Severer
Als Severer bezeichnet man die von Septimius Severus begründete, nach ihm benannte Dynastie von römischen Kaisern. Ihr gehörten fünf Kaiser an. Die severische Dynastie regierte – mit einjähriger Unterbrechung von April 217 bis Juni 218 – von 193 bis 235. Im Jahr 235 starb sie aus, als der letzte Severer ermordet wurde. Obwohl Septimius Severus durch militärische Gewalt an die Macht gekommen war, stellten sich die Severer als die legitimen Nachfolger der Adoptivkaiser des 2. Jahrhunderts dar und betonten die Kontinuität.
Genau genommen waren nur die drei bis 217 herrschenden Kaiser – Septimius Severus (193–211) und seine beiden Söhne Caracalla (211–217) und Geta (211) – Severer. Nach Caracallas Tod im Jahr 217 gab es keine männlichen Nachkommen des Dynastiegründers mehr. Die beiden letzten Vertreter der Dynastie, Elagabal (218–222) und Severus Alexander (222–235), waren mit Septimius Severus nicht blutsverwandt, sondern waren Enkel seiner syrischen Schwägerin Julia Maesa. Daher spricht man auch von den „syrischen Kaisern“. Die syrischen Kaiser gaben sich aber als Enkel des Dynastiegründers aus und begründeten mit dieser fingierten Abstammung ihren Herrschaftsanspruch. Da sie beide in jugendlichem Alter zur Kaiserwürde erhoben wurden und ihre Väter nicht mehr am Leben waren, kam ihren Müttern und ihrer Großmutter Julia Maesa eine Schlüsselrolle zu. Die auch nach außen ersichtliche Machtstellung der severischen Frauen, die in der späten Severerzeit nach Ausweis der Quellen faktisch das Reich regierten, war für römische Verhältnisse beispiellos. Dieser Zustand wurde auf die Dauer vom Militär nicht hingenommen, was zum Untergang der Dynastie beitrug.
Inhaltsverzeichnis
Stammtafel
Julius Bassianus | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Julius Avitus Alexianus | Julia Maesa | Julia Domna | Septimius Severus 193–211 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Julia Soaemias | Julia Mamaea | Geta 211 | Caracalla 211–217 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Elagabal 218–222 | Severus Alexander 222–235 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Geschichte der Dynastie
Die frühen Severer
Der Gründer der Dynastie, Septimius Severus, war ein Römer afrikanischer Herkunft. Er stammte aus einer ritterlichen Familie der Großstadt Leptis Magna in Libyen. In Rom wurde er von Kaiser Mark Aurel in den Senatorenstand erhoben, worauf er eine senatorische Karriere durchlief und dabei auch militärische Kommandofunktionen in verschiedenen Provinzen übernahm, ohne allerdings Kriegserfolge vorweisen zu können. Durch seine Heirat mit der vornehmen Syrerin Julia Domna erlangte deren Herkunftsfamilie später große reichspolitische Bedeutung.
Mit der Ermordung des Kaisers Commodus am 31. Dezember 192 begann eine schwere Staatskrise, da es keine Nachfolgeregelung gab. Der neue Kaiser Pertinax wurde schon nach drei Monaten von meuternden Soldaten der Prätorianergarde erschlagen. Die Prätorianer sahen sich nun im Besitz der Macht und vergaben die Kaiserwürde nach ihrem Gutdünken. Sie verfügten aber nicht über die Autorität, ihrer Entscheidung Achtung zu verschaffen. Angesichts des dadurch entstandenen Machtvakuums machten die Grenzheere ihren Anspruch geltend, den Kaiser zu bestimmen. So kam es zu den Wirren des zweiten Vierkaiserjahrs. Die Heeresgruppe an der Donau erhob Septimius Severus, der damals Statthalter der Provinz Oberpannonien war, zum Kaiser. In Syrien ließ sich der dortige Statthalter Pescennius Niger zum Kaiser ausrufen. In der Provinz Britannien war deren Statthalter Clodius Albinus der Kandidat der dort stationierten Legionen. Die Chronologie legt dabei nahe, dass sich der Aufstand eigentlich bereits gegen Pertinax richten sollte. Albinus griff zunächst nicht nach der Kaiserwürde, sondern entschied sich für Severus, als sich dieser bereitfand, ihn als künftigen Nachfolger und Caesar zu akzeptieren.
Niger unterlag Severus in einem verlustreichen Bürgerkrieg, er wurde im Frühjahr 194 gefangen und getötet. Nach seinem Sieg gab Severus deutlich zu erkennen, dass nun sein Sohn Caracalla als Nachfolger vorgesehen war. Damit war die Vereinbarung mit Clodius Albinus hinfällig. Der ausgebootete Albinus griff zu den Waffen, worauf ein weiterer blutiger Bürgerkrieg begann, den Severus im Februar 197 wiederum für sich entscheiden konnte. Fortan regierte Severus unangefochten.
Severus war sich des Umstandes bewusst, dass seine Herrschaft nur auf der Loyalität seiner Legionen beruhte, deren Sold er massiv erhöhte, womit er eine Lücke in den Staatsschatz riss, auf die man wiederum mit erhöhtem Steuerdruck reagierte. Im Senat und in der hauptstädtischen Bevölkerung mangelte es ihm auch aus diesem Grund an Rückhalt, vielmehr waren die Sympathien für seine Widersacher groß. Zur Absicherung seiner Herrschaft ging der Sieger mit großer Härte gegen die Anhänger der unterlegenen Rivalen vor. Er konfiszierte ihre Vermögen und bestrafte eine Reihe von Städten – darunter die Großstadt Antiocheia – streng dafür, dass sie auf der Verliererseite gestanden hatten. Nach dem Sieg über Albinus ließ er zahlreiche Senatoren hinrichten.<ref>Julia Sünskes Thompson: Aufstände und Protestaktionen im Imperium Romanum, Bonn 1990, S. 137–145, 153; Gerold Walser: Die Severer in der Forschung 1960–1972. In: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt, Bd. II.2, Berlin 1975, S. 614–656, hier: 623, 625.</ref>
Im Gegensatz zu seinen Vorgängern verschaffte sich Severus in Rom von Anfang an Respekt. Er trat als Rächer des ermordeten Kaisers Pertinax auf und beendete die chaotischen Verhältnisse, denen Pertinax zum Opfer gefallen war, indem er die bisherige disziplinlose Prätorianergarde auflöste und durch eine neue, ihm loyale Truppe ersetzte.<ref>Markus Handy: Die Severer und das Heer, Berlin 2009, S. 123f., 174–177.</ref> Seither konnten nicht mehr nur Italiker, sondern Römer aus allen Reichsteilen in der Garde dienen. Zudem stationierte Severus erstmals eine Legion in Italien. Allerdings scheiterte er an der schwierigen Aufgabe, seine Nachfolge sinnvoll zu regeln; er war der zweite Kaiser, der zwei regierungsfähige Söhne hinterließ, und auf diesen Fall war das Prinzipat nicht eingerichtet.
Nach dem Tod des Septimius Severus im Februar 211 übernahmen wie vorgesehen seine Söhne Caracalla und Geta gemeinsam die Macht, ohne dass ihre jeweiligen Kompetenzen geregelt waren. Wegen der Rivalität und erbitterten Feindschaft zwischen ihnen trieb das Reich auf einen Bürgerkrieg zu. Diesen verhinderte nur der Umstand, dass es Caracalla nach elf Monaten gelang, seinen Bruder in eine Falle zu locken und ermorden zu lassen. Anschließend errichtete Caracalla, dessen Ansehen durch die Tat massiven Schaden erlitten hatte, ein Regime, das sich mehr denn je auf das Militär stützte und ihn der Oberschicht entfremdete. Das vom Terror erzeugte Klima der Angst und das vom Kaiser organisierte Spitzel- und Denunziantenwesen führten zu gesellschaftlicher Zerrüttung. Schließlich wurde die Furcht, die der Terror allenthalben geschürt hatte, dem Machthaber selbst zum Verhängnis. Als der Prätorianerpräfekt Macrinus Anlass zur Befürchtung hatte, dass der Kaiser ihm misstraute, kam er seiner drohenden Hinrichtung zuvor, indem er Caracalla am 8. April 217 ermorden ließ.
