Politisches System Aserbaidschans
Das Politische System Aserbaidschans ist seit 1992 geprägt vom autoritären Führungsstil der aserbaidschanischen Präsidenten und wird unterwandert von Korruption. Das erdölreiche Land ist seit dem 18. Oktober 1991 von der Sowjetunion unabhängig. Nach der Verfassung von 1995 ist Aserbaidschan eine Republik mit einem präsidentiellen Regierungssystem, besitzt aber auch gleichzeitig das Amt des Ministerpräsidenten.
Auf dem Demokratieindex im Jahr 2008 von der Zeitschrift The Economist steht Aserbaidschan weltweit auf Platz 135 von 167 Ländern und zählt somit zu den autoritären Regimen.<ref>Demokratieindex 2008 als PDF ( englisch)</ref> Die Einordnung wird von politikwissenschaftlichen Messungen wie etwa dem Polity-IV-Index und dem Bertelsmann Transformation Index bestätigt.<ref>Küpeli, Ismail (2010): Stabilisierung autoritärer Herrschaft: Das Fallbeispiel Aserbaidschan. Universität Duisburg-Essen, Duisburg 2010, S. 24. Ausführlicher: Pickel, Gert (2006): Eine vergleichende Analyse der Qualität von Demokratien in Osteuropa und im kaukasischen Gebiet. In: Gert Pickel/Susanne Pickel (Hg.): Demokratisierung im internationalen Vergleich. Neue Erkenntnisse und Perspektiven. Wiesbaden, S. 111-134.</ref>
Inhaltsverzeichnis
Politische Geschichte
Aserbaidschan wurde bereits 1918 vom Russischen Reich unabhängig und etablierte sich als Aserbaidschanische Demokratische Republik. Es wurde ein Parlament errichtet und die Frauenrechte gestärkt. Die ethnischen Minderheiten der Russen, der Juden, der Deutschen und sogar der Armenier erhielten Sitze im aserbaidschanischen Parlament. Von 1921 bis 1991 war Aserbaidschan Teil der Sowjetunion (ab 1936 eine eigene Unionsrepublik, die Aserbaidschanische SSR) und wurde von der kommunistischen Partei regiert. Am 23. September 1989 erfolgte die Souveränitätserklärung, 1991 folgte die Unabhängigkeit.<ref name="Auswärtiges Amt">Angaben über Aserbaidschan</ref>
Verfassung
Die Aserbaidschanische Verfassung wurde am 12. November 1995 per Referendum verabschiedet. Sie definiert Aserbaidschan als Republik mit Präsidialsystem und besitzt einen recht umfassenden Menschenrechtskatalog.<ref>Grund- und Freiheitsrechte in Aserbaidschan</ref> Für die Verfassungsbeschwerden gibt es auch ein Verfassungsgericht. Die Verfassung wurde zuletzt 2002 novelliert.
Institutionen
Staatsoberhaupt
Das Staatsoberhaupt des Landes ist der Staatspräsident. Er ist mit weitgehenden exekutiven Vollmachten ausgestattet und wird jeweils auf fünf Jahre direkt in einer allgemeinen Wahl gewählt. Die Amtszeit des Präsidenten ist seit 2009 nicht mehr auf zwei Amtsperioden begrenzt und kann in Zeiten nicht genauer definierter militärischer Operationen bis zum Ende dieser Operationen verlängert werden.<ref name="PolitAs">Auswärtiges Amt: Politische Entwicklung Aserbaidschans</ref> Der Präsident ernennt die Regierung und den Ministerpräsidenten. Dazu hat er das Gesetzesinitiativrecht und kann Rechtsverordnungen erlassen.<ref name="StAs">Auswärtiges Amt: Aufbau des Staates in Aserbaidschan</ref> Amtsinhaber ist seit Oktober 2003 İlham Əliyev. Er folgte auf seinen Vater, Heydər Əliyev.
