AVR (Jülich)


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AVR (Jülich)
AVR Jülich (2009) mit Materialschleuse zum Rückbau
Lage

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Koordinaten 6,4212083333333|primary dim=1000 globe= name= region=DE-NW type=landmark
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Land: Deutschland
Daten
Eigentümer: Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor GmbH
Betreiber: Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor GmbH
Projektbeginn: 1961
Kommerzieller Betrieb: 19. Mai 1969
Stilllegung: 31. Dez. 1988

Stillgelegte Reaktoren (Brutto):

1  (15 MW)
Eingespeiste Energie seit Inbetriebnahme: 1.506 GWh
Stand: 25. Juli 2007
Die Datenquelle der jeweiligen Einträge findet sich in der Dokumentation.
Datei:AVR Reaktojülich.jpg
Reaktor (sichtbar ist nur die Materialschleuse)

Das Kernkraftwerk AVR Jülich (Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor Jülich), ein Versuchskernkraftwerk,<ref>vgl. z. B. Versuchskraftwerk Jülich im Dezember 1969, spiegel.de, 24. Juli 2009</ref> war der erste deutsche Hochtemperaturreaktor (HTR). Die Anlage diente der Stromerzeugung; es war kein Forschungsreaktor zur Neutronenproduktion.

Der AVR basiert auf einem Konzept („Daniels pile“)<ref>Patent US2809931: Neutronic reactor system. Angemeldet am 11. Oktober 1945, veröffentlicht am 15. Oktober 1957, Erfinder: Farrington Daniels.</ref> von Farrington Daniels, dem Erfinder von Kugelhaufenreaktoren. Als geistiger Vater der AVR wird häufig Rudolf Schulten bezeichnet.

Die Anlage steht in Jülich unmittelbar neben dem Gelände des Forschungszentrums Jülich (FZJ) auf einer vom Land Nordrhein-Westfalen in Erbpacht zur Verfügung gestellten Fläche. Betreiber und Eigentümer war ein Konsortium von 15 kommunalen Elektrizitätsunternehmen. Der AVR hatte eine elektrische Nettoleistung von 13 Megawatt und wurde von 1966 bis 1988 betrieben. Es traten mehrere Pannen und Störfälle auf, Kritiker sehen Indizien, dass der Reaktor sogar havariert ist. Der AVR-Betrieb und mögliche Gefährdungen beim Betrieb wurden 2011 bis 2014 von externen Experten untersucht; laut Abschlussbericht vom April 2014 gab es gravierende verheimlichte Probleme und Fehlverhalten. Zum Beispiel manipulierten im Jahr 1978 Techniker die Reaktorsteuerung bewusst so, dass eine Notabschaltung des Reaktors vermieden wurde; erst sechs Tage nach Beginn eines Störfalls fuhren sie den Reaktor herunter.<ref>spiegel.de 27. April 2014: Jülich-Gutachten: Betreiber sollen Reaktor-Pannen vertuscht haben; Aachener Nachrichten; Blindflug durch ein hochgefährliches Experiment</ref> FZJ und AVR räumten 2014 öffentlich Versäumnisse ein.

Der Rückbau des AVR gilt als außergewöhnlich schwierig, langwierig und teuer. Da die Betreiber sich überfordert zeigten, werden Rückbau und Entsorgung von staatlichen Stellen in Auftrag gegeben und bezahlt. 2003 wurde die öffentliche Hand auch formal Eigentümer des AVR und seines Atommülls. Seit 2009 führt die Zwischenlagerung von 152 Castoren mit AVR-Brennelementen im FZJ-Castorenlager zu Kontroversen: Seine Genehmigung lief 2013 aus, da ausreichende Sicherheitsnachweise nicht erbracht werden konnten und es einen Stresstest nicht bestand; es wurde bis Mitte 2014 behördlicherseits geduldet. Am 2. Juli 2014 erließ die Atomaufsicht eine Räumungsanordnung für das Zwischenlager. Es wurde 2014 mit einer massiven Betonmauer zum Schutz gegen terroristische Flugzeugabstürze versehen. Seit 2012 laufen Planungen, die AVR-Castoren wegen des außerordentlich großen Entsorgungsaufwandes in die USA zu exportieren. Seit 2015 ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen das Forschungszentrum Jülich wegen des Verdachts des unerlaubten Umgangs mit Kernbrennstoffen in Zusammenhang mit den AVR-Castoren.

