Stillleben
Stillleben (nach traditioneller Rechtschreibung Stilleben) bezeichnet in der Geschichte der europäischen Kunsttradition die Darstellung toter bzw. regloser Gegenstände (Blumen, Früchte, tote Tiere, Gläser, Instrumente o.a.).<ref>Die Schreibung Stilleben bis zum Ausgang des 20. Jahrhunderts ist bei Bibliotheks- und Internetrecherche nach dem Thema zu berücksichtigen.</ref> Deren Auswahl und Gruppierung erfolgte nach inhaltlichen (oft symbolischen) und ästhetischen Aspekten. Zu einer eigenständigen Gattung der Malerei entwickelten sich diese Darstellungen am Anfang des 17. Jahrhunderts im Barock. Es wird unterschieden nach den dargestellten Gegenständen; es ergeben sich so die Unterarten Blumen-, Bücher-, Fisch-, Früchte-, Frühstücks-, Jagd-, Küchen-, Markt-, Musikinstrumente-, Vanitas- oder Waffenstillleben. Die Übergänge zu den Bildgattungen Interieur, Tierstück oder Genre sind zuweilen fließend.<ref name="Kindler-s.282">Hermain Bazin, Horst Gerson, Rolf Linnenkamp u. a.: Kinderls Malerei-Lexikon. Band 11, 1985, S. 282.</ref><ref name="Stadler-s.167–176">Wolf Stadler u. a.: Lexikon der Kunst. Band 11, 1994, S. 167–176.</ref><ref>Gerhard Strauss, Harald Olbrich: Lexikon der Kunst. Band 7, 1994, S. 64–67.</ref>
Inhaltsverzeichnis
Begriff und Begriffsgeschichte
Bei der Betrachtung des Stilllebens und seiner Entwicklung muss unterschieden werden zwischen einem weiteren und einem engeren Gattungsbegriff.<ref name="Stadler-s.167">Wolf Stadler u. a.: Lexikon der Kunst. Band 11, 1994, S. 167.</ref> Als Stillleben im weiteren Sinne gelten alle Darstellungen von Objektkompositionen und stilllebenartigen Arrangements – besonders zeitlich vor der Etablierung der Stilllebenmalerei als eigene Gattung der Malerei im 17. Jahrhundert.<ref>Die Etablierung zu einer autonomen Gattung muss einerseits als dynamischer Prozess verstanden werden, andererseits steht am Ende eine hierarchische Platzzuweisung an die letzte Stelle innerhalb der Gattungen der Malerei durch die Doktrin der Kunsttheorie des 17. Jahrhunderts.
Siehe hierzu: Norbert Schneider: Stilleben. 1989, S. 7.</ref> Stillleben im weiteren Sinn gab es höchstwahrscheinlich zu allen Zeiten und bei allen Kulturen. Hierzu zählen sowohl die Malereien auf Seide und Porzellan aus China und Japan als auch die dekorativen Mosaike und Wandfresken der Antike.<ref name="Stadler-s.167" />
Der Begriff stil leven (niederl.: stil = unbewegt und leven = Dasein) für ein Gemälde ist zum ersten Mal um 1650 in einem holländischen Inventar zu finden. Davor und auch noch danach bestimmten die wesentlichen Bildgegenstände die Bezeichnung eines Gemäldes (z. B. 1614 Een koocken en fruytbort, 1624 Een bancket schilderytgen, 1631 Een dootshooft, 1669 Een biertje met een toebackje, 1691 Een oesterbanketje met een roemer u. ä.).<ref>A.P.A. Vorenkamp: Bijdrage tot de geschiedenis van het Hollandsch stilleven in de 17 eeuw. 1933, S. 6 f.</ref> Arnold Houbraken übernahm Anfang des 18. Jahrhunderts die Bezeichnung stilleven für derartige Gemälde in seinem Werk über die Kunst De groote schouburgh der Nederlantsche konstschilders en schilderessen (1718–1721).<ref name="Kindler-s.282" /><ref name="Strauss-s.64">Gerhard Strauss, Harald Olbrich: Lexikon der Kunst. Band 7, 1994, S. 64.