Kernkraftwerk Biblis


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Kernkraftwerk Biblis
Gesamtansicht der Anlage vom linken Rheinufer
Lage

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Koordinaten 8,4152777777778|primary dim=1000 globe= name= region=DE-HE type=landmark
  }}
Land: DeutschlandDeutschland Deutschland
Daten
Eigentümer: RWE
Betreiber: RWE Power
Projektbeginn: 1969
Kommerzieller Betrieb: 26. Feb. 1975
Stilllegung: 18. März 2011

Stillgelegte Reaktoren (Brutto):

2  (2.525 MW)

Planung eingestellt (Brutto):

2  (2.690 MW)
Eingespeiste Energie im Jahr 2009: 2524,3 GWh
Eingespeiste Energie seit Inbetriebnahme: 461.971,262 GWh
Website: Seite bei RWE
Stand: 31. Dezember 2009
Die Datenquelle der jeweiligen Einträge findet sich in der Dokumentation.

Das abgeschaltete Kernkraftwerk Biblis (KWB) befindet sich in der südhessischen Gemeinde Biblis nahe der Mündung der Weschnitz in den Rhein. Das Kraftwerk befindet sich 91 m ü. NN und ist im Besitz der RWE Power AG.

Das Kernkraftwerk Biblis lieferte mit zwei nahezu baugleichen Druckwasserreaktoren eine Gesamtleistung von maximal 2525 Megawatt in das Stromnetz. Biblis war damit nach Gundremmingen/Bayern das zweitertragreichste Kernkraftwerk in Deutschland. Zwei weitere zunächst geplante Blöcke, Biblis C und Biblis D, wurden nicht gebaut.

Im Kontext der Nuklearkatastrophe von Fukushima musste die RWE AG Block A (den älteren der beiden Blöcke) am Abend des 18. März 2011 auf politische Initiative hin herunterfahren. Block B befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits in einer planmäßigen Revision, so dass er nicht vom Netz genommen werden musste. RWE folgte damit der Anordnung des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zur dreimonatigen Abschaltung der Anlage (sogenanntes Atom-Moratorium).<ref>rwe.com Pressemitteilung vom 19. März 2011</ref>

Am 1. April 2011 gab RWE bekannt, dass sie gegen diese Anordnung zur Wahrung der Interessen der Anteilseigner eine Klage vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) eingereicht habe.<ref>rwe.com Pressemitteilung</ref><ref>Atomkraft: RWE klagt gegen Biblis-Abschaltung. In: Die Zeit. 31. März 2011, abgerufen am 16. Juni 2015.</ref> Es sei von einem entgangenen Gewinn von etwa 1 Million Euro pro Tag Stillstand auszugehen, wofür Entschädigung erwartet wird.<ref>Atom-Moratorium: RWE will Biblis A wiederanfahren. In: Focus Online. 1. April 2011, abgerufen am 16. Juni 2015.</ref> Ende Februar 2013 urteilte der Hessische VGH zu diesen Fortsetzungsfeststellungsklagen, dass die nach der Katastrophe von Fukushima angeordnete dreimonatige Stilllegung rechtswidrig gewesen sei.<ref>Hessischer Verwaltungsgerichtshof: Urteil vom 27. Februar 2013. Az. 6 C 824/11.T, „Stilllegung eines Kernkraftwerks“. In: Hessenrecht Landesrechtsprechungsdatenbank. Abgerufen am 2. März 2015 (auf die Fortsetzungsfeststellungsklage zu Block A).</ref><ref>Hessischer Verwaltungsgerichtshof: Urteil vom 27. Februar 2013. Az. 6 C 825/11.T, „Stilllegung eines Kernkraftwerks“. In: Hessenrecht Landesrechtsprechungsdatenbank. Abgerufen am 2. März 2015 (auf die Fortsetzungsfeststellungsklage zu Block B).</ref> Das Bundesverwaltungsgericht hat die gegen diese beiden Urteile gerichteten Nichtzulassungsbeschwerden im Dezember 2013 zurückgewiesen<ref>BVerwG: Beschluss vom 20. Dezember 2013. Az. 7 B 18.13. Abgerufen am 2. März 2015 (zu Biblis Block A).</ref><ref>BVerwG: Beschluss vom 20. Dezember 2013. Az. 7 B 19.13. Abgerufen am 2. März 2015 (zu Biblis Block B).</ref> und dadurch die Urteile des Hessischen VGH bestätigt. Dem Land droht nun eine Schadenersatzklage des Betreibers RWE.<ref>Biblis-Urteil: Hessen-SPD fordert Puttrichs Rücktritt. In: FAZ. 27. März 2013, abgerufen am 16. Juni 2015.</ref> Seit März 2014 beschäftigt sich ein Untersuchungsausschuss im Hessischen Landtag mit der Stilllegung des Kraftwerks.<ref name="Der Untersuchungsausschuss 19/1"/>

