelesenen Titel auf den Tonkopf des Abspielgerätes übertragen kann.
- Reinigungskassette: Besitzt wahlweise ein mit Vliesstoffoberfläche versehenes Band, einen mechanisch bewegten Hebel mit getränktem Vlies (Allsop-3) oder ein ganz normal aussehendes Band, welches Magnetpartikel-Ablagerungen anziehen sollte. Sie wird zur Reinigung von Tonkopf und anderen bandführenden Teilen einige Sekunden bis Minuten abgespielt.
Kompaktkassetten zur digitalen Datenspeicherung
Ab den späten 1970er-Jahren wurde die Kassette, da billig und massenproduziert, auch zur Speicherung von Computerdaten bei Heimcomputern, vereinzelt im Maschinenbau und in der DDR auch bei professionellen Rechnern benutzt (siehe Datasette). Mit dem Siegeszug der schnelleren und bequemeren Disketten und Festplatten auch im Heimbereich ging die Ära dieser Anwendung jedoch ab den späten 1980er-Jahren allmählich zu Ende. Zur Datenspeicherung gab es Kassetten mit einem speziellen Bandmaterial. Diese tragen auf der Unterseite eine mechanische Kodierung, damit Datenlaufwerke ihre Parameter auf das spezielle Band einstellen können. Derartige Kassetten passen zwar mechanisch in jeden normalen Kassettenrekorder, haben jedoch für Audio-Zwecke keine ausreichende Klangqualität. Zudem waren die Laufzeiten meist wesentlich kürzer (C10 bis C20); Ladezeiten über zehn Minuten für ein einzelnes Programm waren eher selten, besonders, wenn so genannte Schnelllader verwendet wurden. Durch die kurzen Bänder wurden die Umspulzeiten verkürzt.
Kompaktkassetten zur digitalen Datenspeicherung wurden in den 1980er-Jahren auch von Blaupunkt zur Einspielung von Senderdaten in Autoradios mit PCI-System verwendet.
Weiterentwicklung
Bessere Bandtypen
Die IEC standardisierte vier Bandtypen. Diese Typen definieren das Aufsprechverhalten (Nennbias, Aufnahmefrequenzgang) wie den Nennfluss. Der Bandtyp sagt nur sehr bedingt etwas über die Chemie des Bandes aus.
- Eisenoxid (Typ I / IEC I) Sozusagen das Urband im Kassettensystem bildete das Eisenoxid-Band PES 18 der BASF, bestehend aus γ-Fe2O3-Partikeln. Alle Bandhersteller, die Bänder für Kompaktkassetten herstellten, bezogen sich zunächst auf dieses Band. Die schlechte Höhenaussteuerbarkeit veranlasste vielerlei Hersteller, nach Alternativen zu suchen und die Weiterentwicklung alternativer magnetischer Partikel zu forcieren. Referenzleerbänder: R 723 DG (BASF), 1979; Y 348 M (BASF), 1995
- Chromdioxid / CrO2 (Typ II / IEC II ) Chromdioxid ist eine Erfindung des US-amerikanischen Chemieunternehmens DuPont, das unter dem Namen Crolyn patentiert und vermarktet wurde. DuPont verfolgte eine restriktive Lizenzpolitik. Bandhersteller mussten die Partikel direkt bei DuPont beziehen – Ausnahme BASF: BASF konnte sich im Mai 1971 eine Exklusiv-Lizenz zur Herstellung von Chromdioxid sichern. Erste Chromdioxid-Bänder kamen bereits 1970 von Memorex und von Agfa. Agfa verwendete ein von der Konzernmutter Bayer AG entwickeltes Chromdioxid, das vom patentierten Verfahren von DuPont abwich. 1971 stellte die BASF das erste komplette Chromdioxid-Sortiment an Kompaktkassetten auf der Internationalen Funkausstellung vor. Das reine Chromdioxid-Band verlor gegen Ende der Kassetten-Zeit an Bedeutung. In der Typ-II-Klasse dominierten ab 1990 die HighBias-Bänder. Die BASF bzw. die Nachfolgerin EMTEC Magnetics hielt bis zu ihrer Insolvenz (2003) an Chromdioxid fest. Referenzleerbänder: DIN-Referenzleerband C 401 R (BASF), 1971; S 4592 A (BASF), 1981