</ref> Joachim von Sandrart prägte 1675 in dem ersten großen Quellenwerk der deutschen Kunstgeschichtsschreibung Teutschen Academie der edlen Bau-, Bild- und Malereykünste den Begriff stillstehende Sachen. Das Wort Stillleben, in Anlehnung an den niederländischen Begriff, erscheint in der deutschen Sprache aber erst Mitte des 18. Jahrhunderts. Eine französische Bezeichnung wie nature morte od. vie coye wurde vielleicht in den theoretischen Diskussionen der französischen Akademie im 17. Jahrhundert geprägt, ist aber ebenfalls erst für die Mitte (bzw. Ende) des 18. Jahrhunderts belegt – ebenso der englische Ausdruck still life. Im frühen 19. Jahrhundert hatte sich der Begriff Stillleben als Bezeichnung der Gattung in den verschiedenen Übersetzungen (stilleven, nature morte, natura morta, still life usw.) etabliert.<ref name="Kindler-s.282" /><ref name="Stadler-s.167–176" /><ref name="Strauss-s.64" />
Stillleben mit Rauchwerkzeug und Musikinstrumenten, 1623, Öl auf Leinwand, 69 x 122 cm, Louvre, Paris
Dieses Gemälde eines bedeutenden niederländischen Stilllebenmalers ist eine Allegorie der fünf Sinne. Darüber hinaus vereint es eine Vielzahl von verschiedenen Stilllebenarten, die sich in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts herausbildeten − Raucherstillleben, Vanitasstillleben und Mahlzeitstillleben.
Entwicklung
Antike
Die bekannteste Anekdote über antike Stilllebenmalerei ist wohl jene über den Künstlerwettstreit zwischen Zeuxis und Parrhasios, die von Plinius überliefert wurde. Demnach malte Zeuxis anlässlich des Wettstreits ein Ensemble von Trauben so täuschend echt, dass die Vögel nach diesen pickten. Seines Sieges gewiss, sollte nun Parrhasios sein verhangenes Bild enthüllen. Zur Beschämung des Zeuxis war jedoch auch der Vorhang gemalt. Des Weiteren berichtet Plinius über einen antiken Künstler, der liegengelassene Essensabfälle als Fußbodenmosaik nachbildete, der sogen. Ungefegte Raum, was zahlreiche römische Fußbodenmosaiken als Thema übernahmen.<ref name="Ebert-Schifferer-s.16f">Sybille Ebert-Schifferer: Die Geschichte des Stillebens. 1998, S. 16f.</ref>
Um stilllebenartige Kunstwerke der Antike im engeren Sinne handelt es sich bei den (zunächst griechischen) Xenien. Dies sind Abbildungen von Lebensmitteln in Anlehnung an den Brauch des Gastgeschenks. Diese Abbildungen lösten sich aber bald aus diesem Zusammenhang und erhielten eine dekorative und repräsentative Funktion.<ref name="Ebert-Schifferer-s.16f" /><ref name="Strauss-s.65">Gerhard Strauss, Harald Olbrich: Lexikon der Kunst. Band 7, 1994, S. 65.</ref> Derartige Malereien und Mosaike mit Darstellungen von Esswaren, Blumen, Geschirr, gedeckten Tischen, Silbergeräten oder Schreibgeräten – auch in Kombination mit lebenden Tieren – in antiken Villen veranschaulichen den Ertrag der Domäne und somit den Reichtum des Grundbesitzers. So finden sich derartige Xenien gemäß ihrer repräsentativen Funktion im Empfangs- oder Speiseraum.<ref>Sybille Ebert-Schifferer: Die Geschichte des Stillebens. 1998, S. 18 f.</ref> Bekannt ist ebenfalls, dass in der Antike neben stilllebenartigen Darstellungen an Wänden und auf Fußböden auch autonome Kunstwerke mit der Abbildung lebloser Dinge gesammelt wurden. Zu diesen leblosen Dingen zählte auch bereits in der Antike der Totenkopf als Carpe diem-Aufforderung (Vanitasgedanke).<ref>Sybille Ebert-Schifferer: Die Geschichte des Stillebens. 