Die Bundesnetzagentur gab am 31. August 2011 bekannt, dass das Kraftwerk nicht mehr angefahren werden und auch nicht als „Kaltreserve“ zur Verfügung stehen soll.<ref>Bundesnetzagentur wird den Reservebetrieb eines Kernkraftwerks nicht anordnen</ref> Der Betreiber RWE gab am 11. Mai 2012 bekannt, dass er einen direkten Abriss einem sicheren Einschluss vorziehe und die Vorbereitungen dafür treffe.<ref>RWE Power AG:Vorbereitung eines Antrags auf Stilllegung zum direkten Abbau des Kraftwerks Biblis 11. Mai 2012, Zugriff 23. Mai 2012</ref> Die RWE Power AG hat die Stilllegung und den Abbau des Kraftwerks Biblis, Block A und B, mit Schreiben vom 6. August 2012 beantragt.<ref>Bekanntmachung über das Vorhaben der RWE Power AG, Kraftwerk Biblis, 68647 Biblis, nach § 7 Absatz 3 des Atomgesetzes (AtG) vom 8. April 2014, BAnz AT 24.04.2014 B12</ref>

Daten

Grunddaten

Block A

Die Wandstärke des Reaktorgebäudes Biblis A beträgt 60 Zentimeter, der Abluftkamin hat eine Höhe von 101 Metern. Der Reaktordruckbehälter wiegt 425 Tonnen.<ref>Martin Volkmer: Kernenergie Basiswissen. Informationskreis KernEnergie, Berlin Juni 2007, ISBN 3-926956-44-5. Seite 57</ref> Biblis A verfügt über zwei 80 Meter hohe zwangsbelüftete Ventilatorkühltürme. Der Basisdurchmesser eines Kühlturms beträgt 68 m. Block A gehört zur 2. Generation der deutschen Druckwasserreaktoren und ist der weltweit erste kommerziell genutzte Kernreaktor der 1.300-MW-Klasse. Er diente als Vorbild für die nachfolgenden Generationen von Druckwasseranlagen, der Vor-Konvoi- und der Konvoi-Generation. Der Reaktorkern von Biblis A besteht aus 193 Brennelementen mit insgesamt rund 45.000 Brennstäben und etwa 100 Tonnen Urandioxid.

Als Vater des Block A gilt Heinrich Mandel.

Block B

Die Wandstärke des Reaktorgebäudes Biblis B beträgt 80 Zentimeter, der Abluftkamin hat eine Höhe von 100 Metern. Biblis B verfügt über zwei 80 Meter hohe zwangsbelüftete Ventilatorkühltürme. Der Basisdurchmesser eines Kühlturms beträgt 69 m. In der Regel wurde Block B allerdings ohne Kühltürme betrieben. Lediglich bei hohen Rheinwassertemperaturen oder Niedrigwasser war Kühlturmbetrieb notwendig, um vorgegebene Temperaturgrenzwerte nicht zu überschreiten.

Blöcke C und D

Für den einst geplanten Block C und für Block D waren je ein Naturzug-Nasskühlturm mit einer Höhe von 160 Metern vorgesehen. Ein Schnitt- und Funktionsmodell des Blocks C steht im Informationszentrum. Biblis C war als Konvoi-Anlage geplant. Es wurden bereits die ersten Großkomponenten wie Reaktordruckbehälter und Dampferzeuger gefertigt. Das Reaktordruckgefäß wurde später für Materialversuche verwendet. Der Reaktordeckel dient heute noch Revisionsmannschaften als Übungsobjekt.

Daten der Reaktorblöcke

Das Kernkraftwerk hat zwei abgeschaltete und zwei verworfene Blöcke:

Reaktor-
block<ref name="IAEO">Power Reactor Information System der IAEO: „Germany, Federal Republic of: Nuclear Power Reactors“ (englisch)</ref>
Reaktortyp KWU-Baulinie elektrische
Nettoleistung
elektrische
Bruttoleistung
thermische
Reaktorleistung
Baubeginn Netzsyn-
chronisation
Kommer-
zieller Betrieb
erzeugte Energie-
seit IBN
Abschal-
tung / durch Moratorium endgültig stillgelegt
Elektrizitäts-
mengen ab
1. Jan. 2000
(TWh netto)
zusätzliche
Elektrizitäts-
mengen
(TWh netto)
Biblis-A Druckwasser-
reaktor
DWR der
2.Generation
1.167 MW 1.225 MW 3.517 MW 01.01.1970 25.08.1974 26.02.1975 244 TWh 30.05.2011 Atom-Moratorium 62,00 68,617
Biblis-B Druckwasser-
reaktor
DWR der
2.Generation
1.240 MW 1.300 MW 3.733 MW 01.02.1972 25.04.1976 31.01.1977 260 TWh 30.05.2011 Atom-Moratorium 81,46 70,663

