Echter Baldrian
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Echter Baldrian (Valeriana officinalis)
Echter Baldrian (Valeriana officinalis) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Valeriana officinalis | ||||||||||||
L. |
Echter Baldrian (Valeriana officinalis) ist eine Pflanzenart der Gattung der Baldriane (Valeriana).
Inhaltsverzeichnis
Beschreibung
Echter Baldrian ist eine ausdauernde krautige Pflanze von 1 bis 2 Meter Höhe, die Rhizome als Überdauerungsorgane ausbildet. Sie hat sattgrüne, gefiederte Blätter von etwa 20 Zentimeter Länge, die unteren gestielt, die oberen sitzend. Die Fiedern sind oval oder lanzettlich, ganzrandig oder ungleich gesägt.
Die Blüten sind in dichten, endständigen, (schirm)rispigen Blütenständen angeordnet. Sie besitzen einen Durchmesser von 4 bis 5 Millimeter und sind hellrosa bis weiß gefärbt mit purpurnen Strichsaftmalen, die später verblassen. Die Blüte entfaltet einen starken süßlichen Geruch. Die Früchte sind bis 4 Millimeter lange, nur 0,5 Milligramm schwere Nüsse (Achänen) mit einem federigen, hygroskopischen, hinfälligen Haarkranz (Pappus), Die Blütezeit reicht von Mai bis Juli.<ref name="Polunin" />
Ökologie
Die Blüten sind kleine, asymmetrische, vormännliche „Trichterblumen“. Neben zwittrigen Pflanzen kommen auch rein weibliche vor (gynodiözisch). Das Nektarium befindet sich in einer Aussackung der Kronröhre. Bestäuber sind verschiedene Zweiflügler, Bienen und Tagfalter. Die Pflanze ist selbststeril, es findet keine spontane Selbstbestäubung statt.<ref name="Düll 2011" />
Der Pappus rollt sich bei Feuchtigkeit ein. Die Früchte breiten sich als Schirmchenflieger aus und besitzen eine Sinkgeschwindigkeit von 28 Zentimeter/Sekunde. Daneben erfolgt eine Ausbreitung als Wasserhafter und Schwimmausbreitung.<ref name="Düll 2011" /> Die Vegetative Vermehrung erfolgt durch kurze Ausläufer; die Pflanze ist dadurch ein Kriechpionier.<ref name="Düll 2011" />
Vorkommen
Der Echte Baldrian kommt in ganz Europa außer Portugal<ref name="Polunin" /> und Westasien vor. Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich weiter ostwärts bis Sibirien und Russlands Fernem Osten, Korea, China, Taiwan und Japan.<ref name="FOC" /><ref name="GRIN" />
Baldrian ist frostbeständig und gedeiht in Sonne oder Halbschatten in fast jedem Boden. Als Feuchtbodenpflanze verträgt er auch gelegentliche Überschwemmungen und kommt daher in der freien Natur häufig auf Wiesen entlang von Gewässerläufen vor.
Systematik
Valeriana officinalis wurde 1753 von Carl von Linné in Species Plantarum erstveröffentlicht.<ref name="SpPl" /> Synonyme für Valeriana officinalis sind Valeriana alternifolia Bunge, Valeriana baltica Pleijel, Valeriana chinensis Kreyer ex Komarov, Valeriana coreana Briqu., Valeriana dageletiana Nakai ex F.Maek., Valeriana dubia Bunge, Valeriana exaltata J.C.Mikan, Valeriana fauriei Briqu., Valeriana leiocarpa Kitag., Valeriana nipponica Nakai ex Kitag., Valeriana pseudofficinalis C.Y.Cheng & H.B.Chen,Valeriana stubendorfii Kreyer ex Kom., Valeriana subbipinnatifolia A.I.Baranov und Valeriana tianschanica (Kreyer) ex Hand.-Mazz..<ref name="FOC" /><ref name="GRIN" /><ref name="plantlist" />
Namensgebung
Der botanische Gattungsname stammt vom lateinischen valens „kräftig“. Der deutsche Trivialname ist eventuell volksetymologisch angelehnt an den Namen des nordischen Lichtgottes Balder. Im Volksmund heißt diese Pflanzenart auch Katzenkraut, Stinkwurz, Hexenkraut, Augenwurzel, Mondwurz, Bullerjan, Tolljan, Katzenwargel.
Verwendung
Inhaltsstoffe
Baldrian enthält unter anderem ätherisches Öl (neben Valerensäure unter anderem auch die Isovaleriansäure, die für den charakteristischen Geruch des Wurzelstocks verantwortlich ist), Valepotriate und Alkaloide. Das Alkaloid Actinidin ist der Grund, weshalb Baldrian ein Lockstoff für Katzen ist, ähnlich wie Katzenminze.