Unterbrechung der Severerherrschaft
Da Caracalla kinderlos war, fehlte nach seinem Tod ein dynastischer Erbe. Daher erhob das Heer nach einigem Zögern Macrinus, dessen Beteiligung an dem Mordanschlag zunächst verborgen blieb, zum Nachfolger seines Opfers. Damit stieg erstmals ein Mann zum Kaisertum auf, der kein Senator war, was der Oberschicht missfiel. Beliebt war der sparsame Macrinus allerdings auch bei den von Caracalla verwöhnten Soldaten nicht, und seine Führungsschwäche schadete seiner Autorität schwer.<ref>Markus Handy: Die Severer und das Heer, Berlin 2009, S. 40, 68f.</ref> Im Heer war die Loyalität zur severischen Dynastie ungebrochen. Diese Umstände nutzte Julia Maesa, die Schwester der bereits verstorbenen Frau des Septimius Severus, um ihrer eigenen Nachkommenschaft die Kaiserwürde zu verschaffen. Sie begann gegen Macrinus zu agitieren. Ihr Enkel, der vierzehnjährige Elagabal, wurde als unehelicher Sohn Caracallas ausgegeben. Damit konnte das dynastietreue Militär zum Aufstand gegen Macrinus bewogen werden. Im Juni 218 wurde Macrinus entscheidend geschlagen. Damit hatte sich der dynastische Gedanke der Severer durchgesetzt. So kam die mit Severus verschwägerte syrische Sippe, die sich als severisch ausgab, an die Macht.
Die späten Severer
Wegen Elagabals Jugend und weil er sich mehr für Religion als für Politik und Verwaltung interessierte, fiel die Besorgung der Regierungsgeschäfte in erster Linie seiner Großmutter Maesa zu. Maesa konnte aber nicht verhindern, dass der sehr eigenwillige Elagabal bald mit seinen orientalischen Sitten Anstoß erregte und sich mit seiner Religionspolitik verhasst machte. Elagabal war Priester des in Emesa verehrten Sonnengottes Elagabal, nach dem er später benannt wurde. Auch als Kaiser trat er in erster Linie als Priester auf. Er versuchte, den Kult seiner Gottheit in Rom als neue, einigende Staatsreligion einzuführen und wollte der bisherigen römischen Religion eine untergeordnete Rolle zuweisen. Dies führte zu einem schweren Zerwürfnis mit der senatorischen Führungsschicht. Vergeblich empfahl Maesa ihrem Enkel Rücksichtnahme auf die Erwartungen der Römer und vor allem der Soldaten: Da die herrschende syrische Sippe in Rom keine eigene Machtbasis hatte, war sie völlig auf das Wohlwollen der dort stationierten Truppen angewiesen. Als deren Loyalität wegen Elagabals Verhalten fraglich wurde, musste Maesa ihren Enkel opfern. Angesichts der sich abzeichnenden Katastrophe begann sie zusammen mit ihrer jüngeren Tochter Julia Mamaea, deren jugendlichen Sohn Severus Alexander als Nachfolger seines Vetters Elagabal aufzubauen. Auch Alexander wurde als unehelicher Sohn Caracallas ausgegeben. Kulturell wurde er als römisch gesinnt und damit als Gegenpol des in orientalischem Stil auftretenden Kaisers präsentiert. Elagabal musste ihn adoptieren und zum Caesar erheben. Aus der Rivalität zwischen den beiden Vettern entwickelte sich ein Existenzkampf. Maesa und Mamaea sicherten sich die Unterstützung der Soldaten. Am 11. März 222 wurde Elagabal von meuternden Soldaten ermordet, und Alexander konnte unangefochten die Kaiserwürde übernehmen.<ref>Eine ausführliche Darstellung bietet Robert Lee Cleve: Severus Alexander and the Severan Women, Los Angeles 1982, S. 105–159. Vgl. Martin Frey: Untersuchungen zur Religion und zur Religionspolitik des Kaisers Elagabal, Stuttgart 1989, S. 94–100.</ref>
Es zeugt von Maesas taktischem Geschick, dass dieser heikle Machtwechsel glatt verlief, obwohl der neue Kaiser erst dreizehnjährig war, die Syrer diskreditiert waren und die Soldaten ohne Weiteres eine erwachsene Person ihrer eigenen Wahl hätten zum Kaiser ausrufen können. Ein weiteres Mal hatte sich die tief verwurzelte Loyalität zur severischen Dynastie und speziell zur angeblichen Nachkommenschaft Caracallas als entscheidender Faktor erwiesen.
Mit Alexanders Regierungsantritt war der Fortbestand der Dynastie vorerst gesichert. Als seine Großmutter Julia Maesa bald darauf – wohl um 224/225 – starb, fiel die ganze Macht seiner Mutter Julia Mamaea zu. Sie regierte fortan für ihren Sohn. Auch als er längst erwachsen war, gab sie das Heft nicht aus der Hand und machte auch nach außen kein Hehl aus ihrer maßgeblichen Rolle. Diese Art Regierung konnte aber nur in Friedenszeiten funktionieren. Im Krieg respektierte das Heer den unselbständigen Kaiser nicht, und seine Mutter hatte als Frau an der Front keine Autorität. Da Alexander keine Nachkommen hatte und die Nachfolge nicht geregelt war, war für tüchtige und beliebte Kommandeure die Versuchung zum Aufstand oder Staatsstreich groß.
Auf einem großen, verlustreichen Feldzug gegen die Perser im Jahr 232 entstand im Heer Unmut. Für diesen Feldzug, der nicht den erhofften Erfolg brachte, waren die nördlichen Grenzen teilweise entblößt worden, was zu Angriffen von Germanen führte. Dies erbitterte die für den Feldzug in den Osten verlegten Soldaten, deren Angehörige im Norden ohne ausreichenden Schutz geblieben waren. Die Syrerin Julia Mamaea und ihr Sohn waren dem Verdacht einer Bevorzugung ihrer Heimatregion ausgesetzt. Außerdem galt Mamaea als knauserig. Als sich der Kaiser und seine Mutter zur Sicherung der Nordgrenze an den Rhein begaben, dann aber zögerten die Germanen anzugreifen, kam es im Jahr 235 zu einer Meuterei. Die rebellischen Soldaten riefen den Offizier Maximinus Thrax zum Kaiser aus. Julia Mamaea und Alexander wurden getötet.<ref>Den Ablauf dieser Ereignisse beschreibt Robert Lee Cleve: Severus Alexander and the Severan Women, Los Angeles 1982, S. 301–309.</ref>
Mit der Ausrottung der Kaiserfamilie durch die Meuterer endete die severische Dynastie. Es folgte die Epoche der „Soldatenkaiser“, deren erster Repräsentant Maximinus Thrax war. In ihr setzte sich die schon für die Severerzeit charakteristische Maßgeblichkeit militärischer Belange für die Staatsführung fort,<ref>Matthäus Heil: Clodius Albinus und der Bürgerkrieg von 197. In: Hans-Ulrich Wiemer (Hrsg.): Staatlichkeit und politisches Handeln in der römischen Kaiserzeit, Berlin 2006, S. 55–85, hier: 73 stellt unter diesem Gesichtspunkt fest: „Septimius Severus ist damit zum ersten der Soldatenkaiser geworden.“</ref> während das unter der Severerherrschaft noch stark ausgeprägte dynastische Bewusstsein schwand.