- Chromdioxid-Substitute / Kobaltdotiertes Eisenoxid / HighBias-Band (Typ II / IEC II) Die kobaltdotierten Eisenoxid-Bänder, oder auch HighBias-Bänder genannt, gehörten zur gleichen Typ-II-Klasse. Diese Bänder hatten komplett andere physikalische Eigenschaften als echte Chromdioxid-Bänder, trotz IEC-Normung waren beide Bandtypen nie vollkommen kompatibel zueinander. Die Entwicklung dieser alternativen Bandtypen wurde durch die restriktive Lizenzpolitik von DuPont befeuert. Auch aus Protest zum Konkurrenten Sony, der sich eine Lizenz für Chromdioxid gesichert hatte, entwickelten die japanischen Bandhersteller eigene Alternativen mit kobaltdotiertem Eisenoxid.<ref>Patent DE 3235425 C2 Magnetisches Aufzeichnungsmedium und Verfahren zu seiner Herstellung, eingetragen am 24. September 1982.</ref><ref>Maike Lübbe: Diplomarbeit – Kobalt-dotiertes Zinkoxid, Bayerische Akademie der Wissenschaften, München 2005.</ref><ref>Gert Redlich: Nach viertel Zoll kam dann noch achtel Zoll … online im magnetbandmuseum.info, abgerufen am 22. Dezember 2013.</ref> Auch 3M forcierte diese Entwicklung. Obwohl das Chromdioxid-Band 1981 standardisiert wurde, holte die Wirklichkeit den Standard ein. Aufgrund der extremen Konkurrenzsituation in Japan wurden vorrangig die HighBias-Bänder von TDK oder maxell zur Geräteeinmessung verwendet als das Original der BASF. Folglich wurde das IECII-Referenzleerband der Wirklichkeit angepasst und das ursprüngliche Chromdioxid-Referenzleerband durch ein überarbeitetes Chromdioxid-Band ersetzt, das mit den kobaltdotierten Eisenoxidbänder (vorrangig TDK SA) vergleichbar war. Referenzleerband: U 564 W (BASF), 1987
- Ferrochrom / FeCr (Typ III / IEC III) Die Bandsorte bestand aus einer oberen Schicht Chromdioxid und einer unteren Schicht aus Eisenoxid. Große Schwäche war die extreme Mittensenke im Frequenzgang. Dieser Bandtyp verschwand Mitte der 1980er-Jahre. Referenzleerband: CS 301 (Sony), 1981
- Reineisenband / Metallband (Typ IV / IEC IV) Die Entwicklung von Metallband für das Kompaktkassetten-System begann Ende der 1960er-Jahre. Bereits 1972 stellte 3M ein Metallband vor, das schon das neu eingeführte Chromdioxid-Band in den Schatten stellte. 1979 kamen dann alle namhaften Bandhersteller mit eigenen Metallband-Kassetten auf dem Markt. Trotz der überlegenen Tonqualität blieb die Nachfrage auf niedrigem Niveau, so dass sich europäische Hersteller in den 1980er-Jahren aus der Metallband-Forschung zurückzogen. Erst mit dem Erfolg der Compact Disc wurde die Metallband-Cassette interessanter für die Speicherung von Musik aus digitalen Quellen. Insbesondere in Japan führten die dortigen Bandhersteller zahlreiche Typ-IV-Modelle mit hochwertigen wie skurrilen Gehäusen ein. Typ-IV-Kassetten verschwanden um 1998 vom westeuropäischen Markt. Referenzleerband: E 912 BH (TDK), 1981<ref>Ausführungen stützen sich auf: Friedrich Engel, Gerhard Kuper, Frank Bell: SECHSTES BAND: Musik von Kassetten. Die Magnetbandspeicher-Nachfolger des Eisenoxids. In: Zeitgeschichten: Magnetbandtechnik als Kulturträger. Ausgabe 2010, S. 456ff; Tabelle 31: IEC-Referenzleerbänder für Heimton- und professionelle Anwendungen, S. 540.</ref>
Damit die Bandsorten für die Aufnahme- und Abspielgeräte automatisch unterscheidbar sind, befinden sich symmetrische Einkerbungen auf der oberen Stirnseite der Kompaktkassette: Eisenoxid (I): keine Einkerbung; CrO2 (II): zwei außen; FeCr (III): zwei innen; Metal (IV): vier Einkerbungen. Kassetten des Typs FeCr (III) mit Einkerbungen für die automatische Erkennung sind sehr selten, ebenso Geräte, die die Einkerbungen von Typ-III-Kassetten richtig auswerten können (z. B. Dual C 814 und Dual C 824). Bei der Wiedergabe ist die Entzerrungseinstellung von Typ III identisch mit der von Typ II und IV. In Geräten mit automatischer Bandsortenwahl werden Typ-III-Bänder als Typ I erkannt, was eine Höhenanhebung von etwa 4 dB verursacht.