Geschichte

Datei:KKW Biblis map.png
Lage des KKW Biblis am Rhein
Datei:2011.03.26 001.JPG
Block A (rechts), Block B (links)
Datei:KKW Biblis.jpg
Block B (links), Block A (rechts)
Datei:AKW Biblis 03.jpg
Objektschutz an der Südseite des Kernkraftwerkes
Datei:AKW Biblis 05.jpg
Das Rücklaufbauwerk des Blocks B (im Hintergrund der Block B) in den Rhein
Datei:AKW Biblis 06.jpg
Das Kernkraftwerk Biblis liegt am Rhein. Rechts die beiden Kühltürme des Blocks A
Datei:AKW Biblis 02.jpg
Die beiden Kühltürme des Blocks B, mit Sicherungsanlagen
Datei:AKW Biblis 07.jpg
Die beiden Kühltürme des Blocks A, rechts hinten einer des Blocks B

Bau und Planungen

In der Planungsphase des Kraftwerks wurden verschiedene Standorte erwogen, darunter auch das vom heutigen Standort etwa 35 Kilometer entfernte Trebur, jedoch entschied man sich auf Grund der sehr guten Netzanbindung für Biblis. Sowohl eine 220-kV- als auch eine 400-kV-Leitung sind hier verfügbar. Die Blöcke sind sowohl an das Umspannwerk in Pfungstadt als auch an das große Umspannwerk in Bürstadt angeschlossen.

Kritische Stimmen gegen Biblis gibt es anfangs kaum: Nur ein Bürger wehrt sich mit einer Einwendung gegen den Genehmigungsantrag von Block A. Gegen die Genehmigung des mit 1.300 MW noch stärkeren Blocks B im Jahr 1971 erheben lediglich acht Bürger Einwendungen. Auch die Presse hält sich mit kritischen Artikeln jahrelang zurück, wie eine 1974 vom Bundesforschungsministerium veranlasste Studie belegt: In nur 123 von 20.000 analysierten Zeitungsartikeln aus den Jahren 1970 bis 74 werden Bedenken gegen die Technologie geäußert oder Bürgerinitiativen erwähnt.

Die Baukosten für Biblis A betrugen etwa 800 Mio. DM, für Biblis B etwa eine Mrd. DM. In den Siebzigern waren zwei weitere Blöcke, Block C und D, geplant.<ref> Hans Werner Kilz und Jürgen Scherzer: Dregger ist Reagan auf Hessisch. In: Der Spiegel. Nr. 33, 1982, S. 37 (17. August 1982, online).</ref> Während Biblis D schnell verworfen wurde (Planungsbeginn 1975, Planungsende 1979), endeten die Planungen für Biblis C erst 1995.<ref>Das Kernkraftwerk Biblis C auf der PRIS der IAEO (Memento vom 4. Juni 2011 im Internet Archive)</ref>

Inbetriebnahme

Am 16. Juli 1974 wurde in Block A die erste Kettenreaktion eingeleitet. Block A lieferte am 25. August 1974 erstmals Strom ins öffentliche Verbundnetz. Die nukleare Inbetriebnahme (Kritikalität) erfolgte in Block B am 25. März 1976.

2006 wurde ein Standortzwischenlager für abgebrannte Kernbrennelemente mit einem Schwermetallgewicht von 1400 Tonnen in Betrieb genommen. Es bietet 135 Castorbehältern mit abgebrannten Brennelementen Platz. Es ist 92 m lang 38 m breit und 18 m hoch. Von außen gleicht das Gebäude einer gewöhnlichen Industriehalle. Die 85 Zentimeter starken Außenwände und das 55 Zentimeter dicke Betondach reduzieren die Strahlung so weit, dass die am Kraftwerkszaun zugelassenen Werte eingehalten werden. Aktuell sind ca. 80 Plätze belegt.<ref>Deutsches Atomforum e. V.: Kernenergie - Aktuell 2007, Kapitel Zwischenlager/Transporte. Berlin, September 2007.</ref>

