Ivo Pogorelich


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Ivo Pogorelich (2008)

Ivo Pogorelich (serbokroatisch: Ivo Pogorelić / Иво Погорелић; * 20. Oktober 1958 in Belgrad, Jugoslawien) ist ein kroatischer Pianist.

Pogorelich avancierte in den frühen 1980er Jahren zum ersten Star der Klassikszene. Seine Konzerte und unorthodoxen Werksinterpretationen spalten das Publikum und die Musikkritiker, bei anerkannter pianistischer Meisterschaft, seit Beginn seiner Karriere bis in die Gegenwart in Bewunderer und Skeptiker.

Bekannt wurde Pogorelich durch einen Eklat. Einige Jury-Mitglieder des Internationalen Chopin-Wettbewerbs in Warschau äußerten während des laufenden Wettbewerbs 1980 gegenüber der Presse ihren Unmut über den Mehrheitsentscheid, den jungen Musiker nicht für die Endrunde zuzulassen. Nikita Magaloff, der wie Martha Argerich und Paul Badura-Skoda zu den protestierenden Juroren gehörte, erklärte den ungewöhnlichen Schritt des Öffentlichmachens der Jury-Interna damit, dass Pogorelich auf „höchstem Niveau“ spiele, „wie das wohl kaum sonst jemand auf der Welt heute kann“.<ref name="DRK" />

Leben

Ausbildung

Seine Ausbildung am Klavier begann Ivo Pogorelich, Sohn eines Kontrabassisten, mit sieben Jahren in Belgrad. Er setzte sie 1970 an der Zentralen Musikschule in Moskau und später am dortigen Tschaikowski-Konservatorium fort,<ref>David Dubal: Reflections from the Keyboard: The World of the Concert Pianist. Summit Books, New York 1981, ISBN 978-0-671-49240-3, S. 293–299. (englisch) Interview mit Pogorelich online.</ref> wo er unter anderem die Klasse von Wera Gornostajewa besuchte.<ref name="JH">Heinz Josef Herbort: „Das Problem der heutigen Künstler: sie arbeiten nicht genug“. Ich möchte gern mein Publikum sein. Die Zeit, 15. Mai 1981, abgerufen am 1. Juli 2015.</ref> Ab Oktober 1976 wurde Pogorelich zusätzlich von Aliza Kezeradze unterrichtet.<ref>Bernhard Holland: Flamboyance and virtuosity are Pogorelich's trademarks. The New York Times, 16. Februar 1986, abgerufen am 3. Juli 2015 (english).</ref>

Pogorelich beschrieb die Begegnung mit Kezeradze als „Wendepunkt“ in seinem Leben,<ref name="CSM">Elizabeth Pond: Pianist Pogorelich. The Christian Science Monitor, 27. August 1981, abgerufen am 31. Oktober 2015 (english): „This was the turning point.“</ref> da er sich damals in einer künstlerischen „Sackgasse“ befunden,<ref>Haggai Hitron: Playing Himself to Tears. Haaretz, 9. März 2010, abgerufen am 31. Oktober 2015 (english): „When Aliza came into my life I was 17 and at a dead end with my piano studies.“</ref> aber durch sie neue Einblicke in die Ausdrucksmöglichkeiten des Klavierspiels bekommen habe.<ref name="JH" /> Seine „Auffassung und seine Herangehensweise an das Klavier“ sei durch ihren Einfluss „komplett“ verändert worden.<ref>Daniel B. Wood: Ivo Pogorelich: dissolving controversy by caressing the piano. The Christian Science Monitor, 23. November 1984, abgerufen am 31. Oktober 2015 (english): „ […] my views and my approach to the piano.“</ref> Er weist der Pianistin, mit der er von 1980 bis zu ihrem Tod 1996 verheiratet war,<ref name="MB">Manuel Brug: Ich bin das Produkt einer sehr strengen Erziehung, Die Welt, 21. August 2006, abgerufen am 4. Januar 2015.</ref> maßgeblich seine künstlerische „Weiterentwicklung und seinen beruflichen Erfolg zu“.<ref>Bernhard Holland: Flamboyance and virtuosity are Pogorelich's trademarks. The New York Times, 16. Februar 1986, abgerufen am 3. Juli 2015 (english): „Mr. Pogorelich credits his subsequent development and success to her.“</ref>