Die Legitimierung der Herrschaft
Septimius Severus verdankte die Herrschaft seinen Truppen, die ihn zum Kaiser erhoben. Nur dank seiner militärischen Erfolge konnte er sich durchsetzen und seinen Söhnen die Nachfolge sichern. Da er aber nicht als Usurpator gelten wollte, begründete er seinen Machtanspruch mit der Behauptung, er sei der Adoptivsohn des sehr angesehenen Kaisers Mark Aurel, der von 161 bis 180 regiert hatte. Mark Aurel gehörte zu den Adoptivkaisern, deren Epoche im Rückblick als Glanzzeit erschien. Konsequenterweise wurde daher auch die damnatio memoriae von Severus' "Bruder" Commodus wieder aufgehoben. Septimius Severus trat somit nicht als Gründer einer neuen Dynastie auf, sondern versuchte seiner Herrschaft mit der fingierten Adoption eine Legitimation zu verschaffen.<ref>Siehe dazu Alison Cooley: Septimius Severus: the Augustan emperor. In: Simon Swain u. a. (Hrsg.): Severan culture, Cambridge 2007, S. 385–397, hier: 385–388.</ref> Auf die Anknüpfung an das Adoptivkaisertum legten die Severer großen Wert. Daher trugen Caracalla und Elagabal offiziell den Namen Mark Aurels, Marcus Aurelius Antoninus. Auch Severus Alexander nannte sich Marcus Aurelius; auf den Namen Antoninus verzichtete er, da dieser durch seinen allgemein verhassten Vorgänger inzwischen diskreditiert war.<ref>Eine umfassende Untersuchung der Anknüpfung an das Geschlecht der Aurelier bei den Severern bietet Drora Baharal: Victory of Propaganda. The dynastic aspect of the Imperial propaganda of the Severi: the literary and archaeological evidence AD 193–235, Oxford 1996, S. 18–68.</ref>
Die Selbstdarstellung der Dynastie lässt ein intensives Stabilitätsbedürfnis und ausgeprägtes Kontinuitätsdenken erkennen. Die fortdauernde Herrschaft der Kaiserfamilie sollte nicht nur Eintracht und Frieden im Reich garantieren, sondern wurde auch durch eine gesteigerte Sakralisierung religiös überhöht und damit zusätzlich legitimiert. Man nannte die Herrscherfamilie domus divina („das göttliche Haus“).<ref>Siehe dazu Achim Lichtenberger: Severus Pius Augustus, Leiden 2011, S. 319–378.</ref> Unter Septimius Severus wurde der Kaiser folgerichtig erstmals (und noch vereinzelt) mit einem Nimbus dargestellt.
Außenpolitik
Konflikte an der Ostgrenze
Der Konflikt mit den Parthern und später den Persern war in der Severerzeit die vordringliche Herausforderung der römischen Außenpolitik. Die Parther hatten erst für Niger Partei ergriffen und dann die Schwächung des Reichs durch die im Zeitraum 193–197 tobenden römischen Bürgerkriege zu einer Offensive genutzt. Die Antwort des Septimius Severus war eine großangelegte Gegenoffensive, die er 197 im Anschluss an seinen Sieg über Albinus einleitete. Die Parther leisteten wenig Widerstand, sie zogen sich zurück, so dass die Römer Ktesiphon, die Hauptstadt des Partherreichs, erobern konnten. Erfolglos blieb allerdings der Versuch des Severus, auch die strategisch wichtige Stadt Hatra einzunehmen, deren Herrscher ebenso wie der Partherkönig Niger unterstützt hatte. Insgesamt war der Feldzug dennoch ein großer Erfolg. Sein Ergebnis war die Sicherung der römischen Herrschaft in Nordmesopotamien und die Stabilisierung der Verhältnisse an der Ostgrenze. Die Provinz Mesopotamia, die Severus neu einrichtete, blieb langfristig ein fester Bestandteil des Römischen Reichs.<ref>Michael Alexander Speidel: Heer und Herrschaft im Römischen Reich der hohen Kaiserzeit, Stuttgart 2009, S. 181–209; Markus Handy: Die Severer und das Heer, Berlin 2009, S. 73–78.</ref>
Caracalla setzte der von seinem Vater erreichten Befriedung im Osten ein Ende, als er 216 einen Angriffskrieg gegen die Parther begann. Dabei stellte er sich nachdrücklich in die Tradition Alexanders des Großen, womit er die Absicht einer Vernichtung des Partherreichs signalisierte. Es blieb jedoch bei einem kleinen Vorstoß, denn schon im folgenden Jahr wurde Caracalla während der Vorbereitungen für eine größere Offensive ermordet.<ref>Zum Verlauf des Feldzugs siehe Erich Kettenhofen: Caracalla. In: Encyclopædia Iranica, Bd. 4, London 1990, S. 790–792, hier: 791 (online).</ref> Seinem militärisch unerfahrenen Nachfolger Macrinus fiel die Aufgabe zu, die parthische Gegenoffensive abzuwehren. Dabei erlitt er eine Niederlage und musste anschließend den Friedensschluss erkaufen. Immerhin konnte er Gebietsverluste vermeiden.
In die Regierungszeit des Severus Alexander fiel der Untergang des Partherreichs, an dessen Stelle das von König Ardaschir I. gegründete neupersische Reich der Sasaniden trat. Nach der Konsolidierung seiner Herrschaft unternahm Ardaschir zu Beginn der dreißiger Jahre des 3. Jahrhunderts einen Angriff auf römisches Gebiet. Einen römischen Friedensvorschlag, den er als Schwächezeiten deutete, lehnte er ab, so dass sich Alexander zu einem Perserfeldzug gezwungen sah. Das Ziel der römischen Offensive im Jahr 232 war wiederum die Einnahme der parthischen Hauptstadt, doch erlitt eine der drei getrennt marschierenden Kolonnen des römischen Heeres beim Vormarsch so schwere Verluste, dass der Kaiser das Unternehmen abbrach, was zu weiteren hohen Verlusten beim Rückzug führte. Da auch die Perser durch die Kämpfe erheblich geschwächt waren, wurden die Kampfhandlungen eingestellt. Ein Friede kam zwar nicht zustande, doch trat an der Ostgrenze des Reichs wieder eine Beruhigung ein. Bis zum Ende der Severerzeit blieb die Lage dort stabil.<ref>Markus Handy: Die Severer und das Heer, Berlin 2009, S. 92–94.</ref>
Die nördlichen Grenzen
Weniger kritisch als im Osten war die Lage im Rhein- und Donauraum. Dort herrschte unter Septimius Severus weitgehend Ruhe. Erst unter Caracalla trat eine Situation ein, welche die Anwesenheit des Kaisers erforderte. Im Jahr 213 verlief ein kurzer Feldzug Caracallas gegen Germanen im Maingebiet zumindest teilweise erfolgreich. Er endete mit einer Friedensvereinbarung, die zwar von den Römern mit Zahlungen erkauft werden musste, aber für zwei Jahrzehnte stabile Verhältnisse herbeiführte.<ref>Mit einem deutlichen römischen Erfolg rechnet u.a. Peter Kneißl: Die Siegestitulatur der römischen Kaiser, Göttingen 1969, S. 160f. Ähnlich urteilt Gerhard Wirth: Caracalla in Franken. Zur Verwirklichung einer politischen Ideologie. In: Jahrbuch für Fränkische Landesforschung 34/35, 1975, S. 37–74, hier: 66, 68f. Vgl. Markus Handy: Die Severer und das Heer, Berlin 2009, S. 82–87.</ref> Eine deutliche Verschlechterung der Lage trat erst ein, als Alexander für seinen Perserkrieg größere Truppenverbände von der Rhein- und Donaugrenze abziehen musste. Diese Schwächung der Grenzsicherung nutzten Germanen 233/234 zu größeren Beutezügen, wobei sie auch Befestigungsanlagen zerstörten. Der Kaiser trat ihnen 235 entgegen, erstrebte aber eine Verhandlungslösung, die wiederum zu einem erkauften Frieden führen würde. Bevor es zu einem Ergebnis kam, wurde Alexander gestürzt und ermordet.
