Deutsche Demokratische Republik


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Deutsche Demokratische Republik
Flagge Wappen
Amtssprache Deutsch

Sorbisch (in Teilen der Bezirke Dresden und Cottbus)

Hauptstadt Berlin (gemäß Verfassung, aber entgegen alliierter Vereinbarung; faktisch: Ost-Berlin<ref>Siehe dazu den sowjetisch besetzten Teil Groß-Berlins (bis 1977 hieß die Ost-Berliner Verwaltung noch „Magistrat von Groß-Berlin“); siehe auch das Kapitel „Geografie“.</ref>)
Staatsform Republik<ref>Karl Ebert: Herrschaftsformen im 20. Jahrhundert, in: Politik: Lehrtexte und Arbeitsmaterialien, Springer, 2013, ISBN 978-3-322-89235-5, S. 236. Ab 1968 führte sie die Selbstbezeichnung „sozialistischer Staat“ (Verfassung der DDR vom 9. April 1968, Art. 1); zur Erklärung des Begriffs siehe Wörterbuch zum sozialistischen Staat, hrsg. von der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften der DDR und dem Institut für Staats- und Rechtstheorie an der Akademie der Wissenschaften der DDR, Dietz Verlag, Berlin (Ost) 1974, Stichwort „Staatsform“, S. 335–337.</ref>
Regierungssystem Realsozialistische Parteidiktatur<ref>Bernhard Marquardt: Rolle und Bedeutung der Ideologie, integrativer Faktoren und disziplinierender Praktiken in Staat und Gesellschaft der DDR. Bd. 3. In: Materialien der Enquête-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“. 9 Bde. in 18 Teilbänden, herausgegeben vom Deutschen Bundestag, Nomos Verlag, Baden-Baden 1995, ISBN 3-7890-4006-1, S. 379, 730, 1541; Günther Heydemann: Die Innenpolitik der DDR, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2003, ISBN 3-486-55770-X, S. 57.</ref><ref>In der Geschichtswissenschaft wird mitunter – zumindest für die ersten zwei Dekaden – auch von einer „stalinistischen Diktatur“ geschrieben, siehe z. B. Hermann Weber: Die DDR 1945–1990. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2006, ISBN 3-486-57928-2, S. 136.</ref> / sozialistisches Mehrparteiensystem (bis 1989)
Staatsoberhaupt Präsident der DDR
Wilhelm Pieck (SED, 1949–1960)

Vorsitzender des Staatsrates<ref>Offiziell war der Staatsrat der DDR das kollektive Staatsoberhaupt. Protokollarisch wurde aber der Staatsratsvorsitzende als Staatsoberhaupt angesehen.</ref>
Walter Ulbricht (SED, 1960–1973)
Willi Stoph (SED, 1973–1976)
Erich Honecker (SED, 1976–1989)
Egon Krenz (SED, 1989)
Manfred Gerlach (LDPD, 1989–1990)

Präsidentin der Volkskammer (i. V.)<ref>Gemäß dem am 5. April 1990 neu eingefügten Artikel 75a der Verfassung der DDR nahm „bis zur Verabschiedung eines Gesetzes über die Stellung, die Aufgaben und die Befugnisse des Präsidenten der Republik und bis zu seiner Wahl mit der Deutschen Demokratischen Republik die gleichen Beziehungen .“ Die Hoffnungen, den Westen tatsächlich wirtschaftlich überholen zu können, waren genährt von den Lehren Marx’, die langfristig einen Zusammenbruch der kapitalistischen Produktionsweise vorhersagen. Angesichts des wirtschaftlichen Aufstiegs der Sowjetunion unter Stalin zu einer Weltmacht, erschien der Ausgang des Wettlaufs beider Systeme damals noch offen. Beispiele der anfänglich stalinistischen Wirtschaftsstrategie und ihrer rücksichtslosen Durchsetzung sind die Fokussierung auf die Schwerindustrie, die monumentale Gestaltung der Stalinallee in Berlin sowie die blutige Niederschlagung der Arbeiterproteste gegen die harten Normen. Fortan hütete sich die SED davor, hohe Arbeitsleistungen zu erzwingen – die Phase der Entstalinisierung ab Mitte der 1950er Jahre führte unter anderem zu einer stärkeren Orientierung an den unmittelbaren Bedürfnissen der Bevölkerung. Im Laufe der 60er Jahre versiegte die Hoffnung, den Westen wirtschaftlich mittelfristig überholen zu können. Die Devise Ulbrichts lautete künftig „Überholen ohne einzuholen“.