Klavierwettbewerbe

Im Jahr 1978 gewann Pogorelich den Alessandro-Casagrande-Wettbewerb im italienischen Terni und 1980 den Internationalen Musikwettbewerb in Montreal. Im gleichen Jahr nahm er am Warschauer Chopin-Wettbewerb teil und wurde über Nacht bekannt. Als Wettbewerbsteilnehmer war er nicht über die dritte Runde hinaus gekommen, was einige der Juroren, darunter Magaloff und Badura-Skoda, zu öffentlichen Protesten veranlasste.<ref>Zdenko Antic: Yugoslav Pianist: the Man „Who Killed Chopin“. In: Open Society Archives at the Central European University. Radio Free Europe. Research and Analysis Department, 11. November 1980, abgerufen am 24. März 2015 (english).</ref> Argerich war derart erbost, dass sie die Wettbewerbs-Jury mit den Worten „Er ist ein Genie!“ verließ.<ref name="tito">Klaus Umbach: Ich will Spuren hinterlassen wie Tito. Der Spiegel, 13. Juli 1981, abgerufen am 22. März 2015.</ref> Sie protestierte durch die Niederlegung ihres Amtes gegen das Bewertungssystem, welches „konservativen Stil-Puristen die Möglichkeit gab, jemanden auszupunkten, der einen völlig modernen und neuen Zugang zur Musik Chopins erschloß“.<ref name="JH" /> Über diesen Skandal wurde weltweit in den Medien berichtet. Harold Schonberg, der Musikkritiker der New York Times, schloss sich wie andere Fachleute der Einschätzung der aufbegehrenden Jury-Mitglieder an und bemerkte zu Pogorelichs Wettbewerbsleistung anerkennend: „Er ignorierte die Partitur und machte alles falsch. […] er ist eindeutig ein Genie“.<ref>Douglas Kennedy: From wunderkind to guardian angel. The Independent, 19. Mai 1995, abgerufen am 10. Oktober 2015 (english): „He ignored the score and did everything wrong. Except for one thing: he's clearly a genius.“</ref>

Die Warschauer Musikgesellschaft, eine Organisation zur Wahrung des Andenkens Chopins,<ref>Barbara H. Seemann: Die Fryderyk Chopin Gesellschaft. versus POLEN, abgerufen am 31. Oktober 2015.</ref> arrangierte für Pogorelich nach seinem Ausscheiden aus dem regulären Wettbewerb ein Konzert, bei dem er von seinem zumeist jungen Publikum frenetisch bejubelt wurde.<ref name="LAT">Donna Perlmutter: Pogorelich: Pianist Does It His Way. Los Angeles Times, 17. Februar 1986, abgerufen am 31. Oktober 2015 (english).</ref> Die polnischen Musikkritiker ehrten ihn im Anschluss an das Konzert mit dem Sonderpreis außerordentlich originelles Pianistentalent.<ref>Sabine Tomzig: Im Rolls-Royce zum Training. Hamburger Abendblatt, 15. Januar 1982, abgerufen am 31. Oktober 2015.</ref>

Im Februar 1981 nahm Pogorelich für die Deutsche Grammophon seine erste Schallplatte unter dem Namen Chopin Recital auf. Der Tonträger, beworben als Pogorelichs „Antwort auf Warschau“,<ref name="tito" /> wurde in Deutschland nach seiner Veröffentlichung innerhalb eines Monats 20.000 Mal verkauft.<ref name="CSM" /> Das Musiklabel nahm Pogorelich daraufhin unter Vertrag.<ref>Christophe Huss: Ivo Pogorelich, l’Icare du piano. Le Devoir, 2. Mai 2015, abgerufen am 31. Oktober 2015 (français).</ref>