In Britannien hatte Clodius Albinus, als er gegen Severus in den Krieg zog, die Nordgrenze entblößt. Damit bot er den dort lebenden Stämmen Gelegenheit, tief in die römische Provinz einzudringen und schwere Zerstörungen anzurichten. Nach dem Ende des Bürgerkriegs sorgten die Römer wieder für die Grenzsicherung. Im Jahr 208 begab sich Septimius Severus selbst nach Britannien, um einen großen Feldzug zu leiten, dessen ursprüngliches Ziel wohl eine Ausdehnung der römischen Herrschaft auf Gebiete nördlich des Hadrianswalls im heutigen Schottland war. Die Kämpfe zogen sich bis zum Tod des Kaisers hin. Caracalla und Geta, die seine Nachfolge antraten, verzichteten auf die territoriale Expansion und schlossen Frieden. In der Folgezeit blieb die Lage ruhig.<ref>Markus Handy: Die Severer und das Heer, Berlin 2009, S. 78–82; Karl Christ: Geschichte der römischen Kaiserzeit, 6. Auflage, München 2009, S. 610f.</ref>
Militärverwaltung, Finanzen und Wirtschaft
Ein Hauptmerkmal der Severerzeit war die zunehmende Bedeutung von Sicherheitsfragen und militärischen Erfordernissen. Aus der Priorität dieser Aspekte resultierten Sachzwänge, die gravierende Auswirkungen auf die Staatsfinanzen und damit auf die gesamte Regierungstätigkeit und auf die Wirtschaft hatten. Besonders eindrücklich zeigte sich der Vorrang der Sicherheitsbedürfnisse in der Finanzpolitik, in der die drastisch steigenden militärischen Personalkosten die Spielräume stark einengten. Die Soldaten wurden mit massiven Solderhöhungen und großzügigen Sonderzuwendungen auf Kosten der übrigen Bevölkerung privilegiert. Diese Politik, die Septimius Severus einleitete und Caracalla verstärkt fortsetzte, schien für den Fortbestand der Dynastie unumgänglich, erwies sich aber längerfristig als verhängnisvoll. Machtpolitisch war es kaum möglich, diese wirtschaftlich und fiskalpolitisch schädliche Entwicklung einzudämmen oder rückgängig zu machen. Das so entstandene Dilemma trug schließlich wesentlich zum Sturz des Severus Alexander und damit zum Untergang der Dynastie bei.<ref>Siehe dazu Thomas Pekáry: Studien zur römischen Währungs- und Finanzgeschichte von 161 bis 235 n. Chr. In: Historia 8, 1959, S. 443–489, hier: 479–485; Robert Develin: The Army Pay Rises under Severus and Caracalla and the Question of Annona militaris. In: Latomus 30, 1971, S. 687–695, hier: 687–692; Michael Alexander Speidel: Heer und Herrschaft im Römischen Reich der hohen Kaiserzeit, Stuttgart 2009, S. 350, 415; Markus Handy: Die Severer und das Heer, Berlin 2009, S. 221–223.</ref> Schlagwortartig zusammengefasst wird das Prinzip und die Problematik der Bevorzugung des Militärs in dem Rat, den Severus angeblich auf dem Totenbett seinen Söhnen gab: „Bleibt einträchtig, bereichert die Soldaten, kümmert euch nicht um alle anderen.“<ref>Cassius Dio 77 (nach einer abweichenden Zählung 76),15,2.</ref> Außerdem vergrößerte Severus den Gesamtumfang der Armee erheblich; er stellte drei neue Legionen auf.<ref>Markus Handy: Die Severer und das Heer, Berlin 2009, S. 173f.</ref> Eine von ihnen wurde in der Nähe von Rom stationiert. Dies bedeutete den Bruch mit dem seit Beginn der Kaiserzeit geltenden Grundsatz, Italien von Legionen freizuhalten. Weitere hohe Kosten verursachten die jährlichen Tribute, mit denen das Reich den Frieden von seinen äußeren Feinden erkaufte.<ref>Thomas Pekáry: Studien zur römischen Währungs- und Finanzgeschichte von 161 bis 235 n. Chr. In: Historia 8, 1959, S. 443–489, hier: 482.</ref>
In der Severerzeit förderte die kaiserliche Personalpolitik die soziale Mobilität. Schon im 2. Jahrhundert hatte sich gezeigt, dass es nicht sinnvoll war, hohe Stellungen in der Armeeführung Senatoren anzuvertrauen, denen die nötige Professionalität fehlte. Daher wurden bereits in der späten Adoptivkaiserzeit die Karrieren erfahrener Truppenführer von relativ niedriger Herkunft begünstigt. Dieser Trend verstärkte sich unter den Severern. Sie sorgten für die Aufnahme bewährter Unteroffiziere in den Ritterstand oder stellten sie ehrenhalber den Rittern gleich und eröffneten ihnen damit den Zugang zu höheren militärischen Rängen und zivilen Ämtern. Fähige ritterliche Offiziere wurden in den Senatorenstand erhoben, so dass sie die traditionell Senatoren vorbehaltenen Führungspositionen übernehmen konnten. Außerdem drangen nun Ritter in Ämter der Verwaltung vor, die früher in der Regel nur von Senatoren bekleidet wurden.<ref>Kostas Buraselis: ΘΕΙΑ ΔΩΡΕΑ, Wien 2007, S. 50, 55–57.</ref> Generell nahm die Bedeutung der Standeszugehörigkeit ab, das Heer und insbesondere das Offizierskorps wurde professioneller. Die verbesserten Aufstiegschancen bildeten zusammen mit den finanziellen Anreizen ein Bündel von Maßnahmen, die den Soldatenberuf attraktiver machen sollten.<ref>Zum Hintergrund siehe Markus Handy: Die Severer und das Heer, Berlin 2009, S. 192–217; Alfred Heuß: Römische Geschichte, 10. Auflage, Paderborn 2007, S. 355.</ref> Die soziale Zusammensetzung des Ritterstandes veränderte sich; die früher unter den Rittern dominierende wirtschaftlich aktive und erfolgreiche Bevölkerungsschicht trat gegenüber den sozial aufgestiegenen Berufssoldaten zurück.<ref>Karl Christ: Geschichte der römischen Kaiserzeit, 6. Auflage, München 2009, S. 612.</ref>
Septimius Severus gewährte den Soldaten das ihnen bislang verweigerte Recht zu heiraten. Dadurch erhielten ihre Kinder, die bislang unehelich gewesen waren, gesetzliche Erbansprüche.<ref>Siehe dazu Kostas Buraselis: ΘΕΙΑ ΔΩΡΕΑ, Wien 2007, S. 50–52.</ref> Infolgedessen bildeten sich Soldatenfamilien aus, der Soldatenberuf wurde faktisch erblich. Die Bindung der Soldaten an ihre Standorte, aus deren Region sie oft stammten, verstärkte sich. Dazu trugen auch die Landzuweisungen, die sie erhielten, bei. Dies beeinträchtigte allerdings die Mobilität der Verbände. Bei den Soldaten, die nun zunehmend an ihren gewohnten Stationierungsorten verwurzelt waren, waren längere Einsätze in fernen Teilen des Reichs sehr unbeliebt.<ref>Robert Lee Cleve: Severus Alexander and the Severan Women, Los Angeles 1982, S. 301f.; Karl Christ: Geschichte der römischen Kaiserzeit, 6. Auflage, München 2009, S. 611f.</ref>
Große Provinzen wurden aufgespalten, wodurch sich die Machtfülle der Provinzstatthalter verringerte. Dies verminderte die Gefahr von Aufständen. Die Provinzen Britannien und Syrien, wo Clodius Albinus und Pescennius Niger nach der Kaiserwürde gegriffen hatten, wurden in je zwei Teile zerlegt.<ref>Siehe zu diesen Maßnahmen Markus Handy: Die Severer und das Heer, Berlin 2009, S. 121f.</ref> Septimius Severus richtete Numidien, das bislang nominell zur Africa proconsularis gehört hatte, als eigenständige Provinz ein. Caracalla spaltete die große hispanische Provinz Tarraconensis in zwei Teile auf. Er verkleinerte auch die Provinz Oberpannonien, welche die Basis der Machtergreifung seines Vaters gewesen war. Fortan gab es keine Provinz mehr, in der mehr als zwei Legionen stationiert waren.
