Herzog August Bibliothek


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Herzog August Bibliothek
Hauptgebäude der Herzog August Bibliothek

Hauptgebäude der Herzog August Bibliothek

Gründung 1572
Bestand rund 1.000.000 Medieneinheiten
Bibliothekstyp Forschungs- und Studienstätte für europäische Kulturgeschichte
Ort Wolfenbüttel
ISIL DE-23 (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel)
Website hab.de

Die Herzog August Bibliothek (kurz HAB, amtliche Bezeichnung Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel<ref>Amtliche Bezeichnung laut Niedersächsischem Ministerialblatt 9/2006, S. 151.</ref>) in Wolfenbüttel (Niedersachsen) – auch bekannt unter dem Namen Bibliotheca Augusta – ist eine international bekannte Bibliothek. Wegen ihres bedeutenden Altbestands aus dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit ist sie wichtige Forschungsstätte für die Kultur dieser Zeit. Die Forschung wird durch internationale Stipendienprogramme gefördert. Wissenschaftliche Tagungen, kulturelle Veranstaltungen und Ausstellungen von überregionaler Bedeutung werden organisiert.

Die HAB ist Mitglied der aus sechs deutschen Bibliotheken bestehenden Arbeitsgemeinschaft Sammlung Deutscher Drucke, die eine dezentrale Nationalbibliothek für Deutschland bildet. Im Rahmen dieses Projektes ist die HAB für die Sammlung von deutschen Drucken des 17. Jahrhunderts zuständig. Aufgrund ihres Altbestandes war die Bibliothek auch intensiv an der Erstellung der retrospektiven Nationalbibliografien VD 16 und VD 17 beteiligt.

Sie untersteht unmittelbar dem Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur, das die Arbeit der HAB durch einen international besetzten Wissenschaftlichen Beirat begleiten lässt. Direktor der Bibliothek war bis 30. Juni 2015 Helwig Schmidt-Glintzer. Sein Nachfolger soll Peter Burschel werden.<ref>Prof. Dr. Peter Burschel erhält Ruf als neuer Direktor der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. Pressemitteilung. In: MWK.Niedersachsen.de, 14. Juli 2015.</ref>


Ein herausragendes, in der HAB aufbewahrtes Einzelwerk ist das Evangeliar Heinrichs des Löwen (entstanden zwischen 1174 und 1189, höchstwahrscheinlich 1188).

Geschichte

Die Bibliotheca Julia

Im 17. Jahrhundert galt die Herzog August Bibliothek als die größte Bibliothek nördlich der Alpen und wurde als achtes Weltwunder bezeichnet.<ref>Leo G. Linder: Die Herzog August Bibliothek und Wolfenbüttel. Braunschweig 1997, S. 162.</ref>

Gegründet wurde die Herzogliche Bibliothek in der Residenzstadt Wolfenbüttel durch Herzog Julius zu Braunschweig-Lüneburg (1528–1589), der während seines Studiums um 1550 in Frankreich begann, Bücher zu sammeln.<ref>Christa Graefe: Staatsklugheit und Frömmigkeit. Herzog Julius zu Braunschweig-Lüneburg, ein norddeutscher Landesherr des 16. Jahrhunderts. Weinheim 1989, ISBN 3-527-17822-8, S. 59.</ref> Nach dem Kauf einiger Ritterromane und von Studienliteratur erwarb er ab 1558 auch theologische Schriften und 1567 erstmals eine große geschlossene Sammlung: die Bibliothek des Nürnberger Stadtsyndikus Michael von Kaden († zwischen 15. Dezember 1540/9. März 1541), die vor allem juristische und humanistische Schriften enthielt.<ref>Christa Graefe: Staatsklugheit und Frömmigkeit. Herzog Julius zu Braunschweig-Lüneburg, ein norddeutscher Landesherr des 16. Jahrhunderts. Weinheim 1989, ISBN 3-527-17822-8, S. 81.</ref> 1570–1572 wurden im Zuge der Einführung der Reformation im Herzogtum die Bibliotheken der Klöster Dorstadt, Wöltingerode, Heiningen und Steterburg nach Wolfenbüttel überführt.<ref>Christa Graefe: Staatsklugheit und Frömmigkeit. Herzog Julius zu Braunschweig-Lüneburg, ein norddeutscher Landesherr des 16. Jahrhunderts. Weinheim 1989, ISBN 3-527-17822-8, S. 90f.</ref>