Geschichte

1956 wurde eine Interessengemeinschaft zur Bauvorbereitung des AVR ins Leben gerufen. 1959 wurde daraus die „Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor GmbH“ (AVR GmbH), ein Konsortium aus 15 lokalen Elektrizitätsversorgern unter Führung der Stadtwerke Düsseldorf als Bauherr und Betreiber (weitere Gesellschafter u.a. Stadtwerke Aachen, Bonn, Bremen, Hagen, Hannover, München, Wuppertal). Die Machbarkeit und Funktionsfähigkeit eines gasgekühlten, graphit-moderierten Hochtemperaturreaktors zur Stromererzeugung sollte demonstriert werden. Gebaut wurde der AVR ab 1961 von BBC und Krupp. Die AVR-Planung sowie der Bau erfolgten auf fast rein industrieller Basis, bis 1964 unter Leitung von Rudolf Schulten. Es gab finanzielle Unterstützung des Bundes. Die Voraussetzungen zum Bau des AVR wurden wesentlich von Leo Brandt geschaffen.<ref>B. Mittermaier, B. Rusinek: Leo Brandt (1908 – 1971) Ingenieur – Wissenschaftsförderer – Visionär Wissenschaftliche Konferenz zum 100. Geburtstag des nordrhein-westfälischen Forschungspolitikers und Gründers des Forschungszentrums Jülich S. 20 ff</ref> Ab 1964 (in diesem Jahr wurde Schulten Institutsleiter des FZJ) begann das FZJ, sich verstärkt dem Kugelhaufenreaktor zu widmen. 1966 wurde der AVR erstmals kritisch, 1967 speiste das Kraftwerk erstmals Strom in das öffentliche Stromnetz. Angaben zu den Baukosten schwanken zwischen 85 und 125 Mio DM (aufsummiert während der Bauzeit, ohne Inflationsausgleich).<ref>U. Kirchner Der Hochtemperaturreaktor Campus Forschung Bd. 667 (1991)</ref> Die AVR GmbH war bis 2003 zwar formal eine eigenständige Gesellschaft, de facto aber ab ca. 1970 abhängig vom FZJ: Das FZJ zahlte hohe Betriebskostenzuschüsse an die AVR GmbH, um den Weiterbetrieb zu sichern, da der im AVR erzeugte Strom nur einen kleinen Teil der Betriebskosten deckte. Mitte der 1970er Jahre etwa standen 3 Mio DM Stromerlös pro Jahr Betriebskosten ohne Brennstoffver- und entsorgung von 11 Mio DM pro Jahr gegenüber.<ref>Wird Jülichs Reaktor zur Atomruine? Welt am Sonntag, 9. Juli 1978</ref> Zur Unterstützung des AVR durch FZJ gehörte auch die Beschaffung und die Rücknahme der Brennelementkugeln: FZJ war und blieb bis 1. September 2015 Besitzer der AVR-Brennelemente. In Verträgen zwischen AVR GmbH und FZJ wurden Einzelheiten des AVR-Betriebs festgelegt. Außerdem wurde der AVR-Betrieb vom FZJ wissenschaftlich begleitet.

In den ersten Jahren wurde der AVR mit Kühlgasaustrittstemperaturen von 650 °C bis 850 °C, von Februar 1974 bis Ende 1987 nominell bis 950 °C betrieben.<ref name="VDI" /> Die letztgenannten hohen Temperaturen werden in Jülich als Weltrekord für Nuklearanlagen bezeichnet,<ref>PowerPoint-Präsentation - Zeitstrahl 1956-2006: 27. 2. 1974 Weltrekord: Der Jülicher Hochtemperaturreaktor AVR erreicht 950 °C (PDF) fz-juelich.de. S. 15. Archiviert vom Original am 29. Januar 2012. Abgerufen am 26. Januar 2014.</ref> wurden aber im US-amerikanischen Testreaktor UHTREX weit übertroffen.<ref>J. Elder, M. Salazar: Decommissioning the UHTREX Reactor Facility at Los Alamos, New Mexico; Chapter 1.1. osti.gov. 1. August 1992. Abgerufen am 26. Januar 2014.</ref> Sie sollten die AVR-Eignung für Kohlevergasung demonstrieren und damit zu einer längerfristigen Perspektive für die Kohleförderung in NRW beitragen.<ref>Schulten will die Kohle retten. 1980 wird das 'Schwarze Gold' mit Reaktorwärme zu Industriegas werden. Westfälische Nachrichten 3. Juli 1968</ref> Der geplante elektrische Wirkungsgrad von 38 % konnte trotz der erzielten hohen Gastemperaturen nicht erreicht werden (realer Wirkungsgrad brutto 32 %, netto 29 %), vermutlich aufgrund von Gasbypässen um den Dampferzeuger. Nach Entdeckung von AVR-Kernbereichen mit stark überhöhten Temperaturen durften im letzten Betriebsjahr allerdings 810 °C nicht mehr überschritten werden. Die geplante Umwandlung des AVR in eine Anlage zur Kohlevergasung<ref>Umbau des AVR Reaktors zu einer Prozesswärmeanlage: Ergebnisse der Vorplanung. Interner Bericht KFA Jülich (1985)</ref> wurde nicht bewilligt, ebenso wenig wie der Bau eines fortgeschrittenen AVR-II in Jülich. Nach 21 Betriebsjahren wurde der Reaktor am 31. Dezember 1988 abgeschaltet. Insgesamt produzierte er rund 1,7 Milliarden Kilowattstunden Strom (brutto)<ref name="HN November">Heinsberger Nachrichten, 26. November 2008</ref> und speiste 1,5 Milliarden Kilowattstunden Strom ins öffentliche Netz ein. Eine Rückschau zum Versuchsbetrieb des AVR aus Sicht der Befürworter dieser Technologie legte der VDI 1990 vor.<ref name="VDI">VDI-Society for Energy Technologies (Publ.), AVR-Experimental High-Temperature Reaktor - 21 years of successful operation for a future technology, VDI-Verlag GmbH, Düsseldorf 1990</ref> Nach Einschätzung von Kritikern entspricht der Zustand des AVR zu Betriebsende dem eines havarierten Reaktors mit Kernschaden. Die Strontiumkontamination im Reaktorbehälter ist danach vergleichbar derjenigen des TMI-Reaktors nach dessen Kernschmelze.<ref name=Fuku>Rainer Moormann: Das Jülicher Atomdebakel 8. März 2014 pdf</ref>