1998, S. 22.</ref> Die antike Darstellung lebloser Dinge weist deutliche Parallelen in der Funktion mit den Stillleben späterer Epochen auf.<ref>„Einige Charakterzüge, die Stilleben in nachantiker Zeit, nach Epoche und Region wechselnd, immer wieder bestimmen werden, fanden sich somit bereits in der Antike ausgeprägt. Neben dem maltechnischen Illusionismus sind dies der emblematisch verkürzte Verweis auf komplexe Inhalte, das dauerhafte Festhalten des in der Natur Vergänglichen, die Verwendung als Dekoration und als Statussymbol und schließlich auch der Vanitasgedanke.“
Sybille Ebert-Schifferer: Die Geschichte des Stillebens. 1998, S. 23.</ref>
Mittelalter und Renaissance
Die bildliche Darstellung lebloser Dinge ist in der Kunst des Mittelalters nur sehr sporadisch anzutreffen – allenfalls Bücherstillleben als Bestandteil von Heiligendarstellungen. Der Grund dafür ist die generelle Verneinung der Abbildung irdischer Realität. Das diesseitige Leben war im mittelalterlichen Denken nur Durchgangsstation zum eigentlichen, ewigen Leben und deshalb nicht abbildungswürdig.<ref>Sybille Ebert-Schifferer: Die Geschichte des Stillebens. 1998, S. 25.</ref><ref name="Strauss-s.65" />
Die Sicht auf die Welt (und die Kunst) änderte sich in der Renaissance gravierend. Kurz zuvor, in der Protorenaissance, gelang italienischen Künstlern − allen voran Giotto di Bondone − die Modellierung plastischer Bildgegenstände durch Schatten und erste räumlich-perspektivische Darstellungen. Dies sind die Grundvoraussetzungen für illusionistische Malerei. Diesen neuen Tendenzen folgend, schuf der Giotto-Schüler Taddeo Gaddi in der Baroncelli Kapelle in der Kirche Santa Croce in Florenz 1328–1330 zwei Scheinnischen mit Darstellungen von liturgischem Gerät. Diese Arrangements dürfen als früheste bekannte neuzeitliche Stillleben im weiteren Sinne angesehen werden.<ref>Sybille Ebert-Schifferer: Die Geschichte des Stillebens. 1998, S. 25.</ref><ref name="Strauss-s.65" />
Die Anwendung der Perspektive in der Kunst gelangten über Südfrankreich und Burgund in die Niederlande. Hier schufen − auch von der höfischen Miniaturmalerei beeinflusst − im 15. Jahrhundert Künstler wie die Brüder Hubert und Jan van Eyck, Robert Campin und sein Schüler Rogier van der Weyden realistische Darstellung von Landschaften, Innenräumen, Pflanzen, Stoffen und Gebrauchsgegenständen. Objekte wie Wasserbecken, Kanne, liturgischen Gerät, Büchern, Blumenvasen etc. traten gruppiert als stilllebenhafte Partien in den Gemälden auf. Sie dienten der Kennzeichnung von Heiligen, Märtyrern und Aposteln.<ref>Sybille Ebert-Schifferer: Die Geschichte des Stillebens. 1998, S. 26 f.</ref><ref name="Stadler-s.167" /> oder dem Transport einer symbolhaften Bedeutung. Beispiele sind in den Marienbildnissen die marianischen Symbole Lilie, Akelei und Iris zusammen mit Waschgeräten als Symbol für die Reinheit Marias.<ref name="Strauss-s.65" />