Am 5. April 1572 erließ Julius eine erste Liberey-Ordnung, die zugleich als offizielles Gründungsdokument der Wolfenbütteler Bibliothek gilt. Zur Verwaltung hatte der Herzog bereits 1571 den Kirchenmusiker Leonhart Schröter zusätzlich mit bibliothekarischen Aufgaben betraut.<ref>Christa Graefe: Staatsklugheit und Frömmigkeit. Herzog Julius zu Braunschweig-Lüneburg, ein norddeutscher Landesherr des 16. Jahrhunderts. Weinheim 1989, ISBN 3-527-17822-8, S. 115.</ref> Schröter gilt daher als erster Wolfenbütteler Bibliothekar. Neuen Zuwachs erhielt der Bestand der Bibliotheca Julia 1578 durch den Ankauf einer größeren Handschriftensammlung aus dem Nachlass des drei Jahre zuvor verstorbenen Theologen Johannes Aurifaber sowie aus den Erbschaften von Sophia Jagiellonica und dem unehelichen Sohn Erichs II.<ref>Christa Graefe: Staatsklugheit und Frömmigkeit. Herzog Julius zu Braunschweig-Lüneburg, ein norddeutscher Landesherr des 16. Jahrhunderts. Weinheim 1989, ISBN 3-527-17822-8, S. 100–137.</ref>

Nach Julius’ Tod übernahm 1589 sein Sohn Heinrich Julius mit der Regentschaft auch die Bibliothek. Er erweiterte sie um den Nachlass des Theologen Matthias Flacius und um die Sammlungen der Klöster Georgenberg bei Goslar, Brunshausen und Hamersleben.

Der nachfolgende Herzog Friedrich Ulrich übergab jedoch 1618, nur wenige Jahre nach seinem Regierungsantritt, die gesamte, mittlerweile rund 5000 Handschriften und Drucke umfassende Sammlung an die Universitätsbibliothek Helmstedt.<ref>Werner Arnold: Die Wanderung der Bücher. In: Jens Bruning; Ulrike Gleixner (Hrsg.): Das Athen der Welfen. Die Reformuniversität Helmstedt 1576–1810. Wolfenbüttel 2010, ISBN 978-3-447-06210-7, S. 249.</ref> Im Jahr 1810 wurden nach Schließung der Universität große Teile der Bestände zurück nach Wolfenbüttel geführt.

Die Bibliotheca Augusta

Den legendären Ruf der Bibliothek begründete insbesondere der gebildete und weitgereiste Herzog August der Jüngere (1579–1666), der seit seiner Jugend ein eifriger Büchersammler war. 1611 besaß er auf seinem Hof in Hitzacker bereits mehr als 6000 Bücher, die er in einem ersten alphabetischen Katalog erfasste und in einem eigenen Bibliotheksgebäude unterbrachte. 1625 erforderte die Größe seiner Sammlung die Vergabe von Signaturen und die Anlage des berühmten Bücherradkataloges in sechs Folianten. August teilte seinen Bestand in 20 Sachgruppen ein (Theologica, Juridica, Historica etc.), in die er auch Neuerwerbungen einordnete.

