Germar Rudolf


aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Wechseln zu: Navigation, Suche

Germar Rudolf (* 29. Oktober 1964 in Limburg an der Lahn) ist diplomierter Chemiker und verurteilter Holocaustleugner. Er ist der Verfasser des wissenschaftlich widerlegten, sogenannten Rudolf-Gutachtens,<ref>Chemistry is not the Science. Widerlegung des „Rudolf-Gutachtens“ durch Richard Green auf der Website des Holocaust History Project.</ref> das Zweck und Funktionsweise der Gaskammern im KZ Auschwitz-Birkenau bestreitet. Nach Angaben des Verfassungsschutzes ist er „der aktivste deutsche rechtsextremistische Geschichtsrevisionist“.

Leben

Nach seinem Abitur 1983 in Remscheid nahm Rudolf ein Studium der Chemie in Bonn auf, das er 1989 abschloss. Während seines Studiums gehörte er den Studentenverbindungen A. V. Tuisconia Königsberg Bonn und K. D. St. V. Nordgau Prag zu Stuttgart im Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen an, wurde von diesen jedoch 1994 wegen seiner revisionistischen Äußerungen ausgeschlossen. Während seiner Schul- und Studienzeit war Rudolf zeitweilig Mitglied bei der Jungen Union und später 1985 und 1986, später von 1989 bis 1991 Mitglied der Partei Die Republikaner.<ref>Bayrisches Landesamt für Verfassungsschutz (Hrsg.): Verfassungsschutzbericht Bayern 2003. 2004, S. 84.</ref>

Promotionsstelle und „Auschwitz-Gutachten“

Nach seinem Grundwehrdienst erhielt Rudolf im Oktober 1990 im Rahmen seiner Promotion eine befristete Anstellung am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart. Während dieser Zeit verfasste er zudem im Auftrag des Düsseldorfer Rechtsanwalts Hajo Herrmann, der den General a. D. Otto Ernst Remer in einem Prozess wegen Volksverhetzung vertrat, eine Schrift unter dem Titel Gutachten über die Bildung und Nachweisbarkeit von Cyanidverbindungen in den Gaskammern von Auschwitz. In diesem umstrittenen Rudolf-Gutachten behauptet er unter anderem, den Gaskammern des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau Mauerproben entnommen und in den Gesteinsresten nur kleine Rückstände von Zyklon-B-Verbindungen gefunden zu haben, so dass damit keine Massenmorde an Menschen stattgefunden haben könnten. Als die Verbreitung von Rudolfs „Gutachten“ Anfang 1993 einige Medienaufmerksamkeit erregte, ordnete sein Arbeitgeber an, dass Rudolf sich nicht mehr ohne vorherige Aufforderung im Institut aufhalten dürfe. Als Rudolf das Institut dennoch ohne Erlaubnis betrat, wurde sein Arbeitsvertrag fristlos gekündigt.

Veröffentlichungen unter Pseudonym

Von 1992 bis 1995 verfasste Rudolf seine revisionistischen Schriften unter zahlreichen Pseudonymen, unter anderem als „Ernst Gauss“, „Manfred Köhler“, „Jakob Sprenger“, „H. K. Westphal“, „Dipl.-Ingenieur Dr. W. Kretschmer“, „Dr. Ch. Konrad“, „Dr. Dr. R. Scholz“, „Michael Gärtner“ und „Anton Mägerle“ (als irreführende Anspielung auf Anton Maegerle).<ref>Annett Heide: Sammler und Jäger. In: Berliner Zeitung. 15. April 2002, abgerufen am 17. Juni 2015.</ref> Nach eigenem Eingeständnis wollte er sich dadurch in erster Linie der staatlichen Strafverfolgung entziehen.

Strafverfolgung in Deutschland

Die Verbreitung seines „Auschwitz-Gutachtens“ führte zu einem Strafermittlungsverfahren gegen Rudolf. Zwischen November 1994 und Juni 1995 stand Rudolf dann vor dem Landgericht Stuttgart vor Gericht, um sich für seine Rolle bei der Verbreitung seines „Gutachtens“ im Frühjahr 1993 zu verantworten. Er wurde letztlich zu 14 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Gleich zu Beginn dieses Strafprozesses erschien Ende 1994 unter dem Pseudonym „Ernst Gauss“ Rudolfs Publikation Grundlagen der Zeitgeschichte. Ein Handbuch über strittige Fragen des 20. Jahrhunderts im Grabert-Verlag. Aufgrund dieser Publikation kam es 1995 erneut zu einem Strafermittlungsverfahren gegen Rudolf, während sein erstes gerade vor Gericht verhandelt wurde.

