Geigenbauer
Der Beruf des Geigenbauers umfasst die Pflege, Wartung, Reparatur und Herstellung von Streichinstrumenten, neben der Violine auch die Bratschen, das Violoncello, den Kontrabass und andere Instrumente der Gambenfamilie. Streichbögen werden in der Regel nicht vom Geigenbauer, sondern vom Bogenmacher hergestellt. Die Instandsetzung liegt jedoch meistens in der Hand des Geigenbauers.
Geigenbauer ist heute in Deutschland ein anerkannter Ausbildungsberuf nach der Handwerksordnung. Die Ausbildung des Geigenbauers erfolgt innerhalb einer dreijährigen Lehre bei einem Geigenbaumeister oder dreieinhalb Jahre lang in einer Berufsfachschule und schließt gewöhnlich mit der Gesellenprüfung ab. Geigenbaugesellen können sich zum Handwerksmeister und zum Diplom-Musikinstrumentenbauer qualifizieren. Der Beruf des Geigenbauers ist in Deutschland seit der Reform der Handwerksrechtsnovelle 2004 ein zulassungsfreies Handwerk und kann ohne Gesellen- oder Meisterbrief ausgeübt werden.
Der Geigenbau ist ein recht konservativer Beruf. Zum Herstellen der Instrumente werden Handwerkstechniken genutzt, die bereits Jahrhunderte alt sind. Der Bau umfasst rund 500 Arbeitsgänge und dauert in der Regel bis zu drei Monate, bei besonders guten Instrumenten aber auch weit länger.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Der Beruf ist eng mit dem Zupfinstrumentenbau verwandt. Streichinstrumente entstanden daher auch in den Werkstätten der Lautenbauer. Die heutige französische Bezeichnung für Geigenbauer, Luthier, geht auf den Lautenbau zurück. Die Hersteller von Streichinstrumenten wurden im deutschsprachigen Raum Geigenbauer genannt, da Geige der Oberbegriff für diverse Streichinstrumente ist. Geigenbauer stellten vereinzelt aber auch Zupfinstrumente, wie Lauten, Mandolinen, Harfen, Gitarren sowie Drehleiern her. Klare Abgrenzungen zwischen den Instrumentenbauern wurden später und regional durch Berufsverbände geschaffen.
Zu den ersten berühmten Geigenbauern zählen Andrea Amati und Antonio Stradivari sowie Gasparo da Salò. Der im norditalienischen Cremona lebende Amati erhielt einen Auftrag vom französischen König über den Bau von Streichinstrumenten, darunter auch die damals neue Violinengattung. Da Salò baute in Brescia vorwiegend Violinen, Bratschen und Streichbässe. Besonders begehrt sind heute seine Bratschen. Diese haben zwar zum großen Teil eine beträchtliche Korpuslänge, eignen sich aber im Konzertbetrieb als Soloinstrumente. Er begründete eine eigenständige Geigenbautradition in Brescia. Sein bedeutendster Schüler war Giovanni Paolo Maggini, der die Werkstatt nach dessen Tod übernahm. Als einziger bekannter Mitarbeiter und Schüler von Maggini gilt Valentino Siani, der bis circa 1620 bei Maggini arbeitete. Valentino Siani zog circa 1621 nach Florenz und gilt dort als Begründer des Florentiner Geigenbaus.
Geigenbauzentren
Sachsen
- Dresden
- Leipzig
- Markneukirchen
- Der Musikwinkel im Vogtland
- Siehe auch: Geigenbauer in Klingenthal
-
- Randeck
Süddeutscher Raum
- Bubenreuth, das Zentrum des fränkischen Streich- und Zupfinstrumentenbaus
- Füssen
- In der europäischen Musikgeschichte erlangte das Füssener Land durch seine Lauten- und Geigenmacher herausragende Bedeutung. Füssen gilt heute in der musikwissenschaftlichen Forschung als die Wiege des gewerbsmäßig betriebenen Lautenbaus in Europa. Hunderte Namen von Lautenmachern und Geigenbauern aus dem Füssener Kulturraum sind zwischen 1436, der ersten archivalischen Nennung, und 1866, dem Tod des letzten Füssener Geigenmachers Joseph Alois Stoß, bekannt.