Erst 1635 wurde August, der, aus einer Nebenlinie der Welfen-Dynastie stammend, eigentlich nicht für eine Regentenrolle vorgesehen war, bedingt durch die Wirren des Dreißigjährigen Krieges und das Aussterben der Wolfenbütteler Linie in reifem Mannesalter Herzog von Braunschweig-Lüneburg. Im Frühjahr 1636 wurde auf Anordnung des Herzogs die Bibliothek wegen der gefährlichen Kriegslage nach Wolfenbüttel verlegt. Sie wurde so vor dem späteren Überfall schwedischer Soldaten auf Hitzacker gerettet. Zu diesem Zeitpunkt umfasste die Sammlung bereits über 13.000 Bände.<ref>Axel Kahrs: Ein Herrscher als Büchernarr – Herzog August in Hitzacker. Wendland Literarisch, Göttingen 1985, S. 13–20.</ref> Als Herrscher im Schloss Wolfenbüttel, das er erst 1643 nach Abzug der kaiserlichen Truppen beziehen konnte, setzte er seine systematische Sammeltätigkeit fort und beschäftigte Bücheragenten in ganz Europa, die für ihn Bücher ankauften und nach Wolfenbüttel schickten. Der Herzog erwarb jedoch keine geschlossenen Sammlungen, sondern stets nur Einzeltitel, um seine Bibliothek, die er im Marstall eingerichtet hatte,<ref>Ulrich Johannes Schneider: Repräsentation und Operation. Anmerkungen zu Augusts Bücherwelt. In: Hans Erich Bödeker; Anne Saada (Hrsg.): Bibliothek als Archiv. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007, ISBN 978-3-525-35869-6, S. 315–319.</ref> gezielt zu ergänzen.<ref>Helmar Härtel: Herzog August als Büchersammler. Zum Aufbau seiner Bibliothek. In: Paul Raabe (Hrsg.): Sammler Fürst Gelehrter – Herzog August zu Braunschweig und Lüneburg 1579–1666. Niedersächsische Landesausstellung in Wolfenbüttel, 26. Mai bis 31. Oktober 1979 (Ausstellungskataloge der Herzog August Bibliothek, Bd. 27), Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel 1979, ISBN 3-525-35869-5, S. 155–169.</ref> Zusätzlich wurde sie schon zu Lebzeiten Augusts durch zahlreiche Schenkungen und Nachlässe erweitert. Beim Tode des Herzogs war die Bibliothek mit 135.000 Titeln in 35.000 Bänden eine der umfangreichsten Büchersammlungen dieser Epoche.

Die Bibliothek nach Herzog August

Datei:Bibliotheksrotunde Beck 01.jpg Datei:Tacke-Rotunde.jpg
Bibliotheksrotunde im 18. Jahrhundert, Stich von Anton August Beck
Die Rotunde, Gemälde von Ludwig Tacke (1888)

Von 1691 bis 1716 nahm der Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz nebenberuflich das Amt des Bibliothekars an. Er behielt jedoch seinen Wohnsitz in Hannover und reiste nur gelegentlich nach Wolfenbüttel.<ref>Otto von Heinemann: Die Herzogliche Bibliothek zu Wolfenbüttel. Ein Beitrag zur Geschichte deutscher Büchersammlungen. Zwissler, Wolfenbüttel 1894, S. 111–131.</ref> Leibniz erstellte den ersten alphabetischen Katalog, vergrößerte abermals die Bestände (unter anderem durch die Gudischen Handschriften) und regte wohl auch den Bau eines neuen Bibliotheksgebäudes an.<ref>Hans Reuther: Das Gebäude der Herzog August Bibliothek zu Wolfenbüttel und ihr Oberbibliothekar Gottfried Wilhelm Leibniz. In: Wilhelm Totok; Carl Haase (Hrsg.): Leibniz. Sein Leben – Sein Wirken – Seine Welt. Verlag für Literatur und Zeitgeschehen, Hannover 1966, S. 349–360.</ref> Diese sogenannte Rotunde wurde von 1706 bis 1710 als erster selbstständiger profaner Bibliotheksbau Europas auf Veranlassung von Herzog Anton Ulrich durch den Baumeister Hermann Korb errichtet. Auf dem Dach trug sie einen vergoldeten Himmelsglobus, der den allumfassenden Charakter der Wissenschaften symbolisierte. Aus statischen Gründen wurde der Globus jedoch später wieder entfernt.<ref>Otto von Heinemann: Die Herzogliche Bibliothek zu Wolfenbüttel. Ein Beitrag zur Geschichte deutscher Büchersammlungen. Zwissler, Wolfenbüttel 1894, S. 99–108.</ref>

Ab 1737 kamen zahlreiche größere Privatbibliotheken von Gelehrten durch deren Testamente zur Wolfenbütteler Sammlung hinzu, die zusammen rund 60.000 Schriften umfassten. Darunter befanden sich auch die Bestände des Klosters Zur Ehre Gottes aus Wolfenbüttel sowie die 1891 erworbene humanistische Bibliothek der Herzoglichen Technischen Hochschule Carolo-Wilhelmina Braunschweig.<ref>Fürstenbibliotheken des 17. und 18. Jahrhunderts. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, abgerufen am 24. Juli 2013.</ref>