Regierung
Die Regierung Aserbaidschans steht unter Vorsitz des Ministerpräsidenten. Der Regierungschef ist der Ministerpräsident, derzeit ist es Artur Rasizadä. Der aserbaidschanische Ministerpräsident ist zudem der Vertreter des Präsidenten. Die Regierung ist allein dem Präsidenten verantwortlich.<ref name="Auswärtiges Amt" /> Der aserbaidschanische Außenminister ist zurzeit Elmar Məmmədyarov.<ref>Angaben des Auswärtigen Amtes über die Außenpolitik Aserbaidschans</ref>
Parlament
Die Legislative liegt beim Ein-Kammer-Parlament (Milli Məclis), welches 125 Abgeordnete hat (1 Sitz wird noch für Vertreter des Wahlkreises Bergkarabach Dağliq Qarabağ freigehalten) und jeweils für fünf Jahre (entspricht einer Legislaturperiode) gewählt wird. Das Parlament kann durch den Präsidenten aufgelöst werden, welcher dem Parlament nicht verantwortlich ist. Das Land besitzt ein Mehrheitswahlrecht.
Seit den Wahlen vom November 2005 wird das Parlament von der Partei Neues Aserbaidschan des Präsidenten İlham Əliyev dominiert. Parlamentspräsident ist Oqtay Asadov, seine Vertreter sind der Erste Stellvertretende Parlamentspräsident Ziyafat Askerov sowie die zwei Stellvertretenden Parlamentspräsidenten Bachar Muradova und Valeh Aleskerov.
Gerichtsbarkeit
Das Oberste Gerichtshof Aserbaidschans ist die höchste juristische Instanz im Land und hat das Gesetzesinitiativrecht.<ref>Auswärtiges Amt: Kontrollorgane Aserbaidschans</ref>
Das Verfassungsgericht Aserbaidschans wurde am 4. Juli 1998 gegründet. Es besteht aus neun Richtern. Das aserbaidschanische Verfassungsgericht kann den Präsidenten aufgrund von schwersten Amtsvergehen entlassen. Es erkannte das Wahlergebnis der Parlamentswahl 2005 in zehn Wahlkreisen nicht an. Für die Bürger des Landes besteht außerdem die Möglichkeit der Individualklage.
Die Richter des Wirtschaftsgerichtes werden wie das Verfassungsgericht und das Oberste Gericht durch das Vorschlagsrecht des Präsidenten von ihm ernannt.
Parteien
Das Land Aserbaidschan hat ein Mehrparteiensystem. Die derzeitige Regierungspartei ist die Partei Neues Aserbaidschan, die eine Nachfolgepartei der früheren Kommunistischen Partei der Aserbaidschanischen Sozialistischen Sowjetrepublik ist. Die wichtigsten Oppositionsparteien sind die Aserbaidschanische Hoffnungspartei und die Volksfront-Partei Aserbaidschans (Reformflügel), deren Vorsitzender Ali Karimli ist. Die älteste Partei Aserbaidschans ist die Müsawat-Partei. Ihr Vorsitzender ist Isa Gambar. Als weiteren Vertreter des Mehrparteiensystems gibt es noch die Partei der nationalen Unabhängigkeit (Istiklal) von Etibar Mammadov. Als Verfechter des Kommunismus hingegen existieren die kommunistischen Parteien, wie die Aserbaidschanische Kommunistische Partei.
Wahlen
Die erste und einzige demokratische Wahl in der Geschichte Aserbaidschans seit 1989 war die Präsidentschaftswahl von 1992. In dieser Wahl gewann Əbülfəz Elçibəy die Wahlen. Sein Vorgänger war Ayaz Mütallibow. Alle Wahlen, die seit der Machtübernahme Heydər Əliyevs stattgefunden haben, gelten als mehr oder weniger manipuliert.<ref>Küpeli, Ismail (2010): Stabilisierung autoritärer Herrschaft: Das Fallbeispiel Aserbaidschan. Universität Duisburg-Essen, Duisburg 2010, S. 33-39 und Freedom House (2008): Freedom in the World. New York, S. 57-59.</ref>
Kommunalwahlen wurden erstmals Ende 1999 durchgeführt, die letzten Kommunalwahlen fanden am 17. Dezember 2004 statt. <ref name="StAs"/>
Die Parlamentswahlen in Aserbaidschan 2005 am 6. November 2005 entsprachen nach Ansicht der OSZE-Wahlbeobachtungsmission nicht internationalen Standards. Die Wiederholungswahlen am 13. Mai 2006 genügten internationalen Standards ebenfalls nicht. Beide Wahlen gewann die Präsidentenpartei Neues Aserbaidschan.<ref name="PolitAs"/>
Am 7. November 2010 wurde das Parlament wieder gewählt, der YAP-Vizechef Ali Ahmedow kündigte kurz nach Wahlschluss an, dass die Partei gesiegt habe. Opposition und Menschenrechtsorganisationen berichteten von Unregelmäßigkeiten.<ref>http://news.orf.at/stories/2024240/</ref>
Auch die Präsidentschaftswahlen in Aserbaidschan 2008 wurden von der Opposition aufgrund von Behinderung beim Wahlkampf boykottiert.<ref name="Morgenpost Reformansätze">Morgenpost: Wahl in Aserbaidschan</ref>
Verwaltung
- Siehe auch: Liste der Städte in Aserbaidschan
Die Republik Aserbaidschan ist ein Zentralstaat. Sie gliedert sich administrativ in 59 Rayons (Rayonlar), 1 Autonome Republik (Muxtar Respublika), und 11 Städte (Şəhərlər). Die Verwaltungschefs der 78 Rayone werden vom Präsidenten ernannt.