Die Unterschiede der Bandsorten liegen in deren Magnetisierbarkeit begründet: Während Eisenoxid-Beschichtungen bereits bei relativ geringer magnetischer Feldstärke (Amplitude bzw. Lautstärke) voll magnetisiert sind, können Metall-Beschichtungen auch stärkere magnetische Feldstärken noch unterscheiden, wodurch es möglich ist, Aufnahmen höher (lauter) auszusteuern, was den Dynamikumfang und den Rauschabstand erhöht: Beim Abspielen höher ausgesteuerter Aufnahmen kann man den Lautstärkeregler bei unveränderter Abspiellautstärke im Vergleich zu niedrig ausgesteuerten Aufnahmen leiser stellen; während also die Lautstärke des Nutzsignals (z. B. Musik) gleich geblieben ist, werden Band- und Geräterauschen heruntergeregelt und somit reduziert.
Die Unterschiede der Bandsorten und auch Bandqualitäten liegt auch im geometrischen Bereich. Kurze, richtig ausgerichtete Magnetnadeln in der Bandschicht können bei kürzeren Wellenlängen (hohe Frequenzen bei niedriger Bandgeschwindigkeit) am Wiedergabespalt einen deutlich höheren Pegel abgeben. Die Höhenaussteuerbarkeit und damit die Höhendynamik des Bandes nimmt entscheidend zu. Daher gab es auch aufwendige Zweischichtbänder, die dünnere Schicht an der Oberfläche war optimiert für den Hochtonbereich.
Die Stärken der Eisenoxidbeschichtung liegen in einer besseren Tiefenaussteuerbarkeit, während das Chromdioxidband eine bessere Höhenaussteuerbarkeit hat. Deshalb wird für Eisenoxidband gewöhnlich eine Aufnahmevorverzerrung bzw. Wiedergabeentzerrung mit einer Zeitkonstanten von 120 µs benutzt, während für die anderen Bandsorten 70 µs benutzt wird. Die Entzerrung mit 70 µs hilft, das Rauschen, bei dem die hohen Frequenzbereiche dominieren, zu verringern. Bei falscher Bandsorteneinstellung stimmt der Frequenzgang der Aufnahme bei der Wiedergabe nicht, wodurch das Audiomaterial entweder zu dumpf (Fe2O3-Band mit 70-µs-(Chrom-)Einstellung) bzw. zu spitz (z. B. CrO2 mit 120-µs-(Ferro-)Einstellung) klingt. Um die Vorteile von Eisenoxid und Chromdioxid zu kombinieren, wurde das Zweischichtband (Ferrochrom-Band) entwickelt, bei dem sich auf einer Eisenoxid- eine Chromdioxid-Schicht befindet.
Vorbespielte Kassetten mit Chromdioxidband werden häufig mit einer Aufnahmevorverzerrung von 120 µs bespielt, d. h. der Kassettenrekorder sollte beim Abspielen auf Ferro-Band eingestellt sein. (Beschriftung der Kassette beachten.) Bei diesem Vorgehen wird die gegenüber Eisenoxid-Band verbesserte Höhenaussteuerbarkeit des Chromdioxid-Bandes nicht dazu genutzt, um das Rauschen mittels 70-µs-Entzerrung zu verringern, sondern um das Klangmaterial im Präsenz- und Hochtonbereich besser wiedergeben zu können. Diese Technik kommt den veränderten Hör- bzw. eher Produktionsgewohnheiten entgegen, wonach Musik heute oft höhenbetont ist, die Aussteuerung extrem hoch gefahren wird bei gleichzeitig weniger Dynamik von modernen Produktionen. Das ergibt hier den besseren Kompromiss für das Rauschen (siehe Loudness war).