Rund 36.000 Bände und Hunderte wertvoller Handschriften erhielt die Bibliothek außerdem ab 1752 durch Schenkungen aus dem Privatbesitz der Mitglieder der Fürstenfamilie, darunter insbesondere die sehr umfangreiche Sammlung des Herzogs Ludwig Rudolf, die dieser bis zu seinem Tod auf Schloss Blankenburg aufbewahrt hatte.<ref>Otto von Heinemann: Die Herzogliche Bibliothek zu Wolfenbüttel. Ein Beitrag zur Geschichte deutscher Büchersammlungen. Zwissler, Wolfenbüttel 1894, S. 139f.</ref><ref>Gelehrtenbibliotheken des 18. und 19. Jahrhunderts. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, abgerufen am 24. Juli 2013.</ref> Die Bibelsammlung der Bibliothek gründet auf der Sammlung der Herzogin Elisabeth Sophie Marie, die im Jahr 1764 ihre im Braunschweiger Schloss aufgestellte Bibliothek von etwa 4900 Bänden, davon etwa 1200 Bibeln, nach Wolfenbüttel bringen ließ.<ref>Paul Raabe (Hrsg.): Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Niedersachsen H–Z, Georg Olms Verlag, Hildesheim 1998, ISBN 3-487-09576-9, S. 211, 234.</ref>

Als um 1753/1754 die Residenz des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel nach Braunschweig in das neu erbaute Schloss verlegt wurde, blieb die Bibliothek dennoch in Wolfenbüttel.

Gotthold Ephraim Lessing wirkte von 1770 bis zu seinem Tode im Jahre 1781 in Wolfenbüttel, durch ihn wurde die Stadt zu einem Zentrum der Aufklärung. Lessing ist zu verdanken, dass zahlreiche Schätze, die in der Bibliothek verborgen waren, an das Licht der Öffentlichkeit kamen, darunter beispielsweise die einzige Handschrift des Hauptwerks Berengars von Tours: Rescriptum contra Lanfrancum und die Stammtafel der Söhne Adams Tarich Beni Adam. Der Dichter verfasste in dieser Zeit sein letztes Werk Nathan der Weise und unternahm zahlreiche Reisen, die eigentlichen bibliothekarischen Geschäfte überließ er seinen Angestellten.<ref>Otto von Heinemann: Die Herzogliche Bibliothek zu Wolfenbüttel. Ein Beitrag zur Geschichte deutscher Büchersammlungen. Zwissler, Wolfenbüttel 1894, S. 152–185.</ref> Das Wohnhaus, in dem er die letzten Jahre seines Lebens verbrachte, trägt seinen Namen.