Jahre nach dem Chopin-Wettbewerb erläuterte Pogorelich, dass die Vorkommnisse in Warschau magisch gewesen seien, er heute aber froh sei, die Zeit der Hysterie hinter sich zu haben. Sein Erfolg habe nichts mit Exzentrik, wie in der Presse oft fälschlich dargestellt, zu tun.<ref name="LAT" /> In Warschau sei seine „Einstellung und seine Haltung zu Chopins Musik“ von der Öffentlichkeit falsch interpretiert worden.<ref>Ted Weiner & Don Lee: Episode 65: The Strange Case of Ivo Pogorelich. In: Radio Chopin. WDAV Classical Public Radio, abgerufen am 31. Oktober 2015 (english): „In 1980 people wrongly interpreted my attitude and approach to Chopin's music“</ref> Die Juryentscheidung habe ihm zu schaffen gemacht und demotiviert,<ref name="WV">Genius or Jest? The Warsaw Voice, 3. September 2008, abgerufen am 10. Oktober 2015 (english).</ref> seine Herangehensweise an die großen Komponisten gewähre aber keinen Raum für Kompromisse, er versuche deren Intention so nahe wie möglich zu kommen.<ref>Controversial pianist Pogorelich makes comeback. In: YouTube. Agence France-Presse, 14. März 2015, abgerufen am 29. März 2015 (english).</ref> Pogorelich weist in Interviews und dem Dokumentarfilm Why Competitions zudem immer wieder auf die politische Dimension hin, die seiner Meinung nach dem Wettbewerbsentscheid von 1980 zugrunde liegt.<ref name="DT" /> Anlässlich eines Konzerts in Warschau im Jahr 2008 verlangte er demzufolge, „dass die Protokolle des damaligen Juryentscheides offen gelegt werden“ sollen.<ref>Pianist Pogorelich will Warschau-Skandal neu aufrollen. Klassik.com, 21. August 2008, abgerufen am 31. Oktober 2015.</ref>

Karriere

Die Berichterstattung zum Chopin-Wettbewerb 1980, Pogorelichs erste Plattenaufnahme und die veröffentlichten Pressefotos, auf denen er mehr einem „New Wave-Rocker“, als einem Musiker des klassischen Genres ähnlich sah,<ref>Donna Perlmutter: Pogorelich: Pianist Does It His Way. Los Angeles Times, 17. Februar 1986, abgerufen am 1. November 2015 (english): „ […] resembles a new-wave rocker more than a classical artist.“</ref> erzeugten großes öffentliches Interesse. Es gelang Pogorelich infolge, neben den Liebhabern klassischer Musik auch ein klassikfernes Publikum anzusprechen und zum Konzertbesuch zu bewegen. Das Medienecho auf seine Konzerte war außergewöhnlich enthusiastisch.<ref>Sabine Tomzig: Debüt in Hamburg bejubelt. Hamburger Abendblatt, 12. Januar 1982, abgerufen am 10. Oktober 2015.</ref><ref>Hans Josef Herbort: Senkrechtstarter als Philosoph. Die Zeit, 27. Januar 1984, abgerufen am 6. Oktober 2015.</ref> Die Berichterstattung konzentrierte sich dabei aber nicht nur auf seine musikalische Leistung. In einer Zusammenfassung des Spiegels zu den Pressestimmen der frühen 1980er Jahre, wird eine Fokussierung auf Pogorelichs äußere Attribute deutlich. Zudem wurden Vergleiche zu Prominenten anderer Genres, darunter Kinski, Wild und Nurejew bemüht.<ref name="tito" /> Der Independent bezeichnete ihn gar als „Mick Jagger der klassischen Konzertbühne“.<ref>Douglas Kennedy: From wunderkind to guardian angel. The Independent, 19. Mai 1995, abgerufen am 10. Oktober 2015 (english): „ […] the Mick Jagger of the concert platform.“</ref> Pogorelich wurde durch solche Medienzuschreibungen zum ersten „Popstar der Klassikszene“ stilisiert.<ref name="KU" /> Pogorelich selbst äußerte dazu, dass öffentliche Aufmerksamkeit für einen Pianisten nicht unwichtig sei. Warum die Menschen zu seinen Konzerten kämen, interessiere ihn aber nicht, sondern, was sie aus diesen mitnehmen würden.<ref name="LAT" /> Der Musikkritiker Helmut Mauró sieht im Rückblick auf die Anfangsjahre demgemäß Pogorelichs „eigentliche Wirkung“ im Klavierspiel verortet. Er erläutert, dass nicht nur Pogorelichs „fulminante[n] Fingerfertigkeit […] einer männlich-kraftvollen Pranke“ überzeugte, sondern vor allem seine pianistische Fähigkeit, „einen Zustand der Konzentration soweit zu verdichten, dass er energiegeladene Kontemplation und schließlich Transzendenz ist“.<ref name="mö" />