- Mittenwald
- Matthias Klotz, als erster einer Dynastie von 36 Geigenbauern
- Sebastian Klotz, seine Instrumente richteten sich nach Vorbildern wie den Amati-Geigen, während andere Familienmitglieder nach dem Stainer-Modell mit höherer Wölbung arbeiteten
- Staatliche Berufsfachschule für Musikinstrumentenbau
- Nürnberg
Österreich
- Salzburg
- Marcell Pichler arbeitete zunächst in Hallein bei Salzburg, später in der Stadt Salzburg.
- Johann Schorn gilt als Erfinder der Viola d'Amore. Arbeitete im Stil von Jakob Stainer und Matthias Alban. Wenige, jedoch sehr qualitätvolle Instrumente sind erhalten.
- Andreas Ferdinand Mayr, wenige, jedoch sehr qualitätvolle Instrumente sind erhalten.
- Tirol
- Jakob Stainer aus Absam, dessen Instrumente bis um 1800 wertvoller waren als die italienischen. Im 19. Jahrhundert wurden bei der „Anpassung“ der Stainergeigen an das Klangideal der Romantik viele Geigen Stainers unwiederbringlich zerstört.
- Wien
- In Wien sind Lauten- und Geigenmacher bereits seit dem 15. Jahrhundert nachweisbar. Der Wiener Geigenbau erlebte seine Blüte mit dem Aufstieg der Stadt zum politischen und kulturellen Zentrum der Monarchie am Anfang des 18. Jahrhunderts. Während im 17. und 18. Jahrhundert vor allem die aus Füssen zugewanderten Geigenbauer dominierten, war der Wiener Geigenbau des 19. Jahrhunderts in stilistischer Hinsicht durch eine enge Verbindung mit der Prager und Budapester Geigenbauschule gekennzeichnet.
England
- die Familie Hill
- Die 1972 gegründete Newark School of Violin Making bei Nottingham zählt zu den bekannten Instrumentenbauschulen. Sie ist Lehrstätte für rund 100 Schüler aus aller Welt. Ihr offenes, modernes Konzept verbindet die jahrhundertealte Tradition des Geigenbaus mit neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen auf den Gebieten der Akustik und Materialkunde. Ihre Lehrer sind allesamt zugleich auch Geigenbauer oder -restauratoren, so dass ein enger Praxisbezug die Unterrichtsatmosphäre prägt.
Italien
Die Zentren: Cremona, Mailand, Brescia, Venedig, Neapel, Florenz und Turin.
- Gasparo da Salò
- die Familie Amati
- die Familie Gagliano
- Guarneri del Gesù
- Giovanni Paolo Maggini
- Francesco Ruggeri
- Valentino Siani
- Antonio Stradivari
- Carlo Testore
- Giovanni Battista Guadagnini
- Lorenzo Storioni
- Tommaso Balestrieri
- Giovanni Francesco Pressenda
- Evasio Emilio Guerra
- Matthias Alban wirkte in Bozen.
Frankreich
In Frankreich kommen zahlreiche Geigenbauer aus Lothringen, vor allem aus der Gegend um Mirecourt und Nancy, sowie aus Paris. Die Familie Vuillaume aus Mirecourt stellte zahlreiche Geigenbauer, der berühmteste Sohn der Familie war Jean-Baptiste Vuillaume. Mirecourt ist besonders bekannt für seine hervorragende Herstellung von Streichbögen.
Niederlande
Zentrum des niedeländischen Geigenbaus war hauptsächlich Amsterdam
Tschechien
- Jan Kulík in Prag
- Die Familie Vávra, insbesondere Karel Vávra
- Přemysl Otakar Špidlen
- Josef Bohumil Herclík
- Ladislav Prokop
Japan
Arbeiten eines Geigenbauers
Materialauswahl
Die Decke wird aus dem Holz der Fichte hergestellt. Der sonstige Korpus wird aus Ahorn gefertigt. Griffbrett, Wirbel und Saitenhalter werden aus Ebenholz oder seltener aus anderen Harthölzern wie Buchsbaum und Palisander hergestellt.
Die Materialqualität des Holzes spielt für den späteren Klang des Instruments eine große Rolle. Die Holzbeschaffung, Lagerung und Materialauswahl sind daher grundlegende Aufgaben, die erfahrenen Geigenbauern vorbehalten sind.