Dennoch kann während der 1950er und 60er Jahre auch in der DDR von einem deutlichen wirtschaftlichen Aufschwung gesprochen werden. Die Versorgung mit anspruchsvolleren Konsumgütern verbesserte sich fortlaufend. So kamen auf 100 Haushalte 1960 3,2 Pkw, 1970 waren es bereits 15,6 Pkw. Die Zahl der Fernsehgeräte erhöhte sich im gleichen Zeitraum von 18,5 auf 73,6, Kühlschränke von 6,1 auf 56,4 und Waschmaschinen von 6,2 auf 53,6 Geräte pro 100 Haushalte.<ref>Informationen zur politischen Bildung Nr. 312/2011, S. 47 (PDF).</ref> Durch umfangreiche Wohnungsbauprogramme konnte die Wohnsituation deutlich verbessert werden. Innerhalb des Ostblocks hatte die DDR trotz Umverteilungen durch den RGW den höchsten Lebensstandard und wurde seit den 1970er Jahren zu den bedeutenden Industriestaaten weltweit gezählt.<ref>Zu diesem Zeitpunkt wurde die DDR verbreitet als das zehntgrößte Industrieland der Erde angesehen. Diese Einschätzung gilt in der Forschung heute als unzutreffend. Vgl. Oskar Schwarzer, Sozialistische Zentralplanwirtschaft in der SBZ/DDR. Ergebnisse eines ordnungspolitischen Experiments (1945–1989), in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beiheft 143, Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1999, ISBN 3-515-07379-5, S. 9; Eckhard Wandel, Transformationsprobleme bei der deutschen Wiedervereinigung, in Struktur und Dimension, Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1997, ISBN 978-3-515-07066-9, S. 311; Mathias Schlegel, 20 Jahre Mauerfall. Die Bankrotterklärung. Im Herbst 1989 ist die DDR auch wirtschaftlich am Ende – Planungschef Schürer legt dem SED-Politbüro ungeschminkte Fakten vor, in: Der Tagesspiegel vom 30. Oktober 2009, schreibt: „Denn die Mär von der DDR als einer der zehn stärksten Industrienationen der Welt hatte auch in der Bundesrepublik und in der westlichen Welt insgesamt viele Anhänger und Nacherzähler gefunden.“</ref> In der Ära des Kalten Krieges war die Lage im Westen Orientierungsgrundlage sowohl für die Staatsführung als auch für die Bevölkerung. Mit dem Tempo des wirtschaftlichen Aufschwungs der Bundesrepublik konnte die DDR zum Verdruss ihrer Bevölkerung jedoch von Anfang an nicht mithalten.

Nach der Verstaatlichungskampagne von 1972 blieb die Privatwirtschaft auf Kleinbetriebe wie Fleischereien, Tischlereien etc. mit bis zu 10 Beschäftigten beschränkt, die jedoch bezüglich Materialversorgung, Steuer- und Rechtslage benachteiligt wurden und daher als wenig erfolgversprechend galten.<ref>Monika Kaiser: 1972 – Knockout für den Mittelstand. Zum Wirken von SED, CDU, LDPD und NDPD für die Verstaatlichung der Klein- und Mittelbetriebe, Berlin 1990.</ref> Nach einigen Experimenten zur Verbesserung der wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit mit dem Ausland war es 1970 zu einer Versorgungskrise im Inland gekommen.<ref>Uwe Hoßfeld, Tobias Kaiser und Heinz Mestrup (Hrsg.): Hochschule im Sozialismus, Studien zur Geschichte der Friedrich-Schiller-Universität Jena (1945–1990), Band 1. Unter Mitarb. von Horst Neuper, Böhlau, Köln/Weimar/Wien 2007, ISBN 978-3-412-34505-1, S. 380.</ref> Mit Amtsantritt Erich Honeckers 1971 wurde unter der Losung „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ versucht, durch umfangreiche soziale Subventionen zu demonstrieren, dass man dennoch der fortschrittlichere Staat sei. Die Wirtschaft wurde wieder auf die Erfüllung der Konsumbedürfnisse der eigenen Bevölkerung umorientiert, unter Hintanstellung der internationalen Konkurrenzfähigkeit. So überwand man tatsächlich die 1970 ausgebrochene Versorgungskrise und sah den neuen politischen Kurs bestätigt. Mit seiner Ablehnung von Honeckers Wirtschaftsstrategie behielt Ulbricht teilweise Recht: Zur Finanzierung der stark erhöhten Konsumtion reduzierte Honecker den Anteil des Investitionsvolumens im Staatshaushalt. Die Rate der Akkumulation für produktive Investitionen ging von 16,1 % 1970 auf 9,9 % 1988 zurück.<ref name="Schuerer-Papier" /> Dies erwies sich als eine verheerende Fehlentscheidung, die letztlich zur wirtschaftlichen Erstarrung der DDR führte.<ref>Informationen zur politischen Bildung Nr. 312/2011, S. 49.</ref>

