Motor-Doping


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Mit dem Begriff Motor-Doping (englisch mechanical doping oder bike doping) wird eine vermeintlich mögliche Methode bezeichnet, Rennräder mithilfe eines Miniatur-Motors bei Profi-Rennen zu beschleunigen.

Erste Gerüchte

Mitte Mai 2010 tauchten Gerüchte auf, im Rahmen von Profirennen seien Hilfsmotoren eingesetzt worden, um die Fahrer beim Pedalieren zu unterstützen, sogenanntes „Motor-Doping“. Mit Hilfe eines Miniatur-Motors könne ein Fahrer während zwei bis drei Stunden im Lauf einer Etappe wertvolle Kräfte für das Finale sparen.<ref>radsport-news.com: „Motor-Doping im Peloton?“ abgerufen am 21. Juni 2010</ref>

Video

Der ehemalige Radsportprofi und TV-Moderator Davide Cassani beschuldigte in einem Video den Radrennfahrer Fabian Cancellara, die Flandern-Rundfahrt sowie das Rennen Paris–Roubaix mit technischer Unterstützung bestritten zu haben.<ref>Vorlage:Internetquelle/Wartung/Datum nicht im ISO-Formatyoutube.com: Bike with engine (doped bike) and Cancellara (Roubaix - Vlaanderen). 29. Mai 2010, abgerufen am 23. Juni 2010. (Video)</ref> Im Video gibt Cassani an, die Batterie sei im Rahmen versteckt. Gegenüber der Union Cycliste Internationale (UCI) räumte Cassani später jedoch ein, die Batterie müsse aufgrund ihrer Größe in einer Trinkflasche untergebracht gewesen sein.<ref name="rr">Vorlage:Internetquelle/Wartung/Datum nicht im ISO-FormatTillman Lambert: radsport-rennrad.de: Italienischer Richter ermittelt in «Motor-Affäre». 13.06.2010, abgerufen am 23. Juni 2010.</ref><ref>Vorlage:Internetquelle/Wartung/Datum nicht im ISO-Formatfr-online.de: UCI glaubt nicht an Motorhilfe - Verfahren gegen Cancellara. 13.06.2010, abgerufen am 23. Juni 2010.</ref>

Technische Machbarkeit

Der Tiroler Maschinenbauer Gruber, der seit 2007 einen ultraleichten Zusatz-Antrieb für Mountainbikes am Markt hat, teilte als Reaktion auf die Pressemeldungen mit, dass das „Gruber Assist“ genannte System „nicht als Motor-Doping entwickelt wurde, und auch nicht im Rennbereich dafür eingesetzt werden kann“. Dem widersprachen jedoch Fachleute: Mit entsprechenden Umbauten sei das System samt Akkus durchaus im Rahmen eines Rennrades zu verstecken.

Der ehemalige Rennfahrer und Leiter der technischen Kommission beim britischen Radsportverband British Cycling, Chris Boardman, gab an, er habe dem Weltradsportverband UCI schon 2009 die Technologie erläutert und davor gewarnt.<ref>radsport-news.com: „Boardman warnte UCI vor Motor-Doping“ abgerufen am 21. Juni 2010</ref><ref name="rr" /><ref>cyclingnews.com: "Boardman warned the UCI of risks of Bike Doping" abgerufen am 23. Juni 2010</ref>

Viele Profis, unter ihnen Linus Gerdemann und Jens Voigt, hielten hingegen die Möglichkeit des Betrugs auf diese Weise für „kaum vorstellbar bis ausgeschlossen“.<ref>radsport-news.com: „Italienischer Richter ermittelt in ‚Motor-Doping‘-Affäre“ abgerufen am 21. Juni 2010</ref> Schon allein anhand des Gewichtes eines Rennrades würde ein solcher Einbau auffallen.

In einer Fernsehdokumentation der niederländischen Sendung „Bureau Sport“ unter Beteiligung von Michael Boogerd, Nico Mattan und Michael Rasmussen wurde die Existenz eines Systems bestätigt, das bis zu 150 Watt zusätzliche Leistung erzeugen könnte.<ref>Bureau Sport: Special. 19. Januar 2014</ref>