In einem weiteren Entwicklungsschritt bekamen diese Objekte eigene Bildfelder. Vor allem in der Eyck-Nachfolge kurz vor und um 1500 finden sich auf den Außenseiten privater Andachtsbilder derartige Elemente. Auch diese beziehen sich auf den Inhalt des Tafelbildes und haben einen symbolischen Charakter. Ein prominentes Beispiel ist das Braque-Triptychon von Rogier van der Weyden um 1450. Das dreiflügelige Tafelbild zeigt im geöffneten Zustand im Mittelteil Jesus Christus flankiert von seiner Mutter Maria und dem jüngsten der Apostel Johannes. Die Außenflügel zeigen jeweils Johannes den Täufer und Maria Magdalena. Im geschlossenen Zustand zeigt das Triptychon auf der linken Seite einen Totenkopf und auf der rechten Seite ein in Perspektive gesetztes Kreuz mit einem Zitat aus dem Buch Jesus Sirach. Der Totenkopf ist als Verweis auf die Vergänglichkeit (Memento mori) zu sehen. Daneben existieren auch darstellungen von Blumenvasen auf den Außenseiten von Diptychon.<ref>Claus Grimm: Stilleben. Die niederländischen und deutschen Meister. 1988, S. 22 f.; Sybille Ebert-Schifferer: Die Geschichte des Stillebens. 1998, S. 29 ff.</ref><ref>Wolf Stadler u. a.: Lexikon der Kunst. Band 11, 1994, S. 168.</ref><ref name="Strauss-s.65" />
Das früheste selbstständige Stillleben im weiteren Sinne ist jenes von Jacopo de'Barbari: Das Gemälde Stillleben mit Rebhuhn, Eisenhandschuhen und Armbrustbolzen.<ref name="Strauss-s.65" /> Es handelt sich dabei nicht um ein Wandgemälde, sondern um eine stilllebenartige Darstellungen (Trompe-l’œil) mit direktem funktionalem Zusammenhang.<ref>„Spätestens im dritten Viertel des 15. Jahrhunderts entstanden demnach im Norden wie im Süden Bildwerke, bei denen es sich optisch um Stilleben handelt; sie erfüllten jedoch immer − unabhängig davon, in welchem Grad sie zugleich Träger symbolischer Aussagen waren − eine praktische Funktion und waren physisch an einen bestimmten Ort − meistens eine Wand − gebunden.“
Sybille Ebert-Schifferer: Die Geschichte des Stillebens. 1998, S. 34 ff.</ref><ref>Claus Grimm: Stilleben. Die italienischen, spanischen und französischen Meister. 1995, S. 26 f.</ref><ref>Wolf Stadler u. a.: Lexikon der Kunst. Band 11, 1994, S. 168.</ref> Das vom Künstler 1504 datierte Werk war vermutlich in die Wandverkleidung eines Jagdschlosses integriert. Weitere vergleichbare täuschend echt gemalte Stillleben zeigen teilweise geöffnete Schränke mit darin befindlichem Gerät − wie im Studiolo di Gubbio aus dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts, welches sich ehemals im Palazzo Ducale in Gubbio befand und nun im Metropolitan Museum of Art in New York betrachtet werden kann.
Eine große Zahl früher Stilllebenmalerei entstand im Zuge des Forscher- und Entdeckerdrangs des 15. und 16. Jahrhunderts. Die Erforschung der den Menschen umgebenden Natur wurde Darstellungszweck detailgenauer Naturstudien. Derartige Zeichnungen und Aquarelle, wie sie auch Albrecht Dürer d.J. fertigte, wurden in aufwendigen Werken über Botanik und Zoologie gesammelt und verbreitet, was ab der Mitte des 15. Jahrhunderts durch die Erfindung des Buchdrucks noch erheblich zunahm. Diese Florilegien (Blumenbücher) sind Bindeglied zwischen naturkundlicher Abbildung und Stillleben. Sie dienten als Typenvorrat und ebneten als Vorstufe den Weg für detailreiche Gemälde, die später als Blumenstück oder Blumenstillleben ihren festen Platz in der Kunst haben sollten.<ref>Sybille Ebert-Schifferer: Die Geschichte des Stillebens. 1998, S. 53ff & Claus Grimm: Stilleben. Die niederländischen und deutschen Meister. 1988, S. 26 f.</ref>