Die vorhandenen Investitionsmittel wurden bei sträflicher Vernachlässigung anderer Industriezweige<ref name="Krakat">Vgl.  Klaus Krakat: Probleme der DDR-Industrie im letzten Fünfjahrplanzeitraum (1986–1989/90). In: Eberhard Kuhrt (Hrsg.): Am Ende des realen Sozialismus. Im Auftrag des Bundesministeriums des Innern. 1. Auflage. Bd. 2, Leske + Budrich, Opladen 1996, ISBN 978-3-8100-1609-6, S. 137–172.</ref> auf Großprojekte wie etwa die Entwicklung der Mikroelektronik konzentriert. „Zum Aufbau einer autarken mikroelektronischen Industrie gab es für die DDR keine Alternative, wollte sie einen vorderen Platz in der Gruppe der entwickelten Industrieländer behaupten.“<ref name="Barkleit"> Gerhard Barkleit: Mikroelektronik in der DDR. SED, Staatsapparat und Staatssicherheit im Wettstreit der Systeme. Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung, Dresden 2000, ISBN 3-931648-32-X, S. 32 ff. (PDF).</ref> Bedingt auch durch die ideologisch geprägte Personalpolitik in Forschung und Entwicklung (vgl. Werner Hartmann), konnte wegen der mangelnden Innovationsfähigkeit der Zentralplanwirtschaft und der Kooperationsverweigerung im RGW dem westlichen Technologie-Embargo des CoCom nur ungenügend begegnet werden. Deshalb versuchte die SED bei der Entwicklung der Mikroelektronik- und Computerindustrie durch eine Strategie des „Nacherfindens“ diese technologischen Defizite unter breitem Einsatz geheimdienstlicher Methoden durch das MfS zu beseitigen. „Diese Strategie konnte den Rückstand zu den führenden Herstellern der Welt prinzipiell nicht beseitigen, sondern bestenfalls verringern. Letztlich aber hielten auch die technischen Möglichkeiten der DDR, Produkte der Konkurrenz zu kopieren, mit der rasanten Entwicklung nicht Schritt, .“<ref>Stefan Wolle: Die heile Welt der Diktatur. Alltag und Herrschaft in der DDR 1971–1989. München 1999, S. 323 (Originalausgabe 1998).</ref>

Datei:Glaswerk Ilmenau Buerohaus.jpg
Das Verwaltungsgebäude des Kombinates Industrieglas Ilmenau, ein typisches Beispiel für Industriebauwerke dieser Zeit

Seit Ende der 1960er Jahre wurden die bis dahin zur wirtschaftlichen Vernetzung üblichen Vereinigungen Volkseigener Betriebe zunehmend abgelöst durch Kombinate, in denen zu Rationalisierungszwecken die Bereiche Produktion, Forschung, Entwicklung und Absatz eines bestimmten VEB-Segments zusammengefasst und mit einer einheitlichen Leitung versehen wurden. Die damit häufig verbundene hohe Fertigungstiefe ging auf Kosten einer stärkeren Arbeitsteilung, Effizienz und Produktivität. Grundlegende Mängel konnten auf diesem Wege nicht behoben werden.

„Denn in zahlreichen Betrieben gab es endlose Verschleiß- und Reparaturprobleme, da die Mittel für eine modernisierte Ausrüstung fehlten. Eine verhängnisvolle Folge davon war die nicht abreißende Serie von Unfällen, darunter viele mit tödlichem Ausgang. Als weitere Folge stellte sich ein drastischer Ausfall von Arbeitsstunden ein, deren Zahl durch das häufige Ausbleiben von Materiallieferungen noch vermehrt wurde.“<ref>Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte – Von der Gründung der beiden deutschen Staaten bis zur Vereinigung 1949–1990. Bd. 5, C.H. Beck, München 2008, ISBN 3-406-52171-1, S. 100.</ref>

Nicht nur die Industrieproduktion lag bereits in den 1970er Jahren deutlich hinter den Erwartungen der Planer. So mussten im Zeitraum von 1971 bis 1981 für rund 15 Milliarden Valutamark Getreide und Futtermittel aus dem NSW importiert werden, da die Landwirtschaft, u. a. wegen schlechter Ernten (1969) und der weiteren Umgestaltung,<ref>„Grüneberg-Plan“ = Trennung von Tier- und Pflanzenproduktion, siehe Gerhard Grüneberg.</ref> keine Überschüsse mehr produzierte.<ref>Oskar Schwarzer: Sozialistische Zentralplanwirtschaft in der SBZ/DDR. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1999, ISBN 3-515-07379-5, S. 154.</ref> Ende der 1970er Jahre erfolgte eine weitere Spezialisierung der Landwirtschaft. Die sowohl horizontale als auch vertikale Integration<ref>Anmerkung: Horizontale Integration = größere Flächen, riesige Ställe; vertikale Integration = landwirtschaftliche Betriebe mit eigener verarbeitenden Industrie.</ref> konnte bei vergleichsweise hohem Personalbestand nur geringe positive Skaleneffekte vorweisen. Diese Industrialisierung der Landwirtschaft bewirkte zudem ökologische Nebenfolgen wie Bodenerosion, hohes Gülleaufkommen und Grundwasserbelastung. Dabei litten die landwirtschaftlichen Betriebe ebenso wie die Kombinate an Kapital- und Investitionsmangel; verschlissene Anlagen konnten nur schleppend ersetzt werden, da landwirtschaftliche Maschinen ein wichtiges Exportgut waren. Im Systemvergleich der Agrarproduktion zeigte sich, dass in der DDR die Anreize eines funktionierenden Kapitalmarktes genauso fehlten wie aufgrund der hoch subventionierten Grundnahrungsmittel Preissignale am Nachfragemarkt.<ref>Arnd Bauerkämper: Strukturwandel und Alltagsleben, Agrarwirtschaft und ländliche Gesellschaft. In: Helga Schultz, Hans-Jürgen Wagener (Hrsg.): Die DDR im Rückblick: Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur. Forschungen zur DDR-Gesellschaft. Ch. Links Verlag, Berlin 2007, ISBN 3-86153-440-1, S. 217 ff.</ref>

