TM 266
TM 266 ist die Bezeichnung einer seit 1997 erforschten Fundstelle von obermiozänen Fossilien in der Djurab-Wüste im Norden des Tschad. Das Kürzel TM steht für die Toros-Menalla hominid locality, ein Gebiet, in dem mehr als 300 Fundstellen entdeckt wurden. Der bedeutendste Fund aus der etwa 5000 Quadratmeter großen Grabungsstelle wurde zwischen Juli 2001 und Februar 2002 geborgen: der Holotypus von Sahelanthropus tchadensis.
Ab 1994 hatte die von Michel Brunet gegründete Mission Paléoanthropologique Franco-Tchadienne, eine Kooperation der Universität Poitiers, der Universität N’Djamena und des Centre National d'Appui à la Recherche (CNAR, N’Djamena), diverse Feldstudien in der Djurab-Wüste im Tschadbecken durchgeführt. Dabei wurden Dutzende oberflächlich zutage tretende Fundstellen für miozäne und pliozäne Wirbeltier-Fossilien entdeckt, die jeweils biochronologisch datiert wurden. Neben TM 266 (7–6 mya) wurde damals auch die Fundstelle KT 12 (3,5–3,0 mya) bei Koro Toro erschlossen, ferner die Fundstellen Kollé (5–4 mya) und Kossom Bougoudi (ca. 5,3 mya). Allein in der Fundstelle 266 wurden Fossilien von mehr als 40 Wirbeltier-arten geborgen, von denen mehr als die Hälfte von Säugetieren stammt.
Identifizierbar waren unter anderem die Überreste von mehr als zehn Arten von Süßwasserfischen (unter anderem ein Raubfisch aus der Gattung Hydrocynus, ferner Polypterus, Gymnarchus und Labeo), von Amphibien, Krokodilen (Euthecodon) und Wasserschildkröten, aber auch Knochen von Schlank- und Stummelaffen, von Nagetieren (Xerus sp. und Altweltmäuse), Elefanten, Rindergiraffen (Sivatherium), Pferden (Hipparion), Schweinen (Nyanzachoerus), Antilopen und Rindern. Als häufigste Raubtiere (sowohl hinsichtlich der Anzahl aufgefundener Individuen als auch der Artenzahl) wurden fossile Hyänen ausgegraben. Fast alle gefundenen Fische weisen verwandte Arten im heutigen Tschadsee auf, einige der fossilen Fische waren länger als ein Meter; Vogelarten fehlten in den Fossilien führenden Schichten.
Anhand des bekannten Formenwandels im Verlauf der Evolution der Bezahnung von Nyanzachoerus sowie unter Berücksichtigung vergleichbarer Befunde zur Evolution der Zähne anderer Säugetiergruppen (Anthracotheriidae, Rüsseltiere, Pferde und Rinder) wurde das Alter der Fundstelle TM 266 auf 7 bis 6 Millionen Jahre eingegrenzt. Die Zusammensetzung der Arten wurde dahingehend interpretiert, dass diese Tiere – unter ihnen Sahelanthropus tchadensis – „in der Nähe eines Sees, aber nicht weit entfernt von einer Sandwüste“ lebten;<ref> Patrick Vignaud et al.: Geology and palaeontology of the Upper Miocene Toros-Menalla hominid locality, Chad. In: Nature. Band 418, 2002, S. 152-155, doi:10.1038/nature00880</ref> Hinweise auf reiche Sandvorkommen gaben vor allem meterhohe fossile Dünen mit noch gut erhaltenen Rippelmarken. Ferner interpretierten die Forscher den Nachweis beispielsweise von Rindern als Hinweis auf benachbarte offene Savannen, von Giraffen und Rüsseltieren auf stärker bewaldete Savannen und von Affen auf Galeriewälder.
Die Forscher wiesen darauf hin, dass ähnliche Biotope wie für Sahelanthropus auch für Orrorin und Ardipithecus rekonstruiert wurden.
Ebenfalls im Norden des Tschad wurde – an der Fundstelle KT 12 – der Holotypus von Australopithecus bahrelghazali geborgen.
Weblinks
- Einige Fotos aus der Djurab-Wüste (PDF; 266 kB)
Einzelnachweise
<references />