Wegen der ferromagnetischen Eigenschaften der Tonbänder (Hysterese) ist bei der Aufnahme die sogenannte Vormagnetisierung (engl. Bias) vonnöten. Die Stärke der Vormagnetisierung muss auf das benutzte Bandmaterial optimiert werden. Reineisenbänder benötigen eine deutlich stärkere Vormagnetisierung als Chromdioxidbänder, diese wiederum eine stärkere als Eisenoxidbänder. Eine zu hoch eingestellte Vormagnetisierung vermindert die Qualität im Hochtonbereich, eine zu gering eingestellte die Qualität im unteren und mittleren Bereich. (siehe auch Dolby HX Pro).
Einmessung
Höherwertige Kassettendecks messen sich auf die tatsächlichen Bandeigenschaften durch Testaufnahmen (teilweise automatisch) ein, d. h. sie stellen die exakte Stärke der Vormagnetisierung bzw. Aufnahmevorverzerrung ein. Bei sehr minderwertigen Kassettengeräten wird oft aus Sparsamkeit statt eines elektrischen Löschkopfes nur ein wegklappbarer Dauermagnet eingesetzt; gleichzeitig wird statt einer Hochfrequenz-(Wechselstrom-)Vormagnetisierung nur eine Vormagnetisierung mit Hilfe eines Gleichstromes realisiert. Auf diese Weise wird die Oszillatorschaltung eingespart. Die Aufnahmen solcher Geräte klingen von Grund auf verrauscht (siehe auch Tonband, Vormagnetisierung).
Rauschunterdrückung
Das Problem des Rauschens bei der Wiedergabe versuchte man durch Rauschunterdrückungsverfahren zu beheben. Das bekannteste Verfahren ist das Dolby-B-System. Auch das Nachfolgeverfahren Dolby C erlangte weite Verbreitung, während das nochmals verbesserte Dolby S erst zum Ende der Kassetten-Ära erschien und deshalb keine große Bedeutung mehr erlangte. Eine geringe Bedeutung hatten High Com von Telefunken sowie dbx der Firma dbx und DNL von Philips.
dbx und HighCom erfassten den gesamten Frequenzbereich statt wie bei Dolby B nur den Höhenbereich. „dbx“ war für sein deutlich wahrnehmbares „Atmen“ bekannt, bei dem das An- und Abschwellen des Rauschpegels vor und hinter leiseren Passagen zu hören war. dbx war als eigenständiges Zusatzgerät erhältlich, das mit beliebigen Recordern eingesetzt werden konnte. Die Rauschunterdrückung war hier wie bei HighCom gut, arbeitete jedoch oft nicht ausreichend schnell. Mit dbx dynamikkomprimierte Bänder mussten daher behutsam ausgesteuert werden, um nicht zu verzerren. Die Kompression war nur für die besseren Bandsorten Chromdioxid und Reineisen (Metal) effizient, Bänder aus Eisenoxid hatten materialbedingt eine zu schwache Höhenwiedergabe. Eine rein wiedergabeseitige Rauschunterdrückung war DNL, während alle anderen Verfahren Aufnahme und Wiedergabe behandelten.
Azimut-Probleme
Eine große Schwäche des Kompaktkassetten-Systems ist, dass Elemente der Bandführung sowohl zum Laufwerk als auch zum Kassettengehäuse gehören. Mechanische Ungenauigkeiten von Kassettengehäuse und Laufwerk und deren eventuell ungünstige Kombination ergeben einen dumpfen Klang. Um den Hochtonbereich voll wiedergeben zu können, müssen die Magnetaufzeichnungen bei der Wiedergabe genau so abgetastet werden wie bei der Aufnahme bespielt. In beiden Fällen soll der Tonkopfspalt exakt senkrecht zur Bandlaufrichtung bzw. Bandkante stehen. Diese senkrechte Ausrichtung wird wie in der Himmelsgeometrie Azimut (engl. Azimuth) genannt. Um einen exakten Bandlauf zu gewährleisten, müssen aber alle Elemente, über die das Band läuft, mit höchster Sorgfalt konstruiert, hergestellt und justiert werden. Zusätzlich zu den Azimut-Problemen beim Spulentonband gibt es hier den Einfluss des Kassettengehäuses. Verstärkt wird der Effekt bei kleinen Bandgeschwindigkeiten (kleinen Wellenlängen), vermindert glücklicherweise aber bei schmalen Magnetspuren, wie bei der CompactCasette vorhanden. Ein Gehäuse,<ref>Azimuth Precision of Compact-Cassette Shells (Azimut-Präzision von CompactCassetten-Gehäusen), AES Hamburg 1989 No.2808, Arndt Klingelnberg</ref> das nicht mit höchster Präzision hergestellt wurde, kann selbst mit dem besten Band und Gerät oft keine hochwertige Qualität liefern.