Die Folgen der stark gestiegenen militärischen Personalkosten waren Münzverschlechterung<ref>Gerold Walser: Die Severer in der Forschung 1960–1972. In: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt, Bd. II.2, Berlin 1975, S. 614–656, hier: 639f.; Richard Duncan-Jones: Money and government in the Roman Empire, Cambridge 1994, S. 101f., 216, 218, 222f., 227f.; Thomas Pekáry: Studien zur römischen Währungs- und Finanzgeschichte von 161 bis 235 n. Chr. In: Historia 8, 1959, S. 443–489, hier: 456–458; David S. Potter: The Roman Empire at Bay, AD 180–395, London 2004, S. 137f.</ref> und Steuererhöhung. Caracalla verdoppelte die Abgabe auf die Freilassung von Sklaven und die Erbschaftssteuer von 5 auf 10 Prozent. Severus Alexander beteuerte seinen Wunsch, die Steuerlast zu reduzieren, was ihm aber angesichts der schwierigen Finanzlage nur begrenzt möglich sei.<ref>Robert Lee Cleve: Severus Alexander and the Severan Women, Los Angeles 1982, S. 242f.; Thomas Pekáry: Studien zur römischen Währungs- und Finanzgeschichte von 161 bis 235 n. Chr. In: Historia 8, 1959, S. 443–489, hier: 484f.</ref> Für die Eintreibung der Abgaben waren die Dekurionen (Stadtratsmitglieder) der Provinzstädte verantwortlich, sie hafteten dafür persönlich.<ref>Julia Sünskes Thompson: Aufstände und Protestaktionen im Imperium Romanum, Bonn 1990, S. 4f.; Thomas Pekáry: Studien zur römischen Währungs- und Finanzgeschichte von 161 bis 235 n. Chr. In: Historia 8, 1959, S. 443–489, hier: 464–466.</ref> Eine wichtige Einnahmequelle war die Konfiskation des Vermögens von Anhängern politischer Gegner, die unter Septimius Severus in großem Stil betrieben wurde.<ref>Richard Duncan-Jones: Money and government in the Roman Empire, Cambridge 1994, S. 15; Thomas Pekáry: Studien zur römischen Währungs- und Finanzgeschichte von 161 bis 235 n. Chr. In: Historia 8, 1959, S. 443–489, hier: 474, 477f.</ref>
Eine Folge der Münzentwertung war, dass der Staat weniger dazu neigte, die Steuern in Form von Bargeld einzutreiben. Die Bedeutung der Naturalabgaben nahm zu.<ref>Kostas Buraselis: ΘΕΙΑ ΔΩΡΕΑ, Wien 2007, S. 150–153.</ref>
Gesetzgebung und Justizwesen
Ein Merkmal der Verwaltung und des Rechtswesens der Severerzeit war, dass die Provinzen gegenüber Rom und Italien an Gewicht gewannen.<ref>Für Einzelheiten siehe Kostas Buraselis: ΘΕΙΑ ΔΩΡΕΑ, Wien 2007, S. 52–55.</ref> In der Gesetzgebung fand der Trend zur Vereinheitlichung des Reichs und zum Abbau herkömmlicher Vorrechte traditioneller Eliten seinen stärksten Ausdruck in Caracallas Constitutio Antoniniana, einer Verfügung, die fast allen freien Bewohnern des Reichs das römische Bürgerrecht gewährte. Damit wurde die endgültige und vollständige politische Gleichstellung der freien Einwohner vollzogen. Bezeichnenderweise hatte dieser Schritt auch einen fiskalpolitischen Hintergrund, denn das Bürgerrecht war mit bestimmten Steuerlasten verknüpft, die nun den Neubürgern aufgebürdet werden konnten.<ref>Thomas Pekáry: Studien zur römischen Währungs- und Finanzgeschichte von 161 bis 235 n. Chr. In: Historia 8, 1959, S. 443–489, hier: 482f.</ref> Bei den Zeitgenossen fand die juristisch einschneidende Maßnahme allerdings nur geringen Widerhall.<ref>Kostas Buraselis: ΘΕΙΑ ΔΩΡΕΑ, Wien 2007, S. 14.</ref>
Septimius Severus war am Justizwesen sehr interessiert und verbrachte als Kaiser viel Zeit mit der Entscheidung von Rechtsfällen.<ref>Anthony R. Birley: The African Emperor. Septimius Severus, 2., erweiterte Auflage, London 1988, S. 164–168.</ref> Auch Caracalla widmete sich der kaiserlichen Aufgabe der Rechtsprechung.<ref>Flavius Philostratos, Vitae sophistarum 2,32,626; Cassius Dio 78 (77),8,3.</ref>
Severus Alexander entfaltete eine intensive legislative Aktivität, vor allem zu Beginn seiner Regierungszeit, in den Jahren 223 und 224. Der Codex Iustinianus, eine Gesetzessammlung des 6. Jahrhunderts, enthält 427 Verordnungen (constitutiones), die nach heutigem Forschungsstand Alexander zuzuweisen sind.<ref>Fara Nasti: L’attività normativa di Severo Alessandro. Band 1: Politica di governo, riforme amministrative e giudiziarie, Napoli 2006, S. 19f.</ref> Sein Augenmerk galt besonders der Regelung der appellatio, der Berufung an den Kaiser nach einem gerichtlichen Verfahren. Er wollte verhindern, dass untere Instanzen durch Einschüchterung die Berufung an den Kaiser unterbanden. Damit versuchte er seine Kontrolle über den Justizapparat zu verbessern.<ref>Fara Nasti: L’attività normativa di Severo Alessandro. Band 1: Politica di governo, riforme amministrative e giudiziarie, Napoli 2006, S. 41–50.</ref>