Mit der auf dem VIII. Parteitag der SED 1971 beschlossenen Neuausrichtung zur „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ stellte Honecker bereits zu Beginn seiner Amtszeit die Weichen für ein kostenintensives Programm erweiterter Konsumangebote und sozialer Leistungen,<ref>Die „zweite Lohntüte“, wie es bei Mählert heißt, u. a. mit billigen Wohnungen, kostenloser medizinischer Versorgung und Leistungen für Kinder (Ulrich Mählert: Kleine Geschichte der DDR. 4. überarbeitete Aufl., München 2004, S. 119).</ref> die den Staatshaushalt der DDR auf Dauer teuer zu stehen kamen und die Staatsverschuldung fortlaufend in die Höhe trieben. Der Schürer-Bericht vom Oktober 1989 zog die Bilanz dieser Entwicklung:

„Im Zeitraum seit dem VIII. Parteitag (1971) wuchs insgesamt der Verbrauch schneller als die eigenen Leistungen. Es wurde mehr verbraucht als aus eigener Produktion erwirtschaftet wurde zu Lasten der Verschuldung im NSW, die sich von 2 Mrd. VM 1970 auf 49 Mrd. VM 1989 erhöht hat. Das bedeutet, daß die Sozialpolitik seit dem VIII. Parteitag nicht in vollem Umfang auf eigenen Leistungen beruht, sondern zu einer wachsenden Verschuldung im NSW führte.“<ref name="Schuerer-Papier">Gerhard Schürer, Gerhard Beil, Alexander Schalck, Ernst Höfner, Arno Donda: Analyse der ökonomischen Lage der DDR mit Schlußfolgerungen, Vorlage für das Politbüro des Zentralkomitees der SED. 30. Oktober 1989; SAPMO-BA, DY 30/J IV 2/2A/3252 (online; abgerufen am 30. Januar 2010).</ref>

Die erste Ölkrise in den 1970er Jahren traf die DDR-Wirtschaft nicht unmittelbar. Anfangs profitierte die DDR sogar von der verzögerten Anpassung der Ölpreiserhöhungen im RGW-Handel, da sie über die Veredlung sowjetischen Erdöls mehr Devisen im Westen erwirtschaften konnte. In diese Zeit fallen auch die stärkste Wirtschaftsleistung der DDR sowie wichtige außenpolitische Erfolge und internationale Anerkennung. Zugleich wuchsen die Ausgaben für Honeckers Sozialpolitik ab 1972 ungleich stärker als das Nationaleinkommen. Als die Sowjetunion wegen eigener wirtschaftlicher Probleme dann 1981/82 ihre Rohöl-Liefermengen zu Vorzugspreisen von 19 auf 17 Mio. Tonnen verminderte, war die DDR wieder zunehmend auf die heimische Braunkohle angewiesen: eine zusätzliche Umweltbelastung.

Der wachsenden Devisennot suchte man durch Devisenbeschaffungsmaßnahmen beizukommen, etwa durch die Förderung von Außenhandelsbetrieben, durch Intershops und durch die Einnahmenerhöhung aus dem westlichen DDR-Besuchern aufgezwungenen Mindestumtausch. Dabei ging die Exportförderung zunehmend auf Kosten des inländischen Angebots an Konsumgütern und zu Lasten der betrieblichen Modernisierungsinvestitionen. Einen Sonderzweig der Devisenbewirtschaftung bildete der Bereich Kommerzielle Koordinierung, der von Schalck-Golodkowski geleitet wurde und spezielle Verbindungen zum westlichen Ausland unterhielt. Die Aktivitäten erstreckten sich auf verschiedenste Felder. Man enteignete Kunst- und Antiquitätenbesitzer in der DDR und verkaufte die Sammlungsgegenstände im Westen. Weitere Deviseneinnahmen wurden aus dem Handel mit Blutspenden erzielt, zu denen DDR-Bewohner aus Solidarität mit auswärtigen Befreiungsbewegungen angehalten wurden.<ref>Ulrich Mählert: Kleine Geschichte der DDR. 4. überarbeitete Aufl., München 2004, S. 138.</ref> Selbst die Lagerung und Entsorgung von westdeutschem Müll und Giftstoffen auf DDR-Gebiet wurde gegen Devisen ermöglicht. Als besonders einträglich in diesem Sinne erwies sich nicht zuletzt der Häftlingsfreikauf, bei dem die Bundesrepublik Deutschland der DDR für die Freilassung und Übersiedlung regimekritischer Häftlinge erkleckliche Summen zahlte. Im Zeitraum zwischen 1964 und 1989 wurden für insgesamt 33.755 Häftlinge mehr als 3,4 Milliarden DM aufgebracht.<ref>Stefan Wolle: Die heile Welt der Diktatur. Alltag und Herrschaft in der DDR 1971–1989. München 1999, S. 346 (Originalausgabe 1998).</ref> Auch Rüstungsexporte, etwa nach Afrika und in den Mittleren Osten wurden zur Devisenbeschaffung eingesetzt.<ref>„Politische Erwägungen spielten bei allen Geschäften offenbar eine untergeordnete Rolle. Während des irakisch-iranischen Konflikts beispielsweise erhielten beide Seiten Kriegsmaterial. Die DDR fungierte auch als Zwischenhändler im Auftrag von Rüstungsbeschränkungen unterworfenen Ländern.“ (Stefan Wolle: Die heile Welt der Diktatur. Alltag und Herrschaft in der DDR 1971–1989. München 1999, S. 341 (Originalausgabe 1998).)</ref>