Neben der Sammlung verschiedener Naturstudien in speziellen Kompendien existierten isoliert gesammelte Darstellungen von leblosen Dingen in Kunst- und Wunderkammern. Sie waren physische Vertretung der dargestellten Objekte. Überhaupt stieg durch das Interesse an der Natur und deren detailgetreue Wiedergabe das Vorkommen von Blumen und Früchte in Kunstwerken – besonders in der italienischen Feston- und Girlandenmalerei. Beispiele hierfür finden sich bei Andrea Mantegna, Carlo Crivelli, Leonardo da Vinci und Giovanni da Udine.<ref>Sybille Ebert-Schifferer: Die Geschichte des Stillebens. 1998, S. 36.</ref>
Als direkte Vorstufe des autonomen Stilllebens – im Besonderen der Mahlzeitstillleben – dürfen die seit dem 16. Jahrhundert gefertigten Markt- und Küchenstücke angesehen werden. Pieter Aertsen und sein Neffe Joachim Beuckelaer fertigten Kunstwerke für profane Gebäude (Rathäuser und private Palais). Es sind philosophische Auslegungen der sichtbaren Welt, teilweise immer noch mit heilsgeschichtlichen Szenen im Bildhintergrund − oft ein moralischer Verweis wie der auf die gute Haushalts- und Lebensführung durch die Szene von Christus im Haus von Maria und Martha.<ref>Claus Grimm: Küchenstücke – Marktbilder – Fischstilleben. In: Gerhard Langemeyer, Hans-Albert Peeters (Hg.): Stilleben in Europa. 1979, S. 351–378; Claus Grimm: Stilleben. Die niederländischen und deutschen Meister. 1988, S. 28.</ref> Die Gemälde der Aertsen-Werkstatt spiegeln die zeitgenössische Ambivalenz zwischen der Freude an Reichtum und Wohlstand wider.<ref>Sybille Ebert-Schifferer: Die Geschichte des Stillebens. 1998, S. 43.</ref> Ein entsprechendes Beispiel ist Aertsens Gemälde von 1552 im Kunsthistorischen Museum in Wien. Es zeigt im Vordergrund ein Stillleben bestehend aus mehreren Objekten − darunter eine besonders großes Stück Fleisch und die moralisierende Szene von Christus bei Maria und Martha im Hintergrund.
- Rogier van der Weyden- Braque Family Triptych - closed.JPG
Rogier van der Weyden
Triptychon der Familie Braque (geschlossen), ca. 1450, Öl auf Paneel aus Eichenholz, 41 x 68 cm, Musée du Louvre, Paris - Pieter Aertsen - Christ with Mary and Martha - Google Art Project.jpg
Pieter Aertsen
Küchenstück mit der Szene Jesus im Haus von Maria und Martha im Hintergrund, 1552, Öl auf Holz, 83 x 120,5 x 8 cm, Kunsthistorisches Museum, Wien
Erste autonome Stillleben um 1600
Einen auf das Jahr genauen Entstehungszeitpunkt gibt es nicht – auch kein eindeutiges Entstehungsland. Zu viele Stillleben sind verloren gegangen, besitzen keine eindeutige Datierung bzw. Signatur oder sind möglicherweise nicht bewusst als autonomes Werk geschaffen worden.<ref>„Die Entwicklungen zu den uns geläufigen akademischen Spezialfächern wie ‘Landschaft’ und ‘Stilleben’ fand nicht einlinig und in deutlicher Ausrichtung statt. Im geschichtlichen Rückblick sehen wir die frühesten und die aus dem zeitüblichen Rahmen deutlich herausragenden Bildlösungen als Meilensteine einer Entwicklung. Diese Bewertung geht auf Ähnlichkeiten zu den späteren Bildtypen aus, ohne sicher zu sein, ob die innovativen Kräfte und Veränderungswirkungen jener Zeit tatsächlich in die Richtung des später Erzielten drängten. Manches, was wie eine Vorwegnahme oder programmatische Form aussieht, war möglicherweise nur eine umständebedingte, unvollständige Ausführung.“
