Wahlmann
Als Wahlmann werden Personen bezeichnet, die eine Stimme in einer einzelnen konkreten Wahl haben. Wahlsysteme mit Wahlmännern werden als indirekte Wahl bezeichnet. Die Urwähler, also alle Wahlberechtigten, bestimmen in ihrem Wahlbezirk einen oder mehrere Wahlmänner und diese wählen ihrerseits die eigentlich zu Wählenden. Im Gegensatz zu Abgeordneten werden die Wahlmänner lediglich für diesen einen Wahlakt bestimmt.
Inhaltsverzeichnis
Allgemeines
Wahlmänner können frei gewählt werden, jedoch können Wahlmänner auch aus Scheinwahlen hervorgehen, ernannt werden oder das Mandat qua Amt oder Geburt erhalten. So waren die Kurfürsten des Heiligen Römischen Reichs qua Amt die Gruppe von Wahlmännern, die das alleinige Recht hatten, den Römischen König zu wählen.
Wahlmänner können sowohl Einzelpersonen wählen als auch Gremien. So sind in den Vereinigten Staaten die Wahlmänner Delegierte der Bundesstaaten, die im Electoral College den Präsidenten und Vizepräsidenten wählen. Auch in Deutschland werden die Mitglieder der Bundesversammlung, die alle fünf Jahre den Bundespräsidenten wählen, gelegentlich als Wahlmänner bezeichnet. Die Abgeordneten der Landesparlamente der Staaten des Deutschen Bundes wurden durchgehend durch Wahlmänner in indirekter Wahl bestimmt, wie etwa im Königreich Preußen das preußische Abgeordnetenhaus von 1849 bis 1918, siehe Dreiklassenwahlrecht.
Es gibt auch mehrstufige Wahlmannverfahren. Die Wahl der Abgeordneten der Zweiten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen war beispielsweise zweistufig: Erst wählten die Urwähler Bevollmächtigte (Wahlmänner der ersten Stufe), diese dann die eigentlichen Wahlmänner und diese die Abgeordneten.
Genauso wie bei einer direkten Wahl kann auch die Wahl der Wahlmänner in gleicher Wahl erfolgen oder die Wahlteilnahme ist an Bedingungen geknüpft (siehe Zensuswahlrecht).
Wahlmänner können seit Einführung des Frauenwahlrechtes auch Frauen sein, die analoge Begriffsbildung Wahlfrau oder Wahlperson ist jedoch wenig verbreitet. Innerhalb der Formel „Wahlmänner und -frauen“ bzw. „Wahlfrauen und -männer“ (auch in der jeweils ausgeschriebenen Form) findet erstere jedoch in den Medien inzwischen eine gewisse Anwendung.
Wahlmänner wurden historisch vielfach vereidigt. Siehe hierzu Abgeordneteneid.
Die Gründe für die Einschaltung von Wahlmännern waren historisch vor allem pragmatischer Natur: Die schlechten Verkehrsanbindungen und das dezentrale Steuer- und Meldewesen erschwerte eine direkte Wahl. Da es noch keine klar strukturierten Parteien gab, waren die Wahlen Persönlichkeitswahlen. Diese setzten eine Bekanntheit der Kandidaten bei den jeweiligen Wählern voraus. Die indirekte Wahl wurde aber auch als eine Art Sicherheitsstufe angesehen. Den Urwählern wurde eventuell unterstellt, dass sie politisch unreif waren. Ein Wahlmann musste zuweilen höheren Anforderungen genügen, also beispielsweise ein höheres Mindestalter vorweisen oder eine höhere Steuerlast tragen als die Urwähler. Aus demokratischer Sicht ist ein solcher sozialer Filter naheliegenderweise kritikwürdig.
Wahlmänner in den Vereinigten Staaten
Wahl der Wahlmänner
In jedem US-Bundesstaat werden die Wahlmänner (electors) nach einzelstaatlichen Regeln gewählt. In fast allen Staaten gilt das „The winner takes all“-Prinzip (also Mehrheitswahlrecht), das heißt: Alle von einem Bundesstaat entsandten Wahlmänner gehören zu dem Präsidentschaftskandidaten mit den meisten abgegebenen Stimmen. In Nebraska und Maine gilt dieses Prinzip nicht; die Wahlmänner können dort auch aufgeteilt werden. Dies ist bei der Wahl 2008 das erste Mal vorgekommen. Nebraska teilte vier Wahlmänner John McCain und einen Barack Obama zu.
Wahl durch Wahlmänner
Das Electoral College wählt alle vier Jahre den US-amerikanischen Präsidenten. Sieger der Wahl ist jeweils der Kandidat, der die absolute Mehrheit der Wahlmännerstimmen auf sich vereint (also wieder Mehrheitswahlrecht). Sollte keine absolute Mehrheit für einen Kandidaten zustande kommen, so wählt das Repräsentantenhaus als Kammer, die dem Volk am nächsten ist, den Präsidenten, der Senat den Vizepräsidenten.
Nach heutiger Zusammensetzung sind für einen Sieg eines Präsidentschaftskandidaten im Electoral College mindestens 270 der 538 Wahlmännerstimmen nötig (diese genaue Zahl steht nicht in der Verfassung der Vereinigten Staaten fest, sondern wird vom Kongress nach dem Zensus bestimmt). Die Anzahl der Wahlmänner in den einzelnen Bundesstaaten ist abhängig von der Anzahl der Einwohner und entspricht der Vertretung des Staates im Kongress, d. h. der Anzahl der Vertreter des Repräsentantenhauses und des Senats zusammen. Da jeder Bundesstaat genau zwei Vertreter im Senat und mindestens einen Vertreter im Repräsentantenhaus hat, stellen die bevölkerungsärmsten Staaten trotzdem drei Wahlmänner.