Pogorelich trat nach seinem fulminanten Karrierebeginn in den ersten zwei Jahrzehnten seines Musikerlebens an allen großen Konzerthäusern der Welt auf und spielte mit den renommiertesten Orchestern, so u. a. mit dem Boston Symphony Orchestra, dem London Symphony Orchestra, dem Chicago Symphony Orchestra, den Wiener Philharmonikern und den Berliner Philharmonikern. Er beschränkte sich dabei auf ungefähr 60 Konzerte pro Jahr, gemäß seiner Maxime „Kunst braucht Zeit“.<ref name="mö">Helmut Mauró: Der Mönch im Pianistenpelz. Süddeutsche Zeitung, 17. März 2003, abgerufen am 22. März 2015.</ref>

Mitte der 1990er Jahre zog sich Pogorelich zunehmend aus dem regulären Konzertbetrieb zurück. Zum einen war er durch den Bürgerkrieg in seinem Heimatland, als Sohn einer serbischen Mutter und eines kroatischen Vaters,<ref>John Cunningham: The key to survival. The Guardian, 7. Mai 1999, abgerufen am 8. Oktober 2012 (english).</ref> belastet, zum anderen hatte er mit gesundheitlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Nach dem krankheitsbedingten Tod seiner Frau im Jahr 1996 gab er die Konzerttätigkeit gänzlich auf, da er es nicht ertrug ein Klavier zu berühren und Zeit zur Wiedererlangung seiner Kreativität benötigte.<ref name="MB" /> In den späten 1990er Jahren kehrte Pogorelich auf die Konzertbühne zurück, um sich durch Benefizkonzerte für soziale und kulturelle Einrichtungen seines auseinandergebrochenen Heimatlandes zu engagieren. Als UNESCO-Botschafter sammelte er Spenden für kroatische Wohltätigkeitsorganisationen und für den historischen Wiederaufbau des zerstörten Dubrovnik,<ref>Michael Church: Classical: When a poseur gets serious. The Independent, 16. April 1999, abgerufen am 10. Oktober 2015 (english).</ref> aus eigener Initiative gab er weltweit Konzerte, deren Erlöse ebenfalls karitativen Einrichtungen zugute kamen. Pogorelich erklärte gegenüber der Presse, dass ihn die Bilder des menschlichen Leids in seinem Heimatland krank machten und es unmöglich sei nur zuzuschauen.<ref name="DT">The delicate sound of thunder. The Telegraph, 21. April 1999, abgerufen am 10. Oktober 2015 (english).</ref>