Laufzeiten der Kraftwerksblöcke

Im sogenannten Atomkonsens haben Bundesregierung und Energieversorgungsunternehmen unter anderem festgelegt, dass alle deutschen Kernkraftwerke noch eine begrenzte Reststrommenge erzeugen dürfen, die einer Regellaufzeit von durchschnittlich 32 Jahren entspricht. Für Biblis A war demnach die endgültige Abschaltung für Ende 2009, die Abschaltung von Biblis B war für 2010 vorgesehen. Wegen der flexiblen Regelung über Reststrommengen ließ sich der Abschalttermin nicht genau vorhersagen, weil jeder Stillstand (siehe auch Vorkommnisse vom 16. Okt. 2006) den Termin verschob. Nachdem die Bundesregierung im Jahr 2010 die Verkürzung der Reaktorlaufzeiten zurückgenommen hatte und den Blöcken Biblis A und Biblis B weitere Strommengen im Umfang von zirka acht Jahren zugebilligt hatte, war die Stilllegung der Blöcke nicht vor 2020 zu erwarten.

Mit Entscheidung der Bundesregierung vom 14. März 2011 wurde jedoch ein dreimonatiges Atom-Moratorium der Laufzeitverlängerung bekannt gegeben, so dass das Kraftwerk am 18. März 2011 heruntergefahren wurde.

Am 29. Mai 2011 entschied die Bundesregierung, dass beide Blöcke des Kernkraftwerkes Biblis nicht wieder ans Netz gehen. Es gab Überlegungen, Block B als „Reservekraftwerk“ zwar heruntergefahren zu lassen, bei Stromengpässen jedoch wieder kurzzeitig hochfahren zu können. RWE war mit dieser Entscheidung nicht einverstanden. Am 16. Juni 2011 gab RWE bekannt, dass Biblis B nicht mehr ans Netz gehen wird.<ref>500.000 Euro pro Tag. RWE fährt Biblis nicht wieder hoch. n-tv, 16. Juni 2011, abgerufen am 16. Juni 2015.</ref>

Biblis A

Aufgrund festgestellter sicherheitstechnischer Probleme leitete die hessische Atomaufsicht 1997 ein Verfahren zur Stilllegung von Biblis A ein. Der Leiter der Abteilung Reaktorsicherheit und Strahlenschutz des Bundesumweltministeriums Gerald Hennenhöfer verhinderte die von der hessischen Landesregierung bereits beschlossene Stilllegung des AKW Biblis jedoch per bundesaufsichtlicher Weisung.<ref>Interview mit Wolfgang Renneberg, ehemaliger Chef der Bundesatomaufsicht, vom 21. Oktober 2010</ref>

Der Atomkonsens erlaubte eine zustimmungsfreie Übertragung von Strommengen älterer Anlagen auf jüngere Anlagen; eine Übertragung von jüngeren auf ältere Anlagen bedurfte einer Zustimmung von Wirtschaftsministerium, Umweltministerium sowie dem Kanzleramt. Der RWE wurde bei den Verhandlungen über den Atomausstieg für das stillgelegte Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich eine übertragbare Reststrommenge von 107 TWh zugesprochen. Von dieser Strommenge konnten 30 TWh zustimmungsfrei auf Block B übertragen werden. Die RWE AG stellte im September 2006 einen Antrag auf Strommengenübertragung von 30 TWh vom (jüngeren) Kraftwerk Mülheim-Kärlich auf das (ältere) Kraftwerk Biblis A. Im Falle der Zustimmung zu diesem Antrag hätte RWE das Kraftwerk Biblis A bis zur zweiten Jahreshälfte 2011<ref>Pressemitteilung RWE zur Strommengenübertragung</ref> betreiben und dann – so die weitere Überlegung von RWE – gemeinsam mit Biblis B abschalten können. Unter Berücksichtigung des Stillstands wegen des Austauschs von Hinterschnittankern hätte sich der genannte Abschalttermin in das Jahr 2013 verschoben.

Dieser von RWE eingebrachte Hauptantrag für Block A wurde vom Bundesumweltministerium im März 2007 vorläufig und im Mai 2007 endgültig abgelehnt. Das Umweltministerium vertrat hier die Rechtsauffassung, dass eine Strommengenübertragung vom Kraftwerk Mülheim-Kärlich auf Biblis A nach dem Atomgesetz nicht möglich sei. Den ebenfalls gestellten Hilfsantrag zur Übertragung von Strommengen vom Kernkraftwerk Emsland auf Biblis A lehnte das Umweltministerium am 7. April 2008 ab. Als Hauptgrund wurde genannt, dass Biblis A über weniger Sicherheitsreserven als das modernere Kernkraftwerk Emsland verfügt habe.<ref name="BMU">Pressemitteilung BMU zur Strommengenübertragung vom Kraftwerk Emsland</ref>