Die Autonome Republik Nachitschewan besitzt eine eigene Verfassung, eine eigene Regierung und ein eigens Parlament. Sie gliedert sich wiederum in 7 Rayons und eine Stadt.
Militär
Der Oberbefehlshaber über das Militär ist der Staatspräsident. Es gibt kein Wehrdienstverweigerungsrecht. Der Wehrdienst dauert 1,5 Jahre, bei Hochschulabsolventen 1 Jahr.
Reformansätze
Als Aserbaidschan unabhängig wurde, wurden zahlreiche Reformen durchgeführt. So wurde Aserbaidschan ein offiziell laizistischer Staat nach türkischem Modell, außerdem wurde mit türkischer Hilfe das Militär modernisiert und ein demokratischer Staat eingerichtet. Allerdings verstärkt sich seit der Präsidentschaft Heydər Əliyev sowie der Präsidentschaft seines Sohnes İlham Əliyev der Trend zu einem autoritären Staat.
Die Opposition in Aserbaidschan kritisiert oft die westlichen Industrieländer, da sie aus Sorge vor Energieknappheit in den eigenen Ländern (Aserbaidschan ist ein bedeutender Erdölexporteur) die Regierung in Baku nicht ausreichend unter Druck setzten, um die Demokratisierung in Aserbaidschan voranzutreiben. Der Parteivorsitzende der Volksfront-Partei Aserbaidschans, Əli Kərimli, sagte dazu: Solange es in Aserbaidschan keine Demokratie gibt, können die langfristigen Interessen Europas und der USA nicht sichergestellt werden.<ref name="Morgenpost Reformansätze"/>
Siehe auch
- Aserbaidschanische Außenpolitik
- Erdölförderung am Kaspischen Meer
- Flagge Aserbaidschans
- Wappen Aserbaidschans
Literatur
- Guliyev, Farid (2005): Post-Soviet Azerbaijan: Transition to Sultanistic Semiauthoritarianism? An Attempt at Conceptualization <ref>Post-Soviet Azerbaijan: Transition to Sultanistic Semiauthoritarianism? An Attempt at Conceptualization abgerufen am 3. Mai 2011</ref>. In: Demokratizatsiya 13 (3), S. 393-435.
- Küpeli, Ismail (2010): Stabilisierung autoritärer Herrschaft: Das Fallbeispiel Aserbaidschan <ref>Stabilisierung autoritärer Herrschaft: Das Fallbeispiel Aserbaidschan abgerufen am 3. Mai 2011</ref>. Universität Duisburg-Essen, Duisburg 2010.
- Sidikov, Bahodir (2008): Aserbaidschan – Machtpoker um Petrodollars. In: Marie-Carin von Gumppenberg/Udo Steinbach (Hg.): Der Kaukasus: Geschichte – Kultur – Politik. München, S. 49-63.
Weblinks
- Angaben des Auswärtigen Amts über Aserbaidschan
- Baas, Reyer: Een lange weg voor Azerbeidzjan. 3. März 2003, The Alfred Mozer Foundation.
- CIA World Factbook: 2000 und die 2003 U.S. Department of State Webseite.
- Forrest, Brett: "Over A Barrel in Baku". In: Fortune (28. November 2005), S. 54–60.
Einzelnachweise
<references />
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