Das Stillegungskonzept wurde in den Folgejahren von „Sicherer Einschluss“ über „Entkernung“ in „vollständiger Abbau“ geändert. Dazu wurde die AVR im Jahr 2003 in das bundeseigene Unternehmen Energiewerke Nord (EWN) integriert, welches sich auf den Rückbau von Kernkraftwerken spezialisiert hat. Vorausgegangen war dem ein Gutachten des Bundesrechnungshofs, welches massive Kritik am mangelnden Fortschritt des AVR-Entsorgungsprojekts 1989–2002 unter Jülicher Leitung übte und andere Projektverantwortliche als FZJ und AVR empfahl.<ref>Kosten für Abriss des Atomreaktors Jülich explodieren. vista verde news. 24. Juni 2002. Abgerufen am 26. Januar 2014.</ref> Der EWN-Vorstandsvorsitzende sah mit dem AVR-Abriss eine der bisher schwierigsten Aufgaben auf seine Firma zukommen.<ref>Atommeilerabriss in Jülich. (Memento vom 15. April 2013 im Webarchiv archive.is) Süddeutsche Zeitung vom 15. Februar 2003</ref> Derzeit laufen Vorbereitungen für die vollständige Beseitigung der Anlage. Im Jahr 2006 wurde eine 60 × 40 Meter große Materialschleuse aus Stahl vor dem Reaktorgebäude errichtet, um das Ausschleusen des Reaktorbehälters zu ermöglichen. Laut Zeitplänen aus dem Jahr 2009 sollten bis zum Jahr mit Kosten von unter 500 Millionen Euro zurückgebaut. Erst nach einer weiteren Abklingzeit von mindestens 60 Jahren soll der AVR-Behälter schließlich von Robotern zerlegt werden und in ein Endlager überführt werden.<ref name="HN November" /> Problematisch bzgl. Endlagerung des Reaktorbehälters ist der sehr hohe Gehalt der Graphit- und Kohlesteineinbauten an 14C (Halbwertszeit = 5730 Jahre), da dieser die im Endlager Schacht Konrad zulässige Gesamtaktivität an 14C zu mindestens 75 % ausschöpfen würde. Quelle von 14C ist überwiegend Stickstoff, der als Verunreinigung vor allem im Kohlestein vorlag und auch zur Reaktorabschaltung benutzt wurde: Stickstoff reagiert durch (n,p)-Reaktion (Neutroneneinfang und Protonenabgabe) mit hoher Ausbeute zu 14C. Eine Endlagerung des Behälters in Schacht Konrad kommt damit praktisch nicht in Frage.<ref>Stilllegung und Rückbau von Atomkraftwerken und Entsorgung radioaktiver Abfälle – Fragen zur Kostentragung und zu den Rückstellungen der Energieversorgungsunternehmen (PDF) bundestag.de. S. 9. 23. November 2011. Abgerufen am 29. Januar 2014.</ref> Das 14C-Problem<ref>Monika W. Florjan: Dekontamination von Nukleargraphit durch thermische Behandlung. fz-juelich.de. Abgerufen am 29. Januar 2014.</ref> wurde erst im Jahr 2000 nach Probennahmen offenkundig: Die auf Rechnungen basierenden Jülicher Angaben zum AVR-Inventar hatten die 14C-Menge vorher um den Faktor 25 unterschätzt. Kritiker sehen darin einen Beleg für eine nicht ausreichend intensive und sorgfältige Beschäftigung des FZJ mit Entsorgungsfragen von Kugelhaufenreaktoren.<ref name=Fuku/> Eine Verbringung des zerlegten AVR-Behälters (500 m³ ohne Verpackung) in das in Deutschland geplante Endlager für wärmeentwickelnden Abfall würde die Endlagerkosten im Vergleich zu Schacht Konrad aber nach vorläufigen Schätzungen mindestens verfünffachen. Diskutiert wird darum auch ein separates, oberflächen- und standortnahes Endlager für den AVR-Reaktorbehälter nach Vorbild geplanter französischer Endlager für 14C-Atommüll. Daneben wird derzeit vom FZJ mit Unterstützung des BMBF im Rahmen des Projekts CarboDISP geprüft, ob der genehmigte Grenzwert für 14C in Schacht Konrad (400 TBq) noch nachträglich angehoben werden kann.<ref>W. von Lensa u. a.: Behandlung und Endlagerung von bestrahltem Grafit und anderen Kohlenstoff-Materialien. kernenergie.de. Abgerufen am 29. Januar 2014.</ref> Die ab 2015 (2022) anfallenden Kosten wurden noch nicht abgeschätzt.