Flucht über Großbritannien in die Vereinigten Staaten

Rudolf floh im Frühjahr 1996 zunächst nach Spanien, schließlich weiter nach Großbritannien, um seiner 1995 vom Landgericht Stuttgart verhängten Freiheitsstrafe von 14 Monaten sowie weiteren Strafen zu entgehen.<ref>Terri Judd: Neo-Nazi on the run is hiding in Britain. In: The Independent. 18. Oktober 1999.</ref> Nachdem Rudolfs Aufenthalt in England durch die britischen Medien publik gemacht worden war, floh er Ende 1999 in die Vereinigten Staaten, wo er Ende 2000 politisches Asyl beantragte.

Im Jahr 2004 fungierte Rudolf in den Vereinigten Staaten als technischer Ansprechpartner für das Internetforum des wegen Volksverhetzung verurteilten Jenaer Neonazis Bernhard Paul Becker, der Aktivist einer „kommissarischen Reichsregierung“ war.<ref>Eintrag über Bernhard Paul Becker bei krr-faq.net.</ref>

Im August 2004 wurde gegen Rudolfs Unterstützer Rudolf Großkopf ein Ermittlungsverfahren wegen Beihilfe zum Vertrieb holocaustleugnender Schriften eingeleitet, weil Großkopf zu einem Bankkonto Rudolfs unterschriftsberechtigt war.

Abschiebung nach Deutschland und Haft

Am 15. November 2005 wurde Rudolf aus den Vereinigten Staaten abgeschoben und unmittelbar nach seiner Landung auf dem Flugplatz in Frankfurt am Main von der deutschen Polizei verhaftet. Er wurde zunächst in die Justizvollzugsanstalt Rottenburg am Neckar verbracht und kurz darauf in die Justizvollzugsanstalt Stuttgart überführt. Am 14. November 2006 begann der Prozess gegen ihn aufgrund seiner im Ausland getätigten verlegerischen Aktivitäten. Dabei wurde er zunächst von Jürgen Rieger, Sylvia Stolz und Ludwig Bock vertreten. Später trennte er sich von Rieger und Stolz und ersetzte sie durch einen Anwalt der Kanzlei Rolf Bossi. Am 15. März 2007 wurde Germar Rudolf wegen Volksverhetzung, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener sowie Beleidigung zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Der Vorsitzende Richter Matthias Schwab erklärte, Rudolf habe den Holocaust bewusst der historischen Wahrheit zuwider als Erfindung beziehungsweise Übertreibung der Juden erscheinen lassen wollen.<ref>Urteil: Zweieinhalb Jahre Haft für Holocaustleugner. In: Focus Online. 15. März 2007.</ref> Rudolf wie auch die Staatsanwaltschaft nahmen das Urteil an, wodurch es sofortige Rechtskraft erlangte. Das Gericht berücksichtigte bei der Urteilsfindung, dass Rudolf sich von den rechtsextremen Anwälten Rieger und Stolz getrennt hatte.<ref>Haftstrafe für Holocaust-Leugner Rudolf. In: Märkische Oderzeitung. 15. März 2007.</ref> Für die von Rudolf veröffentlichte Schrift Vorlesungen über den Holocaust wurde durch das Landgericht Mannheim die Einziehung gemäß Paragraph 74 des Strafgesetzbuchs angeordnet.

Bis zum 5. Juli 2009 verbüßte er seine Freiheitsstrafe in den Justizvollzugsanstalten Heidelberg, Mannheim, Ulm und zuletzt Rottenburg am Neckar.<ref>Eintrag über Germar Rudolf beim Netz gegen Nazis.</ref>

Rückkehr in die Vereinigten Staaten

Nach eigenen Angaben lebt er seit Anfang August 2009 mit seiner zweiten Frau in den USA.