Claus Grimm: Stilleben. Die niederländischen und deutschen Meister. 1988, S. 73.</ref> Sicher ist, dass das Stillleben sich in Europa am Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts als eigenständige Gattung zu formieren begann − ebenso wie die „reine“ Landschaftsmalerei.<ref>Claus Grimm: Stilleben. Die niederländischen und deutschen Meister. 1988, S. 73.</ref> Gemälde, in denen die Darstellung von leblosen Objekten ausschließlich das Bildthema bestimmt, traten zuerst um 1600 in den Niederlanden, Deutschland, Spanien und Italien auf. Aus den Niederlanden kennt die Kunstgeschichte die frühesten Vanitas- und Mahlzeitstillleben und aus Italien die frühesten bekannten Früchtestillleben.<ref>„Der gemeinsame Nenner für diese mit unterschiedlicher Themenpräferenz sich vollziehende Emanzipation des Stillebens dürfte das Zusammentreffen mehrerer, am Ende des 16. Jahrhunderts ausgereifter Entwicklungen sein . Hatje, Stuttgart 1993, ISBN 3-7757-0472-8.</ref>
Fotografische Stillleben
Fotografische Stillleben werden meist mit ihrem englischen Namen „still-life photography“ bezeichnet. Darunter versteht man die Aufnahme von Gegenständen. Neben den künstlerischen Still-Life-Aufnahmen gibt es als eigene Gruppe rein technische Sach- oder Produktaufnahmen, wie man sie häufig in der so genannten „angewandten Fotografie“ (z. B. Werbung) antrifft. Fotografische Stillleben wurden u. a. durch John Blakemore, Imogen Cunningham, Robert Mapplethorpe, Tina Modotti, David LaChapelle und viele andere geschaffen.
- Siehe auch Tabletop-Fotografie
Literatur
Nachschlagewerke
- Hermain Bazin, Horst Gerson, Rolf Linnenkamp u. a.: Kinderls Malerei-Lexikon. Band 11, Kindler, Zürich 1985, S. 282–286.
- Allgemeines Künstlerlexikon (AKL). Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker. K. G. Saur, München/ Leipzig 1991ff., ISBN 3-598-22740-X.
- Walther Bernt: Die niederländischen Maler des 17. Jahrhunderts. 800 Künstler mit 1470 Abb. 3 Bd. Münchner Verlag, München 19XX.
- Erika Gemar-Költzsch: Holländische Stillebenmaler im 17. Jahrhundert. Luca-Verlag, Lingen 1995, ISBN 3-923641-41-9.
- Fred G. Meijer, Adriaan van der Willigen: A dictionary of Dutch and Flemish still-life painters working in oils. 1525–1725. Primavera Press, Leiden 2003, ISBN 90-74310-85-0.
- Wolf Stadler u. a.: Lexikon der Kunst. Malerei, Architektur, Bildhauerei. Band 11, Karl Müller Verlag, Erlangen 1994, S. 167–176.
- Gerhard Strauss, Harald Olbrich: Lexikon der Kunst. Architektur, bildende Kunst, angewandte Kunst, Industrieformgestaltung, Kunsttheorie. Band 7, Seemann, Leipzig 1994, S. 64–67.
- Ulrich Thieme, Felix Becker: Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. zusammen mit Vollmer: Zwanzigstes Jahrhundert. Leipzig 2008, ISBN 978-3-86502-177-9.
Monografien und Ausstellungskataloge
- Ingvar Bergström: Dutch still-life painting in the seventeenth century. Aus dem Schwedischen von Christina Hedström und Gerald Taylor. Faber & Faber, London 1956.
- Laurens Bol: Holländische Maler des 17. Jahrhunderts, nahe den großen Meistern : Landschaften und Stilleben. Klinkhardt & Biermann, Braunschweig 1969.
- Pamela Hibbs Decoteau: Clara Peeters: 1594 – ca. 1640, and the development of still-life painting in northern Europe. Luca-Verlag, Lingen 1992, ISBN 3-923641-38-9.
- Sybille Ebert-Schifferer: Die Geschichte des Stillebens. Hirmer Verlag, München 1998, ISBN 3-7774-7890-3.