AVR-Atommüll im havarierten Versuchsendlager Asse-II

101 Fässer mit ca. 50.000 bis 55.000 bestrahlten AVR-Graphitkugeln ohne Kernbrennstoff (nur die Anzahl der Fässer wurde dokumentiert, die darin insgesamt enthaltene Kugelzahl wurde vom FZJ nachträglich 2010 geschätzt) und 8 Fässer, die unter anderem in Forschungsreaktoren testweise bestrahlte AVR-Brennelementkugeln enthielten (Anzahl der Brennelementkugeln noch unbekannt), wurden bereits 1973–78 im Versuchsendlager Asse eingelagert.<ref name="Schein">Kopien von einigen Begleitscheinen der eingelagerten AVR Gebinde (PDF) aufpassen.org. Abgerufen am 29. Januar 2014.</ref><ref>Udo Leuschner: Energiechronik August 2008</ref> Die eingelagerten AVR-Graphitkugeln enthielten weit mehr Tritium und langlebiges 14C als in der Asse zulässig war. Dieses hat Jülich bei der Einlagerung jedoch nicht korrekt deklariert, sondern es hat die Graphitkugelgebinde als schwachradioaktiv in der Asse entsorgt.<ref name="Schein" /> Als das unzulässig hohe Radioaktivitätsinventar ab 2008 durch ausgasendes Tritium auffiel, musste FZJ Nachmeldungen für die in die Asse entsorgte Radioaktivität vornehmen.<ref name="Eck" /> Damit erhöhte sich das insgesamt bekannte Tritiuminventar der Asse um mehr als den Faktor 10.<ref name="Illegal" /> FZJ rechtfertigte das 2010 damit, man habe bei der Einlagerung Tritium und 14C noch nicht messen können.<ref name="Eck">AG Asse Inventar - Abschlussbericht (PDF) bmbf.de. S. 19-20. 31. August 2010. Abgerufen am 29. Januar 2014.</ref> Mittlerweile wurden jedoch Dokumente bekannt, die belegen, dass Jülich vor der Asse-Einlagerung seines Atommülls genaue Kenntnisse über dessen hohes Aktivitätsinventar hatte und deshalb möglicherweise gezielt und in großem Umfang unzulässige Einlagerungen in die Asse vorgenommen hat.<ref name="Illegal">Informationen zur illegalen Atommüllentsorgung des Forschungszentrums Jülich. bi-ahaus.de. Abgerufen am 29. Januar 2014.</ref> Darüber hinaus gibt es den Verdacht, dass zerbrochene AVR-Brennelemente in die Asse verbracht worden sein könnten, möglicherweise als Inhalt der vorgenannten 8 Fässer mit mittelaktivem Abfall.<ref name="nonchalant" /> Bereits während der Einlagerung in die Asse war Jülich bei Stichproben durch falsch deklarierte Fässer aufgefallen.<ref name="Eck" />

Da ab 1974 klar war, dass die ursprünglich geplante Wiederaufarbeitung der AVR-Brennelemente in der Jülicher Anlage JUPITER nicht durchführbar sein würde, andererseits aber keine ausreichenden Lagermöglichkeiten für die anfallenden abgebrannten Brennelemente vorgesehen waren, versuchte Jülich, eine Entsorgung durch Einlagerung in die Asse zu erreichen.<ref>J. Wolf: Endlagerung verbrauchter Brennelemente aus dem AVR-Versuchskernkraftwerk im Salzbergwerk Asse, KFA-Bericht Jül-1163 (1975)</ref><ref>H. Gerwin, W. Scherer: Kritikalitätsberechnungen zum Problem der Endlagerung von AVR-Brennelementen im Salzbergwerk Asse, KFA-Bericht Jül-1071 (1974)</ref> Am 6. Oktober 1975 wurde eine Einlagerungsgenehmigung beantragt und am 4. März 1976 wurde die Genehmigung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt und des Oberbergamtes Clausthal zur Einlagerung von 100.000 AVR-Brennelementen mit einer Gesamtaktivität von maximal 81.000 TBq in der Asse rechtskräftig, die erst am 30. Juni 1978 auslief. Eine Genehmigung für weitere 60.000 AVR-Brennelemente wurde beantragt. Die Kugelgebinde sollten dabei so zusammengesetzt sein, dass sie nach damaliger Rechtslage an der oberen Grenze von mittelaktivem Abfall lagen. Zur Einlagerung der AVR-Brennelemente in großem Umfang kam es seinerzeit nur deshalb nicht, weil die Bevölkerung um die Asse sich unter Führung des stellvertretenden Landrates von Wolfenbüttel, Reinhold Stoevesandt, auf politischem und rechtlichen Wege, sowie durch öffentlichkeitswirksame Aktionen zur Wehr setzte.<ref>Die „Jülich-Kugeln“, abgenutzte Kugelbrennelemente eines Versuchsreaktors. Artikelsammlung auf www.spurensuche-meinung-bilden.de, abgerufen am 1. August 2011 (PDF; 741 kB)</ref> Die Einlagerung hätte das radioaktive Inventar in der Asse vervielfacht.