1806/07 brachte die französische Besatzung 355 kostbare Handschriften, Blockbücher und Inkunabeln der Bibliothek in die französische Nationalbibliothek nach Paris.<ref>Otto von Heinemann: Die Herzogliche Bibliothek zu Wolfenbüttel. Ein Beitrag zur Geschichte deutscher Büchersammlungen. Zwissler, Wolfenbüttel 1894, S. 201–203.</ref><ref>Bénédicte Savoy: Kunstraub: Napoleons Konfiszierungen in Deutschland und die europäischen Folgen; mit einem Katalog der Kunstwerke aus deutschen Sammlungen im Musée Napoléon, Böhlau Verlag, Wien 2011, S. 132–134.</ref> Die Auswahl der Werke nahm Dominique-Vivant Denon, der Generaldirektor des Musée Napoléon, vor, den Abtransport führte der Kaiserliche Kriegskommissar Stendhal aus.<ref>Wolfgang Milde: Stendhal in Wolfenbüttel: Kriegskommissar und Bibliotheksbenutzer (mit sechs bisher unbekannten Briefen). In: Paul Raabe (Hrsg.): Wolfenbütteler Beiträge. Aus den Schätzen der Herzog August Bibliothek. Band 5. Klostermann, Frankfurt am Main 1982, S. 163f.</ref> Wenige Zeit später gab es im Königreich Westphalen Pläne, die Bibliothek aufzulösen und ihre Bestände auf mehrere Universitäten zu verteilen. Nach Beendigung der napoleonischen Herrschaft wurden diese Pläne jedoch nicht umgesetzt. Im Dezember 1815 wurden die geraubten Werke wieder zurückgeführt, einige Stücke, darunter auch eine 36-zeilige Gutenberg-Bibel, eine Biblia Pauperum und eine große Zahl von Handschriften, verblieben jedoch in Frankreich.<ref>Isabelle Kratz: Die Herzog August Bibliothek unter Napoleon. Aspekte französischer Kulturpolitik 1806–1815. In: Paul Raabe (Hrsg.): Wolfenbütteler Beiträge. Aus den Schätzen der Herzog August Bibliothek. Band 10. Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel 1997, S. 79–160.</ref> Anstelle der kostbaren 36-zeiligen Bibel wurde ein anderes, unvollständiges Exemplar zurückgegeben.<ref>Otto von Heinemann: Die Herzogliche Bibliothek zu Wolfenbüttel. Ein Beitrag zur Geschichte deutscher Büchersammlungen. Zwissler, Wolfenbüttel 1894, S. 203–210.</ref><ref>Eberhard Zwink: Die Stuttgarter 36-zeilige Bibel – exemplarspezifische Merkmale und Aufhellung des Provenienzgangs. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 64 (2009), S. 207–220.</ref> Ebenfalls erhielt die Bibliothek einen Großteil der Sammlung der Universitätsbibliothek Helmstedt, nachdem die Universität bereits 1810 geschlossen worden war.<ref>Otto von Heinemann: Die Herzogliche Bibliothek zu Wolfenbüttel. Ein Beitrag zur Geschichte deutscher Büchersammlungen. Zwissler, Wolfenbüttel 1894, S. 210f.</ref> Mittlerweile war dort der Grundstock der Bibliotheca Iulia stark erweitert worden. Einige Drucke wurden an die Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen und die Universitätsbibliothek Marburg gegeben. Zu diesen gehörte eine weitere Gutenberg-Bibel aus ehemaligem Wolfenbütteler Bestand: ein Exemplar mit 42 Zeilen, das sich seither in Göttingen befindet.<ref>Wolfgang Milde: Incunabula Incunabulorum. Früheste Werke der Buchdruckkunst. Mainz, Bamberg, Straßburg 1454–1469. Ausstellung im Renaissancesaal des Wolfenbütteler Schlosses 1972 (Ausstellungskataloge der Herzog August Bibliothek, Bd. 4), Peine 1972, S. 6.</ref>

Nachdem die Rotunde in den folgenden Jahrzehnten immer baufälliger geworden war, errichtete der Architekt Gustav Bohnsack in den Jahren 1881 bis 1886 den neobarocken Neubau, der noch als Hauptgebäude der Bibliothek dient. 1887 wurden alle Bücher dorthin überführt und die Rotunde abgerissen.<ref>Otto von Heinemann: Die Herzogliche Bibliothek zu Wolfenbüttel. Ein Beitrag zur Geschichte deutscher Büchersammlungen. Zwissler, Wolfenbüttel 1894, S. 263f.</ref>

Die Bibliothek ab dem 20. Jahrhundert

Von 1919 bis 1926 war die Herzogliche Bibliothek Landesbibliothek des Freistaates Braunschweig.<ref>Georg Ruppelt: Bemerkungen zur Geschichte der Herzog August Bibliothek zwischen 1920 und 1950. In: Paul Raabe (Hrsg.): Die Herzog August Bibliothek in den letzten 100 Jahren. Vier Beiträge zur Vergangenheit und Gegenwart der Wolfenbütteler Bibliothek. Göttinger Hochschulschriften-Verlag Bautz, Göttingen 1980, ISBN 3-88309-005-0, S. 41f.</ref> In dieser Zeit erfuhr sie, insbesondere unter Heinrich Schneider, durch Öffnung für ein breiteres Publikum sowie Verbesserung der Aufstellung und des Kataloges einen neuen Aufschwung. Nachdem 1927 die Bibliothek jedoch in die Museums- und Bibliotheksstiftung von Haus und Land Braunschweig überführt worden war, wurde die Einrichtung lange Zeit nur wenig frequentiert. Den Zweiten Weltkrieg überstand die Bibliothek im abgeschiedenen Wolfenbüttel nahezu ohne Verluste und Schäden, die wichtigsten Bestände waren im Schacht Grasleben ausgelagert. Während ihrer Rückführung nach Kriegsende blieb die Bibliothek für zwei Jahre geschlossen.