Eine dumpfe Wiedergabe ist meist die Auswirkung eines im Azimut falsch justierten Aufnahme- und/oder Wiedergabekopfes oder eben eines schlechten Kassettengehäuses. Wird das Band auf dem Aufnahmegerät wieder abgespielt, heben sich die Fehler weitgehend auf, das Azimut-Problem bleibt dann gering. Bei unterschiedlichen Laufwerken, wie z.B. im Autoplayer wird es kritisch, so kann auch das Aufnahmegerät des Musikkassetten-Herstellers die Ursache sein bzw. (häufiger) das dort genutzte Kassettengehäuse.
Die Dolby-B-Rauschverminderung verstärkte ein vorhandenes Azimut-Problem. Wenn Dolby-B-Aufnahmen dumpf klangen, war sehr oft ein Azimutfehler vorhanden.
Da der Bandlauf immer etwas schwankt, wird auch der Azimut variieren. Eine gut-schlecht-wechselnde Hochtonwiedergabe ist besonders auffällig und störend.
Das Abspielen der 'alten' eigenen CompactCassetten oder MusiCassetten heutzutage ist meist kritisch, da Aufnahme- und Wiedergabegeräte verschieden sein werden. Hochwertige gepflegte Wiedergabelaufwerke stehen oft nicht mehr zur Verfügung. Gerade bei einer digitalen Überspielung stört das natürlich nachhaltig. Oft hilft ein vorsichtiges geringfügiges Nachjustieren des Tonkopfes mit einem entmagnetisierten Schraubendreher, und zwar individuell für jede Kassettenseite. Eine MONO-Einstellung während der Justage hilft deutlich.
Digitale Nachfolger
Als Nachfolger der Kompaktkassette wurden das Digital Audio Tape (DAT), von Sony die MiniDisc (MD) und von Philips Anfang der 1990er-Jahre die mit der CC abwärtskompatible digitale Kompaktkassette DCC vorgestellt. Diese neuen digitalen Medien ermöglichen die digitale Kopie von Musik oder Daten, wobei sowohl MiniDisc als auch DCC verlustbehaftete Audiodatenkompression einsetzten. Bei der MiniDisc entfällt auch das Warten beim Vor- und Zurückspulen, und einzelne Titel lassen sich direkt anwählen. Während sich DAT und MD langsam halbwegs erfolgreich entwickelten, war die DCC für Philips ein völliger Misserfolg und wurde nach wenigen Jahren eingestellt. Mit der großen Verbreitung der selbst beschreib- bzw. aufnehmbaren Compact Disc (Compact Disc Recordable, CD-R) ab den späten 1990er-Jahren kam jedoch sowohl die Kassette als auch alle ihre digitalen Nachfolger (MD und DAT) vollständig ins Hintertreffen und deren Weiterentwicklung wurde weitgehend eingestellt.
Aktuelle Situation
Die Kassette wird wegen inzwischen fortgeschrittener Technik immer mehr vom Markt verdrängt.<ref name="Ausgespielt Audiokassetten kaum noch benutzt:">www.digitalfernsehen.de Ausgespielt: Audiokassetten kaum noch benutzt. 10. August 2007.</ref> In den meisten Ländern Afrikas sowie West- und Südasiens erscheint aber auch heute noch ein Großteil aller Musikaufnahmen auf Kassette, da Kassettenrekorder (ebenso wie die Medien) robuster als CD-Spieler sind und ohne patentierte und nur in Industrieländern produzierte Spezialelektronik gebaut sind und repariert werden können.
Ein besonders wichtiger Faktor ist die Robustheit. Denn im Gegensatz zu Schallplatten und CDs toleriert eine Kassette in Maßen auch Hitze, Staub und ist relativ unempfindlich; nur hohe Feuchtigkeit verträgt sie schlechter als andere Medien.