Weitere Details zu AVR-Atommüll in der Asse finden sich in den Ergebnisberichten des Untersuchungsausschusses des Niedersächsischen Landtags zur Asse (2012).<ref>Abschlussbericht Parlamentarischer Untersuchungsausschuss zum Atommülllager Asse II (PDF) fraktion.gruene-niedersachsen.de. 15. Oktober 2012. Abgerufen am 29. Januar 2014.</ref>

AVR-Castoren: Zwischenlagerung und weiteres Vorgehen

Seit 1993 werden ca. 290.000 verbrauchte Brennelementekugeln in 152 Castor-Behältern in einem Zwischenlager auf dem FZJ-Gelände gelagert. Dessen Genehmigung lief, wie seit langem voraussehbar, Mitte 2013 ab, da erforderliche Sicherheitsnachweise für eine Verlängerung sich schwierig gestalten; außerdem befürchtete die FZJ-Aufsichtsratsmehrheit, dass der weitere Verbleib nuklearer Altlasten im FZJ dessen Ruf schaden könne.<ref>René Benden, Christian Rein: Jülicher Castoren: Atommüll im genehmigungslosen Zustand. In: Aachener Zeitung, 16. Dezember 2011. Abgerufen am 29. Januar 2014. </ref> Deshalb beabsichtigte das Forschungszentrum, die Castor-Behälter (per LKW oder Bahn) in das Zwischenlager Ahaus zu überführen. Das führte ab 2010 zu massiven Protesten in ganz NRW. Auch in Jülich bildete sich eine Bürgerinitiative gegen diese Pläne.<ref name=west>westcastor.de</ref> Im März 2012 wurde bekannt, dass die Genehmigung zur Einlagerung in Ahaus nicht rechtzeitig erteilt werden kann, da die Qualität der Antragsunterlagen aus Jülich unzureichend ist.<ref>Information zum Genehmigungsverfahren der AVR-Brennelemente des Forschungszentrums Jülich. bfs.de. Abgerufen am 29. Januar 2014.</ref> Das FZJ beschloss, einen Antrag auf Verlängerung des Jülicher Lagers bis 2016[veraltet] zu stellen.<ref>René Benden: Atom-Müll II: Jülicher Castoren bleiben vorerst im Zwischenlager. In: Aachener Nachrichten, 16. Mai 2012. Abgerufen am 29. Januar 2014. </ref> Im Juli 2012 wurden Pläne des FZJ öffentlich, die 152 Castoren in den USA zu entsorgen.<ref>Rainer Kellers: Neue Option für Jülicher Atommüll – Atomkugeln sollen per Schiff in die USA. WDR.de. 9. Juli 2012. Archiviert vom Original am 10. November 2012. Abgerufen am 29. Januar 2014.</ref> Hintergrund ist die Bereitschaft der USA, aus Proliferationssicht problematischen Kernbrennstoff zurückzunehmen, wenn er aus den USA geliefert wurde. Das gilt vor allem für typisch niedrig abgebrannte Brennstoffe aus Materialtestreaktoren, deren verbrauchte Brennelemente noch größere Mengen an hochangereichertem Uran enthalten. Bei den relativ hohen Abbränden des AVR-Brennstoffs ist es allerdings fraglich, ob überhaupt noch ein wesentliches Proliferationsrisiko vorliegt und ob dieses Argument eventuell nur zur Rechtfertigung eines Atommüllexports vorgeschoben wird. Dafür spricht auch, dass der AVR – obwohl der Bestimmung nach und in den Einordnungen von IAEA und BfS kein Forschungsreaktor sondern ein Versuchs-AKW<ref>BfS: Kernkraftwerke in Deutschland</ref><ref>BfS: Forschungsreaktoren in Deutschland</ref> – vom FZJ seit 2012 als Forschungsreaktor bezeichnet wird; Hintergrund dürfte sein, dass gemäß EU-Richtlinie<ref>http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2011:199:0048:0056:DE:PDF</ref> Atommüllexport nur für Forschungsreaktoren, nicht aber für Versuchs-AKW zulässig ist (außer zur Wiederaufarbeitung, die nach deutschem Recht für AKW aber nicht zulässig ist). Ein 2015 bekannt gewordenes Gutachten der US-Proliferationsbehörde verneint im Gegensatz zu FZJ-Angaben ein Proliferationsriskiko bei den AVR-Castoren und sieht daher keinerlei Notwendigkeit, die Castoren aus Proliferationsgründen in die USA zu überführen.<ref>https://www.ausgestrahlt.de/fileadmin/user_upload/juelich/doe_memo_on_no_proliferation_risk_of_avr_spent_fuel.pdf</ref> Ein unstrittig höheres Proliferationsrisisiko haben die nur niedrig abgebrannten Brennelementkugeln aus dem THTR-300, die sich in Ahaus befinden. Im November 2012 beschloss der Aufsichtsrat des FZJ auch formal, auf die bis Mitte 2013 geplante Verlagerung der Castoren nach Ahaus zu verzichten und mit den Planungen für ein neues Zwischenlager in Jülich zu beginnen. An den Transportplänen in die USA als Alternative wird aber mit hoher Priorität festgehalten.