Die Epoche der Severer war eine Blütezeit der römischen juristischen Literatur. Die drei bedeutendsten Juristen der Severerzeit waren Papinian, Ulpian und Iulius Paulus. Alle drei waren Prätorianerpräfekten, also besonders herausragende kaiserliche Vertrauensleute. Ihre Werke wurden für die spätantike Kodifikation des römischen Rechts maßgeblich; ein großer Teil der Digesten ist den Schriften der drei severischen Juristen entnommen. Berühmtheit erlangte Ulpians Formulierung der Dispensation des Kaisers von gesetzlichen Vorschriften: „Der Kaiser ist von den Gesetzen entbunden“ (Princeps legibus solutus est). Dieser Grundsatz, der in der Frühzeit des Prinzipats den Kaiser von einzelnen zivilrechtlichen Bestimmungen befreit hatte, wurde in der Severerzeit als allgemeines Prinzip betrachtet und gewann zunehmend öffentlichrechtliche Bedeutung. Septimius Severus und Caracalla pflegten sich auf ihn zu berufen, betonten aber auch, dass sie zwar von den Gesetzen befreit seien, aber dennoch nach ihnen lebten.<ref>Okko Behrends: Princeps legibus solutus. In: Rainer Grote u. a. (Hrsg.): Die Ordnung der Freiheit, Tübingen 2007, S. 3–20, hier: 3f., 8f.; Dieter Wyduckel: Princeps Legibus Solutus, Berlin 1979, S. 48–51.</ref>
Bautätigkeit
Die severischen Kaiser veranlassten in Rom eine rege Bautätigkeit. Nach einem Großbrand unter Kaiser Commodus im Jahr 192<ref>Zu diesem Brand und seiner Datierung siehe Anne Daguet-Gagey: Les opera publica à Rome (180–305 ap. J.-C.), Paris 1997, S. 43–63.</ref> wurden umfangreiche Renovierungsarbeiten am Forum Romanum erforderlich. Zur Verherrlichung der Siege des Septimius Severus im Osten wurde auf dem Forum ein Triumphbogen errichtet. Der Ehrung dieses Kaisers diente auch der Argentarierbogen, der auf private Initiative entstand. Auf dem Palatin ließ Septimius Severus das Septizodium (oder Septizonium) bauen, einen Prachtbau, dessen Funktion umstritten ist.<ref>Siehe zu diesem Bauwerk und seinem Namen Achim Lichtenberger: Severus Pius Augustus. Studien zur sakralen Repräsentation und Rezeption der Herrschaft des Septimius Severus und seiner Familie (193–211 n. Chr.), Leiden 2011, S. 250–266.</ref> Ein gewaltiges Bauprojekt Caracallas waren die Caracalla-Thermen, mit 337 mal 328 Metern damals die größte derartige Anlage in Rom.<ref>Siehe zu diesem Bau Nele Schröder: Ein severisches Großprojekt: Die Ausstattung der Caracalla-Thermen in Rom. In: Stephan Faust, Florian Leitmeir (Hrsg.): Repräsentationsformen in severischer Zeit, Berlin 2011, S. 179–192.</ref> Kaiser Elagabal ließ auf dem Palatin auf einem Gelände von 160 mal 110 Metern einen großen, prachtvollen Elagabal-Tempel errichten. Weitere bedeutende Bauten der Severerzeit waren das Sessorium, ein Palastkomplex auf dem Esquilin, zu dem das Amphitheatrum Castrense und der östlich der Palastgebäude gelegene Circus Varianus gehörten. Unter Severus Alexander soll die kaiserliche Bautätigkeit rege gewesen sein, doch fehlt es für manche Angaben an zuverlässigen Belegen. Gut bezeugt ist Alexanders Erweiterung der Nerothermen, die thermae Alexandrinae. Ein Aquädukt, den er errichten ließ, die aqua Alexandrina, wurde nach ihm benannt.<ref>Umfassend informiert über die Bautätigkeit der Severer Anne Daguet-Gagey: Les opera publica à Rome (180–305 ap. J.-C.), Paris 1997 (Übersicht S. 86–94). Siehe auch Achim Lichtenberger: Severus Pius Augustus. Studien zur sakralen Repräsentation und Rezeption der Herrschaft des Septimius Severus und seiner Familie (193–211 n. Chr.), Leiden 2011, S. 281–317, 390f.</ref>
Quellen
Wichtige Erkenntnisse lassen sich aus den wertvollen epigraphischen und numismatischen Quellen, aus Papyri und der ebenfalls aufschlussreichen Selbstdarstellung der Severer in der bildenden Kunst<ref>Siehe dazu die von Stephan Faust und Florian Leitmeir herausgegebene Aufsatzsammlung Repräsentationsformen in severischer Zeit, Berlin 2011 sowie Achim Lichtenberger: Severus Pius Augustus. Studien zur sakralen Repräsentation und Rezeption der Herrschaft des Septimius Severus und seiner Familie (193–211 n. Chr.), Leiden 2011.</ref> – vor allem Reliefs und Rundplastiken – gewinnen. Daneben informieren über die Severerzeit vor allem drei erzählende Quellen: die Werke der zeitgenössischen Geschichtsschreiber Cassius Dio und Herodian sowie die Lebensbeschreibungen der einzelnen Kaiser in der spätantiken Historia Augusta. Cassius Dios Römische Geschichte ist aus der Perspektive konservativer senatorischer Kreise geschrieben. Sie ist von leidenschaftlicher Parteinahme geprägt, gilt aber im Allgemeinen als die beste Quelle und als relativ zuverlässig, zumal der Autor als Senator über gute Informationsquellen verfügte und auch manche Ereignisse selbst miterlebt hat. Das Werk ist allerdings zum Teil nur in mittelalterlichen Auszügen erhalten und bricht vor der letzten Phase der Regierungszeit des Severus Alexander ab. Herodians Darstellung, deren Wert umstritten ist, ist für den von Cassius Dio nicht mehr behandelten Zeitraum die einzige zeitgenössische erzählende Quelle. Stark beeinträchtigt wird ihre Qualität durch die Neigung des Geschichtsschreibers, zwecks literarischer Gestaltung und effektvoller Ausschmückung seiner Erzählung frei Erfundenes einzufügen. Die Lebensbeschreibungen in der Historia Augusta sind von unterschiedlichem, großenteils sehr geringem Wert. Sie sind stark mit Erfindungen angereichert, die zum Teil mit den politischen Verhältnissen zur Zeit des unbekannten spätantiken Verfassers zusammenhängen. Allerdings hat der Autor auch brauchbares Material verwertet, dessen Herkunft und ursprüngliche Gestalt schwer zu bestimmen ist.