Veröffentlichungen

Holocaustleugnende Schriften

  • Das Rudolf-Gutachten. Gutachten über die „Gaskammern“ von Auschwitz. 2. Auflage. Castle Hill, Hastings 2001, ISBN 1-902619-03-X (englisch: The Rudolf Report. 2. Auflage, The Barnes Review, Washington, D.C., 2011, ISBN 978-0-9846312-7-8.)
  • Vorlesungen über Zeitgeschichte. Strittige Fragen im Kreuzverhör. Grabert, Tübingen 1993, ISBN 3-87847-130-0.
  • Grundlagen zur Zeitgeschichte. Ein Handbuch über strittige Fragen des 20. Jahrhunderts Grabert, Tübingen 1994, ISBN 3-87847-141-6 (englisch: Dissecting the Holocaust. 2. Auflage. Theses & Dissertations, Chicago 2003, ISBN 3-87847-141-6).
  • Herbert Verbeke (Hrsg.): Auschwitz: Nackte Fakten. Eine Erwiderung an Jean-Claude Pressac, Vrij Historisch Onderzoek, Berchem 1995, ISBN 90-73111-16-1 (englisch: Auschwitz: Plain Facts. Theses & Dissertations, Chicago 2005, ISBN 1-59148-020-5).
  • Auschwitz-Lügen. Legenden, Lügen, Vorurteile von Medien, Politikern und Wissenschaftlern über den Holocaust. Castle Hill, Hastings 2005, ISBN 1-59148-014-0 (englisch: mit Carlo Mattogno: Auschwitz Lies. 2. Auflage, The Barnes Review, Washington, D.C., 2011, ISBN 978-0-9846312-6-1).
  • Vorlesungen über den Holocaust. Strittige Fragen im Kreuzverhör. Castle Hill, Hastings 2005, ISBN 1-902619-07-2 (englisch: Lectures on the Holocaust. 2. Auflage, The Barnes Review, Washington, D.C., 2010, ISBN 978-0-9818085-7-4).
  • mit Fred A. Leuchter, Robert Faurisson: The Leuchter Reports: Critical Edition. Theses & Dissertations, Chicago 2005, ISBN 1-59148-026-4
  • mit Robert Countess, Christian Lindtner: Festschrift for Robert Faurisson to his 75th Birthday. Theses & Dissertations, Chicago 2005, ISBN 1-59148-004-3.

Sonstige Schriften

  • Kardinalfragen zur Zeitgeschichte. Vrij Historisch Onderzoek, Berchem 1996, ISBN 90-73111-20-X.
  • Kardinalfragen an Deutschlands Politiker. Aufforderung zur Wiederherstellung der Menschenrechte in Deutschland. Castle Hill, Hastings 2005, ISBN 1-902619-09-9.
  • Holocaust Revisionismus. Eine kritische geschichtswissenschaftliche Methode. Castle Hill, Hastings 2005, ISBN 1-59148-019-1.
  • Eine Zensur findet statt! Zensur in der Bundesrepublik Deutschland. Castle Hill, Hastings 2006, ISBN 1-59148-017-5.
  • Diktatur Deutschland. Die Zerstörung von Demokratie und Menschenrechten unter dem Einfluß von Kriegspropaganda, Castle Hill Publishers, Hastings 2005, ISBN 1-59148-018-3.
  • Widerstand ist Pflicht. Einlassung im Strafverfahren im Jahr 2006/2007. Castle Hill, Uckfield 2012, ISBN 978-1-59148-029-7 (englisch: Resistance is Obligatory., Castle Hill, Uckfield 2012, ISBN 978-1-59148-030-3.)

Herausgeberschaften

  • 1997–2005 Herausgeber der Zeitschrift Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung
  • 2003–2005 Herausgeber der Zeitschrift The Revisionist

Literatur

  • Thomas Grumke, Bernd Wagner (Hrsg.): Handbuch Rechtsradikalismus. Leske + Budrich, Opladen 2002, ISBN 3-8100-3399-5, S. 312–314.
  • Martin Finkenberger: Geschichtsrevisionisten vor Gericht. In: Martin Finkenberger, Horst Junginger (Hrsg.): Im Dienste der Lügen. Herbert Grabert (1901–1978) und seine Verlage. Alibri, Aschaffenburg 2004, ISBN 3-932710-76-2, S. 124–141.

Weblinks

Die Homepage von Germar Rudolf sowie andere holocaustleugnende Internetseiten dürfen von der deutschsprachigen Wikipedia aus rechtlichen Gründen nicht verlinkt werden.

Einzelnachweise

<references />