<ref>René Benden: Castor-Behälter bleiben in Jülich. Aachener-Nachrichten.de. 15. November 2012. Abgerufen am 29. Januar 2014.</ref> Die 152 Castoren enthalten fast den gesamten Brennelement-Atommüll der AVR-Elektrizitätserzeugung (1,5 Mrd. kWh); diese Elektrizitätserzeugung entspricht jedoch nur knapp einem aktuellen deutschen Tagesbedarf (2011). Das unterstreicht das außerordentlich hohe Aufkommen an radioaktivem Abfall bei Kugelhaufenreaktoren. Einen Stresstest bestand das Jülicher Castorenlager als einziges deutsches Zwischenlager 2013 nicht.<ref>Zwischenlager Jülich versagt im Stresstest., Die Welt 26. März 2013 </ref> Seit dem Auslaufen der Genehmigung des Zwischenlagers am 30. Juni 2013 wurde die Lagerung aufgrund von befristeten atomrechtlichen Anordnungen der Düsseldorfer Aufsichtsbehörde anfänglich geduldet, wobei FZJ monatlich über den Stand der Arbeiten zur Genehmigung berichten musste. Versuche von FZJ, die Sicherheit des Zwischenlagers nachzuweisen, verliefen innerhalb einer gesetzten Fristen jedoch ergebnislos. Zur Erfüllung der Mindest-Sicherheitsanforderungen wurde das Zwischenlager ab Anfang 2014 mit einer massiven Betonmauer zum Schutz gegen terroristische Flugzeugabstürze versehen.<ref>Christian Rein, Volker Uerlings: Bald rollen die Betonmischer zum Zwischenlager Jülich. In: Aachener Nachrichten, 18. Dezember 2013. Abgerufen am 29. Januar 2014. </ref> Am 2. Juli 2014 erließ die Atomaufsicht eine Räumungsanordnung für das Zwischenlager und verweigerte eine weitere Duldung, da ein ausreichend sicherer Zustand mittelfristig nicht mehr erreichbar erschien. Damit war ein nicht mehr gesetzeskonformer Zustand erreicht, welcher die Staatsanwaltschaft veranlasste, Ermittlungen gegen das FZJ wegen des Verdachts der schuldhaften Herbeiführung einer genehmigungslosen Lagerung von Kernbrennstoffen aufzunehmen.<ref>http://www.aachener-zeitung.de/lokales/region/forschungszentrum-staatsanwaltschaft-ermittelt-gegen-mitarbeiter-1.1134683</ref> Das FZJ musste bis zum 30. September 2014 ein Konzept zur Räumung vorlegen.<ref>http://www.mweimh.nrw.de/presse/pressemitteilungen/Pressemitteilungen_2014/140702_AVR_Juelich/index.php</ref> Hintergrund ist die beim Bau unzureichend berücksichtigte potentielle Bodenverflüssigung am Lagerstandort durch Erdbeben. Dieses FZJ-Konzept wurde von der Umweltbewegung über das Umweltinformationsgesetz angefordert und veröffentlicht.<ref>Detailkonzept zur Entfernung der Kernbrennstoffe aus dem AVR-Behälterlager in Jülich. http://umweltfairaendern.de/wp-content/uploads/2014/12/Detailkonzept-Juelich.pdf</ref> Das FZJ-Detailkonzept wird sowohl von der Umweltbewegung als auch vom Gutachter der Aufsichtsbehörde als wenig zielführend kritisiert. Insbesondere sehen die Kritiker eine drastische Unterschätzung der Probleme und Risiken des angedachten USA-Exports.<ref>http://www.aachener-zeitung.de/lokales/region/juelicher-castortransport-in-die-usa-faellt-durch-den-tuev-1.1094374</ref> Bis Ende 2015 werden Nachbesserungen erwartet. Dem FZJ-Detailkonzept ist zu entnehmen, dass die FZJ-Kranalage zur Verladung der Castoren, die einer separaten Genehmigung unterliegt, nicht auf dem aktuellen Stand gehalten wurde und ihre Genehmigung daher Ende 2013 verlor. Bis zur bis Ende November 2016 erfolgten Sanierung der Kranalage ist ein Abtransport der Castoren aus dem Lager daher unmöglich. Kritiker werfen dem FZJ "Schlampigkeit" im Umgang mit Kernbrennstoff vor.<ref>http://www.klimaretter.info/politik/hintergrund/18860-juelicher-reaktor-behaelter-auf-kurzreise</ref> Zum 1. September 2015 änderten sich die Besitzverhältnisse an den Castoren: Zusammen mit Teilen des Nuklearbereichs wurden sie in die neu gegründete "Jülicher Gesellschaft für Nuklearanlagen" unter dem Dach der bundeseigenen EWN aus dem FZJ ausgegliedert.<ref>http://www.aachener-zeitung.de/lokales/juelich/juelich/forschungszentrum-nicht-mehr-fuer-juelicher-atommuell-verantwortlich-1.1170435</ref>