Auch ein Kandidat, dem es gelänge, nur die Wahlmännerstimmen der elf bevölkerungsreichsten Bundesstaaten auf sich zu vereinen, würde so Präsident. Zwar haben diese Staaten zusammen mehr als 56 % der Wahlberechtigten der USA, da aber in jedem dieser Staaten etwas mehr als die Hälfte der Wählerstimmen ausreicht, um alle Wahlmännerstimmen zu erhalten, genügen schon weniger als 29 % der Wählerstimmen um den Präsidenten zu wählen. Erhält ein Kandidat von den 40 Staaten mit dem größten Stimmengewicht jeweils mehr als die Hälfte der Wählerstimmen (zur Vereinfachung 100 % in Maine und Nebraska), genügen auch weniger als 23 % der Wählerstimmen.
Ungebundenheit an Wählerwillen
Die Wahlmänner sind teilweise frei in ihrer Entscheidung. In den Anfangszeiten der USA wurden sie einem Kandidaten jeweils fest zugeordnet. Heute gibt es in einer großen Anzahl von Bundesstaaten Gesetze, die von den Wahlmännern verlangen, nur für einen bestimmten Kandidaten abzustimmen.<ref>What is the Electoral College? auf: U.S. National Archives and Records Administration (die hier Daten vom Congressional Research Service nutzen) (engl.; abgerufen 6. November 2012)</ref>
In der Praxis werden in jedem Staat nur die Unterstützer eines Präsidentschaftskandidaten bestimmt. Das kann bei knappen Wahlergebnissen dazu führen, dass sich im Electoral College andere Mehrheitsverhältnisse bilden als bei der eigentlichen Volkswahl. Zuletzt geschah dies 2000 bei der Wahl von George W. Bush.
Idee
Die Institution des Electoral College entstand nach dem US-amerikanischen Unabhängigkeitskrieg in Anlehnung an die Wahl des Kaisers des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation durch die Kurfürsten. Sie ist ein Teil der Checks and Balances des amerikanischen Systems und sollte eine weitere Ebene der Kontrolle einführen. Mittlerweile aber ist sie sowohl in der Demokratietheorie als in der öffentlichen Meinung (besonders außerhalb der USA) wegen ihrer tendenziell undemokratischen Implikationen in die Kritik geraten.
Da die Verfassung der Vereinigten Staaten jedoch äußerst schwer zu ändern ist, stellt sich eine große Änderung dieses Wahlsystems in näherer Zukunft als kaum denkbar dar. Neben einer Zweidrittelmehrheit in Senat und Repräsentantenhaus ist noch die Zustimmung von drei Vierteln der Einzelstaaten notwendig.
Bundesstaat | Wahlmänner | Einwohner pro Wahlmann |
---|---|---|
Alabama | 9 | 531.082 |
Alaska | 3 | 236.744 |
Arizona | 11 | 581.092 |
Arkansas | 6 | 485.986 |
Colorado | 9 | 558.800 |
Connecticut | 7 | 510.585 |
Delaware | 3 | 299.311 |
Florida | 29 | 648.321 |
Georgia | 16 | 605.478 |
Hawaii | 4 | 340.075 |
Idaho | 4 | 391.896 |
Illinois | 20 | 641.532 |
Indiana | 11 | 589.437 |
Iowa | 6 | 507.726 |
Kalifornien | 55 | 677.345 |
Kansas | 6 | 475.520 |
Kentucky | 8 | 542.421 |
Louisiana | 8 | 566.672 |
Maine | 4 | 332.090 |
Maryland | 10 | 577.355 |
Massachusetts | 11 | 595.239 |
Michigan | 16 | 617.728 |
Minnesota | 10 | 530.393 |
Mississippi | 6 | 494.550 |
Missouri | 10 | 598.893 |
Montana | 3 | 329.805 |
Nebraska | 5 | 365.268 |
Nevada | 6 | 450.092 |
New Hampshire | 4 | 329.118 |
New Jersey | 14 | 627.992 |
New Mexico | 5 | 411.836 |
New York | 29 | 668.210 |
North Carolina | 15 | 635.699 |
North Dakota | 3 | 224.197 |
Ohio | 18 | 640.917 |
Oklahoma | 7 | 535.907 |
Oregon | 7 | 547.296 |
Pennsylvania | 20 | 635.119 |
Rhode Island | 4 | 263.142 |
South Carolina | 9 | 513.929 |
South Dakota | 3 | 271.393 |
Tennessee | 11 | 576.919 |
Texas | 38 | 661.725 |
Utah | 6 | 460.648 |
Vermont | 3 | 208.580 |
Virginia | 13 | 615.463 |
Washington | 12 | 560.378 |
Washington, D.C. | 3* | 200.574 |
West Virginia | 5 | 370.599 |
Wisconsin | 10 | 568.699 |
Wyoming | 3 | 187.875 |
Vereinigte Staaten | 538 | 573.876 |
Siehe auch
Weblinks
- Heise Telepolis: Die Stimmen, die wirklich zählen, sind noch nicht abgegeben über die Geschichte der Wahlmänner und ihre Ungebundenheit an den Wählerwillen
Belege
<references />fr:Grands électeurs américains pt:Colégio eleitoral dos Estados Unidos da América ru:Система выборщиков в США