In Deutschland findet sie mitunter als Hörspielkassette bzw. Hörbuch insbesondere für Kinder weiterhin Verwendung, was sich auch im Handel durch einen noch weitgehend intakten Markt für neue Kinderkassettenrecorder widerspiegelt. Auch im Rap-Bereich ist sie weiterhin durch die von z. B. DJs individuell zusammengestellten Mixtapes verbreitet. Ebenso wird die Kassette im (extremen) Metal, Punk oder Hardcore für Demo- und Promo-Zwecke weiterhin verwendet. Im Post-Industrial und Noise wird sie auch für reguläre Veröffentlichungen (mit Auflagengrößen im zwei- bis dreistelligen Bereich) und zweckentfremdet als Musikinstrument genutzt.
Wegen der hohen Flexibilität des Mediums ist sie bei Rundfunkaufnahmen ohne hohe Qualitätserwartung nach wie vor erste Wahl. Auch gibt es in Deutschland noch eine geringe Anzahl an Vereinen, wie den Ring der Tonbandfreunde (RdT) oder das Bayerische Kaleidofon, die monatlich selbst gestaltete Tonaufnahmen auf Kassette publizieren.
Durch die oben genannte Robustheit sind Kassettenmedien auch im Auto noch recht beliebt, da ein Wechsel einfach und ohne Hinsehen vor sich geht. Daher gibt es auch von den Autoherstellern oder Nachrüstern noch entsprechende Geräte. Die komfortableren Geräte erlauben auch das Überspringen einzelner Titel, wenn die akustische Pause lang genug ist (ca. vier Sekunden). Dadurch wird der unten genannte Nachteil (Spulvorgang) teilweise kompensiert. Diese Technik zum Überspringen einzelner Titel wurde bereits in den 1980er-Jahren durch Sharp bei Set-Top-Geräten als Automatic Program Search System implementiert.
Ein Nachteil der Kassette ist, dass es wie beim Tonbandgerät „Bandsalat“ geben kann (beispielsweise durch fehlerhafte oder schlecht gewartete Abspielgeräte) und der Klang mit der Zeit durch Entmagnetisierungen an Qualität verliert. Auch Aussetzer – „Drop-outs“ genannt – nehmen durch Bandstaub und Verschleiß mit der Zeit zu. Anders als bei einer CD ist auch ggf. ein zeitraubendes Vor- bzw. Zurückspulen notwendig. Das unkomplizierte Löschen durch einfaches Überspielen mit neuen Inhalten und die im Vergleich zu digitalen Medien geringen Hardwareanforderungen prädestinieren die Kassette in vielen Fällen weiterhin für den alltäglichen Gebrauch.
Der Nachschub an fabrikneuen Leerkassetten und Cassettenbändern wird zukünftig jedoch knapp. In Deutschland wurde mit der Insolvenz der EMTEC-Magnetics-Gruppe 2003 die Produktion von Kassettenbändern und Leerkassetten eingestellt. Nach der Auflösung des Münchner EMTEC-Werks übernahm die Magnetbandfabrik im niederländischen Oosterhout, die zuletzt als RMG International (RMGi) firmierte, die Herstellung der Münchner Rezepturen von professionellen Tonbändern und Kassetten-Duplizierbändern auf der Basis von Eisenoxid. Die Produktion in Oosterhout ist seit Frühjahr 2012 eingestellt, die Fabrik abgerissen.<ref>bndestem.nl</ref> Die Produktionsanlagen wurden zu Pyral, einem Spezialisten für Magnettonfilm und früher zur BASF/EMTEC Magnetics-Gruppe gehörend, ins französische Avranches transportiert.<ref>Webseite von RMGi mit Pressemitteilung</ref> Dort werden weiterhin Tonbänder produziert.