Verwendung in der Heilkunst
Als Heildroge dienen die getrockneten unterirdischen Teile der Pflanze (Valerianae radix). Die Baldrianwurzel ist eines der meist genutzten pflanzlichen Beruhigungsmittel. Ihre Anwendungsgebiete sind: Unruhezustände und nervös bedingte Einschlafstörungen, nervös bedingte Herzbeschwerden (soweit deren Diagnose gesichert ist) und krampfartige Beschwerden im Magen-Darmbereich. Am häufigsten kommt der Arznei-Baldrian als Trockenextrakt zum Einsatz, die Tagesdosis beträgt 400–600 mg.<ref name = "Bäumler2007" /> Auch als Badezusatz wirkt Baldrian beruhigend.
Die Wirkstoffe sind je nach Herkunft unterschiedlich zusammengesetzte ätherische Öle mit Bornylacetat und Bornylisovalerianat als Hauptkomponenten. Diese sind auch verantwortlich für den typischen Baldriangeruch, der beim Trocknen der Droge auftritt. Weil dieser Geruch dem Lockduft läufiger Katzen ähnelt, werden Kater davon angelockt. Weitere Inhaltsstoffe sind Valeranon, Caryophyllen, Camphen und weitere Mono- und Sesquiterpene, Sesquiterpencarbonsäuren wie die Valerensäuren, Valepotriate (Iridoide) mit Valtrat und Isovaltrat. Wegen der Instabilität dieser Verbindungen sind in Extrakten und Tinkturen z. T. nur deren Abbauprodukte, die sogenannten Baldrinale, nachweisbar. Auch Aminosäuren und in geringer Menge Ligane und Pyridinalkaloide wurden als Inhaltsstoffe gefunden.
Die geschilderten Heilwirkungen konnten bisher keiner Einzelsubstanz zugeordnet werden, so dass für die Heilwirkung das Zusammenspiel mehrerer Wirkstoffgruppen angenommen werden muss. In vielen Fertigarzneimitteln wird die Baldrianwurzel auch mit anderen beruhigend wirkenden Drogen kombiniert, z. B. mit Hopfen, Melisse, Passionsblume, Frauenmantel und Wacholderbeere.<ref name="McGregor 2002" />
Verwendung in der Küche
Baldrianextrakte werden als Aromastoffe in Nahrungsmitteln wie Gebäck und Eis eingesetzt – vor allem dann, wenn man Apfelgeschmackkomponenten erzielen möchte.
Baldrian ist eine Verwandte des Feldsalats (Valerianella sp. – kleiner Baldrian). Das frische Frühlingsgrün des Baldrians kann in Salaten mitgegessen werden – er erinnert im Geschmack an Feldsalat, ist sogar etwas zarter. Die Blüten sind gleichfalls genießbar.
Verwendung in der Duftindustrie
Vor allem während des Trocknungsprozesses strömt die Wurzel des Baldrians den Geruch aus, den Katzen anziehend finden (siehe Katzenminzen). Menschen erinnert der ranzige Geruch dagegen an Limburger Käse und wirkt eher abstoßend. Er ist so durchdringend, dass die Legende überliefert, der Rattenfänger von Hameln habe Baldrian bei sich getragen, um die Ratten anzulocken. Trotzdem wird Baldrian auch in der Parfümindustrie eingesetzt – in den richtigen Mischungen können damit moschusähnlich-holzige, balsamische Gerüche erzielt werden.
Kulturelle Bedeutung
Baldrian im Aberglauben
Bei den nordischen Völkern wurde Baldrian als stark aromatisch riechende Pflanze zum Schutz vor bösen Geistern über die Tür gehängt. Wer Baldrian bei sich trug, galt als unempfindlich gegen Hexenzauber und geschützt vor dem Teufel. Man war auch der Überzeugung, dass sich ein im Zimmer aufgehängtes Baldrianbüschel bewegen würde, sobald eine Hexe das Zimmer beträte. Baldrian in den Bienenkorb gelegt, sollte das Schwärmen der Bienen verhindern und weitere anlocken.
Baldrian taucht auch zusammen mit Bibernelle als geweissagtes Heilmittel in vielen Pestsagen auf:
- „Eßt Bibernellen und Baldrian
- so geht euch die Pest nicht an“
Baldrian stand in dem Ruf, Zorn zu erregen, wenn er ein wenig gekaut würde. Ein Scharfrichter, der ein für seinen Beruf unübliches weiches Herz hatte, musste deshalb vor jeder Hinrichtung auf dieser Wurzel kauen, um nicht vom Mitleid mit dem zum Tode Verurteilten übermannt zu werden.