Ab 2003 gastierte Pogorelich wieder auf deutschen Konzertbühnen.<ref>Jan Brachmann: Laut und leise soll man nicht verwechseln. Berliner Zeitung, 19. März 2003, abgerufen am 10. Oktober 2015.</ref> Nach seiner längeren Abwesenheit, die in der Presse teilweise als „Karriereknick“ bezeichnet wurde,<ref>Joachim Kronsbein: Beckham des Pianos. Der Spiegel, 21. August 2006, abgerufen am 5. Januar 2015.</ref> konzertierte er zunächst auf kleineren Bühnen<ref>Andrea Mertes: Ein höchst sensibler Flügel. Die Tageszeitung, 20. Juli 2005, abgerufen am 10. Oktober 2015.</ref> und ersetzte kurzfristig die erkrankten Pianisten Argerich, Kissin und Sokolow.<ref>Braunschweig Classix Festival 2009 – Ivo Pogorelich. Stadt Braunschweig, abgerufen am 6. Oktober 2015.</ref><ref>Kissin erkrankt – Pogorelich spielt. Hamburger Abendblatt, 12. Juni 2009, abgerufen am 6. Oktober 2015.</ref><ref>Georg Rudiger: Zwei Welten am Klavier. Badische Zeitung, 20. November 2013, abgerufen am 6. Oktober 2015.</ref>

Pogorelich engagierte sich wie schon in den vorangegangenen Jahren für die Jugendarbeit und ließ das Festival zur Förderung junger Künstler in Bad Wörishofen, das er ins Leben gerufen hatte und welches von 1989 bis 1996 jährlich stattfand,<ref>Carolin Kober: Benefizkonzert. Ivo Pogorelich ist wunschlos glücklich. Augsburger Allgemeine, 17. September 2008, abgerufen am 10. Oktober 2015.</ref> im Jahr 2003 für eine Saison erneut aufleben.<ref>Ivo-Pogorelich-Stiftung gegründet. Neue Musikzeitung, 16. Juni 2003, abgerufen am 10. Oktober 2015.</ref> Pogorelich hatte bereits 1993 einen Klavierwettbewerb in Pasadena initiiert und als „Namensgeber und Sponsor des Preisgeldes“ fungiert.<ref name="FA">Kalle Burmester: "Ich bin enorm faul". Hamburger Abendblatt, 6. April 1992, abgerufen am 10. Oktober 2015.</ref> Im Jahr 2006 konzertierte er zusammen mit der „Jungen Philharmonie Thüringen, einem vielversprechenden Nachwuchsorchester“ beim Kunstfest in Weimar.<ref>Max Nyffeler: Die Aufklärung und ihr Schatten. Neue Zürcher Zeitung, 22. September 2006, abgerufen am 1. November 2015.</ref>

Seit 2010 ist Pogorelich überwiegend auf europäischen Konzertbühnen zu sehen, nachdem ihn längere Tourneen durch die Vereinigten Staaten und Japan geführt hatten.<ref name="mö" />

Im Frühjahr 2015 wurden die Einspielungen Pogorelichs aus den Jahren 1981 bis 1997 für die Deutsche Grammophon von dem Musiklabel neu aufgelegt.<ref>Ivo Pogorelich. Complete Recordings. Deutsche Grammophon, abgerufen am 11. Oktober 2015.</ref> Die CD-Kollektion wurde im Mai 2015 von der französischen Musikzeitschrift Diapason mit der Goldenen Stimmgabel ausgezeichnet.<ref>Les Diapason d'Or. Diapason, abgerufen am 9. Oktober 2015 (français).</ref>

Pogorelichs Repertoire „reicht vom Barock über die Klassik und Romantik bis ins 20. Jahrhundert“.<ref name="DRK">Arkadiusz Luba: Pianist voller Temperament. Deutschlandradio Kultur, 12. März 2015, abgerufen am 6. November 2015.</ref> Er lebt in Lugano.<ref name="MB" />