Rezeption in der Forschung
Im Vergleich mit der anschließenden Epoche der Soldatenkaiser, die man traditionell mit Niedergang zu assoziieren pflegt, macht die Severerzeit den Historikern gesamthaft einen vorteilhafteren Eindruck. Der Wille der Severer zur dynastischen Kontinuität, der im Heer starke Resonanz fand, und ihre teils erfolgreichen Stabilisierungsbemühungen lassen ihre Zeit als Phase relativer Ruhe und Sicherheit erscheinen. Die gängige Periodisierung lässt die „Reichskrise des 3. Jahrhunderts“ mit dem Sturz des letzten Severers beginnen. Diese Sprachregelung kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass schon in der Severerzeit heftige Turbulenzen und gefährliche Krisen eingetreten waren, die zu einem erheblichen Teil von den Kaisern selbst verursacht oder durch deren Verhalten verschlimmert wurden.<ref>Zur Problematik der traditionell angenommenen Zäsur im Jahr 235 siehe Karlheinz Dietz: Senatus contra principem, München 1980, S. 1–5.</ref>
Ethnische und kulturelle Aspekte
Die Einschätzungen der Severerzeit in der Forschung haben einen beträchtlichen Wandel durchgemacht, der wissenschaftsgeschichtlich aufschlussreich ist. Im 19. Jahrhundert und noch bis tief ins 20. Jahrhundert machte sich vor allem eine Lehrmeinung geltend, der zufolge die Herrschaft der Severer einen Triumph unrömischer Gesinnung über das Römertum darstellte. Man legte großes Gewicht auf die afrikanische und orientalische Abstammung der severischen Kaiser und ihrer weiblichen Angehörigen. Ebenso wie die Politik der Severer erklärte man auch ihren Charakter und ihr Privatleben unter dem Gesichtspunkt ihrer ethnischen Herkunft oder gar unter rassischem Aspekt. Als grausam oder barbarisch beurteilte Maßnahmen des Septimius Severus wurden auf sein afrikanisches Naturell zurückgeführt. Gängig war das Schlagwort von der späten Rache Karthagos an Rom, die in der Herrschaft des Septimius Severus bestanden habe. Mit seiner Machtübernahme habe sich das Puniertum des Römischen Reichs bemächtigt und damit gleichsam die Niederlagen Karthagos in den Punischen Kriegen wettgemacht.<ref>Alfred von Domaszewski: Geschichte der römischen Kaiser, Bd. 2, Leipzig 1909, S. 247 behauptete, in Septimius Severus sei „der dämonische Haß der Punier, denen er dem Blute nach angehörte“ erwacht und er habe „die Vernichtung der römischen Herrschaft im Reiche“ gewollt. Ernst Kornemann: Römische Geschichte, Bd. 2, Stuttgart 1939, S. 333 schrieb, Septimius Severus habe gegen seine Gegner mit „afrikanischer Wildheit“ gewütet, und urteilte: „In Gestalt des ersten afrikanischen Herrschers übte Hannibals Heimatland eine späte Rache an Rom.“ Johannes Hasebroek: Untersuchungen zur Geschichte des Kaisers Septimius Severus, Heidelberg 1921, S. 99 meinte, das Ziel des Septimius Severus sei „die fanatische Ausrottung des letzten Restes griechisch-römischen Wesens“ gewesen; an dessen Stelle sei „das Barbarentum der Provinzen“ getreten. Franz Altheim: Niedergang der alten Welt, Bd. 2, Frankfurt am Main 1952 sah in Septimius Severus, der verschlagen und gewalttätig, unversöhnlich und geldgierig gewesen sei, „ein echtes Gewächs seiner afrikanischen Erde“ (S. 256); er sei „mit afrikanischem Rachedurst“ vorgegangen (S. 258).</ref> Auch bei der Beurteilung des Kaisertums der späten Severerzeit standen die unrömischen Aspekte im Vordergrund. Die als syrisch oder allgemein orientalisch eingestuften Züge wurden eindringlich hervorgehoben. Hierzu zählte man neben der exzentrischen Religionspolitik und den überlieferten sexuellen Ausschweifungen Elagabals vor allem den beispiellosen Einfluss der Frauen am Hof. All dies – zusammen mit Caracallas Terror – ergab ein Bild der Dekadenz, des politischen, moralischen und gesellschaftlichen Niedergangs. Dabei machten sich klischeehafte Vorstellungen über typisch orientalische Eigenschaften bemerkbar. Dem orientalischen Einfluss wurde eine zersetzende Rolle zugeschrieben.<ref>Siehe dazu Barbara Levick: Julia Domna, London 2007, S. 2, 163; Erich Kettenhofen: Die syrischen Augustae in der historischen Überlieferung, Bonn 1979, S. 1f. und Anm. 2 (Belege).</ref> So äußerte Karl Bihlmeyer 1916, von Caracallas Regierungszeit an habe „der Orientalismus“ alle Schranken und Dämme durchbrochen und mit Elagabals Machtübernahme sei „der Triumph des syrischen Orients über das Abendland vollkommen“ gewesen.<ref>Karl Bihlmeyer: Die „syrischen“ Kaiser zu Rom (211–35) und das Christentum, Rottenburg 1916, S. 15, 50.</ref> Noch 1973 urteilte Hermann Bengtson, Elagabal sei „ein typischer Orientale“ gewesen.<ref>Hermann Bengtson: Römische Geschichte, 3. Auflage, München 1979, S. 328 (1. Auflage 1973).</ref> Da sowohl die nordafrikanischen Punier als auch die Syrer Semiten waren, wurden die Severer auch als typische Repräsentanten der semitischen Rasse eingestuft.<ref>Alfred von Domaszewski: Geschichte der römischen Kaiser, Bd. 2, Leipzig 1909 bemerkte über Septimius Severus: „Abgrundtief lag in ihm der Haß des Semiten, der keine Milde, keine Schonung kennt“ (S. 262) und über Elagabal, in ihm sei „die Art der Aramaeer unverhüllt“ hervorgetreten (S. 272). Eindringlich schilderte Franz Altheim die Züge der Severer, die er als spezifisch semitisch einschätzte, in seiner Untersuchung Niedergang der alten Welt, Bd. 2, Frankfurt am Main 1952, S. 255–270.</ref>
Die neuere Forschung hat sich von diesen früher gängigen pauschalen Urteilen und Spekulationen emanzipiert. Sie bemüht sich auch um eine unbefangene Würdigung der Rolle und der Leistungen der weiblichen Angehörigen der Kaiserfamilie. So schrieb Karl Christ 1988, die Dynastie sei nicht infolge eines unzulänglichen Einsatzes der Frauen, sondern aufgrund der fehlenden Eignung ihrer männlichen Angehörigen untergegangen.<ref>Karl Christ: Geschichte der römischen Kaiserzeit, 6. Auflage, München 2009, S. 633 (1. Auflage 1988).</ref> Dem Schlagwort von der Orientalisierung wird nur eine sehr begrenzte Berechtigung zugebilligt. In diesem Sinne äußerte sich etwa Erich Kettenhofen in einer 1979 publizierten Untersuchung. Er betonte die Kontinuität der Entwicklung des kaiserzeitlichen Herrscherbegriffs und stellte fest, ein „Einbruch orientalischer Herrschaftsbegriffe und Kultformen“ unter dem Einfluss der syrischen Frauen sei „nur schwer nachweisbar“.<ref>Erich Kettenhofen: Die syrischen Augustae in der historischen Überlieferung, Bonn 1979, S. 176. Vgl. Barbara Levick: Julia Domna, London 2007, S. 162f.</ref> Bruno Bleckmann wies 2002 darauf hin, dass „in den romanisierten syrischen Eliten die Geschlechterverhältnisse kaum matriarchalischer als im übrigen Reich waren“.<ref>Bruno Bleckmann: Die severische Familie und die Soldatenkaiser. In: Hildegard Temporini-Gräfin Vitzthum (Hrsg.): Die Kaiserinnen Roms, München 2002, S. 265–339, hier: 277.</ref> Brian Campbell stellte 2005 fest, es gebe keinen Anlass zur Annahme, dass die Maßnahmen des Septimius Severus Ausdruck einer unrömischen Gesinnung oder einer Voreingenommenheit zugunsten seiner afrikanischen Heimat gewesen seien.<ref>Brian Campbell: The Severan dynasty. In: The Cambridge Ancient History, 2. Auflage, Band 12, Cambridge 2005, S. 1–27, hier: 3.</ref> Eine Reihe von Forschern war schon früher zum Ergebnis gelangt, eine ungewöhnliche Bevorzugung von Afrikanern sei nicht festzustellen und die Betrauung vieler Afrikaner mit wichtigen Aufgaben widerspiegele das wirtschaftliche und politische Gewicht der afrikanischen Provinzen.<ref>Siehe die Übersicht bei Gerold Walser: Die Severer in der Forschung 1960–1972. In: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt, Bd. II.2, Berlin 1975, S. 614–656, hier: 622f.</ref>