Erste Ergebnisse einer Umweltverträglichkeitsprüfung für ein eventuell neu zu errichtendes Zwischenlager in Jülich wurden im Mai 2014 bekannt: Danach sind keine Hindernisse erkennbar.<ref>http://www.fz-juelich.de/portal/DE/UeberUns/selbstverstaendnis/verantwortung/avr/FAQ_Transport/fragen-und-antworten.html#Neubau</ref> Diese Option wird von der Umweltbewegung favorisiert.<ref name=Fuku/><ref name=west/><ref name=we/><ref name=wdr/>

Soweit die vorgenannte USA-Option nicht zum Tragen kommt, ist Folgendes zu berücksichtigen: Die Castor-Behälter sind nur als Transport- und Zwischenlagerbehälter mit einer Nutzungsdauer von etwa 40 Jahren zugelassen, nicht als Endlagerbehälter. Vor Endlagerung müssen die Kugeln in einen endlagergeeigneten Behälter umgeladen werden. Wegen der Brennbarkeit und der Auslaugbarkeit müssen die Kugeln vor der Endlagerung außerdem konditioniert werden, das heißt in eine endlagergeeignete Form gebracht werden. Die früher dazu vorgeschlagene Einbettung in Beton dürfte den gewachsenen Sicherheitsansprüchen nicht mehr genügen. Darum wurde die Einbettung in SiC-Keramik vorgeschlagen.<ref>J. Knorr et al: SiC encapsulation of (V)HTR components and waste by laser beam joining of ceramics. Nuclear Engineering and Design 238 (2008) 3129-3135</ref> Diese Konditionierung muss auch für die in Ahaus befindlichen 600.000 THTR-Brennelemente durchgeführt werden, sodass Planungen einer gemeinsamen Konditionierungsanlage für den gesamten Brennelementabfall aus Kugelhaufenreaktoren erforderlich sind. Als Konditionierungsanlage für die Kugelbrennelemente ist nach Aussagen des BMU auch die in Gorleben gebaute PKA (Pilotkonditionierungsanlage) denkbar, was bei dortigen Bürgerinitiativen auf Widerstand stößt.<ref>2013 Kniffliges Widerstandsjahr. Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V.. 1. Januar 2013. Abgerufen am 29. Januar 2014.</ref><ref>Jülich-Ahaus-Gorleben: ein nukleares Dreieck?. 6. Januar 2012. Abgerufen am 29. Januar 2014.</ref> Nach Informationen aus dem BMBF verlangen die USA etwa 450 Millionen Euro für die Übernahme der AVR-Castoren.<ref>„Spiegel“: Entsorgung radioaktiven Mülls aus Jülich kostet fast eine halbe Milliarde Euro. ad-hoc-news.de. 1. September 2013. Abgerufen am 29. Januar 2014.</ref> In den USA Wächst der Widerstand gegen eine Übernahme des AVR-Atommülls in South Carolina;<ref name=wdr>Atomkugeln: Transport in die USA rechtswidrig?, WDR vom 8.Juli 2014</ref> die US-Aufsichtsbehörden haben angekündigt, nur Atommüll aus nichtkommerziellen Anlagen zu akzeptieren.<ref name=we>http://www.welt.de/politik/deutschland/article129923160/Helfen-die-USA-Deutschland-aus-der-Atommuell-Falle.html</ref>

„Atomkugelaffäre“ 2011

Im April 2011 wurde durch eine kleine Anfrage der Grünen bekannt, dass 2285 radioaktive Brennelementekugeln abhandengekommen sein sollen. Das führte zu einem erheblichen Medienecho in ganz Deutschland und wurde unter dem Namen „Atomkugelaffäre“ bekannt. Die NRW-Wirtschaftsministerin Svenja Schulze vermutete, dass diese Brennelementekugeln ebenfalls in das Versuchsendlager Asse gebracht worden sein könnten. Dies sei jedoch nicht mehr nachvollziehbar, da die im Versuchsendlager „eingelagerten Mengen nicht bekannt sind“. Es wurde weiterhin berichtet, dass im Versuchsendlager Asse keine Brennelemente eingelagert werden durften, da es nur für die Lagerung schwach- und mittelradioaktiver Abfälle zugelassen war.<ref>SPON: "NRW-Regierung vermisst 2285 Brennelementkugeln"</ref><ref>Vorlage:Internetquelle/Wartung/Zugriffsdatum nicht im ISO-FormatVorlage:Internetquelle/Wartung/Datum nicht im ISO-FormatAntwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 583 vom 24. Februar 2011 des Abgeordneten Hans Christian Markert (Bündnis 90/Die Grünen), Drucksache 15/1429. Landtag Nordrhein-Westfalen, 31. März 2011, abgerufen am 3. April 2011 (PDF; 99 kB).</ref> Die Unzulässigkeit der Einlagerung von AVR-Brennelementen in die Asse ist jedoch eine Fehleinschätzung, wie im Asse-Kapitel erläutert wird.