Wirkung

Pogorelich ist für seinen „eigenwilligen, manieristischen Interpretationsstil“ klassischer Klavierkompositionen bekannt, der die „Grenzen der Werktreue“ hinsichtlich Tempivorgaben überschreitet.<ref name="MO">Matthias Nöther: Ivo Pogorelich – der rebellische Pianist. Berliner Morgenpost, 2. Januar 2014, abgerufen am 6. Oktober 2015.</ref> Durch seine individuelle Gestaltung der „dynamischen Vorschriften“ und des Zeitmaßes der Originalkomposition, erzeugt er „ungewöhnlich starke Kontraste“ und „subtile Nuancierungen“ der „Klangfarben-Dynamik“.<ref name="JH" /> Er „versteht sich nicht als notengetreuer Anwalt der Partitur, er sucht vielmehr die Essenz, die hinter ihr steht“ und die „vielleicht nicht einmal dem Komponisten bewusst war“.<ref>Gerhard Schroth: Auf der Suche nach der Essenz. Ivo Pogorelich unerbittlich konsequent im Kurhaus Wiesbaden. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. Juli 2005.</ref> Seine radikalen Interpretationen werden demzufolge entweder als Erlebnis oder als Zumutung,<ref>Heinz Josef Herbort: Ivo Pogorelich und das neue Bild des alten Bach. Überraschungen, Ereignisse. Die Zeit, 5. Dezember 1986, abgerufen am 22. März 2015.</ref><ref>Klaus Umbach: Der Narziß als Goldfinger. Der Spiegel, 24. November 1986, abgerufen am 22. März 2015.</ref> als „genial“ oder als „undiskutabel“ beschrieben.<ref>Walter Dobner: Konzerthaus: Buhrufe und Jubel fürs Enfant terrible. Die Presse, 30. Mai 2010, abgerufen am 6. Oktober 2015.</ref>

Pogorelichs Rezital-Programm 2015 polarisierte wie in den Jahren zuvor und wurde von der Musikkritik sehr unterschiedlich aufgenommen. Im Guardian wurde sein Vortrag als „erbärmlich“ und „zutiefst unmusikalisch“ bezeichnet.<ref>Andrew Clements: Ivo Pogorelich review – a wretched, profoundly unmusical affair. The Guardian, 25. Februar 2015, abgerufen am 6. Oktober 2015 (english): „ […] a wretched, profoundly unmusical affair.“</ref> In der Süddeutschen Zeitung wurde das gleiche Programm hingegen als „Hartes Tongeröll, beidhändig aufgetürmt zu Gebirgen von expressionistischer Bildkraft“ gewertet und Pogorelich als das Gegenteil eines „Tastencharmeurs“ oder „Gefälligkeitskünstlers“ beschrieben. Seine Kunst sei „die Begegnung mit der Kunst, der Prozess des Wiedererschaffens, […] des Verstehens und des Wiederbelebens“ der Klangwelten, dem „Denken und Empfinden“ der alten Meister.<ref>Helmut Mauró: Ivo Pogorelich im Zwischenreich romantischer Klaviergeister. Süddeutsche Zeitung, 18. Februar 2015.</ref>

Von seinem Stammpublikum, „junger und jung gebliebener Klavierliebhaber“,<ref name="MO" /> wird Pogorelich aufgrund seiner Werksinterpretationen beinah kultisch verehrt.<ref name="KU">Vorlage:Internetquelle/Wartung/Datum nicht im ISO-FormatKlaus Umbach: Ein geläuterter Heiland. Das Kulturmagazin des Westens, 05/2009, abgerufen am 6. Oktober 2015.</ref> Pogorelich sei „das grandiose Gegenteil des Klassik-Zirkus“, seine Konzerte die „Kunst der perfekten Freiheit“.<ref>Adrain Prechtel: Pogorelich spielt in München gegen den Teufel an. Abendzeitung, 24. Oktober 2015, abgerufen am 9. Oktober 2015.</ref>