Besondere Anstrengungen unternahm die DDR-Führung ab 1977 beim Aufbau einer eigenen Mikroelektronikindustrie mit militärischem Anwendungsschwerpunkt, in die man bis 1990 etwa 15 Milliarden DDR-Mark investierte.<ref>Die Gesamtkosten für Forschung und Entwicklung einschließlich Sachinvestitionen beliefen sich wahrscheinlich auf 50 Milliarden Mark der DDR. Siehe hierzu Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte – Von der Gründung der beiden deutschen Staaten bis zur Vereinigung 1949–1990. Bd. 5, C.H. Beck, München 2008, ISBN 3-406-52171-1, S. 99.</ref> Die Sowjetunion nahm aber die Rüstungsprodukte ab Mitte der 1980er Jahre nicht mehr ab, und die Umstellung auf rein zivile Produktion führte wegen boykottbedingter mangelnder Verfügbarkeit westlicher Basistechnologien zu absurden Kostenstrukturen.

Auch bei dem zentralen sozialpolitischen Vorhaben der Wohnraumschaffung blieb die DDR-Führung hinter den gesetzten Zielen deutlich zurück. Die Zahlenangaben etwa bei der Übergabe 1984 der zweimillionsten Neubauwohnung seit Beginn des Wohnungsbauprogramms 1971 sowie der dreimillionsten Wohnung durch Honecker 1988 waren gefälscht. In Wirklichkeit waren nur etwa zwei Drittel der besagten Neubauwohnungen geschaffen worden, während gleichzeitig die Substanz der Altbauten in Städten und Dörfern unsaniert mehr und mehr verfiel.<ref>Hermann Weber: DDR. Grundriß der Geschichte 1945–1990. Vollständig überarbeitete und ergänzte Neuauflage, Hannover 1991, S. 201 (Originalausgabe 1976).</ref>

Die staatlichen Investitionsprogramme konnten ein immer weiteres Zurückfallen der DDR-Wirtschaft hinter den technischen Fortschritt nicht verhindern.<ref>Vgl. Albrecht Ritschl: Aufstieg und Niedergang der Wirtschaft der DDR – Ein Zahlenbild 1945–1989. In: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1995, Heft 2, S. 11–46; Jeffrey Kopstein, The Politics of Economic Decline in East Germany, London 1997.</ref> Negativ wirkte sich hierbei vor allem die Ineffektivität der Planwirtschaft<ref>Vgl. Christoph Buchheim: Die Wirtschaftsordnung als Barriere des gesamtwirtschaftlichen Wachstums in der DDR. In: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 82 (1995), S. 194–210.</ref> sowie die Innovationsschwäche der DDR-Wirtschaft<ref>Hans-Jürgen Wagener: Zur Innovationsschwäche der DDR-Wirtschaft. In: Johannes Bähr, Dietmar Petzina (Hrsg.): Innovationsverhalten und Entscheidungsstrukturen. Vergleichende Studien zur wirtschaftlichen Entwicklung im geteilten Deutschland 1945–1990. Berlin 1996, S. 21–48.</ref> aus. Alle wirtschaftlichen Reformbemühungen, die seit der Ära Ulbricht dem Überholen der Bundesrepublik gegolten hatten, blieben vergeblich. Der Vergleichswert in Bezug auf das reale Bruttoinlandsprodukt je Einwohner, das 1950 in der DDR noch bei 50 Prozent im Verhältnis zur Bundesrepublik gelegen hatte, lag 1985 nur mehr bei 36 Prozent. Am Ende betrug der Modernisierungsrückstand der DDR-Wirtschaft im innerdeutschen Vergleich laut Klaus Schroeder mindestens 20 Jahre.<ref>Klaus Schroeder: Der SED-Staat. Partei, Staat und Gesellschaft 1949–1990. München 2000, S. 510 f. (Originalausgabe 1998).</ref> Unmittelbar vor seiner Absetzbewegung nach Westdeutschland prophezeite Schalck-Golodkowski dem Vorsitzenden der SED-Parteikontrollkommission, Werner Eberlein, Anfang Dezember 1989 brieflich, dass zum Jahresende oder bald danach die Zahlungsunfähigkeit der DDR eintreten werde.<ref>Stefan Wolle: Die heile Welt der Diktatur. Alltag und Herrschaft in der DDR 1971–1989. München 1999, S. 333 (Originalausgabe 1998).</ref> Die tatsächliche Auslandsverschuldung war der Wirtschaftsführung aufgrund der DDR-internen Informationsverschleierung nicht bekannt. Wegen geheim gehaltener Außenstände und Devisenreserven, die unter anderem vom Bereich Kommerzielle Koordinierung angelegt worden waren, wurde sie von Schürer seinerzeit deutlich zu hoch angesetzt.<ref>André Steiner: Von Plan zu Plan. Eine Wirtschaftsgeschichte der DDR. Aufbau Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-7466-8153-5, S. 224 f.</ref>