Gegen die Ablehnung des Hauptantrags und auch des Nebenantrags reichte RWE Power im April 2007 Klage beim Verwaltungsgericht Kassel ein, die abgewiesen wurde.<ref>Die Uhr für Biblis A tickt. RWE scheitert vor Gericht. n-tv, 27. Februar 2008, abgerufen am 16. Juni 2015.</ref> Auch die Revisionsklage von RWE vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wurde mit Entscheid vom 26. März 2009 abgelehnt;<ref>Daniel Wetzel: Bundesgericht lehnt längere AKW-Laufzeiten ab. In: Die Welt. 26. März 2009, abgerufen am 16. Juni 2015.</ref> die Ablehnung längerer Laufzeiten gilt auch für das Kernkraftwerk Brunsbüttel. In seinem Urteil bestätigte das Gericht die Entscheidung der Vorinstanzen und wies damit die Klagen der AKW-Betreiber RWE und Vattenfall ab.

Am 21. Januar 2010 fanden erstmals nach dem Regierungswechsel 2009 Gespräche zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgern statt. Um einen vorläufigen Weiterbetrieb bis zur Entscheidung der Bundesregierung sicherzustellen, kaufte RWE im Mai 2010 ein Stromkontingent von 4,8 TWh vom bereits stillgelegten Kernkraftwerk Stade des Betreibers E.ON.<ref>Joachim Wille: Atomkraftwerk Biblis A geht in Verlängerung. In: Berliner Zeitung. 11. Mai 2010, abgerufen am 16. Juni 2015.</ref> Je nach Betriebsweise konnte damit das Stromkontingent für Biblis A bis in das Jahr 2012 reichen.

Eine endgültige Entscheidung über den Weiterbetrieb der Kernkraftwerke wurde im Herbst 2010 getroffen. Beide Blöcke erhielten eine zusätzlich zu der im Atomkonsens von 2002 festgelegten Erzeugungsmenge ein zusätzliches Stromkontingent, welches einer (rechnerischen) zusätzlichen Laufzeit von etwa 8 Jahren entsprach. Die zusätzliche Strommenge für Biblis A betrug 68,617 TWh (netto) und lag damit höher als die im Atomkonsens von 2002 festgelegte Reststrommenge von 62,000 TWh (netto).

Im November 2011 wurden zwei ungeeignete Sicherungen im Block Biblis A entdeckt und ausgetauscht. Weder die Funktionsfähigkeit noch das Personal wurden hiervon beeinträchtigt. Die Betreiberfirma RWE führte eine Kontrolle an sämtlichen, also mehreren tausend Sicherungen durch. Da nicht herauszufinden war, warum diese Sicherungen verwendet wurden, wurden auch Untersuchungen der Bauteile in anderen Atomkraftwerken veranlasst.<ref>http://www.stromvergleich.de/stromnachrichten/4835-defekte-sicherungen-im-akw-biblis-entdeckt-2-11-2011</ref>

Biblis B

Am 9. September 2005 reichte die IPPNW (Ärzte zur Verhütung des Nuklearkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung) bei der hessischen Atomaufsicht einen Antrag zur Stilllegung des Kernkraftwerks Biblis B ein.<ref>Biblis B stilllegen - IPPNW beschreitet Rechtsweg; 13. September 2005</ref> Da diesem Antrag nicht stattgegeben wurde, reichte die IPPNW am 12. Dezember 2008 beim hessischen Verwaltungsgerichtshof Klage ein. Demnach habe der Kraftwerksblock Biblis B mindestens 210 grundlegende und schwerwiegende Sicherheitsmängel aufgewiesen.<ref>http://www.ippnw.de/presse/presse_2008/index.html?expand=2430&cHash=fbe88370d8</ref> Die IPPNW nahm den Antrag auf Rücknahme oder Widerruf der Betriebsgenehmigung mit Schreiben vom 17. März 2008 zurück.

Auf Biblis B durfte RWE laut Atomkonsens ohne Genehmigung eine Reststrommenge bis zu 21,45 TWh von Mülheim-Kärlich übertragen, was laut einer Abschätzung vom Juni 2007 eine Laufzeitverlängerung für Biblis B bis 2013 bedeutete. Im August 2010 machte RWE von dieser Möglichkeit Gebrauch und ließ 8,1 TWh auf Biblis B übertragen.<ref>Energie-Deal: Atomkraftwerk Biblis darf länger laufen. In: Spiegel Online. 4. August 2010, abgerufen am 16. Juni 2015.</ref>