Nach Gründung des Landes Niedersachsen wurde die Institution 1950 wieder Landesbibliothek, nun unter der Leitung von Erhart Kästner, der unter anderem die Sammlung der Malerbücher<ref>Ars librorum und Malerbücher. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, abgerufen am 24. Juli 2013.</ref> gründete und Mitte der 1960er Jahre das Hauptgebäude durch den Braunschweiger Architekten Friedrich Wilhelm Kraemer umbauen ließ.

Ab dem Jahre 1968 begann der Ausbau und die Öffnung der Herzog August Bibliothek zu einer europäischen Studien- und Forschungsstätte für das Mittelalter und die Frühe Neuzeit. Verbunden ist diese Leistung mit dem Namen des Bibliotheksdirektors Paul Raabe. So wurden ein Stipendien- und Forschungsprogramm, eine Publikationsabteilung und ein Schülerprogramm eingerichtet. Nach und nach wurden weitere Gebäude in die Bibliothek einbezogen, so dass ein Bibliotheksquartier<ref>Paul Raabe: Die Bibliotheca Augusta – eine alte Bibliothek in der modernen Welt. In: ders. (Hrsg.): Die Herzog August Bibliothek in den letzten 100 Jahren. Vier Beiträge zur Vergangenheit und Gegenwart der Wolfenbütteler Bibliothek. Göttinger Hochschulschriften-Verlag Bautz, Göttingen 1980, ISBN 3-88309-005-0, S. 116.</ref> entstand.

Ab 1978 war die Bibliothek zehn Jahre lang Austragungsort für die Meisterkurse der Internationalen Musikakademie für Solisten.<ref>Boris Kusnezow (Koordinator, Organisation): Internationale Musikakademie für Solisten, Booklet ).

  • Andrea Kastens (Hrsg.): Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. Westermann, Braunschweig 1978, ISSN 0341-8634.
  • Leo G. Linder: Die Herzog August Bibliothek und Wolfenbüttel. Braunschweig 1997, ISBN 3-07-509702-0.
  • Wolfgang Milde: Zur Frühgeschichte der Bibliothek zu Wolfenbüttel. 1. Teil: Der Beginn und die Bibliotheksordnung von 1572. Selbstverlag des Braunschweigischen Geschichtsvereins, Braunschweig 1970 (Braunschweigisches Jahrbuch; B. 51 [1970]).
  • Paul Raabe: Die Herzog August Bibliothek als Museum. Heckners Verlag, Wolfenbüttel 1970 (Kleine Schriften der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel; H. 1).
  • Paul Raabe: Die Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. Bestände – Kataloge – Erschließung. Heckners Verlag, Wolfenbüttel 1971 (Kleine Schriften der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel; H. 2).
  • Paul Raabe: Ein Schatzhaus voller Bücher. Die Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel. Madsack, Hannover 1971.
  • Georg Ruppelt: Von der Herzoglichen Bibliothek zur Herzog August Bibliothek. Geschichte der Wolfenbütteler Bibliothek von 1920–1949. Göttinger Hochschulschriften-Verlag Bautz, Göttingen 1980, ISBN 3-88309-004-2. (Arbeiten zur Geschichte des Buchwesens in Deutschland, Heft 4).
  • Georg Ruppelt, Sabine Solf (Hrsg. im Auftrag der Gesellschaft der Freunde der Herzog August Bibliothek): Lexikon zur Geschichte und Gegenwart der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. Paul Raabe zum 29. Februar 1992. Harrassowitz, Wiesbaden 1992, ISBN 3-447-03233-2. (Lexika europäischer Bibliotheken, Bd. 1).
  • Helwig Schmidt-Glintzer (Hrsg.): A treasure house of books: the library of Duke August of Brunswick-Wolfenbüttel (an exhibition at the Grolier Club, 8 December 1998 through 6 February 1999). Wiesbaden 1998, ISBN 3-447-04119-6.
  • Weblinks

    Commons Commons: Herzog August Bibliothek – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

    Einzelnachweise

    <references />

    24px Dieser Artikel wurde am 3. August 2013 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen.
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