Das Forschungszentrum widersprach den Vorwürfen zu fehlenden Brennelementen und versicherte, dass der Bestand an Brennelementkugeln "bis auf das Milligramm genau" dokumentiert sei.<ref>Heinsberger Nachrichten vom 5. April 2011</ref> Harry Voigtsberger (SPD), Wirtschaftsminister im Kabinett Kraft I, räumte eine fehlerhafte Kommunikation seitens der Landesregierung ein und sagte: „Für die Atomaufsicht des Landes ist entscheidend, dass keine Menge spaltbaren Materials fehlen.“<ref>Kristian Frigelj: Das seltsame Spiel mit den Brennelemente-Kugeln. Welt Online, abgerufen am 15. April 2011.</ref> Mitte Juli 2011 konstituierte sich ein Untersuchungsausschuss des NRW-Landtags zur Klärung der Fragen um die evtl. verschwundenen AVR-Brennelemente. Im Ausschuss wurden Dokumente bekannt, die belegen, dass es in Jülich zu Verwechselungen von Behältern mit AVR-Brennelementen gekommen ist und dass Stichproben einen anderen Inhalt von Brennelementen in den Behältern ergaben als deklariert. Des Weiteren wurde deutlich, dass eine genaue Dokumentation zum Verbleib einiger tausend bestrahlter Brennelemente, die zu Versuchszwecken oder im Reaktor zerstört worden waren, nicht existiert. Nur ungenau bekannt ist außerdem die Zahl der Brennelemente, die nicht aus dem Reaktor entfernt werden konnte (s. Störfälle). Sowohl von Landesministerien als auch von Vertretern des Bundesforschungsministeriums wurde vor dem Untersuchungsausschuss ein nachlässiges "nonchalantes" Vorgehen des Forschungszentrums bei der Dokumentation der Kugeln gerügt,<ref name="nonchalant">Johannes Nitschmann: Die Jülicher Atomkugeln wurden „nonchalant“ gezählt. In: Aachener Nachrichten, 10. Februar 2012. Abgerufen am 29. Januar 2014. </ref> welches damit letztlich zur Unsicherheit beim Verbleib der Kugeln geführt habe. Ein im Ausschuss gesichtetes internes AVR-Dokument zur Spaltstoffbuchführung von AVR und FZJ für die IAEA schlussfolgert:<ref>P. Pohl: Betrachtung der aufgelaufenen Buchabweichungen nach Abschluss der bisherigen Brennelement- und Brennstoffbuchführung. AVR-Aktennotiz E-6509. 12. Juni 2002, S. 13.</ref> Die vorstehenden Ausführungen…mögen den Eindruck erwecken, als sei die Brennelementerkennung am AVR ein einziges Chaos gewesen. Es ist aber zu bedenken, dass der AVR-Reaktor der erste seiner Art war….

Insgesamt fand der Ausschuss zwar keine Belege für ein Verbringen von 2285 AVR-Brennelementen in die Asse, wohl aber für einen sorglosen Umgang mit den Brennelementen. Wegen der vorgezogenen NRW-Landtagswahlen 2012 endete der Untersuchungsausschuss ohne Abschlussbericht. Da die wesentlichen Aspekte aufgeklärt waren, wurde auch von der Opposition aus CDU und FDP, die diesen Ausschuss ins Leben gerufen hatte, auf eine Wiedereinsetzung in der neuen Legislaturperiode verzichtet.

Bedeutung für die HTR-Entwicklung

Der AVR war ursprünglich nur als Versuchsreaktor gedacht, der die prinzipielle Machbarkeit von Kugelhaufenreaktoren demonstrieren sollte. Da der als Prototyp eines Kugelhaufenreaktors konzipierte größere THTR-300 aber spektakulär scheiterte, wird der AVR bis heute von den Befürwortern der HTR-Technik als angeblich erfolgreiche Referenzanlage eines Kugelhaufenreaktors vermarktet. Alle derzeitigen Kugelhaufenreaktorprojekte und -konzepte basieren demgemäß in wesentlichen Teilen auf dem AVR. Aus Sicht der Kugelhaufen-HTR-Befürworter gilt: AVR ist d a s Synonym für plausible nukleare Sicherheit; er ist d i e Referenzanlage transparenter Sicherheitstechnik für die nächste Generation von Kernkraftwerken.<ref>Fortschritte in der Energietechnik; Monographien des FZJ, Bd. 8 (1993) ISSN 0938-6505, S. 251</ref> Deshalb ist die Aufklärung der AVR-Historie und die Bestätigung einiger der von Kritikern vermuteten generischen Probleme von Kugelhaufenreaktoren durch die AVR-Expertengruppe von großer Bedeutung.

Weblinks

Einzelnachweise

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