Die Einschätzung der Militärpolitik
Unterschiedlich bewertet wird die severische Heerespolitik, die schon in der zeitgenössischen Geschichtsschreibung heftiger Kritik ausgesetzt war. Der Vorwurf Herodians, die Soldaten seien verwöhnt worden und die Disziplin sei durch Milderung der herkömmlichen harten Lebensweise und Förderung der Geldgier untergraben worden,<ref>Herodian 3,8,5.</ref> hat bei manchen modernen Historikern Zustimmung gefunden. So schrieb Alfred von Domaszewski in seinem erstmals 1908 veröffentlichten Standardwerk über die Heeresorganisation, Septimius Severus habe die Disziplin noch bewahren können, doch unter seinen Nachfolgern habe sein System völlig versagt. Das „einst so stolze Heer, aus dem jede Zucht entwichen war“ sei „der Schrecken des eigenen Landes und der Spott der Feinde“ geworden.<ref>Alfred von Domaszewski: Die Rangordnung des römischen Heeres, 2., durchgesehene Auflage, Köln 1967, S. 196.</ref> Von Domaszewski, dessen Urteil stark nachwirkte, nahm eine Barbarisierung des Heeres und Zerstörung der militärischen Traditionen an. Ernst Kornemann meinte 1939, die „übertriebene Militarisierung“ habe „die Barbarisierung des Staates“ bedeutet; Septimius Severus habe „die Axt an die Wurzeln des augusteischen Prinzipats gelegt“.<ref>Ernst Kornemann: Römische Geschichte, Bd. 2, Stuttgart 1939, S. 334.</ref> Alfred Heuß stellte 1960 fest, infolge der severischen Heerespolitik sei das alte Leistungsniveau nicht mehr zu halten gewesen. Die Aufhebung des Eheverbots für Soldaten habe den scharfen Unterschied von soldatischer und bürgerlicher Lebensweise verwischt. Die „klassische römische Disziplin, auf der die Erfolge des römischen Militärs beruht hatten“, sei ab der Zeit des Septimius Severus zunehmend abhandengekommen.<ref>Alfred Heuß: Römische Geschichte, 10. Auflage, Paderborn 2007, S. 412 (1. Auflage 1960).</ref>
In der neueren Forschung wird hingegen auf die Zweckmäßigkeit der severischen Armeereformen und der von ihnen geförderten Professionalisierung hingewiesen. Die severische Umgestaltung des Heerwesens wird als konsequente Fortsetzung eines schon früher eingeschlagenen Weges zur Steigerung der Effizienz und Anpassung an die Erfordernisse der Zeit gewertet. Die den Soldaten gewährte Heiratserlaubnis erscheint als sinnvoller und längst überfälliger Schritt. Die fiskalisch problematische Solderhöhung wird auch unter dem Gesichtspunkt eines möglicherweise erforderlichen Inflationsausgleichs und der dringenden Notwendigkeit, neue Rekruten anzuwerben, gesehen. Die Führung des Heeres habe kein Privileg von teils dilettantischen Senatoren bleiben können, sondern erfahrenen Berufsoffizieren anvertraut werden müssen. Den aus senatorischer Perspektive urteilenden Geschichtsschreibern habe das Verständnis für solche militärische Erfordernisse gefehlt.<ref>Richard Edwin Smith: The Army Reforms of Septimius Severus. In: Historia 21, 1972, S. 481–499; Markus Handy: Die Severer und das Heer, Berlin 2009, S. 177–230.</ref> Die Hypothese einer systematischen Bevorzugung von Provinzialrömern gegenüber den Italikern bei der Besetzung von Offiziersstellen ist als unzutreffend erwiesen worden.<ref>Gerold Walser: Die Severer in der Forschung 1960–1972. In: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt, Bd. II.2, Berlin 1975, S. 614–656, hier: 635f.</ref>
Die persönliche Rolle der Kaiser
Verbreitet ist vor allem in der älteren Forschung die Auffassung, dass der Dynastiegründer eine solide Grundlage gelegt habe und der Untergang der Severer auf die mangelnde Kompetenz seiner Nachfolger zurückzuführen sei. Septimius Severus wird weitaus günstiger beurteilt als die übrigen Severer. Ein dezidierter Vertreter dieser Sichtweise war schon Theodor Mommsen, der 1883 Septimius Severus sogar als „vielleicht den tüchtigsten aller Kaiser“ bezeichnete: „Der Bau des Severus blieb zunächst aufrecht, trotz der Mißregierung seines Nachfolgers.“<ref>Theodor Mommsen: Römische Kaisergeschichte, München 1992, S. 301, 396 (Vorlesungsmitschrift von 1883).</ref> Dieser Meinung war auch Alfred Heuß, der 1960 urteilte, Septimius Severus sei „ein großer Herrscher gewesen, der sich auf das Prestige seiner Persönlichkeit verlassen konnte“; er habe das dynastische Prinzip methodisch ausgebaut und damit Erfolg gehabt. Dies beweise die Regierung seiner Nachfolger, „welche bei deren persönlicher Kläglichkeit allein hierauf beruhte“. Schließlich habe die Unfähigkeit der Nachfolger „das Prinzip, auf das sich die Familie der Severer berufen hatte, ad absurdum geführt“.<ref>Alfred Heuß: Römische Geschichte, 10. Auflage, Paderborn 2007, S. 419 (1. Auflage 1960).</ref> Karl Christ schrieb 1988, die Dynastie sei „letzten Endes nicht von außen beseitigt worden, sondern an sich selbst zugrundegegangen“.<ref>Karl Christ: Geschichte der römischen Kaiserzeit, 6. Auflage, München 2009, S. 621 (1. Auflage 1988).</ref>
In den letzten Jahren haben Forscher wie David Potter oder Clifford Ando hingegen die Position vertreten, dass unter den Severern auch unheilvolle Weichenstellungen vollzogen worden seien; so habe sich bereits Septimius Severus stärker als seine Vorgänger von der Armee abhängig gemacht und durch die massiven Solderhöhungen den Finanzbedarf des fiscus derart erhöht, dass der steigende Steuerdruck mittelfristig gravierende ökonomische Folgen gezeitigt habe. Die von den Severern betriebene Sakralisierung der Herrscherfamilie habe den Ansehensverlust des Kaisertums nicht ausgleichen können, sodass die kurzsichtige Politik der Dynastie wesentlich verantwortlich für den Ausbruch der so genannten Reichskrise gewesen sei.
Literatur
Übersichts- und Gesamtdarstellungen
- Brian Campbell: The Severan dynasty. In: Alan K. Bowman u.a. (Hrsg.): The Cambridge Ancient History, 2. Auflage, Band 12: The Crisis of Empire, A.D. 193–337. Cambridge University Press, Cambridge 2005, ISBN 978-0-521-30199-2, S. 1–27
- Karl Christ: Geschichte der römischen Kaiserzeit. Von Augustus bis zu Konstantin. 6. Auflage, Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-59613-1, S. 600–634
- Michael Grant: The Severans. The changed Roman empire. Routledge, London 1996, ISBN 0-415-12772-6
Untersuchungen einzelner Themenbereiche
- Markus Handy: Die Severer und das Heer. Verlag Antike, Berlin 2009, ISBN 978-3-938032-25-1
- Achim Lichtenberger: Severus Pius Augustus. Studien zur sakralen Repräsentation und Rezeption der Herrschaft des Septimius Severus und seiner Familie (193–211 n. Chr.). Brill, Leiden 2011, ISBN 978-90-04-20192-7
- Danuta Okoń: Imperatores Severi et senatores. The History of the Imperial Personnel Policy. Uniwersytet Szczeciński, Szczecin 2013, ISBN 978-83-7241-918-7
- Julia Sünskes Thompson: Aufstände und Protestaktionen im Imperium Romanum. Die severischen Kaiser im Spannungsfeld innenpolitischer Konflikte. Habelt, Bonn 1990, ISBN 3-7749-2466-X
- Simon Swain, Stephen Harrison, Jaś Elsner (Hrsg.): Severan culture. Cambridge University Press, Cambridge 2007, ISBN 978-0-521-85982-0
Anmerkungen
<references />