Nachbetriebsphase und Rückbau

Die Reaktoren befindet sich in der Nachbetriebsphase. Laut einer Prognose des Hessischen Umweltministeriums ist mit einem Rückbau der Anlage ab dem Jahr 2016 zu rechnen. RWE prüft unterdessen die Option einer Versiegelung (Sicherer Einschluss), was einen wesentlich späteren Rückbau zur Folge hätte.<ref>fnp.de: Land Hessen erwartet Beginn des Rückbaus von Biblis im Jahr 2016.</ref>

Da es aufgrund der Abschaltung des Kernkraftwerks Biblis zu vermehrten Problemen bei der Spannungshaltung kommt, wurde durch den Übertragungsnetzbetreiber Amprion und den Kraftwerksbetreiber RWE Power entschieden, den Synchrongenerator des Blocks A für Phasenschieberbetrieb umzurüsten, um den benötigten Blindstrom zu erzeugen. Die Umrüstung erfolgt durch Siemens von Oktober 2011 bis Februar 2012.<ref>Generator wird zum Motor. In: Pressemitteilung. Amprion, 24. Februar 2012, abgerufen am 29. September 2012.</ref><ref> Neue Aufgaben für Biblis-Generator. In: energiespektrum. Nr. 03, 2012 (Artikel online, abgerufen am 29. September 2012).</ref>

Sicherheit

Die Sicherheitseinrichtungen der beiden vor mehr als 30 Jahren errichteten Kraftwerke werden nach Angaben des Betreibers<ref>RWE Power Modernisierung und Nachrüstung des KWB</ref> ständig überwacht und verbessert. Dass dadurch ein, wie im Atomgesetz gefordert, dem heutigen Stand der Wissenschaft und Technik entsprechender Schutz vor Schäden erreicht wird, kontrollieren Aufsichtsbehörden und deren Gutachter regelmäßig. Was die Materialermüdung anbelangt, habe man durch regelmäßige Prüfungen festgestellt, dass beide Blöcke 60 Jahre lang problemlos betrieben werden könnten. Die IAEO führt die Anlagen Biblis A und B als Referenz für gelungene sicherheitstechnische Nachrüstungen älterer Kernkraftwerke auf.

Dieser Darstellung widerspricht eine Studie von Greenpeace deutlich.<ref>Greenpeace Risiko Restlaufzeit - Probleme und Schwachstellen der vier ältesten deutschen Atomkraftwerke (PDF; 101 kB)</ref> Der Block A des Kraftwerks wurde zu einer Zeit konzipiert und errichtet, zu der keine Schutzmaßnahmen gegen den Absturz eines Militärflugzeugs erfolgten.<ref>Drucksache 16/394 (PDF; 80 kB): Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen, Seite 3</ref>

Kritisiert wird weiterhin, dass eine separate Notstandswarte außerhalb des Reaktorgebäudes, von der aus ein Reaktor auch im Falle von schweren Störungen im Reaktorgebäude gesteuert werden kann, nicht vorhanden ist. Da die Blöcke fast baugleich sind und zudem unterirdisch miteinander verbunden sind, ist es im Notstandsfall möglich, durch eine im jeweiligen Nachbarblock angesiedelte Notstandswarte den Nachbarblock zu betreiben und im Notstandsfall geregelt abzufahren und die Nachwärmeabfuhr sicherzustellen. Seitens der Kritiker wird jedoch bezweifelt, dass dies bei einem Störfall noch möglich sei.<ref>http://www.taz.de/digitaz/2006/01/16/a0120.archiv/textdruck</ref>

Bei einem „Notstand“ handelt es sich allerdings nicht um einen Störfall im Sinne eines Primärlecks, vielmehr ist der gesamte Primärkreislauf einschließlich der Dampferzeuger bis zu den Abblaseregelventilen (und zugehörigen Sicherheitsventilen) vollkommen funktionsfähig. Der Bereich des so genannten Hilfsanlagengebäudes (hier werden beispielsweise Abwässer aufbereitet, Lüftungssysteme sind dort angesiedelt usw.), das Maschinenhaus, Schaltanlagengebäude, Warte und Versorgungstrakt sind dagegen nicht mehr verfügbar. Es ist daher in einem solchen Falle notwendig, die Bespeisung der Dampferzeuger mit Wasser und somit das Abkühlen und Aufborieren des Primärkreises von einer alternativen Warte aus zu regeln. Hier kann – und das ist in Biblis einzigartig – auf die große Artverwandtschaft der Blöcke zurückgegriffen werden. Bei allen anderen Standorten in Deutschland gibt es keine zwei gleichen Blöcke (mit Ausnahme von Gundremmingen, wo es sich allerdings um Siedewasseranlagen handelt), so dass man bei der Errichtung der dortigen Anlagen auf eine eigene Notstandwarte angewiesen war.