- Claus Grimm: Stilleben. Die italienischen, spanischen und französischen Meister. Belser, Stuttgart 1995, ISBN 3-7630-2303-8; Neuauflage 2001, 2010, ISBN 978-3-7630-2562-6.
- Claus Grimm: Stilleben. Die niederländischen und deutschen Meister. Belser, Stuttgart/ Zürich 1988, ISBN 3-7630-1945-6; Neuauflage 2001, 2010, ISBN 978-3-7630-2562-6.
- Samuel van Hoogstraten: Inleydingh tot de Hooge Schoole der Schilderkonst. De zichtbaere werelt. Verdeelt in negen leerwinkels. Davaco Publ., Utrecht 1969 (Nachdr. der Ausg. Rotterdam 1678).
- Gerhard Langemeyer, Hans-Albert Peeters (Hrsg.): Stilleben in Europa. (Aust.kat.: Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster & Staatliche Kunsthalle Baden-Baden 1980). Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Münster 1979.
- Roswitha Neu-Kock (Red.): Stilleben – Natura Morta. Im Wallraf-Richartz-Museum und im Museum Ludwig. (Aust.kat.: Wallraf-Richartz-Museum und Museum Ludwig Köln 1980). Museen der Stadt Köln, Köln 1980.
- Michael North: Geschichte der Niederlande. Beck, München 2003, ISBN 3-406-41878-3.
- Franz-Xaver Schlegel: Das Leben der toten Dinge – Studien zur modernen Sachfotografie in den USA 1914–1935. 2 Bände, Stuttgart: Art in Life 1999, ISBN 3-00-004407-8.
- Norbert Schneider: Stilleben. Realität und Symbolik der Dinge; die Stillebenmalerei der frühen Neuzeit. Taschen, Köln 1989, ISBN 3-8228-0398-7.
- Sam Segal, William B. Jordan: A prosperous past. The sumptuous still life in the Netherlands. 1600–1700. (Aust.kat.: Delft & Cambridge & Massachusetts & Texas). SDU Publ., Den Haag 1989, ISBN 90-12-06238-1.
- Martina Sitt, Hubertus Gaßner (Hrsg.): Spiegel geheimer Wünsche. Stillleben aus fünf Jahrhunderten. Hirmer Verlag München 2008, ISBN 978-3-7774-4195-5.
- A.P.A. Vorenkamp: Bijdrage tot de geschiedenis van het Hollandsch stilleven in de 17 eeuw: proefschrift ter verkrijging van den graad van doctor in de letteren en wijsbegeerte aan de Rijks-Universiteit te Leiden. N.V. Leidsche Uitgeversmaatschappij, Leiden 1933.
Aufsätze und Artikel
- Claus Grimm: Küchenstücke – Marktbilder – Fischstilleben. In: Gerhard Langemeyer, Hans-Albert Peeters (Hrsg.): Stilleben in Europa. (Aust.kat.: Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster & Staatliche Kunsthalle Baden-Baden 1980). Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Münster 1979, S. 351–378.
- Eddy de Jongh: De interpretatie van stillevens: grenzen en mogelijkheden. In: Eddy de Jongh: Kwesties van betekenis. Thema en motief in de Nederlandse schilderkunst van de zeventiende eeuw. Primavera Pers, Leiden 1995, ISBN 90-74310-14-1, S. 130–148.
- Wouter Th. Kloek: The migration from the South to the North. In: Ger Lujten (Hrsg.): Dawn of the Golden Age. Northern Netherlandish art 1580–1620. (Aust.kat.: Rijksmuseum, Amsterdam 1993/94). Waanders, Zwolle 1993.
Weblinks
- Informationen zu Stillleben in der Deutschen Digitalen Bibliothek (DDB)
- Suche nach Stillleben im Portal SPK digital der Stiftung Preußischer Kulturbesitz
- Gemaltes Licht – Die Stilleben von Willem Kalf (1619–1693) Ausstellung im Suermondt-Ludwig-Museum Aachen, 8. März-3. Juni 2007
- Das Stilleben – nature morte
- Ruhr-Uni-Bochum Sinn und Sinnlichkeit-flämische Stillleben
Einzelnachweise
<references />