Baldrian in der Kunst
Baldrian erscheint als Pflanze in der christlichen Ikonographie gelegentlich auf Gemälden des späten Mittelalters und der Renaissance, weil man sich so die Narde vorstellte, aus der in der Antike ein kostbares Öl gewonnen wurde. Die Indische Narde (Nardostachys jatamansi), die im Unterschied zu Valeriana officinalis einen angenehmen Duft hat, lieferte das in der alten Welt gesuchte, außerordentlich kostbare Nardenöl. Mit Nardenöl wurden Jesus von Maria, der Schwester Marthas, die Füße gesalbt und als einer seiner Jünger, Judas Iskariot, dies kritisierte, wies Jesus ihn mit den Worten zurück „Lass sie, damit sie es für den Tag meines Begräbnisses tue!“.(Joh 12,1-7 EU). Die Darstellung von Baldrian verweist auf diese Salbung und letztlich auf Jesu Leiden und Tod. Baldrian ist daher auf vielen Tafelbildern der Renaissance zu sehen, oft sehr exponiert im Zentrum.
Auch in der Heraldik (Wappenkunst) wird die Narde dargestellt. Im Wappen von Papst Franziskus befindet sich auch eine goldene Nardenblüte, die den heiligen Josef symbolisiert.
Quellen
Literatur
- Manfred Bocksch: Das praktische Buch der Heilpflanzen. blv, München 1996, ISBN 3-40-514937-1.
- Hartwig Abraham, Inge Thinnes: Hexenkraut und Zaubertrank. Unsere Heilpflanzen in Sagen, Aberglauben und Legenden. Freund, Greifenberg 1995, ISBN 3-924733-02-3.
- Gertrud Scherf: Zauberpflanzen – Hexenkräuter. Mythos und Magie heimischer Wild- und Kulturpflanzen. blv, München 2002, ISBN 3-405-16219-X.
- Marianne Beuchert: Symbolik der Pflanzen, von Akelei bis Zypresse. Insel, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-458-16738-2.
- Miranda Seymour: Eine kleine Geschichte der Kräuter und Gewürze. Scherz, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-502-15879-7.
- Ingrid Schönfelder, Peter Schönfelder: Das neue Handbuch der Heilpflanzen. Franckh-Kosmos, Stuttgart 2004, ISBN 3-440-09387-5.
Einzelnachweise
<references> <ref name="Polunin">Oleg Polunin: Pflanzen Europas. BLV, München 1977, ISBN 3-405-11832-8.</ref> <ref name="FOC">Deyuan Hong, Fred R. Barrie, Charles D. Bell: Valerianaceae. In: Wu Zheng-yi, Peter H. Raven, Deyuan Hong (Hrsg.): Flora of China. Volume 19: Cucurbitaceae through Valerianaceae, with Annonaceae and Berberidaceae, Science Press/Missouri Botanical Garden Press, Beijing/St. Louis 2011, ISBN 978-1-935641-04-9, S. 670 (online). (Abschnitte Beschreibung, Verbreitung und Systematik)</ref> <ref name="GRIN">Valeriana officinalis im Germplasm Resources Information Network (GRIN), USDA, ARS, National Genetic Resources Program. National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland. Abgerufen am 15. April 2012.</ref> <ref name="plantlist">Valeriana officinalis. In: The Plant List - A working list of all plant species. Januar 2010, abgerufen am 15. April 2012 (english, Einschätzung von Artennamen hinsichtlich des Wahrscheinlichkeitsgrades ihrer Gültigkeit). </ref> <ref name="Bäumler2007">Siegfried Bäumler: Heilpflanzen-Praxis heute. Portraits, Rezepturen, Anwendung. Elsevier Urban & Fischer, München, 2007, ISBN 978-3-437-57270-8, S. 67–68.</ref> <ref name="Düll 2011">Ruprecht Düll, Herfried Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands und angrenzender Länder. Die häufigsten mitteleuropäischen Arten im Porträt. 7., korrigierte und erweiterte Auflage. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2011, ISBN 978-3-494-01424-1, S. 819–820.</ref> <ref name="SpPl">Carl von Linné: Species Plantarum. Band 1, Lars Salvius, Stockholm 1753, S. 31 (Digitalisat).</ref> <ref name="McGregor 2002">G. P. McGregor: Kombination von Johanniskraut-, Baldrian-und Passionsblumen-Extrakten in einem pflanzlichen Arzneimittel. In: Ärztezeitschrift Naturheilverfahren. Band 43, 2002, S. 348–353 (online).</ref> </references>
Weblinks
- Echter Baldrian. In: FloraWeb.de.
- Valeriana officinalis L. bei Info Flora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora.
- Verbreitung auf der Nordhalbkugel aus: Eric Hultén, Magnus Fries: Atlas of North European vascular plants. 1986, ISBN 3-87429-263-0 bei Den virtuella floran. (schwed.).
- Echter Baldrian. In: Erowid. (englisch)
- Der Baldrian als Heilpflanze.
- Der Baldrian als Giftpflanze.
- Volker Faust: Pflanzenheilmittel mit Wirkung auf das Seelenleben. Baldrian. online (Umfassende Darstellung des gegenwärtigen Wissensstandes).
- Mehr Informationen und Experteninterview zur Heilpflanze Baldrian