Der einzig weltweit verbliebene nennenswerte Hersteller von Leerkassetten ist Panggung in Indonesien.<ref>panggung.com</ref> Der koreanische Hersteller Saehan produziert Magnetbänder mit kobaltdotiertem Eisenoxid für sowohl VHS-Video als auch für Kompaktkassette.<ref>saehanmedia.com</ref> Die Kassetten-Bänder sind jedoch nur für Konfektionierer bestimmt und in Europa als herkömmliche Leerkassetten nicht erhältlich. In den USA wird das Typ-II-Band von unterschiedlichen Medienanbietern angeboten. Chromdioxid-Bänder werden nicht mehr hergestellt. Nach der Insolvenz der EMTEC Magnetics riss die BASF ihre Produktionsanlage für Chromdioxid in Ludwigshafen ab.<ref>pressrelations.de</ref>
Die Anzahl der Konfektionierer sinkt ebenso. Konfektionierer sind Firmen, die Kassettenbänder bespielen und in Industriekassetten spulen, diese bedrucken und verpacken. Der letzte große Hersteller von bespielten Kassetten, die Pallas Group in Diepholz, gab die Produktion 2010 auf.<ref>Thorsten Firlus-Emmrich: Produktionsstop – Das Ende der Kompaktkassette. In: Wirtschaftswoche. 1. Juli 2010, abgerufen am 10. Februar 2014. </ref>
Am 16. September 2011 kündigte das Hörspiel-Label EUROPA an, ab 2012 keine MCs mehr zu produzieren, lediglich für die Serie mit den meisten MC-Sammlern (Die drei ???) würde die Produktion noch weiterlaufen. Als Grund nannte EUROPA, dass die MC-Käufe immer weiter zurückgehen und die Vorräte des rechtzeitig gesicherten Bandmaterials nicht mehr lange reichen werden, daher will man sich auf die MC-Sammler konzentrieren. Betroffen von der MC-Einstellung sind hauptsächlich Kinderserien wie Bob der Baumeister, Thomas, die kleine Lokomotive, Ritter Rost, Hui Buh, Die Teufelskicker, Hanni und Nanni sowie die recht bekannten Hörspielserien Fünf Freunde und TKKG.<ref>natuerlichvoneuropa.de</ref> Verblieben war als einziger Kassetten-Konfektionierer in Deutschland Optimal Media im mecklenburgischen Röbel/Müritz. Dort wurden die neueren Hörspiel-Kassetten der Die drei ??? produziert.<ref>Die Musikkassette überlebt im Kinderzimmer. In: Focus Online. 10. September 2012, abgerufen am 10. Februar 2014. </ref> Im April 2015 wurde dort die Kassettenfertigung eingestellt.<ref>Rewind? In: Jetzt. 18. September 2015, abgerufen am 30. September 2015. </ref>
Einlegen/Sichtkontrolle/Auswerfen/Bedienung
Kassetten können je nach Gerättyp von oben oder von vorne in die Wiedergabegeräte (oder Recorder) eingelegt werden. DJs verwendeten eher Kassettendecks, in deren ein bis zwei offene Gruben an deren Oberseite die Kassette flach von Hand eingedrückt und damit eingerastet werden kann, und zwar mit der offenen Seite zum Körper des Bedieners, da so sowohl die Beschriftung für den Inhalt (meist nur dieser einen Kassettenseite) aufrecht gelesen werden als auch das lose Anliegen des Bandes an der Kassettenöffnung sichtkontrolliert werden kann. Solche Geräte konnten kleine, nur die Gruben abdeckende, demontierbare Deckel aufweisen oder einen großen Klappdeckel an zwei Scharnieren, der die gesamte Geräteoberseite – wie bei Plattenspieler häufig – gegen Staub und Getränkespritzer abdeckt und idealerweise auch in teilgeöffneter Schwenkposition stehen bleibt.
Simple kleine transportable Geräte bis zum letzten Schritt der Miniaturisierung, dem Walkman erforderten das gleiche direkte händische Einlegen hinter/unter einer geöffneten kleinen Klappe.
Ursprünglich und in Standgeräten formten die Klappdeckel jedoch Führungsrillen aus, in die Kassette – je nach Typ mit der geschlossenen oder offenen Breitseite voran eingeschoben wird. Durch Zuklappen dieser „Lade“ wird die Kassette dann in Position gebracht. Der Mechanismus dieser Laden reichte von Scharnier mit Feder und hörbarer Einrastung über hydraulische Dämpfung bis zur sanften fast lautlosen Aktion eines Servomotors.
Deckel oder Laden sind über dem Bereich des Kassettensichtfensters transparent und im Gerät darunter liegt eine Spiegelfolie, so dass der Stand des Bandwickels kontrolliert werden kann. Die beidseitig daneben liegenden dreizähnigen Bandwickeldorne bleiben ebenfalls sichtbar und es kann – an den Zähnen oder Facetten – beobachtet werden, ob sie stillstehen oder sich (je nach Bandstand unterschiedlich) langsam drehen oder beim Umspulen verwischend schnell.