Am 15. Juli 2009 wurde bekannt, dass Bundesumweltminister Sigmar Gabriel nach Bekanntgabe des Jahresberichts des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) und des Zwischenfalls im Kernkraftwerk Krümmel von dem Betreiber RWE vor dem Wiederanfahren nach der seit Januar 2009 stattfindenden Revision eine Nachrüstung von engmaschigeren Sumpfsieben, sowie einer Sumpfsiebrückspülung forderte. Im Kühlmittelverluststörfall wird unterstellt, dass Isolierstoffe sich im Gebäudesumpf ansammeln und diese könnten dann die Sumpfsiebe, über die die Nachkühlung sichergestellt wird, verstopfen. Dank der Sumpfsiebrückspülung kann dies vermieden werden und ein sicherer Nachkühlbetrieb ist somit gewährleistet.

Immer wieder wird von diversen kernkraftkritischen Organisationen bemängelt, dass an mindestens 200 sicherheitsrelevanten Rohrleitungen sogenannte Stempelfelder nicht vorhanden wären. Der Betreiber, sowie der TÜV haben dies jedoch widerlegt und in diversen Gutachten wurde bestätigt, dass zu allen sicherheitstechnisch signifikanten Rohrleitungen die vollständigen Dokumentationen nach den Anforderungen des Atomgesetzes vorliegen.

Radioaktivität

Betriebsbedingt leiten Kernkraftwerke über Abluft und Abwasser geringe Mengen radioaktiver Stoffe ab (Emission). Das Atomgesetz verpflichtet die Aufsichtsbehörden unter anderem dazu, den Betrieb hinsichtlich der zugelassenen Grenzwerte zu überwachen. Eine entsprechende Übersicht auch für das KWB findet sich auf den Seiten des hessischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.<ref>Standort Biblis: Überwachung der Radioaktivität</ref>

Meldepflichtige Vorkommnisse

Insgesamt gab es seit Inbetriebnahme 437 (Biblis A) plus 440 (Biblis B) meldepflichtige Ereignisse (Stand: 31. Dezember 2013).<ref>http://www.bfs.de/de/kerntechnik/ereignisse/standorte/karte_kw.html/printversion</ref>

Die meisten dieser meldepflichtigen Ereignisse sind jedoch der Meldekategorie N zuzuordnen, nach der INES Skala 0, das heißt es handelte sich hierbei um Ereignisse ohne oder mit geringer sicherheitstechnischer Bedeutung.

Sonstige Vorkommnisse

Da die folgenden Vorkommnisse alle aus einer Quelle stammen und diese nicht umfassend berichtet hat, können die folgenden Vorkommnisse nicht eindeutig einem Block zugewiesen werden.