Auch die finanzielle Ausstattung der Betriebe war in den 1980er Jahren zunehmend ungünstig.<ref>„Die Geldmenge ist durch die enorme Ausdehnung der Kreditbelastung der Wirtschaft, durch verdeckte Haushaltsverschuldung und uneffektiven Außenhandel disproportional ausgedehnt.“ – Autorenkollektiv der Sektion Wirtschaftswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin, Geld, Kredit und Finanzen in der Wirtschaftsreform, in: Finanzwirtschaft, 1–2/1990, S. 11 f., zit. in Dietrich Miller, Zur Wert und Kostentheorie des realen Sozialismus und ihrer Praxis in der Wirtschaft der DDR, in: Deutschland Archiv 3/2011 (online).</ref> Honeckers ‘Konsumsozialismus’<ref>I.e. „die Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ – Werner Krolikowski am 24. Oktober 1980; zit. nach Malycha: Ungeschminkte Wahrheiten. VfZ 59 (2011), Heft 2, S. 294.</ref> hatte die Gewinne der Betriebe großzügig in den Staatshaushalt eingestellt und ihnen Investitionen, einschließlich solcher für betriebsfremde Leistungen wie z. B. FDGB-Ferienheime,<ref>Jörg Roessler: Betriebliche Sozialpolitik. In: Ostdeutsche Wirtschaft im Umbruch 1970–2000. Bonn 2003, S. 22 ff.</ref> als Kredite in Rechnung gestellt.<ref>„Durch die Abführung von produktgebundenen Abgaben (PA) und Produktionsfondsabgaben (PFA) an den Staatshaushalt sowie durch beauflagte Nettogewinnabführungen wurde der größte Teil des in den Wirtschaftseinheiten erarbeiteten Mehrprodukts im Staatshaushalt als sog. ‚zentralisiertes Reineinkommen‘ konzentriert. Eigenverantwortung und Finanzkraft der Wirtschaftseinheiten blieben entsprechend beschränkt.“ – Dietrich Miller: Zur Wert und Kostentheorie des realen Sozialismus und ihrer Praxis in der Wirtschaft der DDR. In: Deutschland Archiv 3/2011 (online).</ref><ref>André Steiner: Von Plan zu Plan. Eine Wirtschaftsgeschichte der DDR. München 2004, ISBN 3-421-05590-4; Bonn 2007, S. 204.</ref> So beliefen sich die Schulden der volkseigenen Betriebe bei der Staatsbank 1989 auf 260 Milliarden Mark.<ref>Gerlinde Sinn, Hans-Werner Sinn: Kaltstart. Tübingen 1992, ISBN 978-3-16-145869-9; dtv Ausgabe 1993, S. 276.</ref> Zudem führte steigender Reparaturaufwand zu sinkenden Ersatzinvestitionen und daher zu Kapitalverschleiß.<ref>André Steiner: Von Plan zu Plan. Eine Wirtschaftsgeschichte der DDR. München 2004, ISBN 3-421-05590-4; Bonn 2007, S. 179.</ref> Weitere betriebsfremde Leistungen wie Betriebskampfgruppen (KG) und Betriebsparteiorganisationen (BPO) blähten die Verwaltungen unnötig auf und belasteten die Betriebe zusätzlich. Ein selbsttragender Aufschwung in der DDR wäre daher nur mit extremer Konsumeinschränkung möglich gewesen.