Herstellung eines Streichinstruments
Wenn ein Geigenbauer beginnt, ein neues Instrument zu bauen, steht er zunächst vor der Modellfrage. So kann er entweder ältere Modelle kopieren oder in Anlehnung an diese neue Instrumente entwickeln oder aber ganz neue Entwürfe anfertigen. Neukonstruktionen sind im Streichinstrumentenbau allerdings kaum gebräuchlich, meistens hält man sich an die Maße der großen Meister. Vor allem Stradivari, Amati und Guarneri haben in dieser Hinsicht die Maßstäbe gesetzt.
Zunächst wird die Geigeninnenform und Schablonen für Boden- und Deckenumriss sowie die Halsschablone hergestellt, danach werden Boden und Decke gefugt, gewölbt und umschnitten.
Im Gegensatz zu Decke und Boden werden die Zargen, die zusammen mit den vier Eckklötzen sowie dem Ober- und Unterklotz den Zargenkranz bilden, zunächst als plane Streifen auf die richtige Stärke gehobelt. Danach erfolgt mit Dampf und Druck auf einem speziell dafür geformten Biegeeisen ihre Biegung in die richtige Form. Die Klötze, an denen die Zargen festgeleimt sind, dienen als Gerüst. In den Oberklotz wird später der Hals eingelassen und geleimt.
Auf den Boden werden nun die Zargenteile aufgeschachtelt, und nach Einschneiden der F-Löcher und Einleimen des Bassbalkens in die Decke wird diese auf die Zargen geleimt. Der Korpus ist fertig.
Bevor der Hals in den Korpus eingepasst werden kann, muss eine Schnecke geschnitzt werden. Der nun folgende Arbeitsgang des Lackierens wird auch im Artikel Geigenlack behandelt.
Nach dem Aufleimen des Griffbrettes wird die Arbeit vollendet: Die Wirbel werden eingepasst, das Instrument wird poliert, der Steg aufgeschnitten, der Stimmstock gesetzt und schließlich die Saiten aufgezogen.
Die reine Handwerksarbeit ist damit abgeschlossen. Um jedoch daraus ein Spitzeninstrument zu machen, ist eine aufwändige Justierung notwendig. Der Geigenbauer spielt das neue Instrument ein paar Wochen lang und notiert sich, welche Töne ihm nicht gefallen, weil sie zu schwach, zu stark, zu dumpf, zu schrill usw. sind. Wenn er glaubt, alle Fehler entdeckt zu haben, öffnet er die Geige wieder und beginnt, an bestimmten Stellen dünne Holzschichten abzutragen. Die Kunst ist dabei, zu wissen, welche Änderungen am Korpus welche Töne und Klangfarben beeinflussen können. Schließlich wird die Geige wieder zusammengeleimt und lackiert, dann beginnt wieder das Probespielen. Dieser Zyklus kann mehrmals durchlaufen werden, bis der Geigenbauer mit dem Klang zufrieden ist. Für derartige Spitzeninstrumente werden auch Spitzenpreise bezahlt.
Weitere Arbeiten
- Restaurierung, Verbesserung und Konservierung von Streichinstrumenten
Der Geigenbauer befindet sich bei der Restaurierung von Streichinstrumenten in einem steten Dilemma, einerseits soll er möglichst den originalen Zustand und die originale Substanz der Instrumente konservieren, andererseits muss er das Instrument möglichst leistungsfähig in Bezug auf den Klang wiederherstellen.
Die Instrumente der Geigenfamilie sind aufgrund ihrer Bauart sehr reparaturfreudig, d. h. sie können fast immer ohne Beschädigung geöffnet, instandgesetzt und wieder geschlossen werden. Die Reparatur bezieht sich oft auf Spannungsrisse und Unfallschäden. Die Wartung bezieht sich überwiegend auf Wirbel, Steg, Lack und Bogen. Diese Arbeiten überlässt der Besitzer eines wertvollen Instrumentes regelmäßig dem Geigenbauer seines Vertrauens.
Siehe auch
Literatur
- Leo von Lütgendorff: Die Geigen- und Lautenmacher vom Mittelalter bis zur Gegenwart. (1923) 2 Bände. Unveränderter Nachdruck der 6., durchgesehenen Auflage. Schneider, Tutzing 1975. ISBN 3-795-20061-X. Mit einem Ergänzungsband von Thomas Drescher, 1990. ISBN 3-795-20616-2
- Otto Möckel: Geigenbaukunst. 8. Auflage. Nikol Verlagsgesellschaft, 2005. ISBN 3937872094.