  • März 1994: brannte in Biblis A innerhalb des Containments der Motor einer Hauptkühlmittelpumpe, weil es aufgrund eines bei Wartungsarbeiten in der Pumpe vergessenen Meißels zu einem Kurzschluss gekommen war.<ref>BMU-Bericht (PDF; 681 kB) über Brände in deutschen Kernkraftwerken, Seite 31</ref> In der Folge kam es zu einem Streit zwischen dem hessischen Umweltminister und dem Bundesumweltminister über die Stilllegung des Reaktors.<ref>http://www.taz.de/index.php?id=archivseite&dig=1994/03/07/a0050</ref>
  • 3. Juli 1998: An einem leeren Transportbehälter für abgebrannte Brennelemente werden strahlende Flecken („Hot spots“) entdeckt. Die Strahlung beträgt das 7500-fache des zulässigen Werts.<ref>http://www.taz.de/index.php?id=archivseite&dig=1998/07/03/a0108</ref>
  • 11. Juli 1998: Zwei Lecks wurden in Block B am Sekundärkreislauf entdeckt.<ref>http://www.taz.de/index.php?id=archivseite&dig=1998/07/11/a0035</ref>
  • 6. Januar 1999: Ein Sekundärkühlsystem im abgeschalteten Block B wird durch ein defektes Heizungsrohr radioaktiv belastet. Die Atomaufsicht besteht darauf, dass der Biblis-Betreiber zunächst den "Schadensmechanismus" klären muss, bevor Block B wieder angefahren werden kann.<ref>http://www.taz.de/index.php?id=archivseite&dig=1999/01/23/a0113</ref>
  • 28. August 2002: Fehler in der Stromversorgung des Notstandssystems. Es kam zu einer "Fehlanregung" eines Relais und dann zum Stromausfall in einer von insgesamt vier Stromversorgungsleitungen des Notstandssystems. Der hessische Umweltminister bestellt den Vorstand der Betreibergesellschaft ein.<ref>http://www.taz.de/index.php?id=archivseite&dig=2002/09/06/a0118</ref>
  • 28. April 2003: Der hessische Umweltminister teilt mit, dass seit Inbetriebnahme von Biblis A das Notkühlsystem unzureichend ist und nicht der Betriebsgenehmigung entspricht. Es bestand latent die Gefahr der Überhitzung des Reaktor bei einem Störfall. Der Reaktor wurde deswegen vorübergehend stillgelegt.<ref>http://www.taz.de/index.php?id=archivseite&dig=2003/04/28/a0106</ref>
  • 12. Juli 2004: Über zwei Stunden funktionierte nur das halbe Notkühlsystem.<ref>http://www.taz.de/index.php?id=archivseite&dig=2004/07/15/a0133</ref>
  • 16. Oktober 2006: außerplanmäßige Abschaltung der Blöcke A und B auf Grund von nicht spezifikationsgerecht gesetzten Dübelverbindungen an Rohrleitungshalterungen. Die Spezialdübel waren unter Aufsicht eines Gutachters nachgerüstet worden, um die Anlagen erdbebensicherer zu machen. Stichproben zeigten, dass bei etwa 70 % der 20 cm langen Dübel eine rote Markierung nicht plan mit der Betonwand abschloss.<ref>http://www.djvhessen.de/Seiten/Nachrichten/2007/070314_01.htm</ref> Im Januar 2007 wurde berichtet, dass die fehlmontierten Spezialdübel durch längere Dübel ersetzt werden sollen; im Juni wurde bekannt, dass alle 15.000 Spezialdübel ersetzt würden. Nachdem die zuständigen Behörden den Abschluss aller Dübelsanierungsarbeiten und der parallel durchgeführten Revisionsmaßnahmen bestätigt hatten, hat der Block B des Kraftwerks Biblis am 1. Dezember 2007 den Leistungsbetrieb wieder aufgenommen.<ref>RWE Power Pressemitteilung vom 2. Dezember 2007</ref> Laut einer Pressemitteilung von RWE Power vom 9. Februar 2008 hat das Hessische Ministerium für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Freigabe zum Wiederanfahren des Blocks A erteilt. Voraussetzung für diesen Schritt war der erfolgreiche Abschluss der Dübelsanierung sowie aller Revisionsmaßnahmen. In Block A wurde daraufhin das mehrtägige Mess- und Inbetriebsetzungsprogramm aufgenommen.

Untersuchungsausschuss im Hessischen Landtag

Im März 2014 wurde der Untersuchungsausschuss 19/1<ref name="Der Untersuchungsausschuss 19/1">Der Untersuchungsausschuss 19/1. Der Präsident des Hessischen Landtags, abgerufen am 2. März 2015: „Der Untersuchungsausschuss hat den Auftrag, umfassend aufzuklären, wer für die rechtswidrigen Anordnungen zur vorläufigen Stilllegung der beiden Atomkraftwerksblöcke in Biblis verantwortlich ist und welche Umstände zur rechtswidrigen Stilllegungsverfügung vom 18. März 2011 geführt haben. Es ist ebenfalls aufzuklären, ob die Landesregierung das Parlament und die Öffentlichkeit wahrheitsgemäß und vollständig über diese Vorgänge informiert hat.“</ref><ref>Beschlussprotokoll 7. Plenarsitzung. Hessischer Landtag, 13. März 2014, abgerufen am 2. März 2015.</ref><ref>Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD. betreffend Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. In: Drucksache 19/193. Hessischer Landtag, 13. März 2014, abgerufen am 2. März 2015 (PDF).</ref> im Hessischen Landtag eingesetzt, um zu klären, was bei der vorläufigen Stilllegung im März 2011 geschah und wer dafür verantwortlich war.

Sonstiges

Das Kernkraftwerk Biblis unterhält mit den Kernkraftwerken Balakowo (Russland), Saporischschja und Riwne (beide Ukraine) Partnerschaften zum Erfahrungsaustausch.<ref>Kernkraftwerke in Deutschland: Betriebsergebnisse 2009</ref><ref>[1]</ref>

Bis Mitte der 1990er Jahre wurde für das Kernkraftwerk Biblis kein offizielles Kürzel verwendet, wie es bei den meisten anderen Kernkraftwerken üblich ist. Das Kürzel KKB war bereits für Kernkraftwerk Brunsbüttel vergeben und KWB für das geplante Kernkraftwerk im hessischen Borken reserviert. Erst nach der endgültigen Aufgabe des Projekts in Borken im Jahre 1995 wurde das Kürzel für das Kernkraftwerk Biblis verwendet.

Filmproduktionen

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

<references />