Die vollständig eingelegte Kassette durchdringt an Öffnungen diese Wickeldorne, zwei Passstifte und die Bandantriebswelle (Capstan). Erst durch Drücken der mechanisch wirkenden, einrastenden Taste zum Abspielen wird der Tonkopf ans Band und die Gummianpressrolle an die Capstan-Welle gedrückt und am Ende des Bedienwegs der Antrieb und damit die Wiedergabe gestartet.
Um eine Tonaufnahme zu machen, ist zusätzlich zur Start-Taste (mit Pfeil nach rechts, der Bandlaufrichtung) gleichzeitig auch die Aufnahmetaste (meist rot markiert) zu drücken. Fehlt die Löschsicherungslasche an der entsprechenden Ecke der geschlossenen Kassetten-Längsseite, tastet der Fühler dort ins Leere und blockiert den Aufnahmeknopf.
Zum Einbau in Autoarmaturenbretter wurden Geräte entwickelt, in die die Kassette bei einem Schlitz gegen die Federkraft eines Auswurfmechanismus eingeschoben werden kann. Entweder mit der bandoffenen Breitseite der Kassette voran oder aber einer Schmalseite, dann zeigt die Form des Schlitzes an, wohin die etwas höhere bandoffene Seite orientiert werden muss.
In allen Fällen ist die gewünschte Spielseite (vorwärts) A oder B (manchmal 1 oder 2) mit dem Beschriftungsetikett nach oben zu orientieren, die meisten Laden erlauben auch das Lesen dieser Beschriftung. Bei Topladern ist die bandoffene Kassetten-Längsseite fast immer nach vorne orientiert, bei Frontladern in der Lade nach unten.
Geräte mit „Reverse“-Funktion erlauben auch das Abspielen durch Umkehrung der Bandlaufrichtung, so dass eine Kassette ohne händisches Wenden vollständig, also auf beiden Seiten abgespielt werden kann, sowie das Endlosspiel. Je nach Leeraum am Ende des Magnetbandes plus (zweimal) Länge des Vorspanns entstehen jedoch gewisse Pausen.
Bis auf allereinfachstes Kinderspielzeug-Gerät, bei dem dann eine Kupplung rutscht und eventuell quietscht, hatten alle Geräte eine automatische Abschaltung beim Stoppen der Wickel durch das Erreichen des Bandendes. Im einfacheren Fall wird dabei nur der Motor gestoppt, wie durch eine „Pause“-Taste. Komplexer ist die Servo-Lösung, die auch die Magnetköpfe und die Andruckrolle ausrückt, was oft hörbar ist.
Durch kräftigen Druck auf eine Auswurftaste oder einfaches Öffnen der Lade von Hand wird die Kassette mehr oder weniger laut ausgerastet oder auch ein Stück herausgehoben. Bei Autogeräten mit Schlitz wird die Kassette ein Stück herausgeschoben, nach dem manuellen Herausnehmen verschließt eine Klappe den Schlitz dann von innen gegen Staub.
Einfache Geräte kommen für Bandtransport mit kontrollierter konstanter Geschwindigkeit und dabei variabel schnell laufender Bandaufwicklung und schnellem Umspulen mit einem einzigen Motor aus. Sogar das Ausrücken von Tonkopf & Co am Bandende kann vom selben Motor angetrieben sein. Präziserer Gleichlauf des Bandes wird durch einen eigenen Motor nur für den Bandtransport erreicht.
Rundfunkberichte
- Sebastian M. Krämer: 50 Jahre Kompaktkassette. In: SWR2. „Wissen“ vom 9. Dezember 2013.
Literatur
- Gerhard Heinrichs: Tonband- und Cassetten-Recorder-Service. Franzis, München 1988, ISBN 3-7723-5703-2.
Weblinks
- Vergleich fast aller Magnetband-Kassetten
- Kleine Historie zur Geschichte der Magnetbandtechnik
- Die TESTcassette des DHFI zeigt den möglichen Stand der CompactCassetten-Technik (1980, Arndt Klingelnberg)
- Fotos von Hunderten von Kompaktkassetten, Mitarbeit erwünscht
- Anleitung zum Digitalisieren von Audio-Kassetten
- Weiterführender Artikel über die Nutzung der Kompaktkassette als Datenträger für Computerspiele
- Michail Hengstenberg: Musik-Kassette, einestages auf Spiegel Online
- Sammler-Seite mit Fotos von Cassetten, Zeitschriften und Tapedecks
Einzelnachweise
<references />