Reaktion der UCI

Die UCI erklärte im Mai 2010 zunächst, man habe keine Hinweise auf „Motor-Doping“. Nachdem jedoch weitere Experten die Möglichkeit einer solchen Manipulation von Rennrädern einräumten, beschloss die UCI, bei der Tour de France 2010 Scanner einzusetzen, um möglicherweise in den Rädern versteckte Motoren aufzuspüren. <ref>radsport-news.com: "UCI setzt bei der Tour de France Scanner ein" abgerufen am 19. Juni</ref><ref>Vorlage:Internetquelle/Wartung/Datum nicht im ISO-Formatuci.ch: Press release - Second day of the UCI Management Committee meeting. 18.06.2010, abgerufen am 24. Juni 2010.</ref> Nachdem zunächst die Rede davon war, nur verdächtige Räder zu kontrollieren, erklärte die UCI Anfang Juli jedoch, bei jeder Etappenankunft eine bestimmte Zahl von Fahrern zu kontrollieren. Die Zahl der Überprüfungen werde sich nach der Art der Etappe und der jeweiligen Streckenbeschaffenheit richten. Es könne sich um fünf oder auch um 15 Fahrer handeln. Werde eine Manipulation durch einen Elektromotor festgestellt, werde das Fahrrad konfisziert und der betroffene Fahrer vom Rennen ausgeschlossen.<ref>sportschau.de vom 2. Juli 2010: "UCI: Disqualifikation bei Motordoping" (Memento vom 5. Juli 2010 im Internet Archive)</ref> Über das Ergebnis dieser Kontrollen wurde nach Ende der Tour offiziell nichts bekannt, allerdings auch nichts darüber, dass ein manipuliertes Rad entdeckt worden sei. Auch bei den Weltmeisterschaften im Querfeldeinrennen wurden die Räder der drei ersten Fahrer auf Hilfssysteme kontrolliert.<ref>UCI checked for motors in bikes at cyclo-cross Worlds. cyclingnews, 16. Februar 2014</ref>

Im Jahr 2015 passte die UCI ihr Reglement an und führte Strafen für Radrennfahrer und Radsportteams für Motor-Doping ein: Für Fahrer gilt die Disqualifikation im Rennen, eine Sperre von mindestens sechs Monaten und eine Geldstrafe von 20.000 bis 200.000 Schweizer Franken. Für die Teams gelten dieselben Strafen mit der Maßgabe, dass die Geldstrafe zwischen 100.000 bis eine Millionen Schweizer Franken beträgt. Dabei gilt nicht erst die Verwendung den motorisierten Rennmaschine im Rennen als regelwidrig, sondern bereits die Bereitstellung.<ref name= diszi>UCI introduces new sanctions against motorised doping. cyclingnews.com, 29. April 2015, abgerufen am 29. April 2015 (english).</ref> Nach der 18. Etappe der Tour de France 2015 wurden die Räder der Rennfahrer Chris Froome, Peter Sagan, Nairo Quintana, Joaquim Rodríguez, Romain Bardet und Pierre Rolland durch Kommissäre der UCI nach verbotenen Motoren durchsucht; es soll die vierte Prüfung während dieser Tour gewesen sein. Bereits beim Giro d’Italia 2015 hatte die UCI Stichproben vorgenommen, die aber allesamt negativ ausfielen.<ref>radsport-news.com – UCI überprüft Räder von Froome und fünf weiteren Fahrern. In: radsport-news.com. 23. April 2015, abgerufen am 24. Juli 2015.</ref>

Ermittlungsverfahren

Mitte Juni 2010 leitete die italienische Justiz aufgrund einer Anzeige des italienischen Teaminhabers Ivano Fanini („Amore e Vita“) Ermittlungen ein. Weder über die Resultate dieser Ermittlungen noch über die Tests der UCI ist jedoch öffentlich etwas bekannt. Die gesamte Diskussion um die Existenz des vermeintlichen Motor-Dopings verlief anschließend im Sande.

Schon 1979?

Im Sommer 2010 berichtete der dänische Radrennfahrer René Wenzel, dass der belgische Kollege Willy De Bosscher das Ausscheidungsfahren des Sechstagerennens von Grenoble im Jahre 1979 auf einem „Vélo à moteur“ gewonnen habe. Als die anderen Fahrer das herausfanden, hätte sie ihn verprügeln wollen, was der belgische Sechstage-Star Patrick Sercu jedoch verhindert habe. Da De Bosscher für seine Clownerien bei Sechstagerennen bekannt war, ist es möglich, dass dieser den Einsatz eines motorisierten Fahrrades als „Scherz“ angesehen hat.<ref>Vélo à moteur : un premier essai en 197 auf cyclisme-dopage.com v. 6. Juni 2010</ref>

Weblinks

Einzelnachweise

<references />