Harry Kupfer
Harry Alfred Robert Kupfer (* 12. August 1935 in Berlin) ist ein deutscher Opernregisseur.
Inhaltsverzeichnis
Leben und Wirken
Kupfer begann seine Karriere in den 1950er Jahren in der DDR. Zunächst studierte er von 1953 bis 1957 Theaterwissenschaft an der Theaterhochschule Leipzig. Danach ging er als Regieassistent ans Landestheater Halle und debütierte dort bereits 1958 mit Antonín Dvořáks Rusalka. Von 1958 bis 1962 war er Oberspielleiter der Oper von Stralsund und erfüllte die gleiche Funktion von 1962 bis 1966 in Karl-Marx-Stadt unter Operndirektor Carl Riha. Es folgten Engagements von 1966 bis 1972 als Operndirektor am Nationaltheater Weimar und in derselben Funktion von 1972 bis 1981 am Staatstheater Dresden. In die Dresdner Zeit fallen viele wichtige Regiearbeiten Kupfers, mit denen er international bekannt wurde (darunter Schönbergs Moses und Aron und mehrere Uraufführungen von Werken Udo Zimmermanns). 1971 inszenierte Kupfer erstmals an der Berliner Staatsoper: Die Frau ohne Schatten von Richard Strauss. Seine erste Arbeit im Ausland war Elektra von Richard Strauss am Opernhaus Graz.
Von 1977 bis 1981 hatte Harry Kupfer eine Professur an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden inne. 1981 wurde ihm die künstlerische Leitung („Chefregisseur“) der Komischen Oper in Berlin übertragen. Hier avancierte er zu einem der profiliertesten Opernregisseure Europas und inszenierte unter anderem einen viel beachteten Mozart-Zyklus. 2002 verabschiedete er sich mit der Inszenierung von Benjamin Brittens Oper The Turn of the Screw von der Komischen Oper. Die Aufführung wurde von der Presse unter anderem als „bewunderungswürdig“ bezeichnet. Kupfer erhielt dafür den Bayerischen Theaterpreis.
Mehr als 175 Inszenierungen hat Kupfer inzwischen erarbeitet. Insbesondere Strauss, Wagner und Mozart gehören zum Kernrepertoire seines Schaffens. Neben seinem Wirken in Weimar, Dresden und Berlin gastierte er noch zu Zeiten der DDR in Graz, Kopenhagen, Amsterdam, Cardiff, London, Wien, Salzburg, Barcelona, San Francisco, Moskau, Zürich und auch in Westdeutschland. Bei den Bayreuther Richard-Wagner-Festspielen inszenierte er 1978 den Fliegenden Holländer und 1988 den Ring des Nibelungen. Gemeinsam mit dem Komponisten Krzysztof Penderecki schrieb er das Libretto zu dessen Oper Die schwarze Maske (nach Gerhart Hauptmann) und inszenierte die Uraufführung bei den Salzburger Festspielen 1986. Auch in der Sparte Musical war Harry Kupfer erfolgreich. So inszenierte er 1992 das Musical Elisabeth im Theater an der Wien. Am Gran Teatre del Liceu Barcelona inszenierte Kupfer von 2003 bis 2004 erneut Wagners Ring und wurde dafür zum "Besten Regisseur" gewählt.<ref>Dieter Kranz: Der Gegenwart auf der Spur. Der Opernregisseur Harry Kupfer. Henschel, Berlin 2005, ISBN 3-89487-522-4</ref> Zu Kupfers jüngsten Regiearbeiten zählt Der Rosenkavalier, den er 2014 für die Salzburger Festspiele erarbeitete.<ref>http://www.salzburgerfestspiele.at/archivdetail/programid/4907/j/2014</ref> 2016 wird die Inszenierung an der Mailänder Scala gezeigt werden.<ref>Gratulation - Der Chefregisseur - Kultur - Süddeutsche.de</ref>
Harry Kupfer arbeitete mit zahlreichen bedeutenden Dirigenten zusammen, darunter Claudio Abbado, Wolfgang Rennert, Gerd Albrecht, Hans Vonk, Herbert Blomstedt, Daniel Barenboim, Rolf Reuter, Sebastian Weigle, Colin Davis, Simone Young und Zubin Mehta.
Zu den mit Kupfer arbeitenden Szenografen gehören u. a. Reinhart Zimmermann, Peter Sykora, Valeri Lewenthal, Wilfried Werz, Hans Schavernoch und Frank Philipp Schlößmann.
Kupfer ist Mitglied der Akademie der Künste in Berlin, der Freien Akademie der Künste Hamburg und Professor an der Berliner Musikhochschule. Seine Ehefrau war die Gesangspädagogin und Sopranistin Marianne Fischer-Kupfer (1922–2008), beider Tochter ist die Schauspielerin Kristiane Kupfer (* 1960).
Regiemethode
Harry Kupfers Arbeit steht in der Tradition des realistischen Musiktheaters, wie es von Walter Felsenstein entwickelt und vor allem in seinen Inszenierungen an der Komischen Oper Berlin erlebbar wurde. Nicht spekulative Meta-Ebenen, sondern die akribische Entwicklung der Interpretation aus den Implikationen des Werkes zeichnen Kupfers Inszenierungen aus. Die szenischen Vorgänge, die Konflikte und der dramatische Handlungsbogen werden aus der Partitur und aus der Logik der Figurenbeziehungen beglaubigt. Eine differenzierte Probenarbeit mit den Sängern (die bei ihm immer als Darsteller mit schauspielerischen Qualitäten gefordert sind) und dem Chor schaffen die Lebendigkeit und Glaubwürdigkeit, die seine Arbeiten kennzeichnen. Er schließt sich hierin dem Bekenntnis Giorgio Strehlers zum "menschlichen Theater" an. Dabei stellt Kupfer die Figuren - der Brechtschen Methode des dialektischen Theaters folgend - immer in historisch-politische Zusammenhänge, die deren Handeln zumindest mitbestimmen.<ref>Dieter Kranz: Der Gegenwart auf der Spur. Der Opernregisseur Harry Kupfer. Henschel, Berlin 2005, ISBN 3-89487-522-4, S. 9-10</ref>
Inszenierungen (Auswahl)
- 1966 Richard Wagner Tannhäuser, Nationaltheater Weimar, ML: Gerhard Pflüger
- 1967 Richard Strauss Salome, Nationaltheater Weimar, ML: Gerhard Pflüger
- 1971 Richard Strauss Die Frau ohne Schatten, Berliner Staatsoper, ML: Otmar Suitner
- 1972 Wolfgang Amadeus Mozart Die Hochzeit des Figaro, Staatstheater Dresden, ML: Siegfried Kurz
- 1972 Giuseppe Verdi Otello, Berliner Staatsoper, ML: Wolfgang Rennert
- 1973 Udo Zimmermann Levins Mühle, Uraufführung, Staatstheater Dresden, ML: Siegfried Kurz
- 1975 Arnold Schönberg Moses und Aron, DDR-Erstaufführung, Staatstheater Dresden, ML: Siegfried Kurz
- 1975 Richard Wagner Tristan und Isolde, Staatstheater Dresden, ML: Marek Janowski
- 1975 Alban Berg Wozzeck , Opernhaus Graz, ML: Gustav Erny
- 1976 Alexander Borodin Fürst Igor, Königliches Theater Kopenhagen, ML Wolfgang Rennert
- 1976 Udo Zimmermann Der Schuhu und die fliegende Prinzessin, Uraufführung, Staatstheater Dresden, ML: Max Pommer
- 1977 Richard Strauss Elektra, De Nederlandse Operastichting, Amsterdam, ML Michael Gielen
- 1977 Richard Wagner Parsifal, Berliner Staatsoper, ML: Otmar Suitner
- 1978 Richard Wagner Der fliegende Holländer, Bayreuther Festspiele, ML: Dennis Russell Davies
- 1979 Alban Berg Lulu, Oper Frankfurt am Main, ML: Michael Gielen
- 1980 Pjotr Iljitsch Tschaikowski Eugen Onegin, Staatstheater Dresden, ML: Herbert Blomstedt
- 1981 Leoš Janáček Jenůfa, Oper Köln, ML: Gerd Albrecht
- 1981 Richard Wagner Die Meistersinger von Nürnberg, Komische Oper, Berlin, ML: Rolf Reuter
- 1982 bis 1990 Mozart-Zyklus (1982 Die Entführung aus dem Serail, 1984 Così fan tutte, 1986 Die Zauberflöte, 1986 Die Hochzeit des Figaro, 1987 Don Giovanni, 1990 Idomeneo), Komische Oper, Berlin
- 1983 Aribert Reimann Lear, Komische Oper, Berlin, ML: Hartmut Haenchen
- 1984 Giacomo Puccini La Bohème, Volksoper Wien, ML: Ernst Märzendorfer
- 1984 Georg Friedrich Händel Giustino, Komische Oper, Berlin, ML: Hartmut Haenchen
- 1985 Georg Friedrich Händel Belsazar, Hamburgische Staatsoper, ML: Gerd Albrecht
- 1986 Krzysztof Penderecki Die schwarze Maske, Salzburger Festspiele, ML: Woldemar Nelson
- 1987 Bernd Alois Zimmermann Die Soldaten, Württembergisches Staatstheater Stuttgart, ML: Dennis Russell Davies
- 1988 Richard Wagner Der Ring des Nibelungen, Bayreuther Festspiele, ML: Daniel Barenboim
- 1989 Richard Strauss Elektra, Wiener Staatsoper, ML: Claudio Abbado
- 1989 Pjotr Iljitsch Tschaikowski Die Jungfrau von Orleans, Bayerische Staatsoper München, ML: Gerd Albrecht
- 1991 Georg Katzer Antigone oder die Stadt, Uraufführung, Komische Oper, Berlin, ML: Jörg Peter Weigle
- 1992 Richard Wagner Parsifal, Staatsoper Berlin, ML: Daniel Barenboim
- 1993 Hector Berlioz La damnation de Faust, Royal Opera House, Coventgarden, London, ML: Colin Davis
- 1994 Modest Mussorgski Chowanschtschina, Hamburgische Staatsoper, ML: Gerd Albrecht
- 1995 Richard Wagner Die Meistersinger von Nürnberg, De Nederlandse Opera Amsterdam, ML: Gerd Albrecht
- 1996 Richard Wagner Lohengrin, Staatsoper Berlin, ML: Daniel Barenboim
- 1997 Giuseppe Verdi Macbeth, Bayerische Staatsoper München, ML: Mark Elder
- 1998 Hans Werner Henze König Hirsch, Komische Oper Berlin, ML: Yakov Kreizberg
- 1999 Michael Kunze/ Sylvester Levay Mozart, Uraufführung, Theater an der Wien, ML: Caspar Richter
- 2000 Wolfgang Amadeus Mozart Titus, Komische Oper Berlin, ML: Yakov Kreizberg
- 2000 Aribert Reimann Bernarda Albas Haus, Uraufführung, Bayerische Staatsoper München, ML: Zubin Mehta
- 2001 Othmar Schoeck Penthesilea, Florenz, ML: Gerd Albrecht
- Benjamin Britten The Turn of the Screw, Komische Oper Berlin, ML: Matthias Foremny
- 2003/04 Richard Wagner Der Ring des Nibelungen, Gran Teatre del Liceu, Barcelona, ML: Sebastian Weigle
- 2005 Kurt Weill Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny, Semperoper, ML: Sebastian Weigle
- 2010 Richard Strauss Ariadne auf Naxos, Theater an der Wien, ML: Bertrand de Billy
- 2014 Richard Strauss Der Rosenkavalier, Salzburger Festspiele, ML: Zubin Mehta
- 2014 Richard Wagner Parsifal, New National Theatre, Tokio, ML: Taijiro Iimori
- 2015 Michail Glinka Iwan Sussanin, Oper Frankfurt, ML: Sebastian Weigle
Auszeichnungen (Auswahl)
- 1968: Kunstpreis der DDR
- 1983: Nationalpreis der DDR I. Klasse für Kunst und Literatur
- 1985: Deutscher Kritikerpreis
- 1993: Frankfurter Musikpreis
- 1994: Verdienstorden des Landes Berlin
- 1994: Berliner Bär (B.Z.-Kulturpreis)
- 2002: Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern
- 2005: Silbernes Blatt der Dramatiker Union
Zitate
- "Ich möchte alle Fragen der Welt in dieser schönen totalen Kunstform, der Oper, durchspielen, um dabei Vorschläge zu machen für das Zusammenleben der Menschen." Harry Kupfer<ref>Harry Kupfer hat wie kaum ein anderer Regisseur die deutsch-deutsche Opernszene geprägt. Auch mit 80 macht er auf der Bühne weiter. - www.swp.de</ref>
- "Das Schöne ist beim Harry, dass alles, was er sagt, aus einer tiefen Werkkenntnis kommt. Seine Vorschläge und Lösungen verstoßen nie gegen die Musik, auch wenn man manchmal im ersten Augenblick diesen Eindruck hat." Wolfgang Wagner
- "Seit meine Zusammenarbeit mit ihm begann, erzähle ich jedem, der es hören will oder auch nicht, dass ich Harry Kupfer für den wichtigsten Regisseur der Musikszene halte." Gerd Albrecht<ref>Dieter Kranz: Der Gegenwart auf der Spur. Der Opernregisseur Harry Kupfer. Henschel, Berlin 2005, ISBN 3-89487-522-4</ref>
Literatur
- Dieter Kranz: Harry Kupfer inszeniert an der Komischen Oper Berlin. Richard Wagner Die Meistersinger von Nürnberg 1981; Wolfgang Amadeus Mozart Die Entführung aus dem Serail, 1982; Giacomo Puccini, La Bohème, 1982; Aribert Reimann Lear, 1983; Giuseppe Verdi Rigoletto, 1983; Modest Mussorgski Boris Godunow 1983; Wolfgang Amadeus Mozart Così fan tutte 1984 (Theaterarbeit in der DDR 11, Dokumentation), Berlin 1987.
- Dieter Kranz: Der Regisseur Harry Kupfer „Ich muß Oper machen“ Kritiken, Beschreibungen, Gespräche. Berlin 1988.
- Dieter Kranz: Berliner Theater. 100 Aufführungen aus drei Jahrzehnten, Berlin 1990 – darin Gespräche mit Kupfer
- Dieter Kranz: Der Gegenwart auf der Spur. Der Opernregisseur Harry Kupfer. Henschel, Berlin 2005, ISBN 3-89487-522-4
- Kurzbiografie zu: Kupfer, Harry. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 1, Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
Einzelnachweise
<references />
Weblinks
- Literatur von und über Harry Kupfer im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Harry Kupfer bei Operabase (Engagements und Termine)
Gidon Kremer (1982) | Edgar Krapp (1983) | Alfred Brendel (1984) | Brigitte Fassbaender (1985) | Albert Mangelsdorff (1986) | Carl Dahlhaus (1987) | Heinz Holliger (1988) | Ludwig Güttler (1989) | Chick Corea (1990) | Aribert Reimann (1991) | Georg Solti (1992) | Harry Kupfer (1993) | Brian Eno (1994) | Tabea Zimmermann (1995) | Wolfgang Niedecken (1996) | Hans Zender (1997) | Peter Herbolzheimer (1998) | Michael Gielen (1999) | Klaus Doldinger (2000) | Dietrich Fischer-Dieskau (2001) | keine Verleihung (2002) | Walter Levin (2003) | Udo Lindenberg (2004) | György Ligeti (2005) | Peter Gabriel (2006) | Péter Eötvös (2007) | Paquito D’Rivera (2008) | José Antonio Abreu (2009) | Keith Emerson (2010) | Anne Sofie von Otter (2011) | John McLaughlin (2012) | Marie-Luise Neunecker (2013) | Ernie Watts (2014) | Peter Sadlo (2015)
Personendaten | |
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NAME | Kupfer, Harry |
ALTERNATIVNAMEN | Kupfer, Harry Alfred Robert |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Opernregisseur |
GEBURTSDATUM | 12. August 1935 |
GEBURTSORT | Berlin |