„Der ökonomische Kollaps deutete sich 1981 an und wurde 1983 offensichtlich. mit allen Mitteln einer kolonialen Neugründung durchgesetzt wurde“.<ref>Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 5: Bundesrepublik Deutschland und DDR 1949–1990. C.H. Beck, München 2008, S. 23.</ref> Die im Totalitarismusbegriff implizierte Ähnlichkeit zum NS-Regime wird von Karl Dietrich Bracher herausgestrichen, der die DDR als „zweite deutsche Diktatur“ (nach der der Nationalsozialisten) bezeichnet.<ref>Karl Dietrich Bracher: Die totalitäre Erfahrung. Geschichte als Erfahrung. Betrachtungen zum 20. Jahrhundert. DVA, Stuttgart 2001, S. 123, 145 u. ö.</ref>

Andere betrachten den Totalitarismusbegriff als nur eingeschränkt auf die DDR anwendbar oder lehnen ihn entschieden ab. Dabei wird teilweise geltend gemacht, dass sich der Charakter des Regimes im Lauf der Zeit gewandelt habe: In der Ära Ulbricht und insbesondere während der fünfziger Jahre sei das Regime durchaus totalitär gewesen, wohingegen die Ära Honecker eher durch eine Aufweichung der Repression und des staatlichen Propagandamonopols gekennzeichnet sei. Der Politikwissenschaftler Eckhard Jesse sieht die DDR der siebziger und achtziger Jahre daher nur mehr als autoritären Staat, wenn auch mit totalitären Zügen.<ref>Eckhard Jesse: War die DDR totalitär? In: Aus Politik und Zeitgeschichte 40 (1994), S. 12–23.</ref> Zu einem ähnlichen Ergebnis war bereits 1968 der Politikwissenschaftler Peter Christian Ludz gekommen. Er versuchte nachzuweisen, dass die für moderne Industriestaaten typischen Modernisierungs- und Differenzierungsprozesse auch in sozialistischen Staaten abliefen. Im Zuge einer solchen Modernisierung sei der Machtanspruch der alten Führungselite durch eine modernere „technokratische Gegenelite“ in Frage gestellt worden, die den Herrschaftscharakter des Regimes hin zu einem „konsultativen Autoritarismus“ abgemildert habe.<ref>Peter Christian Ludz: Parteielite im Wandel, Funktionsaufbau, Sozialstruktur und Ideologie der SED-Führung. Eine empirisch-systematische Untersuchung. Westdeutscher Verlag, Köln/Opladen 1968.</ref>

Der Historiker Stefan Wolle sieht zwischen NS- und SED-Diktatur zwar zum Teil „frappierende Übereinstimmungen“ hinsichtlich Führerkult, Massenparaden, nächtlichen Fackelzügen und Art der Propagandareden, verweist aber auf strukturelle Unterschiede bei Wirtschaftsorganisation, Machtkonzentration sowie hinsichtlich der Zustimmung in der Bevölkerung und betont den vergleichsweise unblutigen Charakter des SED-Regimes, das weder rassische Verfolgungen noch einen industriell organisierten Massenmord zu verantworten habe. Diese Unterschiede machten „eine für beide sinnvolle Verwendung der Totalitarismustheorie unmöglich“.<ref>Stefan Wolle: Die heile Welt der Diktatur. Alltag und Herrschaft in der DDR 1971–1989. München 1999, S. 551–553 (Originalausgabe 1998).</ref> Auch Wolfgang Wippermann lehnt die These von der Gleichartigkeit beider Diktaturen ab, hinter der er zwei außerwissenschaftliche Absichten vermutet: Zum einen gehe es darum, das NS-Regime zu verharmlosen und die deutsche Schuld am Holocaust zu relativieren, zum anderen sei eine Dämonisierung der DDR beabsichtigt, die tagesaktuellen politischen Zwecken diene, neuerdings der Delegitimierung der Partei Die Linke.<ref>Wolfgang Wippermann: Dämonisierung durch Vergleich. DDR und Drittes Reich. Rotbuch, Berlin 2009 (Auszug online).</ref> Für den Zeithistoriker Martin Sabrow ergibt sich „die fundamentale Differenz“ zwischen NS- und SED-Regime aus den heute „universal anerkannten Normen“ menschlichen Zusammenlebens:

„Dem Nationalsozialismus ist der Glaube an die Ungleichwertigkeit der Menschen und das Recht des Stärkeren inhärent, während sich mit dem Kommunismus als politischem Manifest ungeachtet seiner strukturellen Gewaltorientierung und seines heilsgewissen Erlösungscharakters Ziele wie Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität verbinden, die mit seinem politischen Scheitern ihren Wert nicht verloren haben. Der sozialistische Traum lässt mehr Lesarten zu als der nationalsozialistische Zivilisationsbruch.“<ref>Martin Sabrow: Die DDR erinnern. In: Ders. (Hrsg.): Erinnerungsorte der DDR. München 2009, S. 15.</ref>

Gegner einer Bezeichnung der DDR als totalitär verweisen zudem darauf, dass der staatliche Zugriff auf den Einzelnen bei Weitem nicht so groß gewesen sei wie angenommen. Private oder kirchliche Zirkel und Vereine, ebenso staatsferne Milieus wie die Schrebergärten hätten vielmehr Nischen geboten, in denen sich Selbstverwirklichung, privates Glück oder sogar eine „Gegenrationalität“ habe realisieren lassen, die der staatlich verordneten Ideologie ganz andere Sinnbildungen entgegengesetzt habe.<ref>Detlef Pollack, Zonen der Autonomie, in: War die DDR eine linkstotalitäre Diktatur und eine „sowjetische Satrapie“?, FAZ.net, 29. August 2008, abgerufen am 19. Mai 2010.</ref> Der Begriff „Nischengesellschaft“ war bereits 1983 von dem Publizisten Günter Gaus geprägt worden, der von 1974 bis 1981 als Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin gelebt hatte.<ref>Günter Gaus: Nischengesellschaft. In: Ders. Wo Deutschland liegt. Eine Ortsbestimmung. Hoffmann und Campe, Hamburg 1983, S. 156–233.</ref>