Allgemein anerkannt ist seine souveräne Beherrschung höchster technischer Schwierigkeiten, insbesondere bei Maurice Ravels Gaspard de la nuit<ref>Matthias Kornemann: Gaspard de la nuit. Ivo Pogorelich. Rondo, abgerufen am 9. Oktober 2015.</ref> und der von ihm bis heute favorisierten Zugabe Islamej von Balakirew.<ref>Günter Berard: Pogorelich spielt wieder. Hamburger Abendblatt, 26. März 2008, abgerufen am 1. November 2015.</ref><ref>Walter Dobner: Der entfesselte Exzentriker am Klavier. Die Presse, 7. Oktober 2015, abgerufen am 9. Oktober 2015.</ref>

Aufnahmen (Auswahl)

Tonträger

DVDs

  • Ivo Pogorelich Recital. Bach – Scarlatti – Beethoven. Bach: Englische Suiten Nr. 2 a-Moll BWV 807 und Nr. 3 g-Moll BWV 808. Scarlatti: Sonaten C-Dur K.487, E-Dur K.20, e-Moll K.98, g-Moll K.450, d-Moll K.1, C-Dur K.159. Beethoven: Klaviersonate Nr. 11, Für Elise. (Deutsche Grammophon, 2005. Bach-Aufnahme, Vicenza, Italien im Oktober 1986, Scarlatti- und Beethovenaufnahmen im Schloss Eckartsau, Österreich im Januar 1987.)
  • Ivo Pogorelich in Castello Reale Di Racconigi. Chopin – Haydn – Mozart. Chopin: Polonaise Nr. 2 c-Moll op. 40, Klaviersonate Nr. 3, Nocturn Nr. 2 Es-Dur op. 55, Prélude cis-Moll op. 45, Hayden: Sonate in As-Dur Hob.XVI:46. Mozart: Sonate Nr. 11 A-Dur KV 331. (Deutsche Grammophon, 2007. Aufnahme in Turin, Italien im April und Mai 1987.)
  • Ivo Pogorelich – RECITAL – Beethoven/Chopin/Scriabin. Chopin: Sonate Nr. 2 b-Moll, Polonaise fis-Moll, Préludes Nr. 21 B-Dur op. 28. Beethoven: Klaviersonate Nr. 27 op. 90, Klaviersonate Nr. 32 in c-Moll op. 111, Alexander Scriabin: Etüde Nr. 2 fis-Moll op. 8, Deux Poémes Fis-Dur und D-Dur op. 32. (Naxos, 2009. Aufnahme in der Villa Contarini, Italien zwischen dem 2. und 14. August 1987.)

Auszeichnungen (Auswahl)

Literatur (Auswahl)

  • David Dubal: Reflections from the Keyboard: The World of the Concert Pianist. Summit Books, New York 1981, ISBN 978-0-671-49240-3. (englisch)
  • Klaus Umbach: Geldschein-Sonate. Das Millionenspiel mit der Klassik. Ullstein Verlag, Berlin 1990, ISBN 3-550-06450-0.
  • Elysa March: Great contemporary pianists speak for themselves. Dover Publications, New York 1991, ISBN 978-0-486-26695-4. (englisch)<ref> Elysa March: Great Contemporary Pianists Speak for Themselves. Dover Publications, New York, 1991, S. 220 (Volltext in der Google-Buchsuche-USA).</ref>
  • Ivo Pogorelich: In: Frankfurter Allgemeine Magazin (Hrsg.): Warum brauchen große Pianisten Vorbilder? Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurt 1998.
  • Hanno Rinke: Zerrissen. Ein Tagebuch in Briefen. Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2008, ISBN 978-3-434-50625-6.
  • Jürgen Otten: Die großen Pianisten der Gegenwart: Mit ausführlichem Lexikonteil. Henschel Verlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-89487-530-5.
  • YuanpuÌ" Chao, Ivo Pogorelich, YoÌ" Morioka: Pianisuto ga kataru: gendai no sekaiteki pianisutotachi tono taiwa. (Titel international: The colours between black and white.) Tankobon Softcover, Tankōbon 2014, ISBN 978-4-87198-584-0. (japanisch)

Filme (Auswahl)

Weblinks

Einzelnachweise

<references />

24px Dieser Artikel wurde am 16. November 2015 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen.