Iskander (Rakete)
Iskander (Rakete) | |
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Iskander auf Basis eines MZKT-7930 | |
Allgemeine Angaben | |
Typ: | Boden-Boden-Rakete |
Heimische Bezeichnung: | 9K720 Iskander |
NATO-Bezeichnung: | SS-26 Stone |
Herkunftsland: | Sowjetunion Sowjetunion / Russland Russland |
Hersteller: | Konstruktionsbüro KBM, Kolomna |
Entwicklung: | 1987 |
Indienststellung: | 2005 |
Einsatzzeit: | im Dienst |
Technische Daten | |
Länge: | 7,28 m |
Durchmesser: | 914 mm |
Gefechtsgewicht: | Iskander: 4.615 kg Iskander-E: 3.800 kg |
Spannweite: | 1.500 mm |
Antrieb: | Feststoff-Raketentriebwerk |
Geschwindigkeit: | 2.100–2.600 m/s (Mach 6,3–7,8) |
Reichweite: | Iskander: 415 km Iskander-E: 280 km |
Ausstattung | |
Lenkung: | INS und GLONASS |
Zielortung: | Gelände-Kontur-Abgleich (optional) |
Gefechtskopf: | Iskander: 800 kg Iskander-E: 480 kg |
Zünder: | Programmierbarer Zünder |
Waffenplattformen: | MZKT-7930-LKW |
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Die Iskander ist eine taktische ballistische Boden-Boden-Rakete aus russischer Produktion und gehört zur Klasse der Kurzstreckenraketen (SRBM). Der Nato-Code lautet SS-26 Stone, der GRAU-Index 9K720. Eine weitere russische Bezeichnung ist Tender. Die Raketen werden als 9M723 bezeichnet.
Inhaltsverzeichnis
Entwicklung
Anfangs der 1980er-Jahre entstanden in der Sowjetunion verschiedenen Studien zu einem Nachfolgesystem der SS-1B/C Scud und SS-23 Spider. Gefordert wurde ein taktisches Raketensystem mit großer Geschwindigkeit und einer Reichweite von mindestens 400 km. Auch sollte das neue System in der zukünftigen vernetzten Kriegführung einsetzbar sein. 1987 wurde dem Konstruktionsbüro Kolomna KBM der Entwicklungsauftrag zugesprochen. Mit dem Inkrafttreten des INF-Vertrages und der späteren Auflösung der Sowjetunion standen die Arbeiten an der SS-26 still. Erst Mitte 1995 wurden diese wieder aufgenommen. Der erste Teststart erfolgte 1996. Nach weiteren Anpassungen begann 2005 die Auslieferung an die russischen Streitkräfte.
Varianten
Im Herstellerwerk Kolomna KBM in Udmurt werden folgende Ausführungen produziert:
- 9K720 Iskander: 1. Serienversion.
- mit 9M720-Raketen mit einer Reichweite von 415 km und einer Nutzlast von 800 kg.
- 9K723 Iskander-M: 2. Serienversion.
- mit 9M723-Raketen mit einer Reichweite von 480 km.
- mit 9M723TL-Raketen mit Suchkopf für Gelände-Kontur-Abgleich.
- Iskander-E: Exportversion
- mit 9M723E-Raketen mit einer verringerten Reichweite von 280 km sowie einer reduzierten Nutzlast von 480 kg.<ref>http://www.kbm.ru/en/production/otrk/352.html Hersteller-Webseite</ref>
- Iskander-K:
- mit zwei Startbehältern für Marschflugkörper 9M728 (R-500) mit einer Reichweite von 500 km.<ref>Ракета Р-500 / 9М728 (комплекс Искандер-К). In: militaryrussia.ru. 7. Dezember 2015, abgerufen am 7. Dezember 2015 (русский). </ref>
- mit zwei Startbehältern für Marschflugkörper 9M729 mit einer Reichweite von 2.600 km. NATO-Codename SS-C-8.<ref>Jeffrey Lewis: Russian Cruise Missiles Revisited. In: armscontrolwonk.com. 27. Oktober 2015, abgerufen am 7. Dezember 2015 (english). </ref>
- Iskander-CDM:
- Projekt für eine schiffsgebundene Ausführung. Start aus einem VLS. Vorgestellt 2005.
Technik
Die SS-26 repräsentiert den aktuellen technischen Stand und erreicht damit eine deutlich höhere Zielgenauigkeit als ihre Vorgänger.
Das System ist auf dem geländegängigen MZKT-7930-LKW untergebracht. Dieses Startfahrzeug trägt die Typenbezeichnung 9P78 bzw. 9P78E. Das System ist hochmobil und schnell verlegbar. Es wird eine minimale Reaktionszeit aus voller Fahrt bis zum Raketenstart von rund 16 Minuten erreicht. Jedes Fahrzeug ist mit zwei 9M723-Raketen bestückt, die in einem Abstand von 40 Sekunden gestartet werden können.<ref>http://9k72.ru/page.php?22</ref> Zum Komplex Iskander gehören weitere Fahrzeuge<ref>Mikhail Barabanov: Iskander the Great. In: Moscow Defence Brief, Nr. 14, Centre for Analysis of Strategies and Technologies, Moskau 2008, S. 2–5.</ref>. Darunter ist ein Transport-Ladefahrzeug 9T250, das ebenfalls auf dem MZKT-7930 basiert und zwei Raketen transportiert sowie mit einem Ladekran ausgestattet ist. Die vier weiteren Fahrzeuge des Komplexes basieren auf Kamaz-43101-LKW. Es gibt ein Führungsfahrzeug 9S552, ein Wartungsfahrzeug zum Test der Rakete, ein Fahrzeug 9S920 für Koordinaten- und Informationsverarbeitung sowie ein Versorgungsfahrzeug für die Bedienmannschaft.
Die Iskander-Rakete wird von einem hochenergetischen Feststofftreibsatz angetrieben. Die Brennschlussgeschwindigkeit liegt bei rund 2100 m/s. Die Maximalgeschwindigkeit wird mit 2570 m/s angegeben. Nach dem Start beschreibt die Flugbahn der Raketen eine semi-ballistische Kurve mit einem Apogäum von 50 km. Der Großteil des Marschfluges wird in dieser Höhe zurückgelegt. Die minimale Schussdistanz beträgt 50 km. Die Steuerung erfolgt mittels einer Trägheitsnavigationsplattform sowie mit einem GLONASS-Satellitennavigationssystem. Mit diesen beiden Systemen wird eine Präzision (CEP) von 30 bis 70 m erreicht. Die Kurskorrekturen werden mittels Schubvektordüsen durchgeführt. Optional kann zusätzlich das optoelektronische 9E436-Endphasen-Lenksystem für einen Gelände-Kontur-Abgleich zum Einsatz kommen. Dieses enthält eine digitale Infrarot-Kamera, welche die Rakete im Zielendanflug selbstständig auf einen Punkt zusteuert, der zuvor auf einer digitalen Satellitenkarte markiert wurde. Mit diesem Zusatzsystem wird eine Präzision (CEP) von rund 7–10 m erreicht.<ref>Iskander SS-21 auf www.defense-update.com</ref><ref>Iskander – mobilní raketový systém odstrašování v místních konfliktech. auf www.blisty.cz </ref>
Die Iskander-Rakete verfügt über eine Reihe von Systemen zur Überwindung gegnerischer Abwehrmaßnahmen. Als erstes fliegt die Rakete in einer äußerst flachen semi-ballistischen Flugbahn. Bei der maximalen Einsatzreichweite der Iskander-E (rund 280 Kilometer) beträgt das Apogäum lediglich 50 km. Eine solch flache Flugbahn erschwert die Zielerfassung durch Suchradare. Während des Zielanfluges führt die Rakete nach dem Zufallsprinzip abrupte Ausweichmanöver mit einer Belastung von 25 bis 30 g durch. Ebenso werden beim Zielanflug Täuschkörper ausgestoßen. Auch befindet sich ein etwa 30 Kilogramm schwerer Störsender an Bord, der das Feuerleitradar von Raketenabwehrsystemen stören soll. Zusätzlich ist die Raketenoberfläche mit einer radarabsorbierenden Schutzschicht versehen.
Die 9M723-Raketen können mit unterschiedlichen Gefechtsköpfen bestückt werden:
- Splittergefechtskopf
- Penetrations-Gefechtskopf gegen verbunkerte Anlagen
- Bomblets mit Splitterwirkung
- Bomblets mit Brandwirkung
- Panzerminen zur Fernverminung
- Fuel-Air-Explosive (FAE)
- Selbstzielsuchende (intelligente) SPBE-D-Submunition zur Panzerbekämpfung (Iskander: 72 Stück, Iskander-E: 54 Stück)
- AA-86 Nuklearsprengkopf mit einer variablen Sprengleistung von 5 bis 50 kT.
- AA-92 Nuklearsprengkopf mit einer variablen Sprengleistung von 100 bis 200 kT.
- Nicht-nuklearer EMP-Sprengkopf
Einsatz
Während des Kaukasus-Konflikts 2008 wurden mindestens drei SS-26-Iskander-Raketen gegen Georgien eingesetzt. So schlugen dem georgischen Innenministerium zufolge Raketen in Gori und Poti ein. Die dritte Rakete sei nahe der Pipeline nach Supsa eingeschlagen.<ref>Kurzstreckenrakete vom Typ SS-26 Iskander abgefeuert auf www.br-online.de</ref><ref>Gori und die Hafenstadt Poti mit einer Rakete vom Typ SS-26 Iskander beschossen. (Memento vom 19. August 2008 im Internet Archive) auf www.kurier.at</ref>
Russland kündigte wegen des von den USA in Polen und Tschechien geplanten NATO-Raketenabwehrschildes an, Raketen in der Oblast Kaliningrad aufzustellen. Der russische Präsident Dmitri Medwedew teilte Anfang November 2008 in seiner ersten Rede zur Lage der Nation mit, dass es sich dabei um Kurzstreckenraketen vom Typ Iskander handele, welche die angrenzenden NATO-Mitgliedstaaten Litauen und Polen erreichen könnten.<ref>Iskander als optimale Antwort auf US-Raketenschild in Europa. auf de.rian.ru</ref> Aufgrund ihrer hohen Zielgenauigkeit wären die Systeme prinzipiell in der Lage, die geplanten Raketenabwehrstellungen in Polen auch mit konventionellen Gefechtsköpfen außer Gefecht zu setzen.
Später bot Medwedew den USA in einem Interview an, auf die Stationierung in Kaliningrad zu verzichten, wenn die USA im Gegenzug ihrerseits auf die Installation des Raketenabwehrsystems verzichten würden.<ref>Raketen-Poker zwischen Moskau und Washington.</ref> Ende Januar 2009 gab Russland dann bekannt, die Stationierung der Waffe zu stoppen.<ref>spiegel.de: Russen starten Charmeoffensive. 28. Januar 2009</ref> Nachdem Präsident Barack Obama im September 2009 den Verzicht der Vereinigten Staaten auf die Errichtung des Abwehrschilds in Polen und Tschechien erklärt hatte,<ref>Spiegel Online: Obama legt Pläne für Raketenschild auf Eis. 17. September 2009.</ref> wurde eine Aufgabe der russischen Stationierungspläne in Kaliningrad erklärt.<ref>Kaliningrad: Russland verzichtet auf Raketenstationierung. Spiegel.de, 29. September 2009.</ref> Nach dem Scheitern der Verhandlungen mit den USA bezüglich des europäischen Raketenschildes nahm Russland seine ursprünglichen Pläne allerdings wieder auf. Im Dezember 2014 war die Stationierung von Iskander-M-Systemen in Kaliningrad abgeschlossen.<ref>Russische Raketen in Kaliningrad verärgern Polen und Litauen. Spiegel.de, 16. Dezember 2014.</ref> Im März 2015 reagierte die US-Armee, indem sie Patriot-Raketen in der Nähe von Warschau stationierte.<ref>Poland and U.S. Army hold joint air defence exercises near Warsaw. – Reuters</ref>
Verbreitung
Bei den russischen Streitkräften befinden sich (Stand; 18. November 2015) sieben SS-26-Brigaden mit je zwölf Startfahrzeugen im Einsatz.<ref>Lenta.ru: Struktur der Verteidigungskräfte: Im russischen Heer befindet sich jetzt die fünfte Brigade des Systems Iskander-M im Einsatz.</ref><ref name=autogenerated4>bmpd – Im russischen Heer befindet sich die sechste Brigade des Systems Iskander-M im Einsatz.</ref><ref name=":0">Näheres zur siebten Brigade des Systems Iskander-M im Einsatz: Verteidigungsministerium der Russischen Föderation. function.mil.ru. Abgerufen am 18. November 2015.</ref>Damit stehen momentan 84 Startfahrzeuge (jedes mit zwei Raketen) zur Verfügung. Auf dem Exportmarkt wird die SS-26 als Gegenstück zum US-amerikanischen System MGM-140 ATACMS (Army Tactical Missile System) vermarktet.
Siehe auch
Literatur
- Russia's Arms Catalog 2005.
- Landgestützte sowjetische/russische ballistische Lenkwaffen. DTIG – Defense Threat Informations Group, Juli 2005.
- Michal Fiszer, Jerzy Gruszczynski: Bolt From the Blue – Russian land-based precision-strike missiles. In: Journal of Electronic defense. Bd. 26, Nr. 3, 2003, S. 42–50.
Weblinks
Einzelnachweise
<references/>