Partizipatorische Diktatur

Die Londoner Zeithistorikerin Mary Fulbrook stellt die repressiven Züge des SED-Regimes der Vielzahl der an seinem Funktionieren Beteiligten gegenüber und bringt das Ganze auf den Begriff der „partizipatorischen Diktatur“. Ungezählte ehrenamtlich wirkende Funktionäre in einem Großgeflecht regimenaher Organisationen seien in den 1970er und 1980er Jahren von „einem ganz erheblichen Anteil der Bevölkerung“ als selbstverständlich hingenommen worden in ihrem systemtreuen Auftreten und Handeln, durch das sie teilhatten an den „Mikrostrukturen der Macht“. Laut Fulbrook war die große Mehrheit der Ostdeutschen in ein System verwickelt, „an dem sie sich beteiligen mussten; und aufgrund ihrer Partizipation wurden sie selbst verändert. Es war daher letzten Endes eine Diktatur, die durch das Agieren und Interagieren der großen Mehrheit der Bevölkerung aufrechterhalten wurde.“ Viele Menschen in der DDR hätten nie Veranlassung gehabt, gegen die Landes- und Systemgrenzen anzurennen, und meinten daher, ein „ganz normales Leben“ führen zu können.<ref>Mary Fulbrook: Ein ganz normales Leben. Alltag und Gesellschaft in der DDR. Darmstadt 2008, S. 251, 309, 314 (engl. Originalausgabe: New Haven and London 2005).</ref>

Unrechtsstaat

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Einen weiteren Versuch, den Charakter der DDR terminologisch zu fassen, stellt der Begriff Unrechtsstaat dar, der im Zusammenhang mit einer umstrittenen Äußerung des Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern Erwin Sellering im Frühjahr 2009 in den deutschen Massenmedien diskutiert wurde.<ref>Erwin Sellering im Gespräch: „DDR war kein totaler Unrechtsstaat“, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 22. März 2009 (abgerufen am 20. Mai 2010); Armin Fuhrer, Politische Strafjustiz: Die DDR war ein Unrechtsstaat, in: Focus Online vom 24. März 2009 (abgerufen am 20. Mai 2010); Christiane Kohl, Debatte über DDR-Vergangenheit – „Ein glatter Unrechtsstaat“, in: Süddeutsche Zeitung vom 6 April 2009 (abgerufen am 11. November 2012).</ref> Von wissenschaftlicher Seite wurde eingewandt, dass er die Lebenswirklichkeit der DDR-Bürger ausklammere, die zum Teil keine oder kaum Erfahrung mit dem staatlichen Repressionsapparat gemacht hätten, sondern die sozialen Errungenschaften durchaus schätzten, die sich mit Honeckers Schlagwort von der Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik bezeichnen ließen.

Fürsorgediktatur

Zur Erfassung sowohl der sozialen als auch der repressiven Aspekte des Regimes verwendet der deutsch-amerikanische Historiker Konrad Jarausch den Begriff der „Fürsorgediktatur“.<ref>Konrad H. Jarausch: Realer Sozialismus als Fürsorgediktatur. Zur begrifflichen Einordnung der DDR. In: Aus Politik und Zeitgeschichte B20 (1998), S. 33–46; ders., Fürsorgediktatur auf docupedia, abgerufen am 18. Mai 2010.</ref>

Doppelstaat

Die Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan schlägt vor, die DDR in Anlehnung an Ernst Fraenkel als „Doppelstaat“ zu charakterisieren. Wie im nationalsozialistischen Deutschland habe es auch in der DDR neben dem „Normenstaat“ einen „Maßnahmenstaat“ gegeben: Während sich ersterer im Rahmen einer bestehenden Rechtsordnung um das reibungslose Funktionieren von Wirtschaft und Gesellschaft kümmerte, sei es dem Maßnahmenstaat um die Durchsetzung der Ideologie gegangen. Zu diesem Zweck habe er die rechtsstaatliche Ordnung jederzeit außer Kraft setzen können. Ein Rechtsstaat sei die DDR also nicht gewesen, ihre einseitige Beschreibung als „Unrechtsstaat“ stelle aber Arbeit und Leben sämtlicher ehemaligen DDR-Bürger unter einen moralischen Generalverdacht.<ref>Gesine Schwan: Diktatur: In der Falle des Totalitarismus. In: Die Zeit vom 25. Juni 2009 (online, abgerufen am 18. Mai 2010).</ref>

Siehe auch

Portal Portal: DDR – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema DDR

Literatur

Weblinks

Commons Commons: DDR – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary Wiktionary: DDR – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wikiquote  Wikiquote: DDR – Zitate

Einzelnachweise

<references />

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